Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1939


Lauenburgische Beilagerbräuche.

Von Kreisschulrat i. R. HEINRICH SCHEELE.
 

Der Bauervogt Hartich Falke in Salem war nach 1600 verstorben; seine Witwe Anna, geb. Nagils, ward von Hans Steffens aus Groß-Sarau gefreit. 'Nach gnädiger Bewilligung des Fürsten und nach vorhergegangenem Gutachten der Beamten und der ganzen Freundschaft' verlobte das Paar sich ehelich und hielt 'folgends EIN ÖFFENT-

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LICH BEILAGER'. Dann übernahm der Mann die Stelle, die 'hinfürder ein Steffens-Erbe sein und bleiben sollte'. Darüber ward am Sonntag nach Michaelis 1606 auf dem Pforthause in Ratzeburg eine Urkunde in Gegenwart der Zeugen aufgenommen. Die Ehestiftung enthält manche Besonderheiten. Hier soll nur von dem öffentlichen Beilager gesprochen werden.

Vielleicht ist diese Urkunde die einzige erhalten gebliebene, die in unserer Landschaft von einem bäuerlichen Beilager berichtet. Daß es stattfand, ist sicher, sonst hätte es nicht vor den Beamten bezeugt werden können. Auch ist es kein launischer Einfall gewesen; es muß zum festen Hochzeitsbrauchtum gehört haben, ein anderes ist bei der Stetigkeit des Herkommens nicht denkbar. Der Bericht über die .eheliche Verlobung und das folgende Beilager' mag formelhaft sein, möglicherweise aber hatte Steffens einen besondern Grund für die Beurkundung des Beilagers. Der Bauervogt Falke hatte Kinder hinterlassen, und doch sollte das Erbe ein Steffens-Erbe bleiben. Es scheint, als ob Krankheit den Grund für die Übergehung des Knaben gebildet hat. Das Ungewöhnliche des Falles kann die genaue behördliche Behandlung der Ehestiftung notwendig gemacht haben. Es erweckt Mitgefühl, wenn man weiter liest, daß Hans Steffens zu Tode fiel, als er 'einen Telgen von einer Eiche abhauen wollte bei Otto von Gerstenbostels Teiche, nachdem er über 15 Wochen die Frauen nicht gehabt'. Von diesem Geschick, das die frohgemuten Pläne des jungen, arbeitsfreudigen Bauervogts zerstörte, wenden wir uns zu unserm Thema zurück.

Welche rechtliche Bedeutung hatte das Beilager?

Im Sachsenspiegel finden sich zwei grundlegende Sätze über die Ehe:
 
Man unde wif ne hebbet nein getvelet gut to irme live.
Swenne en man wif nimt, so nimt he in sine gewere al ir gut to rechter Vormundscap 1).

Eheliche Genossenschaft und eheliche Vogtschaft sind demnach die bürgerlichen Rechtswirkungen der Ehe. Nach dem alten Recht wurden sie jedoch erst voll wirksam, wenn die Ehe wirklich vollzogen war. Dazu war nach altgermanischem Recht das Beilager erforderlich. War dieses vor sich gegangen und die Decke beschlagen, dann mußte der Brautschatz gezahlt werden, und dann erhielt der Ehemann an dem eingebrachten Gut die Gewere zu rechter Vormundschaft. Darin besteht die Bedeutung des Beilagers 2).

Das Erfordernis des Beilagers entwickelte sich nun zum Brauch der förmlichen Niedersetzung und Beilegung ins Bette. Beides geschah durch die Hochzeitsgäste. Um 1600 hatte die Sitte in Lübeck sich zu einem symbolischen Brauch als Schmuck der Hochzeit entwickelt: Der
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1) Sachsenspiegel I. 31 § 1, 2.
2) Diese bürgerlichen Wirkungen der Ehe sind zu unterscheiden von den Wirkungen der kirchlichen Trauung. Sie hatte sofort die Unauflöslichkeit der Ehe zur Folge, wenn auch das Sakrament - nach katholischer Ansicht war die Ehe ein solches - erst durch die Beiwohnung vollkommen wurde.

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Bräutigam erwartete die Braut in der Brautkammer bei dem aufgeschmückten Bett. Das Brautgeleit erschien, und zwei DAMES führten dem jungen Manne die Braut zu und übergaben sie ihm zur Umarmung. Alsdann wurde der Braut der Kranz abgenommen, und man begab sich wieder zur Hochzeitsgesellschaft zurück.

Die Polizeiverordnung von 1612 (Tit. V, Art. 10) verlieh dem sinnbildlichen Brauch die volle Rechtswirksamkeit. Sie sagt darüber:

"Die Niedersetzung und Beilegung ins Bette wird auch als ÜBERFLÜSSIG UND UNDIENLICH ERACHTET." Der Bräutigam soll sich zu Ende des Bettes stellen. Darauf soll das Kopulationsgeleit ihm die Braut überantworten. Dann mögen die Herren dem Bräutigam und der Braut Glück wünschen und alsdann abdanken und hingehen. Der Bräutigam mag wiederkommen und mit seinen Freunden fröhlich sein und tanzen. "DAS SOLL HINFÜRO EBENSOVIEL ALS DIE BISHERO GEWÖHNLICHE BEILEGUNG WIRKEN UND GELTEN und ihr gleichgeachtet und gehalten werden 3)."

Solch sinnbildliches Brauchtum entwickelte sich auch in bäuerlichen Kreisen. Im Idiotikon wird mitgeteilt, daß in Dithmarschen die Braut von den Frauen mit vollen Kleidern ins Bett gebracht wurde.

Heute haben diese symbolischen Formen längst aufgehört, und die Frage nach dem Ob und Wann der Beschreitung des Ehebetts hat keine Bedeutung mehr für die Wirksamkeit der staatlich vollzogenen Ehe. Für unsere augenblickliche Betrachtung ist nur die Feststellung wichtig, daß am Anfang des 17. Jahrhunderts an die Stelle des Beilagers sinnbildliche Handlungen traten.

Welcher Art waren die älteren Beilagerbräuche bei uns?

In dieser Frage führen uns zunächst unsere Polizeiordnungen von Ratzeburg und Lauenburg aus dem Ende des 16. Jahrhunderts weiter 4). Beide geben eine ausführliche Hochzeitsordnung. Sie beschränken die Hochzeitstage auf zwei, indem sie den Sonntag dafür untersagen und den Montag und Dienstag dazu freigeben; der Mittwoch wird zur Feier für die Aufwartenden bestimmt. Sie sehen dann mit genauesten Bestimmungen auf den Montag die kirchliche Traue, das Hochzeitsessen, die Ehrentänze, die Bettsetzung und die folgenden Tänze, auf den Dienstag die kirchliche Einsegnung, die abermalige Mahlzeit, die Geschenksammlung, Ehrentänze und Feier der Gäste

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3) Die Nachrichten aus dem Rechtswesen Lübecks sind entnommen: Pauli, die ehelichen Erbrechte nach Lübischem Rechte. Lübeck 1840. Stein, Abhandlg. des Lübschen Rechts I. Lübeck 1840. (Die Erforderlichkeit des Beilagers beurteilen beide gegensätzlich.) Benutzt wurde auch: Paulsen. Lehrbuch des Privatrechts d. Herzogt. Schleswig-Holstein, wie auch d. Herzogt. Lbg. Kiel 1842.
4) Text in Günther, die Polizeiordnungen der Städte Ratzeburg und Mölln. Mölln 1890. Die Ordnung ist strenge gemeint. In Lauenburg sollen die Schaffer nach jeder Hochzeit auf ihren Bürgereid befragt werden, ob und worin die Ordnung überschritten sei. Lauenburg hatte es darin nicht schlechter als Hamburg. Dort hatte der Rat auch 'Köstenkieker' bestellt, die jede Überschreitung der Luxusgesetze melden mußten. Ähnliches weiß man aus Holstein.
Der in der P.O. erwähnte 'Drost' bekleidet ein Ehrenamt, vorzüglich das, der Braut in allem dienstlich zu sein, sie zu geleiten, sie persönlich beim Essen zu bedienen, namentlich, sie zu 'nötigen', und schließlich, sie auch dem Bräutigam zuzuführen: Es ist nicht ganz dasselbe, was der Brautvater ist oder der Notnachbar. In Fehmarn hießen solche Ehrenherren 'Drosgesellen'; bei Itzehoe hießen solche chapeaux d'honneur 'Hanschenknechte', behandschuhte Gesellen. (Schütze, 1840.)

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bis gegen 10 und 11 Uhr. Über den Beilagerbrauch äußern sich nun beide Ordnungen.

 
Ratzeburger Polizeiordnung 1582.
 
  Lauenburger Polizeiordnung 1599.
Nach gehaltener Mahlzeit sowohl Montags als Dienstags SOLL DIE BRAUT von den Schaffern, ehe und zuvor sie den Drosten anrichten lassen, in den Tanz geführt werden.    
[Folgt die Ordnung der Ehrentänze.]   Mit den Tänzen soll man auch gute Ordnung halten.
[Folgt die Ordnung der Ehrentänze.]
 
    Alle unzüchtige Gebärde und unziemliches Verdrehen soll bei dem Tanzen verboten sein bei willkürlicher Strafe nach jedes Verbrechung.
 
(Und SOLL DIE BRAUT) dem Bräutigam demnach Montags INS BETTE GESETZT WERDEN.   Daß DIE BRAUT dem Bräutigam nach beschehener Traue INS EHEBETTE BEIGESETZET WERDE, lassen wir uns nicht mißfallen, wollen aber, daß mit dem BRAUTHAHNE keine Übermäßigkeit geschehe.
     
Folgende Tänze wird die Fröhlichkeit selbst fordern.    


IST NUN IN DIESEN ORDNUNGEN VOM TATSÄCHLICHEN VOLLZUG ODER VOM SINNBILDLICHEN GEBRAUCH DIE REDE? Offenbar handelt es sich um das wirkliche Beilager. Wäre der sinnbildliche Brauch gemeint, dann wäre sicherlich eine Bestimmung darüber gegeben worden, daß der Handlung volle Rechtswirkung beizumessen sei. Und weiter, nach der ältern Ordnung SOLL die Braut ins Bette gesetzt werden; es ist notwendig. Nach der jüngern Ordnung KANN die Niedersetzung vor sich gehen, und es soll dies dem Herzog nicht mißfällig sein. Die Versicherung läßt erkennen, daß ein solches Mißfallen beim Herzog denkbar wäre. Was 1583 noch geschehen SOLL, was aber 1599 als nicht mißfällig geschehen DARF, kann nur das wirkliche Beilager sein. Die Zeit des Übergangs zum sinnbildlichen Brauch rückt allerdings deutlich nahe.

Die Forderung, daß der Brauthahn nicht übermäßig gebraucht werden soll, bezeugt ebenso die althergebrachte Ausführung des Beilagers. Es kann sich bei dem Brauthahn nur um folgende Sitte handeln. Es ist in manchen Gegenden Westfalens im 16. Jahrhundert üblich gewesen, daß nach altem Herkommen das Brautpaar von den Gästen zu Bett gebracht wurde. Um Mitternacht trat dann die Hochzeitsgesellschaft mit dem Brauthahn und dem Brautwein ins Brautgemach: "Wy bringet ju den Hanen und schenket ju den rynschen wyn!" Auch eine Eisuppe gab es zu trinken. Anderwärts wiederum war es bei Geldstrafe verboten, den Hahn zu bringen und den Wein zu trinken, wann 'de brut un de Brudegam byslopen'. Auch sollte kein Hahn von auswärts ins Haus gebracht werden. Der Brauthahn wurde mancherorts im Hause versteckt gehalten und dann in der Nacht von der Gesellschaft gesucht. Fand man ihn nicht, holte man wohl einen Hahn von außen, um zum Zweck zu kommen. Darauf zielt das Verbot. War er aber gefunden, dann wurde er zum Krähen gebracht (mit Wein - manchmal grausam) und ins Brautgemach getragen, wo das angegebene Wein­

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schenken oder 'Eisupen' stattfand. Nachdem dies geschehen, mußte das Paar aufstehen und sich wieder beteiligen. An manchen Stellen mußte das Brautpaar den Hahn mit einer Bewirtung lösen. An andern Orten wieder geschah die Weckung mit dem Hahn erst am andern Morgen. Das 'Übermaß mit dem Gebrauch des Hahns' in der Ordnung von 1599 bezieht sich entweder auf die Einflößung des Weins bei dem Tier oder auf die gewaltsame Ausdehnung der Feier nach Mitternacht. Tänze und Musik waren überhaupt nach 11 Uhr verboten 5), 6).

Sinnbildliches Brauchtum.

Diese Beilagerbräuche werden nach 1600 auch bei uns in sinnbildliche Handlungen übergegangen sein; nur solche wurden noch vom verfeinerten Gefühl getragen. Die Hochzeitsordnung von 1774 erwähnt keinerlei Zug derartigen Brauchtums mehr. Wenn wir uns daher fragen, ob noch bei den letzten dreitägigen Hochzeiten, wie sie zuletzt um 1850 bei uns vorkamen, etwas an jene alten Hochzeitsgebräuche erinnerte, so kann die folgende Nachricht aus dem Jahre 1861 uns dienen:

"Noch immer üblich ist das AUSGREIFEN DER BRAUT, zuerst durch den Bräutigam, dann durch eine Frau, worauf das AUFSETZEN EINER HAUBE und einer Pelzkappe folgt, und der FRAUENTANZ mit dem Tanzreim:
 
Wi olle Regen
hefft en jung Wiefken kregen
usw.

Bei der Haubung bekommt die junge Frau von der Person, welche ihr die Brautkrone abnimmt und die Frauenmütze aufsetzt, (der Brautmutter?) EINE OHRFEIGE ODER AUCH WARMBIER (eigentlich wohl beides) 7)."

Das Ausgreifen der Braut durch den Bräutigam erkennt man noch in einem Bericht, der eine Hochzeit vor 1850 in Kühsen schildert:

"Nachts Klock 12 wür dei KRANZ UN DEI STRUSS AFDANZT, dat ward je hüt ok noch so maakt. Denn keum dei 'LANGE REICH' rut ut dei grot Düar lang dei Dörpstraat un rund üm Dörpsdiek. Dei jung Fruch neum ihr lang Kleed biet Danzn öwern Arm 8)."

Der 'lange Reigen' ist auch in Westfalen bekannt; in Mecklenburg nennt man den Tanz 'Rückelreich' 9). Bei diesem bleibt der Bräutigam
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5) Im Land Ratzeburg nannte man noch bis heute den Auszug der Hochzeitgäste aus dem Festhaus in die benachbarten Häuser zum Ausschlafen für den zweiten Tag das HAHNENAUSTRAGEN. Dabei nahm ein Mädchen einen zugestülpten Teller mit Äpfeln und Nüssen und rief: "Dei Wat afhebbn will, dei folg mi naa!" (Bilder aus dem Volksleben des Ratzeburger Landes I. Schönberg o. J.)
6) Jahrbuch f. niederd. Sprachforschung Jahrgg. 1877: Aberglaube und Gebräuche in Südwestfalen. (Woeste.) Dazu zu vgl. Westfäl. Volkskunde v. Sartori. - Mecklenburg. Ein Heimatbuch. Wismar. Darin Wossidlo über das Volksbrauchtum.
7) Mitgeteilt v. Walcke-Lauenburg. Jahrb. f. Landeskunde. IV S. 189. Kiel 1861.
8) Aus dem alten Lauenburg. (Ratzeburg Heimatverlag, Haushaltungskalender 1934.)
9) Wossidlo, a. a. O. S. 219.

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vor dem Hause zurück. Er muß die Braut dem Kreise der Gäste, wenn der Zug zurückkommt, entreißen. Währt das Ringen mit der Schar lang und länger, dann muß die Braut, auch wenn sie kräftig ist, allerlei aushalten. Das wird zur Unterlassung des Ausgreifens geführt haben, es blieb nur der Tanz. Auch in Dithmarschen kannte man den 'langen Tanz', bei dem aber die Braut von den Frauen ausgegriffen wurde:

"Gegen Morgen kommt sodann der 'lange Tanz', da dann sämtliche Frauen die Braut aus dem Kreise holen und ihr die Mütze aufsetzen, worauf der Bräutigam, nachdem zuvor die Frauen mit Eiermilch bewirtet sind, seine junge Frau aus der Stube holt und mit ihr den Tanz beginnt 10)."

Irgendwie kam es auch bei uns zum Ausgreifen der Braut durch die Frauen, die sie einkreisten und sie dann zur Haubung geleiteten, die ehemals im Brautgemach geschah.

Unser Bericht schildert die Haubung (mit Haube und Pelzmütze), die wohl die Aufnahme der jungen Frau in die Genossenschaft der Frauen vorstellen soll. Sie erhält eine Ohrfeige von derjenigen, die ihr die Haube aufsetzt, wohl von der BRAUTMUTTER, d. i. von einer der Nachbarinnen. Im älteren Brauch hatten die Notnachbarn gewisse bevorzugte Rechte bei der Hochzeit. Die Bedienung der jungen Frau beim Essen besorgte die eben genannte Brautmutter, ebenso die Entkleidung u. a. Die OHRFEIGE deutet man sich am besten nach einem mecklenburgischen Hüllungsspruch 11).

Nachdem ein Junge von 12 Jahren der Braut die Krone abgeschlagen hat, die von ihr im Schoße aufgefangen werden muß, sagt eine der Frauen, an sie herantretend:
 
"Ik hüll de Brut wol ünner den Böhn,
upt künftig Johr enen jungen Söhn,
UN SO DENN JEDES JOHR 'N KIND,
denn weet de Brut, wat Sorgen sünd."

Die Ohrfeige stellt den lebenweckenden Schlag dar, wie er sonst mit der Lebensrute erteilt wird.

Das WARMBIER, das die Braut erhält, entspricht dem oben erwähnten Brautwein oder dem 'Eisup'. Es sollten nach altem, westfälischem Brauch die Gäste während der Haubung durch die Brautmutter eine Kaltschale, aus Branntwein, Pfefferkuchen und Rosinen, gereicht erhalten. Dem entspricht es, wenn bei uns im Süden früher die Gäste von der Braut mit Pfeffernüssen überstreut wurden. Der Bericht erzählt über jene Zeit (1860):

"Klock 12 wür dei KRAUN AFDANZT. Dorbie würd'n allerhand Schelmstücke utäuwt. Naher stell dei junge Fru sik up dann Betes un SMEIT PÄPPERNÖTT, Wallnött un Backbern ÖWER DEI GÄST 12)."

Der FRAUENTANZ nach der Haubung ist als Altweibertanz auch anderswo bekannt. Schade, daß uns Walcke das angeführte
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10) Schütze. Schl.-Holst. Idiotikon.
11) Wossidlo, a. a. O.
12) Aus dem alten Lauenburg. Lbg. Haushaltungskalender 1934. Ratzeburger Heimatverlag. (Niederdeutsche Fassungen von älteren Hochzeitsfesten.)

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Reigenlied nicht zu Ende niedergeschrieben hat. Der von den Frauen zum Auftanzen der Haube geschrittene Reigen mochte der Braut bekömmlicher sein als das erwähnte Ausgreifen der Braut am Schluß des Tanzes in der langen Reihe.

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Kehren wir zu der im Eingang behandelten Urkunde von 1606 zurück! Das GUTACHTEN DER GANZEN FREUNDSCHAFT, DAS ÖFFENTLICHE BEILAGER, DIE AUFLASSUNG AUF DEN HOF UND DIE AMTLICHE VERSICHERUNG DER EHESTIFTUNG VOR ZEUGEN, das sind die einzelnen Momente des Vorgangs. Der Bericht erlaubt damit noch einen Blick rückwärts ins mittelalterliche Brauchtum.

Die Hochzeitsbräuche 13) umfaßten ehemals die Vermählung, das Beilager, die Verlobung und die Trauung. Die VERMÄHLUNG war ursprünglich die Verbindung im mahal, d. h. in der Versammlung. Die Eheschließenden erklärten ihren Willen in der Zusammenkunft der Sippengenossen, da es sich um das Wohl des Ganzen, nicht nur des einzelnen handelte.

Im BEILAGER wurde die Vermählung vollzogen. Was über die geschäftlichen Dinge abgemacht und gelobt wurde, bildete den Inhalt der VERLOBUNG. In der TRAUUNG wurde die junge Frau dem Ehemann übergeben; der bisherige Muntwalt übertrug die Vormundschaft dem Gatten. Ihm war die Ehegenossin zu Treuen übergeben; sie war ihm angetraut.

Wir erkennen in unserer Urkunde den RAT DER FREUNDSCHAFT wieder; das BEILAGER wird bestätigt; der EINZUG AUF DEN HOF DER FRAU wird berichtet, und schließlich erfolgt die SCHRIFTLICHE FESTSETZUNG dessen, was im Rat der Freundschaft schon festgesetzt wurde. Die Urkunde steht in dem einzigen Amtskontraktenbuch, das im Kreise erhalten geblieben ist. Die vier Grundbestandteile des älteren Brauchtums sind in unserer Urkunde ablesbar. Ihre verblaßten und vergilbten Zeilen haben uns einen Blick in weite Zeiträume nach vorwärts und nach rückwärts tun lassen, der uns sonst nicht vergönnt ist.
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13) Vgl. dazu: Fehrle, Deutsche Hochzeitsbräuche. Jena 1937. S. 11 u. Anm.


 

 

 

 

 

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