Es ist der Gedanke aufgetaucht, daß die
Knicks in der heutigen Zeit ihre Berechtigung verloren hätten,
sowie daß die Knicks ohne hohes geschichtliches Alter wären und
somit kein Anlaß sei, sie beizubehalten. Allerlei Ungünstiges
wird den Knicks in solchen Zusammenhängen vorgeworfen.
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Es sei aber ein Hinweis auf die Geschichte
der Knicks gegeben, weil er zu einem tieferen Verständnis des Wertes der Knicks
und auch des Wertes unserer Vorfahren hinleiten kann. Ganz gewiß haben die
Knicks in der Zeit vor rd. 100-150 Jahren eine
außerordentliche Vermehrung erfahren; daß sie aber damals überhaupt erst
erfunden worden seien, gewissermaßen als eine Art "Mode", ist nicht richtig. Die
Heckenpflanzung zur Einfriedigung ist sicherlich ein älterer Brauch, und vieles
spricht dafür, daß sie in die germanische Vorzeit zurückreicht, namentlich im
Norden und Nordwesten unseres deutschen Vaterlandes.
Es gibt Gegenden in Deutschland und auch anderwärts, in denen knickähnliche
Heckenzüge wie von selbst entstehen, wenn man überhaupt nach einer höheren Form
der Weidewirtschaft oder gar nach Ackerbau strebt. Man muß dort die großen
Steine von den Kulturflächen abräumen, und diese seitlich hingeworfenen Steine
besiedeln sich in baumwüchsigem Klima bald mit Buschwerk, das zur Freihaltung
der Äcker vor übermäßiger Schattenwirkung und sonstiger Verwilderung immer
wieder abgeholzt werden muß. In einer Reihe von germanischen Landschaften war
aber diese unabsichtliche Entstehung nach allem, was man wissen kann, nicht oder
nicht allein maßgebend, sondern man legte Hecken aus den Rechtsanschauungen der
damaligen Menschen heraus an. Die Hecke war ein Mittel, um Besitzgrenzen
festzulegen, und das war für die alten Zeiten des Odals durchaus keine nur
nüchterne, sondern eine weihevolle Angelegenheit. Diese Abgrenzung des Bodens
steht im Zusammenhang damit, daß damals Weihestätten, Thingplätze und Orte der
Rechtspflege vielfach mit Hecken (in vielen Fällen Haselhecken) eingesäumt
wurden.
Es ist in diesem Rahmen leider nicht möglich, auszuführen, wie sich bei unseren
Ahnen in einer tief bedeutungsvollen Weise das Gefühl der Heiligung einer Stätte
unter freiem Himmel mit dem Rechtsempfinden einerseits, mit dem Naturverständnis
und der Naturverehrung andererseits zusammengelagert hat. Ein Volk, das nicht
nur Gedenksteine, sondern Gedenkbäume pflanzte, setzte auch nicht nur
Grenzmauern, sondern lebende Hecken. Die Hecke blieb nicht wildes Buschwerk,
sondern wurde ein vielseitiges Kulturhilfsmittel. Der Mensch wendete besondere
Arbeit auf, um sie zu schaffen und zu erhalten.
Wenn heute festgestellt wird, daß ungezählte Knicks in Schleswig-Holstein
angelegt wurden, als die Landbesitzverhältnisse sich vor 100 bis
150 Jahren geändert haben, so sollte man verstehen, daß damals für
die neuen Besitzer das Anlegen von Knicks eine Art Besitzergreifung war. Man
denke sich hinein in die Lage eines ehedem abhängigen Zwergbesitzers oder
Gutsarbeiters jener Zeit - neue Rechtsverhältnisse gaben ihm endlich die
ersehnte eigene Scholle und Eigennahrung - uralte Volkserinnerungen wurden wach:
durch Hecken und Knicks wurde die Einfriedigung mit erhebendem Selbstgefühl
vollzogen.
Daß aber anstatt einfacher Hecken dauerhafte Knicks mit Wall und Seitengräben in
einer oft ganz unerwartet sorgfältigen Ausführung gestaltet wurden, sollte zu
weiterem ernsten Nachdenken auffordern.
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Die verdienstvollen Bahnbrecher der
landwirtschaftlichen Fortschritte der deutschen Klassik vor 100
bis 150 Jahren, wie namentlich J. N. v. Schwerz, haben davor
gewarnt, daß man sich über schwerverständliche bäuerliche Gepflogenheiten lustig
mache, besonders dann, wenn irgendwo große Mühe aufgewendet wird, um
"Unverständliches" zu schaffen. Es verbirgt sich hinter solchen Schöpfungen des
Bauerntums oft ein entscheidender Nutzen im Naturhaushalt, der den Alten
irgendwie bekannt und geläufig war und nur der Neuzeit aus dem Bewußtsein
entfallen ist.
Bei dem Forschen nach dem Nutzen der Wallhecken darf man keinesfalls in den
Fehler verfallen, einseitige Berechnungen anzustellen, wie sie oft im Zeitalter
der Konjunkturwirtschaft für einzelne Bestandteile des landwirtschaftlichen
Betriebes angestellt worden sind. Die Wissenschaft weiß heute, daß solche
rationalistischen Sonderberechnungen leicht großen Irrtümern unterliegen können.
Wenn einzelne meinen, das Backholz, das die Knicks liefern, sei von geringer
Bedeutung und lohne die Arbeit kaum, so wird mit Recht geantwortet, daß die
Gewinnung dieses Backholzes im landwirtschaftlichen Gesamtorganismus unter
Beachtung der unentbehrlichen Winterarbeitsbeschaffnng sehr billig sei. Bei
Zukauf von fremden Heizstoffen wird der Bauer nicht nur in die Geldwirtschaft
stark hineingezogen, sondern auch seiner Urwüchsigkeit entfremdet. Man sagt, daß
in den Knicks manche tierischen Schädlinge wohnen. Man sollte aber daneben in
Rechnung stellen, daß auch deren natürliche Feinde im Knick wohnen, welche mit
seltenen Ausnahmen den Schaden sehr kurz halten. Man erkennt heute, daß dieses
"Kurzhalten" besser ist, als das Streben nach "Ausrottung" der Schädlinge,
welches nur zu häufig höchst fragwürdige, naturzerstörende Nebenwirkungen
hervorgebracht hat. Jedenfalls ist der Knick ein vorzügliches Hilfsmittel des
Vogelschutzes durch seine Nist- und Futtergelegenheiten. Wenn man meint, daß die
Hecken für das Weidevieh kaum wertvoll seien, so vergißt man, daß in Deutschland
nicht ständig gleichbleibendes Wetter herrscht, wie in manchen Erdgegenden, wo
man sich mit Stacheldraht mehr schlecht als recht behelfen kann. Gerade bei
unausgeglichener Witterung, die in unserem Klima nur zu häufig ist, offenbart
der Knick seine Bedeutung für das Vieh bei Sonnenglut, bei starkem Winde,
namentlich in den Übergangssahreszeiten.
Es sollte auch Besinnung auslösen, daß in einer Reihe von altberühmten
europäischen Viehzuchtgegenden auch außerhalb SchleswigHolsteins noch heute ein
starker Heckenbesatz da ist. Es ist für die Gesundheit und Nervenkraft eines
Viehschlages auf die Dauer von Bedeutung, daß die Tiere ihren Naturinstinkt in
freier Futterwahl betätigen können - andernfalls tritt Abstumpfung der Sinne
ein. An den Knicks können die Tiere in gewissem Maße zu ihrem gewöhnlichen
Futter hinzu Würzfutter aufnehmen zur Abwechslung des Geschmacks. Dazu kommt es,
daß bei zahlreichen Unpäßlichkeiten, die sich sonst zu Krankheiten auswachsen
können, die Tiere sich an einem Knick mit verschiedenartigen Straucharten von
selbst kurieren. Der Heilinstinkt kann sich hier betätigen. Knospen, Jungtriebe
und Rinden zahlreicher
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einheimischer Sträucher waren ehedem Bestandteil der Tierarzneien
und auch des volkstümlichen Heilschatzes bei menschlichen Krankheiten. Sie
könnten es noch immer sein und sind es auch auf den Weideplätzen, die mit
reichentwickelten Knicks umsäumt sind. Schade ist nur, daß sich manche Knicks
nicht in der Verfassung befinden, welche den Nutzen in dieser Richtung
sicherstellt. Aber an und für sich bilden die gemischten Hecken ein naturgemäßes
Hilfsmittel einer hochentwickelten Viehzucht, das eilends erfunden werden müßte,
wenn es noch nicht erfunden wäre.
Man verzeihe, wenn von der Aufzucht des Viehs aus auch auf das Heranwachsen der
menschlichen Generationen aufmerksam gemacht wird! Bei einer Aussprache über
Heckenpflanzungen zum Zwecke naturgemäßer Schädlingsbekämpfung mittels
Vogelschutz hat ein Gärtner am Bodensee einmal in tiefcrgreifender Weise
ausgeführt, was in seiner Jugend die Hecken bedeuteten für die Spiele, die zur
Ertüchtigung der Jugend und zur Entwicklung des vollen Heimatgefühls bekanntlich
unentbehrlich sind. Was liefern die Hecken an Verstecken, an Kampfplätzen, an
Waffen, an Schmuck ...? Es ist die Sorge der heutigen Erzieher, wie sie in einer
allzu nüchternen Naturumgebung schöpferische Menschen heranbilden sollen. Man
ernüchtere die Landschaft durch Abhacken der Hecken, und man beraubt das Volk
einer ihrer Jugendlebensquellen!
Aber sind die Hecken nur etwas für die Seele der phantasiebegabten Jugend? Wer
einmal die Steppenlandschaften des europäischen Ostens kennengelernt hat oder
auch die Kultensteppen, die in manchen deutschen Gegenden durch Ausrotten von
Baum und Strauch zustande gekommen sind, der wird wissen, wie dort der Mensch
leicht von der Landschaft und der Unendlichkeit des Himmelsraumes seelisch
gedrückt und melancholisch gestimmt wird. Es schleicht sich angesichts der
ungegliederten Unendlichkeit das Gefühl der persönlichen Bedeutungslosigkeit ein
und dann das ermüdende Gefühl, daß man mit der Arbeit doch nie fertig werde. Dem
gegenüber gleicht die Arbeit auf Feldschlägen, die von gepflegten Hecken umzogen
sind, der Arbeit in einer Stube im Hause daheim. Die Raumgestaltung bewirkt die
Empfindung der Heimlichkeit und Geborgenheit.
Allerdings wäre es zur Erreichung dieses Zieles nicht nötig, die Knicks
schematisch überallhin gleichmäßig zu ziehen. Durchblicke könnten häufiger als
üblich geöffnet werden Möglichkeiten zu einer Abersicht über die Landschaft
sollten geschaffen werden. Der Charakter einer Parklandschaft könnte solcherart
noch stärker als bisher mit der Knicklandschaft erzielt werden.
Die Knicks in Schleswig-Holstein bringen überall in der Feldmark das Gefühl des
Behütetseins hervor, das man sonst nur in Gärten hat. Eigentlich stellen sogar
die knickumzogenen Viehkoppeln Weidegärten dar. Das Gefühl des Geborgenseins in
gepflegter Feldflur ist innerhalb der Knicks vorhanden trotz deren starker
Urwüchsigkeit. Man steht vor der Frage, ob unsere Vorfahren mit den Knicks nicht
das echt germanische Bedürfnis befriedigen wollten, Wald in unmittelbarer Nähe
zu haben, so daß die Knicks eigentlich Mischwald in be-
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sonders gelichteter Form vorstellen. Um diesem streifenförmigen
Wald urwüchsige Triebkraft zu geben, setzte man ihn auf Wälle, denn der Wall
oder die Hügelpflanznng ist ein bäuerliches Hilfsmittel zu besonderer
Wachstumsförderung.
Die seitlichen Gräben verhindern ungünstige Wassereinwirkung, wie sie überhaupt
für die Wasserführung wertvolle Aufgaben in der Feldmark übernehmen. Der Wall,
auf dem die Hecke sitzt, und die Arbeit, die er einst gemacht hat, zeichnen den
Knick ganz besonders von anderen, flachsitzenden Hecken als eine Kulturschöpfung
aus.
Daß sich bei der Betrachtung der knickumsäumten Koppeln ein Seitenblick nach dem
Garten ergab, ist nach einer weiteren Richtung hin aufschlußreich. Das
Einschließen eines Gartens geschieht nicht nur zum Abhalten von fremden Menschen
und Tieren, sondern namentlich auch zur Schaffung von stiller Luft, zur
Erzielung des milden Gartenklimas. Wo man intensives Pflanzenwachstum haben
will, darf man namentlich in stürmischen Landstrichen der Luft kein allzu freies
Spiel gestatten. Man hat heute in der Landwirtschaft wiederum die Wichtigkeit
des Humus erkannt und weiß, daß die "alte Kraft" des Bodens nur mit organischen
Düngern auf der Höhe gehalten werden kann. Aber der wertvolle Kohlenstoffgehalt
des Humus wirkt zum geringsten Teil unmittelbar durch die Wurzeln der Pflanzen,
sondern er verwandelt sich in Kohlensäuregehalt der Bodenluft, die von unten her
aufsteigend zur Assimilation der Pflanzen, diesem entscheidenden
Ernährungsvorgang, zur Verfügung steht. Werden die aufsteigenden Bodendünste von
starker Luftbewegung fortgeführt, so ist ein großer Teil des Naturdüngers
buchstäblich "in den Wind getan". Namhafte Forscher haben hierauf aufmerksam
gemacht, werden aber noch viel zu wenig gehört. Bei freiem Aufprall des Windes
kann der Boden geradezu "aushagern", d. h. einer Verarmung anheim fallen.
Blicken wir nun auf die Tatsache hin, daß unsere Väter vor 100 bis
150 Jahren ausgesprochene Humuswirtschaft betrieben haben, so
werden wir über deren Knickspflanzungen ein anderes Urteil als bisher gewinnen.
Die Knicks können als Bestandteil des Rüstzeuges der landwirtschaftlichen
Ertragssteigerung mit naturgemäßen Hilfsmitteln gelten - sie sind eine Art
Krönung bäuerlicher Humusbewirtschaftung.
Ist es unverständlich, daß den begeisterten Knickspflanzern schließlich
Übertreibungen unterlaufen sind? Schon um 1860 wurden Klagen laut,
daß in sehr stark mit Knicks durchzogenen Gegenden der Schnee zu lange liegen
blieb, daß die Wege ständig feucht waren, der Roggen zu spät reifte und die
geernteten Feldfrüchte mangelhaft abtrockneten. Damals haben
Forschungskommissionen den Zustand untersucht und festgestellt, daß man das
Heckennetzwerk keinesfalls enger ziehen sollte, als mit einem Mascheninhalt von
zwei Tonnen Landes!
Aber gerade aus der Übertreibung ist eine außerordentlich wertvolle Erkenntnis
zu schöpfen. Man hat in der dichteren oder lockeren Ausgestaltung eines
Heckennetzwerkes ein Hilfsmittel der Klimabeherrschung in der Hand. Man kann
damit Wirkungen erzielen, die man sonst nur durch Anlage von Mischwäldern
erreichen kann, ohne jedoch die Flächen der Weide- oder Ackerwirtschaft
vollständig zu entziehen.
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Man kann trockene Gegenden damit saftig machen und kann schroffe Klimagegensätze
abmildern. Das ist der Grund, warum heute von strebsamen Landwirten im Osten
Deutschlands die Heckenpflanzung neu aufgegriffen wird - namentlich nach den
Dürreerfahrungen des Jahres 1934. So hat z. B. ein kleiner
Gutsbetrieb in der Mark (Marienhöhe bei Bad Saarow), der nach der
biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise arbeitet, in den letzten Jahren rund
3 Klm. Hecken neu angelegt, um Windschutz zu schaffen und auf den
trockenen, sandigen Kulturflächen den Wasserhaushalt günstig zu beeinflussen.
Überhaupt ist man in vielen Gegenden der Welt heute daran, sich die
segensreichen Klimaeinflüsse nutzbar zu machen, die von Heckenzügen oder in noch
größerem Maßstab von schmalen Waldstreifen ausgehen, sowohl in Rußland wie auch
in Nordamerika, da man infolge sinnlosen Abholzens der Wälder vor
Klimakatastrophen steht.
Es wäre wohl zu sonderbar, wenn man jetzt in Schleswig-Holstein gewissen
übertriebenen Vorschlägen nach Beseitigung der Knicks nachgeben würde, während
anderwärts der Grundgedanke der Knicks eine Art Siegeszug antritt. Man muß aber
den Angriffen auf vorhandene gelegentliche Schadenwirkungen der Knicks in
weitherziger Weise dankbar sein, weil sie dazu ermahnen, daß man nicht im
Altüberkommenen stehen bleibe, sondern es fortbilde zu höchster Vollkommenheit.
Der Wert der Knicks wird besonders dort in neuer Weise sichtbar werden, wo man
sich nicht versteift, schematisch angelegte Knicks unnachgiebig zu verteidigen,
sondern wo man wohldurchdacht ein gedrängtes Heckennetzwerk auslichtet,
eingeengte Wege freilegt, Durchblicke öffnet und dergl. mehr. Schleswig-Holstein
wird dauernd stolz sein dürfen, in seinen Knicks ein deutsches, vielseitig
wirkendes Intensivkulturmittel zu höchster Ausbildung gebracht zu haben, wenn
das Goethewort beachtet wird:
"Was du ererbt von deinen Vätern
hast,
Erwirb es stets aufs Neu, es zu besitzen." |
F. Dreidar.
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