Die Nagetiere sind, wie überall, auch bei uns
eine recht umfangreiche Gruppe, bieten mancherlei Besonderheiten
und sind noch keineswegs hinreichend erforscht. Wie fast alle
"allbekannten" Tiere, sind auch die Mäuse im Grunde genommen so
wenig bekannt, daß man heute noch nicht einmal sagen kann, was
z. B. die Lauenburgische
Hausmaus eigentlich für ein Tier ist. Über die Langschwanzmäuse
soll später einmal im Zusammenhang erzählt werden. Heute gilt es
den heimischen Wühlmäusen, von denen schon gleich eine der
häufigsten die meisten Schwierigkeiten bietet; es ist die
Schermaus, Mollmaus, Reutmaus oder Wasserratte, wie die
BUCHnamen lauten. Es ist aber - wenigstens bei uns - alles die
gleiche sehr variationsfähige Art, über die der derzeitige
Berliner Zoologe und Systematiker Matschie ausführte: "Die
Färbung ist nicht gleichmäßig. BLASIUS hat bei Braunschweig
hellbraungelbe, bräunlichgraue, braungelblichgraue, graubraune,
rostbraune, schwarzbraune und schwarze Wasserratten gefunden, im
Harz hellrostbraune, gelblichgraue und braungraue, am
Niederrhein dunkelbraune, schwarzbraune und bräunlichgraue.
Vorläufig wissen wir noch nicht genügend, inwiefern Standort,
Geschlecht und Alter die Färbung dieses Nagers beeinflussen und
ob innerhalb Deutschlands mehrere geographische Rassen vorhanden
sind. ARVICOLA AMPHI-
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Schermaus
phot. Rud. Zimmermann.
Hamster, CRICETUS CRICETUS L.
Phot. Rud. Zimmermann
Druckstock: Altonaer Schulmuseum
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BIUS L. wird auf die am Wasser lebende Form gedeutet,
TERRESTRIS L. auf die in trockenen Gegenden vorkommende, PALUDOSUS L. auf die
besonders in Sümpfen sich findende schwarze Form." Nach der heute zumeist
befolgten Nomenklatur europäischer Säugetiere nach MILLER müßten unsere
sämtlichen holsteinischen Schermausformen ARVICOLA SHERMAN SHAW heißen. Auch bei
uns kommen alle im Vorstehenden genannten Färbungsmöglichkeiten vor. Ich bekam
sogar aus der Gegend von Aumühle eine Schermaus, die wie ein Meerschweinchen
schwarz-weiß gefleckt ist.
Rattenköpfe aus Reipzig
phot. Erna Mohr
Für die am Wasser lebende Form
hört man bei uns die Namen "Woterrott" und "Wöhlrott"; mit dem
ersteren Namen ist aber oft auch die langschwänzige Wanderratte
gemeint. Für die Landform hört man bei uns auch gelegentlich
"Wöhlrott", aber reichlich so oft die Bezeichnungen "Hamster",
"lütte Hamster", "Hamsterrott", "Hamster
mus". Auch im benachbarten Mecklenburg heißt das Tier "Hamster".
Der "richtige" Hamster ist zwar auch eine große Wühlratte, ist
aber schon rein äußerlich durch Größe und Färbung (beides etwa
wie ein Meerschweinchen) leicht zu unterscheiden. Der "echte",
richtige Hamster, CRICETUS CRICETUS L., kommt bei uns nicht vor
und tritt nur gelegentlich im östlichen Mecklenburg auf;
immerhin kann man bei uns im Osten des Kreises mit ganz
gelegentlichen Überläufern rechnen.
Die Schermäuse wühlen oft ähnlich wie Maulwürfe. Ihre Gänge
verlaufen meistens oberflächlicher, und wenn Haufen aufgeworfen
werden, sind sie nur geringen Umfangs. Die am Wasser und im
Sumpf lebende Form legt gern ihre Nester so in Schilf und Reth
an, daß die Bauten schwimmen und dadurch vor vielen Feinden
geschützt sind.
Die zweitgrößte Wühlmaus unserer Gegend ist der Rattenkopf, auch
rattenköpfige Wühlmaus genannt, MICROTUS RATTICEPS KEYS. BLAS.
Die ersten aus der Nordmark nachgewiesenen Rattenköpfe stammten
von Kankelau im Lauenburgischen. Später bekam ich
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die Art noch von Kellinghusen und aus
Gewöllen von Schleswig. Der Rattenkopf ist ein Überbleibsel aus der Eiszeit und
somit einer der kleinen Nager, die Schlüsse auf die frühere klimatische
Beschaffenheit unserer Heimat erlauben. Das Tier war sicher nie ganz bei uns
verschwunden, sondern nur übersehen worden.
Mit das häufigste Säugetier nicht nur bei uns, sondern sicher in ganz
Deutschland und weiter ist die Feldmaus, MICROTUS ARVALIS PALL. Mit und neben
ihr lebt in stets wechselnden Mengen die etwas größere Erdmaus, MICROTUS
AGRESTIS L. Je weiter hinauf nach
Rötelmaus
phot. Douglas English
aus Brehms Tierleben, 4. Aufl.
Norden auf der Zimbrischen Halbinsel, desto seltener wird die
Feldmaus; nördlich des Limfjords kennt man sie nicht mehr,
sondern nur noch die Erdmaus. Beide sind arge Schädlinge, die in
Feld, Garten und Scheuer unberechenbaren Schaden anrichten durch
Minderung der Ernte, Zehntung der eingefahrenen Feldfrüchte,
Unterwühlung von
Dämmen und Deichen - gemeinsam mit der Schermaus. Auch im Wald,
besonders an den Waldrändern, kann sie lästig werden. Doch macht
sich dort eine entfernte Verwandte noch unnützer, da sie auch in
die Büsche und Bäume hinaufklettert und „in den oberen Regionen"
durch Nage- und Verbiß-Schäden lästig werden kann. Es ist die
Rötelmaus, EVOTOMYS GLAEROLUS SCHREB. Diese hübsch rotgrauen
oder rotbraunen Tierchen haben einen längeren Schwanz als Feld-
und Erdmaus, leben stellenweise mit ihnen zusammen in den
gleichen Gebieten, scheinen aber Trockenheit und starke
Besonnung ohne Schutz wenig zu lieben.
Zwei andere der heimischen deutschen Wühlmausarten konnten bei
uns bisher nicht nachgewiesen werden. Von der Berg- oder
Schneemaus der Alpen und Karpathen ist das weiter nicht
verwunderlich. Doch kann man durchaus erwarten, daß die
"unterirdische Wühlmaus"
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oder "Wurzelmaus" auch gefunden werden wird. Die Wurzelmaus,
PITYMYS SUBTERRANEUS DE SELYS, ist äußerlich einer Feldmaus ähnlich, doch
sind die Augen auffallend klein, der Pelz wirkt wolliger, da er recht lang ist,
so daß die Ohren weniger aus dem Pelz hervorgucken als bei Feld- und Erdmaus.
Bisher bekam ich noch keine Wurzelmaus aus der Nordmark, denn was ich früher
einmal als solche beschrieben hatte, erwies sich als Vertreter einer besonderen
Unterart der Feldmaus. Diejenige Wurzelmaus, die meines Wissens unserm
Faunengebiet am nächsten gekommen war, ist ein Weißling, der in einem Obstgarten
bei Stade-Brunshausen gefangen und dem
Zoologischen Museum Hamburg überwiesen wurde. Auch für diesen Teil Hannovers war
das ein neuer Nachweis, und obwohl wir ja eigentlich nördlich der Elbe an
Wühlmäusen mehr als genug haben, ist zu hoffen, daß die Wurzelmaus auch bei uns
nachgewiesen werden wird, und dafür ist gerade im Kreis Herzogtum Lauenburg am
ehesten mit Erfolg zu rechnen.
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