Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1938


Martini und Fastnacht im Kinderreim. 

Zur dargebotenen Seite der lauenburgischen Ausgabe des Plattdeutschen Kinderbuchs folgen einige volkskundliche Erläuterungen.

Der Fastelavend. Die Fastnacht ist ein altes, oft als 'heidnisch und teuflisch' gescholtenes Volksfest, ein Fest der Dorfgemeinschaft. Dazu wurden Gaben cingesammelt zu gemeinsamem Verzehr auf einer Bauerndiele. Drei Tage lang gab man sich bei Schmaus und Spiel und Tanz ausgelassenem Frohsinn und Scherz hin. Man fand kaum Zeit, zu Hause Vieh und Wirtschaft zu besorgen oder gar zu schlafen. Wo man immer ein Flett betrat, konnte man sich zu Gaste laden, wenn nur jemand da war. Diese Sorglosigkeit, von der mir aus der Erinnerung mit Behagen erzählt wurde, tut sich auch in unserm Fastelabendvers kund. Man deutet ihn am besten, wenn man eine Fortsetzung in einem Kinderlied (aus Hohenhorn) hinzunimmt.
 

Faßlaam.
Faßlaam, Faßlaam, eer di!
Steek dien Feut in't Füer nicht!
Steek em in dei Asch,
wasch em wedder af,
steek em in dei Emern,
föör dormit na Fehmern!

a) Un as ik hen na Fehmern keum,
dunn wöör dor nüms to sein.
Dei Hund, dei wasch dei Schötteln up,
dei Katt, der lick dei Botter ut
Un but'n vor dei Schünendöör

Kinderlied.
But'n vor dei Schünendöör,
dor döss'n 1) twei Kapunen 2) vör,
sei döss'n sik gaud Hawern af
un brugen sik gaud Beier 3) af;
dat Beier füng an tan brusen,
Steeners ut'n Husen.
Dei de Wötteln un Bohn'n nicht mag,
dei segg Kramer 4) gauden Dag.

b) "Gaun Dag, Herr Kramer,
lehn hei mi sin Hamer 5),
lehn hei mi sin Hamer nicht,
so heit hei Musche Kramer nicht!"

c) Kramer güng na Kamer rin
un treck sin gäl'n Stäweln an.
Dor rei hei mit na Amsterdam,
von Amsterdam na'n Spanje,
von Spanje na'n Granje.

d) "Wonäm lieg Hamborg?
Hier un dor,
alle lütn Dirns höbt kruse Haar."


Liest man die Verse so, dann ergibt sich ein lebendiges Bild:

Es ist noch kalt zur Fastnacht. Einer der Feiernden geht auf die Flettdiele eines Hauses. Er kann sich nicht wärmen; denn das Feuer auf dem Herd ist

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1) waren beim Dreschen.
2) fette Hähne.
3) Gutbier nannte man das beste Gebräu.
4) 'Kramherr' heißt im Westfälischen der Aufwärter (Schaffer) bei Tauffesten u. ä. Gelegenheiten. Danach deute ich Wort und Sinn des Textes. 'Herr Kramer' ist der 'Kramher'.
5) Der HAMMER ist das Werkzeug, das jedes Kind in den Vierlanden zum Anklopfen beim Fastnachtslaufen in der Hand führt; der Heischespruch beginnt dort: "Hamer, Hamer, heda!" Zur Fastnacht führte der Schaffer wohl auch das Zeichen des Hammers.


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Eine Seite aus dem Plattdüütschen Kinnerbauk (Ausg. Lauenburg).

 

Martini

Marten, Marten, Kegel,
mit sien vergüldten Flegel!
Un alles wat vergülden is,
dat mag dor lose sien un wiß.
Dei Appel un dei Beern,
dran up dei Rees tau teern,
dei Plummen, dei sünd ok al goot.
Smiet's man in den Strohoot.

Marleen, Marleen, maak up dei Döör!
Dor sünd en paar arme Schäulers dorvör.
Geevt sei wat, un laat sei gaan!
Sei mööt noch wiet na Köln gaan.
Köln is dei wietste Weg.
Dei Gever is dei best
vun all dei lewen Gäst!
Laat uns nich tau lang staan,
wi mööt noch wiet na Köln gaan.

Fastelavend

Faßlaam , Fastlaam, eer di!
Steek dien Feut in't Füer nich!
Steek em in dei Asch,
wasch em wedder af,
steek em in dei Emern,
föör dormit na Fehmern!

Un as ik hen na Fehmern keum,
dunn wöör dor nüms to sein.
Dei Hund, dei wasch dei Schötteln up,
dei Katt, dei lick dei Botter ut,
un but'n vör dei Schünendöör
dor dösch'n twei Kapun'n vör.

Sei döschen sik gaut Havern af
un brugen sik gaut Beier af;
dat Beier füng an tau brusen:
Steners ut'n Husen.
Dei Kre up den Tuun
verseup in all den Schuum.


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ausgegangen. Anker der Asche glimmen nur noch einige Kohlen (Eemern). Also ins Nachbarhaus! Doch auch dort ist niemand zu sehen. Hund, Katze, Hühnervolk, alles ist aus Rand und Band; sogar das Bier gärt und braust, wie es will, und drängt die Ständer des Hauses auseinander. Unserm Gast graut vor den 'Wurzeln und Bohnen', die im Topf warten, aufgewärmt zu werden. Er begibt sich in das Festhaus, wo auf der Diele alle feiern, um vom Schaffner, dem Kramer, dessen Hammer zu leihen. Dann kann er selbst die Wirtschaft führen und sich was erpochen. Doch der Kramer verzieht sich - wer weiß, wo der überall herumreist! Suchen wir also nicht weiter, sondern bleiben wir hier und wärmen uns im Tanz mit den krausgelockten Mädchen!

Der Fastelabendvers beginnt mit dem FESTGRUSZ: 'Faßlaam, eer di!' Das 'eer di' ist nicht erklärt. Ich denke, daß es mit 'eeren' zusammenhängt. Dieses Wort kommt in fälischen Grußversen vor und bedeutet 'Botschaft'. Der Reim geht bei a in das sogen. 'Verwunderungslied' über, das auch in andern Volksreimen vorkommt. Das Kinderlied beginnt mit dem letzten Teil des Verwunderungsliedes. Absatz b gibt die Ansprache an den Kramer. Sie wird auch als ABZÄHLREIM gebraucht. Absatz c schließt ein Stück aus 'HAWERMANNS BRAUTFAHRT' an, das ebenfalls in andern Formen selbständig lebt. Absatz d zeigt, daß das Lied auch als KNIESCHAUKELREIM dient (mit liebkosendem Anticken).

Es ist ein Beweis für das Leben solcher Volksdichtung, daß sie sich so zu immer neuen Verbindungen gestaltet.

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Der Martensmann. Der heilige Martin hatte als Offizier im Winterquartier vor Amiens einem Entblößten die Hälfte seines Kriegsmantels geschenkt. Das ist eines seiner zahlreichen Hilfswerke, deretwegen er als Wohltäter der Armen gerühmt und zum Heiligen erklärt wurde. Das kirchliche MARTINSFEST wurde auf germanischem Boden zum Volksfest, weil in ihm eine uralte, heidnische Feier aufging, die Wodan, als dem Erntegott, galt. Der Volksheilige trat an die Stelle des alten Gottes. Daß ehemals Priester von jedem Herd Opfergaben für das Fest einsammelten, wurde in christlicher Zeit zum Spiel der Kinder. Sie sangen ihre Martinslieder, indem sie mit Kürbislüchten (so in Lübeck) gabenheischend umzogen: "Marten is en gaude Mann, dei et woll vergellen kann." 'Unsere Kinderlieder geben dem heilbringenden MARTENSVÖGELKEN bald roten Rock [Kögel], bald goldnen Flügel', sagt Grimm. Doch weiß man nicht, ist es der Specht mit roter Kappe oder das Sonnenkäferchen. Der MARTINSTRUNK gibt Stärke und Schönheit. Darum schenkte man untereinander den Martinswein, teilte ihn auch an Arme aus.

"Unselig ist das Hauß, das nit auf deß (- Martins) nacht ein gans zuo eßen hat. da zepfen sy ere neüwen wein an", sagt das Weltbuch 6). Die Stadt LAUENBURG gehörte zu den seligen Häusern; denn der Herzog erhielt, wie auch die Herzöge von Mecklenburg und Holstein, ein Weingefälle auf St. Martin von der Stadt Lübeck. "Item dre smale tunnen win up Martini den dreen fürsten: eine thunne tho Segeberge, de ander thunne tho Lovenborch, de drudde tho Meckelnborg", sagt das Ratskellerbuch von Lübeck 1504 7). Wann die Sendung bei uns aufgehört hat, weiß man nicht. In Schwerin, wo der Brauch erst 1817 aufhörte, bildete das Erscheinen des MARTENSMANNES im roten Rock auf vierspännigem Ratswagen den Auftakt zu einem großen Volksfest. Alles legte die Arbeit hin und drängte zum Schloßhof; die Jugend balgte sich um die ausgestreuten Geldstücke, Apfel und Nüsse. Abends gab es den großen Martinsschmaus mit 36 Gängen - ohne Beteiligung des Hofes.

Danach kann man sich das Fest in Lauenburg vorstellen. DORT SINGEN DIE KINDER HEUTE NOCH das Martinslied. Der Text wurde von Diermissen 8) und jüngst von Hencke, auch mit der Melodie, aufgezeichnet 9). Er erklärt sich nach
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6) Sebastian Franck, Weltbuch.
7) Nach Warncke i. d. Heimat. Kiel 1907, S. 222.
8) Diermissen, Jahrbücher f. Landeskunde.
9) Hencke, Heimat. Kiel 1923.


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dem vorstehenden Bericht von selbst und ist wert, behalten zu werden. Unter den niedersächsischen Martinsliedern ähnelt das unsere dem lüneburgischen. Noch heute danken die Kinder mit dem Reime:

"Wir wünschen dem Herrn einen goldenen Tisch,
an allen vier Ecken einen gebratenen Fisch usw."

Im vorigen Jahrhundert dankten sie noch mit plattdeutschem Reim. Der Hausfrau galt folgendes:

Wi wünschen de Madam en güldene Hähn,
in düssen Jahr noch en jungen Söhn,
in tokamen Jahr en Döchterlin,
dat sall de Madam ehre Höge sien.

Verzögerte sich die Gabe, hieß es auch wohl:

Marten is keen gauden Mann,
wenn hei uns nicks gäben kann.

Dem ungastlichen Hause aber leiern sie einen recht unhöflichen Abgesang vor, der derberen Formen nicht zu gedenken:

Rull, rull, rull!
Dat olle Wief is dull.
Wittn Tweern, swatten Tweern,
dal olle Wief, dat gift nicht gern.

SCHEELE.


 

 

 

 

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