Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1936


[F. Dreidar]

Wert oder Unwert der Knicks.
 

Es ist der Gedanke aufgetaucht, daß die Knicks in der heutigen Zeit ihre Berechtigung verloren hätten, sowie daß die Knicks ohne hohes geschichtliches Alter wären und somit kein Anlaß sei, sie beizubehalten. Allerlei Ungünstiges wird den Knicks in solchen Zusammenhängen vorgeworfen.


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Es sei aber ein Hinweis auf die Geschichte der Knicks gegeben, weil er zu einem tieferen Verständnis des Wertes der Knicks und auch des Wertes unserer Vorfahren hinleiten kann. Ganz gewiß haben die Knicks in der Zeit vor rd. 100-150 Jahren eine außerordentliche Vermehrung erfahren; daß sie aber damals überhaupt erst erfunden worden seien, gewissermaßen als eine Art "Mode", ist nicht richtig. Die Heckenpflanzung zur Einfriedigung ist sicherlich ein älterer Brauch, und vieles spricht dafür, daß sie in die germanische Vorzeit zurückreicht, namentlich im Norden und Nordwesten unseres deutschen Vaterlandes.

Es gibt Gegenden in Deutschland und auch anderwärts, in denen knickähnliche Heckenzüge wie von selbst entstehen, wenn man überhaupt nach einer höheren Form der Weidewirtschaft oder gar nach Ackerbau strebt. Man muß dort die großen Steine von den Kulturflächen abräumen, und diese seitlich hingeworfenen Steine besiedeln sich in baumwüchsigem Klima bald mit Buschwerk, das zur Freihaltung der Äcker vor übermäßiger Schattenwirkung und sonstiger Verwilderung immer wieder abgeholzt werden muß. In einer Reihe von germanischen Landschaften war aber diese unabsichtliche Entstehung nach allem, was man wissen kann, nicht oder nicht allein maßgebend, sondern man legte Hecken aus den Rechtsanschauungen der damaligen Menschen heraus an. Die Hecke war ein Mittel, um Besitzgrenzen festzulegen, und das war für die alten Zeiten des Odals durchaus keine nur nüchterne, sondern eine weihevolle Angelegenheit. Diese Abgrenzung des Bodens steht im Zusammenhang damit, daß damals Weihestätten, Thingplätze und Orte der Rechtspflege vielfach mit Hecken (in vielen Fällen Haselhecken) eingesäumt wurden.

Es ist in diesem Rahmen leider nicht möglich, auszuführen, wie sich bei unseren Ahnen in einer tief bedeutungsvollen Weise das Gefühl der Heiligung einer Stätte unter freiem Himmel mit dem Rechtsempfinden einerseits, mit dem Naturverständnis und der Naturverehrung andererseits zusammengelagert hat. Ein Volk, das nicht nur Gedenksteine, sondern Gedenkbäume pflanzte, setzte auch nicht nur Grenzmauern, sondern lebende Hecken. Die Hecke blieb nicht wildes Buschwerk, sondern wurde ein vielseitiges Kulturhilfsmittel. Der Mensch wendete besondere Arbeit auf, um sie zu schaffen und zu erhalten.

Wenn heute festgestellt wird, daß ungezählte Knicks in Schleswig-Holstein angelegt wurden, als die Landbesitzverhältnisse sich vor 100 bis 150 Jahren geändert haben, so sollte man verstehen, daß damals für die neuen Besitzer das Anlegen von Knicks eine Art Besitzergreifung war. Man denke sich hinein in die Lage eines ehedem abhängigen Zwergbesitzers oder Gutsarbeiters jener Zeit - neue Rechtsverhältnisse gaben ihm endlich die ersehnte eigene Scholle und Eigennahrung - uralte Volkserinnerungen wurden wach: durch Hecken und Knicks wurde die Einfriedigung mit erhebendem Selbstgefühl vollzogen.

Daß aber anstatt einfacher Hecken dauerhafte Knicks mit Wall und Seitengräben in einer oft ganz unerwartet sorgfältigen Ausführung gestaltet wurden, sollte zu weiterem ernsten Nachdenken auffordern.


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Die verdienstvollen Bahnbrecher der landwirtschaftlichen Fortschritte der deutschen Klassik vor 100 bis 150 Jahren, wie namentlich J. N. v. Schwerz, haben davor gewarnt, daß man sich über schwerverständliche bäuerliche Gepflogenheiten lustig mache, besonders dann, wenn irgendwo große Mühe aufgewendet wird, um "Unverständliches" zu schaffen. Es verbirgt sich hinter solchen Schöpfungen des Bauerntums oft ein entscheidender Nutzen im Naturhaushalt, der den Alten irgendwie bekannt und geläufig war und nur der Neuzeit aus dem Bewußtsein entfallen ist.

Bei dem Forschen nach dem Nutzen der Wallhecken darf man keinesfalls in den Fehler verfallen, einseitige Berechnungen anzustellen, wie sie oft im Zeitalter der Konjunkturwirtschaft für einzelne Bestandteile des landwirtschaftlichen Betriebes angestellt worden sind. Die Wissenschaft weiß heute, daß solche rationalistischen Sonderberechnungen leicht großen Irrtümern unterliegen können. Wenn einzelne meinen, das Backholz, das die Knicks liefern, sei von geringer Bedeutung und lohne die Arbeit kaum, so wird mit Recht geantwortet, daß die Gewinnung dieses Backholzes im landwirtschaftlichen Gesamtorganismus unter Beachtung der unentbehrlichen Winterarbeitsbeschaffnng sehr billig sei. Bei Zukauf von fremden Heizstoffen wird der Bauer nicht nur in die Geldwirtschaft stark hineingezogen, sondern auch seiner Urwüchsigkeit entfremdet. Man sagt, daß in den Knicks manche tierischen Schädlinge wohnen. Man sollte aber daneben in Rechnung stellen, daß auch deren natürliche Feinde im Knick wohnen, welche mit seltenen Ausnahmen den Schaden sehr kurz halten. Man erkennt heute, daß dieses "Kurzhalten" besser ist, als das Streben nach "Ausrottung" der Schädlinge, welches nur zu häufig höchst fragwürdige, naturzerstörende Nebenwirkungen hervorgebracht hat. Jedenfalls ist der Knick ein vorzügliches Hilfsmittel des Vogelschutzes durch seine Nist- und Futtergelegenheiten. Wenn man meint, daß die Hecken für das Weidevieh kaum wertvoll seien, so vergißt man, daß in Deutschland nicht ständig gleichbleibendes Wetter herrscht, wie in manchen Erdgegenden, wo man sich mit Stacheldraht mehr schlecht als recht behelfen kann. Gerade bei unausgeglichener Witterung, die in unserem Klima nur zu häufig ist, offenbart der Knick seine Bedeutung für das Vieh bei Sonnenglut, bei starkem Winde, namentlich in den Übergangssahreszeiten.

Es sollte auch Besinnung auslösen, daß in einer Reihe von altberühmten europäischen Viehzuchtgegenden auch außerhalb Schleswig­Holsteins noch heute ein starker Heckenbesatz da ist. Es ist für die Gesundheit und Nervenkraft eines Viehschlages auf die Dauer von Bedeutung, daß die Tiere ihren Naturinstinkt in freier Futterwahl betätigen können - andernfalls tritt Abstumpfung der Sinne ein. An den Knicks können die Tiere in gewissem Maße zu ihrem gewöhnlichen Futter hinzu Würzfutter aufnehmen zur Abwechslung des Geschmacks. Dazu kommt es, daß bei zahlreichen Unpäßlichkeiten, die sich sonst zu Krankheiten auswachsen können, die Tiere sich an einem Knick mit verschiedenartigen Straucharten von selbst kurieren. Der Heilinstinkt kann sich hier betätigen. Knospen, Jungtriebe und Rinden zahlreicher
 

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einheimischer Sträucher waren ehedem Bestandteil der Tierarzneien und auch des volkstümlichen Heilschatzes bei menschlichen Krankheiten. Sie könnten es noch immer sein und sind es auch auf den Weideplätzen, die mit reichentwickelten Knicks umsäumt sind. Schade ist nur, daß sich manche Knicks nicht in der Verfassung befinden, welche den Nutzen in dieser Richtung sicherstellt. Aber an und für sich bilden die gemischten Hecken ein naturgemäßes Hilfsmittel einer hochentwickelten Viehzucht, das eilends erfunden werden müßte, wenn es noch nicht erfunden wäre.

Man verzeihe, wenn von der Aufzucht des Viehs aus auch auf das Heranwachsen der menschlichen Generationen aufmerksam gemacht wird! Bei einer Aussprache über Heckenpflanzungen zum Zwecke naturgemäßer Schädlingsbekämpfung mittels Vogelschutz hat ein Gärtner am Bodensee einmal in tiefcrgreifender Weise ausgeführt, was in seiner Jugend die Hecken bedeuteten für die Spiele, die zur Ertüchtigung der Jugend und zur Entwicklung des vollen Heimatgefühls bekanntlich unentbehrlich sind. Was liefern die Hecken an Verstecken, an Kampfplätzen, an Waffen, an Schmuck ...? Es ist die Sorge der heutigen Erzieher, wie sie in einer allzu nüchternen Naturumgebung schöpferische Menschen heranbilden sollen. Man ernüchtere die Landschaft durch Abhacken der Hecken, und man beraubt das Volk einer ihrer Jugendlebensquellen!

Aber sind die Hecken nur etwas für die Seele der phantasiebegabten Jugend? Wer einmal die Steppenlandschaften des europäischen Ostens kennengelernt hat oder auch die Kultensteppen, die in manchen deutschen Gegenden durch Ausrotten von Baum und Strauch zustande gekommen sind, der wird wissen, wie dort der Mensch leicht von der Landschaft und der Unendlichkeit des Himmelsraumes seelisch gedrückt und melancholisch gestimmt wird. Es schleicht sich angesichts der ungegliederten Unendlichkeit das Gefühl der persönlichen Bedeutungslosigkeit ein und dann das ermüdende Gefühl, daß man mit der Arbeit doch nie fertig werde. Dem gegenüber gleicht die Arbeit auf Feldschlägen, die von gepflegten Hecken umzogen sind, der Arbeit in einer Stube im Hause daheim. Die Raumgestaltung bewirkt die Empfindung der Heimlichkeit und Geborgenheit.

Allerdings wäre es zur Erreichung dieses Zieles nicht nötig, die Knicks schematisch überallhin gleichmäßig zu ziehen. Durchblicke könnten häufiger als üblich geöffnet werden Möglichkeiten zu einer Abersicht über die Landschaft sollten geschaffen werden. Der Charakter einer Parklandschaft könnte solcherart noch stärker als bisher mit der Knicklandschaft erzielt werden.

Die Knicks in Schleswig-Holstein bringen überall in der Feldmark das Gefühl des Behütetseins hervor, das man sonst nur in Gärten hat. Eigentlich stellen sogar die knickumzogenen Viehkoppeln Weidegärten dar. Das Gefühl des Geborgenseins in gepflegter Feldflur ist innerhalb der Knicks vorhanden trotz deren starker Urwüchsigkeit. Man steht vor der Frage, ob unsere Vorfahren mit den Knicks nicht das echt germanische Bedürfnis befriedigen wollten, Wald in unmittelbarer Nähe zu haben, so daß die Knicks eigentlich Mischwald in be-


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sonders gelichteter Form vorstellen. Um diesem streifenförmigen Wald urwüchsige Triebkraft zu geben, setzte man ihn auf Wälle, denn der Wall oder die Hügelpflanznng ist ein bäuerliches Hilfsmittel zu besonderer Wachstumsförderung.

Die seitlichen Gräben verhindern ungünstige Wassereinwirkung, wie sie überhaupt für die Wasserführung wertvolle Aufgaben in der Feldmark übernehmen. Der Wall, auf dem die Hecke sitzt, und die Arbeit, die er einst gemacht hat, zeichnen den Knick ganz besonders von anderen, flachsitzenden Hecken als eine Kulturschöpfung aus.

Daß sich bei der Betrachtung der knickumsäumten Koppeln ein Seitenblick nach dem Garten ergab, ist nach einer weiteren Richtung hin aufschlußreich. Das Einschließen eines Gartens geschieht nicht nur zum Abhalten von fremden Menschen und Tieren, sondern namentlich auch zur Schaffung von stiller Luft, zur Erzielung des milden Gartenklimas. Wo man intensives Pflanzenwachstum haben will, darf man namentlich in stürmischen Landstrichen der Luft kein allzu freies Spiel gestatten. Man hat heute in der Landwirtschaft wiederum die Wichtigkeit des Humus erkannt und weiß, daß die "alte Kraft" des Bodens nur mit organischen Düngern auf der Höhe gehalten werden kann. Aber der wertvolle Kohlenstoffgehalt des Humus wirkt zum geringsten Teil unmittelbar durch die Wurzeln der Pflanzen, sondern er verwandelt sich in Kohlensäuregehalt der Bodenluft, die von unten her aufsteigend zur Assimilation der Pflanzen, diesem entscheidenden Ernährungsvorgang, zur Verfügung steht. Werden die aufsteigenden Bodendünste von starker Luftbewegung fortgeführt, so ist ein großer Teil des Naturdüngers buchstäblich "in den Wind getan". Namhafte Forscher haben hierauf aufmerksam gemacht, werden aber noch viel zu wenig gehört. Bei freiem Aufprall des Windes kann der Boden geradezu "aushagern", d. h. einer Verarmung anheim fallen. Blicken wir nun auf die Tatsache hin, daß unsere Väter vor 100 bis 150 Jahren ausgesprochene Humuswirtschaft betrieben haben, so werden wir über deren Knickspflanzungen ein anderes Urteil als bisher gewinnen. Die Knicks können als Bestandteil des Rüstzeuges der landwirtschaftlichen Ertragssteigerung mit naturgemäßen Hilfsmitteln gelten - sie sind eine Art Krönung bäuerlicher Humusbewirtschaftung.

Ist es unverständlich, daß den begeisterten Knickspflanzern schließlich Übertreibungen unterlaufen sind? Schon um 1860 wurden Klagen laut, daß in sehr stark mit Knicks durchzogenen Gegenden der Schnee zu lange liegen blieb, daß die Wege ständig feucht waren, der Roggen zu spät reifte und die geernteten Feldfrüchte mangelhaft abtrockneten. Damals haben Forschungskommissionen den Zustand untersucht und festgestellt, daß man das Heckennetzwerk keinesfalls enger ziehen sollte, als mit einem Mascheninhalt von zwei Tonnen Landes!

Aber gerade aus der Übertreibung ist eine außerordentlich wertvolle Erkenntnis zu schöpfen. Man hat in der dichteren oder lockeren Ausgestaltung eines Heckennetzwerkes ein Hilfsmittel der Klimabeherrschung in der Hand. Man kann damit Wirkungen erzielen, die man sonst nur durch Anlage von Mischwäldern erreichen kann, ohne jedoch die Flächen der Weide- oder Ackerwirtschaft vollständig zu entziehen.
 

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Man kann trockene Gegenden damit saftig machen und kann schroffe Klimagegensätze abmildern. Das ist der Grund, warum heute von strebsamen Landwirten im Osten Deutschlands die Heckenpflanzung neu aufgegriffen wird - namentlich nach den Dürreerfahrungen des Jahres 1934. So hat z. B. ein kleiner Gutsbetrieb in der Mark (Marienhöhe bei Bad Saarow), der nach der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise arbeitet, in den letzten Jahren rund 3 Klm. Hecken neu angelegt, um Windschutz zu schaffen und auf den trockenen, sandigen Kulturflächen den Wasserhaushalt günstig zu beeinflussen. Überhaupt ist man in vielen Gegenden der Welt heute daran, sich die segensreichen Klimaeinflüsse nutzbar zu machen, die von Heckenzügen oder in noch größerem Maßstab von schmalen Waldstreifen ausgehen, sowohl in Rußland wie auch in Nordamerika, da man infolge sinnlosen Abholzens der Wälder vor Klimakatastrophen steht.

Es wäre wohl zu sonderbar, wenn man jetzt in Schleswig-Holstein gewissen übertriebenen Vorschlägen nach Beseitigung der Knicks nachgeben würde, während anderwärts der Grundgedanke der Knicks eine Art Siegeszug antritt. Man muß aber den Angriffen auf vorhandene gelegentliche Schadenwirkungen der Knicks in weitherziger Weise dankbar sein, weil sie dazu ermahnen, daß man nicht im Altüberkommenen stehen bleibe, sondern es fortbilde zu höchster Vollkommenheit. Der Wert der Knicks wird besonders dort in neuer Weise sichtbar werden, wo man sich nicht versteift, schematisch angelegte Knicks unnachgiebig zu verteidigen, sondern wo man wohldurchdacht ein gedrängtes Heckennetzwerk auslichtet, eingeengte Wege freilegt, Durchblicke öffnet und dergl. mehr. Schleswig-Holstein wird dauernd stolz sein dürfen, in seinen Knicks ein deutsches, vielseitig wirkendes Intensivkulturmittel zu höchster Ausbildung gebracht zu haben, wenn das Goethewort beachtet wird:
 

"Was du ererbt von deinen Vätern hast,
Erwirb es stets aufs Neu, es zu besitzen."


F. Dreidar.

 


 


 


 


 

 

 

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