Zur Zeit arbeitet die Reichsbodenschätzung im
Lande. Wenn sich ein Grundbesitzer das Ergebnis von deren
Untersuchung ansieht, so wird er nicht selten erstaunt sein über
den so häufigen Wechsel in der Beschaffenheit des Bodens. Zum
Teil beruht dieser auf Unterschieden des Feuchtigkeitgehaltes,
zum Teil auf Anreicherung von Muttererde, die von höherem
Gelände herbeigespült wurde; aber auch organische Beimengungen
(anmooriger Boden) können den Wechsel bedingen. Die größten und
wichtigsten Unterschiede jedoch beruhen auf dem wechselnden
Gehalt von Ton und Sand. Zwischen schwerem Ton- oder Lehmboden
und wasserdurchlässigem kiesigen Sand kommen im Lande die
mannigfachsten Übergänge vor. Auch Überlagerungen verschiedener
Bodenarten sind nicht selten.
Manch einer wird sich fragen, woher diese Mannigfaltigkeit
stammen mag. Die Antwort lautet: diese Unterschiede sind
entstanden, als sich unser Boden erstmalig bildete. Das war
während der Eiszeit, und zwar für den größten Teil des Kreises
der letzte große Eisvorstoß, der in der Zeit vor rund 50
000-25 000 Jahren stattfand. Das damals
von den Höhen Skandinaviens durch das Senkungsgebiet der
späteren Ostsee herbeiströmende Eis gelangte bis mitten nach
Lauenburg hinein, bis an die Linie Basthorst, Talkau, Tramm,
Gudow, Segrahn, Lüttow, Zarrentin.
Aus dieser Lage des Höchststandes wurde der Eisrand allmählich
gegen Norden zurückverlagert. Das geschah aber nicht, wie man
lange annahm, regelmäßig, unter Hinterlassen von Schuttgirlanden
an Orten, an denen der Eisrand länger stillgelegen haben sollte.
Wir wissen heute, daß es solche Stillstandslagen nicht gegeben
hat und daß die Schuttgürtel nicht dem Stillstand, sondern im
Gegenteil Vorstößen des Eisrandes ihre Entstehung verdanken.
Der Rand eines solchen Inlandeises ist eine starre, ruhige Masse
nur für denjenigen, der nach dem Bild urteilt, das er im Laufe
weniger Wochen oder einiger Jahre sich machen kann. Über
Jahrtausende hin betrachtet, etwa derart, daß wir die im Laufe
von Jahrtausenden eingetretenen Veränderungen gleichsam in einen
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Vorführungsdauer zusammenraffen könnten,
erhalten wir das Bild eines Eisstromes, der bald anschwillt, bald wieder dünner
wird, bald schneller, bald langsamer fließt, zudem mit seinem äußeren Rand
ständig hin- und herschwankt.
Ein Inlandeis fließt ununterbrochen nach. Ist es aber in der Außenzone
dünn, oder war das Klima einige Jahre lang ein wenig wärmer, so siegt die Wärme,
d. h. das Eis schwindet früher, und so kommt der Eisrand weiter rückwärts zu
liegen. Kommt aber viel Eis oder folgten einige kühle Sommer aufeinander, so
kann das Eis nicht so schnell schmelzen, und infolgedessen rückt der Eisrand
wieder vor. Der Eisrand ist also eine Gleichgewichtsgrenze schwankender Lage.
Das Vorrücken des Eisrandes geschieht zunächst mit steiler Stirn, d. h. eine
50-100 m hohe Eismasse schiebt sich in das Land vor. Infolge ihres
riesigen Gewichtes wühlt sie sich dort, wo der Untergrund weniger fest ist, ein
und kann so bei ihrem Vordringen den Boden vor sich zusammenschieben. Dadurch
entstehen dann Höhenzüge, 30, 60, 80
in hoch. In ihnen liegen jene Schichten, die ursprünglich von den Schmelzwässern
vor dem Eise horizontal ausgebreitet, dann zusammengefaltet oder zum mindesten
schräg aufgerichtet wurden.
Da die Schuttlagen vor dem Rand des Eises Endmoränen genannt werden, nennt man
jene vom Eise zusammengeschobenen Wälle Stauchendmoränen (Abb. 1,
2). Ein gutes Beispiel hierfür sind die Segrahner Berge, die
gerade jetzt in den Kiesgruben die schönsten Stauchungserscheinungen aufweisen.
Aber auch sonst kann man solche Störungen durch Eisdruck weit verbreitet bei uns
antreffen.
Das Eis aber wühlt nicht nur den Untergrund auf, es bringt auch selber
bodenbildendes Material herbei. Auf seiner langen Reise, von Finnland oder
Schweden her, hat es den lockeren Gesteinsschutt, den es auf seiner Unterlage
vorfand, in großen Mengen in sich ausgenommen. Die tiefsten Lagen des Eises sind
daher meistens schmutziggrau, von Ton oder richtiger Gesteinsmehl, Sand, Kies
und Steinen, die auch Geschiebe genannt werden, erfüllt. Bei der Art, wie das
Eis sich bewegt - auf Scherflächen gleitet es über die jeweils tieferen Lagen
dahin - scheuern und kratzen sich die eingeschlossenen Schuttmassen und liefern
so neues Gesteinsmehl.
Am äußersten Rand des Eises wird dieser Schutt, auch Grundmoräne genannt, frei.
Er wird meistens gleich von den Eisschmelzwässern zerspült d. h. bis auf die
größeren Steine fortgeschafft. Schutthaufen von nennenswerter Höhe entstehen
dort nicht.
Wenn aber größere Teile der Randzone des Inlandeises aus der Bewegung
ausgeschieden sind dadurch, daß neue Scherflächen nicht mehr dem Boden parallel,
sondern, dem kürzeren Weg folgend, gewölbt nach oben hin aufrissen, dann blieb
von einem sogenannten Toteisfeld nach dem Schwinden des Eises der ganze
Schuttinhalt als mehrere Meter dicke Geschiebemergeldecke *) auf der
Erdoberfläche liegen. Solche Geschiebemergel-Landschaften weisen meistens eine
un-
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*)
Dieser Rückstand des Eises ist bei uns kalkhaltig und wird daher Geschiebemergel
genannt; ist später der Kalkgehalt von Pflanzen und durchsickerndem Wasser
fortgelöst, spricht man von Geschiebelehm.
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Abb. 1. Rechts schuttbedecktes Eis.
Davor Stauchendmoräne mit aufgerichteten Schichten.
Abb. 2. Stauchendmoräne, Tal 4,5 km
breit.
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Abb. 3. Schmelzwassersandebene vor dem
grönländischen
Inlandeis, 6 km vom Inlandeis.
Abb. 4. Schmelzwasserfluß, 75 m
breit, bricht unter schuttbedecktem Eis hervor.
4 Aufnahmen aus dem Bilderarchiv des Verfassers.
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ruhige, kleinkuppige Oberfläche auf. Als
Beispiel sei genannt das Gebiet Sophienthal, Sterley, Hollenbek, Kogel.
Neben den hochgepreßten Stauchendmoränen, der kleinkuppigen Grundmoränen- oder
Geschiebemergel-Landschaft sind als dritte eisbedingte Grundform Lauenburgs zu
nennen die Schmelzwassersandebenen (Abb. 3). Am großartigsten sind
sie südlich vom Ratzeburger See und südlich vom Schaalsee aufgeschüttet worden.
Die am Südende der genannten Seen unter dem Inlandeis herausquellenden riesigen
Schmelzwasserströme (Abb. 4) spülten das flache Sandgebiet
zwischen Delvenau und Boize mit den Orten Horst, Zweedorf, Büchen,
Langenlehsten, Göttin, Grambek, Möllner Seengebiet und weiter, bis zum Küchensee
nach Norden reichend, auf.
Aus diesen drei Grundformen baut sich das Landschaftsbild Lauenburgs im
wesentlichen auf. Allerdings wußte man bisher nicht im einzelnen, wie sich
Rückzüge und Vorstöße des Eisrandes abgespielt hatten. Man kannte auch nicht den
Verlauf, den der Eisrand zu den verschiedenen Zeiten innegehabt hatte.
Zwar ist Lauenburg ein bevorzugtes Land insofern, als es eines der wenigen
Gebiete Nordwestdeutschlands ist, das von der Preußischen Geologischen
Landesanstalt im Maßstabe 1:25 000 geologisch kartiert wurde. Die
Karten liegen gedruckt vor. Als in den Jahren bald nach 1900 die
Aufnahmen gemacht wurden, da war der Begriff der Schwankungen des Eisrandes noch
nicht in seiner vollen Bedeutung erkannt. Auch wußte man nichts von der Rolle
des Toteises; man war sich sogar noch uneins, ob Norddeutschland einmal oder
mehrfach vom Eise bedeckt gewesen war. Ganz unbekannt war, daß quer durch
Lauenburg die äußerste Grenze des letzten Eisvorstoßes verlief. Dies alles macht
verständlich, daß die Übersichtskarte, die dem Erläuterungsheft der geologischen
Karten damals beigegeben wurde, schon seit langem nicht mehr befriedigt. Sie gab
nicht nur kein anschauliches, sondern sogar ein sehr irreführendes Bild von den
Eisrandlagen.
Wie aber zu etwas besserem kommen? Spezialforscher studierten die
Oberflächenformen und konnten daraus den Verlauf des Eisrandes erheblich genauer
erkennen. Doch auch hierbei verblieben Lücken. Wie waren die Grenzen und damit
der Verlauf der einzelnen Eisrandlagen anzunehmen, wenn, wie nicht selten, zwei
oder mehr Höhenzüge miteinander verschmelzen? Und wo mochte der Eisrand
verlaufen sein, wenn das Eis nicht gestaucht hatte und daher überhaupt kein
Höhenzug ausgebildet worden war?
Erst seit kurzem hat man gelernt, auch in solchem Falle noch trennen und
erkennen zu können, was zu den verschiedenen nacheinander aufgetretenen
Eiszungen gehört hat. Seit einigen Jahren betreiben dänische und deutsche
Geologen statistische Untersuchungen des Gesteinsinhaltes der Eisabsätze. Man
zählt, wie viele Gesteine aus Finnland, wie viele aus Ostschweden und wie viele
aus Südschweden stammen. Diese bisher nur für große Gebiete benutzte
Kennzeichnung der Eisabsätze hat Dr. W. G. Simon erstmalig in
Stormarn angewandt, um dort noch Unterschiede und Grenzen aufzuweisen, wo alle
anderen Methoden, auch die Betrachtung der Oberflächenformen, versagten.
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Die Erfolge in Stormarn legten nahe, die ein überraschend klares Bild liefernden
Untersuchungen auf den Kreis Herzogtum Lauenburg auszudehnen.
Eine großzügige Unterstützung des Herrn Landrates und des Kreisausschusses, die
von Herrn Schulrat Scheele vermittelt wurde, setzten Herrn Dr.
Simon in die Lage, den Kreis geschiebezählerisch aufzunehmen. Über die dabei
gewonnenen Erkenntnisse berichtet Herr Dr. Simon auf den folgenden
Seiten dieses Heftes. Die Karte Simons zeigt ein völlig neues Bild von der
Entstehung der Oberflächenformen des Kreises.
[Karten-Beilage, unpaginiert.
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Geschiebezählung, jungeiszeitliche Eisrandlagen
und Schmelzwassersandebenen im Kreis Herzogtum Lauenburg
Von Dr. W. G. Simon 1937.
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