Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]
Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1939
Unverständlich gewordene,
aber doch noch deutbare Orts- und Flurnamen
im südwestlichen Lauenburg.
Von Studienrat i. R. Walter Lührs, Hamburg-Großflottbek.
Eine unter Umständen recht ergiebige Quelle der
Geschichte der Heimat neben mündlicher Überlieferung und
schriftlicher Aufzeichnung ______________________________________ Wir bringen diese Abhandlung um so lieber, als sie
Schwierigkeiten nicht aus dem Wege geht und auch das
auswärts bestehende Interesse an unsern Verhältnissen
fördert, ohne daß wir uns mit jeder Einzelerklärung
einverstanden erklären können. Nach Abschluß des Aufsatzes
werden wir über den Stand der von den Lehrern des Kreises
bewirkten Flurnamensammlung berichten und ein erstes
Ergebnis daraus veröffentlichen. SCHRIFTLEITUNG. 1939/2 - 47 Grunde, unbesorgt als den "HÖGELSTEN" oder "Höchsten Berg" betrachten. "Sühmberg oder
Sähmberg" südwestlich vom Dorf Hamwarde scheint aus der
vermutlich ursprünglichen Fassung "SÜNN(EN)BARG"
verderbt zu sein, gibt es doch schon zwischen Bille und
Rothenbek einen "Sonnenberg" (ab 1743) und
in Mecklenburg deren eine Menge 5). Ob hier etwa
kultische Dinge, wie es von Hengst- oder Sonnenbergen
angenommen wird 6), eine Rolle spielen
oder nur die Lage in der Landschaft, können wir ohne
weiteres allerdings nicht entscheiden.
1939/2 - 48 (1743), wie vielleicht der Forstort Kraemel (ab 1744) einmal hieß, dem wegen undeutlicher Aussprache nicht mehr verstandenen Worte "Grübben" entstammen, erscheint durchaus möglich, zumal (1784-1833) in den Wentorfer und Wohltorfer Grübben der Name Grübbenbepg vorkam. Wir dürfen gewiß sogar den anders nicht zu verstehenden Krabbenberg (ab 1724) im Sachsenwalde und in Börnsen hier nennen. Als hochliegend erschien den von der Elbe her vordringenden Siedlern das Gelände, wo Hohenhorn, Worth und Hamwarde wurden. Daß gemeingerm. "WORT", mit der ursprünglichen Bedeutung "Erhöhung (als Schutz gegen Wasser)", ags. als WEORD, WURD für "hochgelegenes Land", asächs. als WURD für "Boden, festgestampfter Platz" und mnd. als WORT, WURT für "aufgeworfene Erhöhung, Hofstelle" 15), zu ältest in BERLINCWORDEN (12. Jh.) für heutiges Berlewort i. Westf., belegt ist, dürfte bekräftigen, daß unser Worth (ab 1230), vielleicht zunächst als Einzelsiedlung, von Westfalen gegründet wurde. Die älteste Schreibung: HONWARDE weist schon darauf hin, daß das benachbarte Hamwarde (ab 1230) oder die "Hohe Wort" noch höher liegt. Unsicherer ist jedoch die Deutung des Wörther Koppelnamens "Auf dem Purworth" (ab 1775), wo es sich wenigstens gleichfalls um eine "Siedlungsstätte" handeln dürfte" 16). Eine sandige Bodenerhebung muß den Forstortsnamen Sandschellen (ab 1876) in der Gülzower Forst veranlaßt haben, einen Namen, der 1809 auch in Zewelin aufgezeichnet wurde 17). Das Grundwort dieses Namens ist sicher mit dem Worte "(Erd-)Scholle" verwandt. Fast nicht mehr als ehemals wasserreiches Gebiet zu erkennen sind in Schwarzenbek an der Eisenbahn nach Friedrichsruh die Wiesen Markrie (ab 1656), in deren Namen das Bestimmungswort auf "MARSCH" für "feuchtes Gelände" zurückgehen wird, ähnlich wie in dem Namen Musterriede (1784-1817) in der Gegend des Friedrichsruher Tonteichs "Muster" auf "Moos, Moß oder Müß" mit ähnlicher Bedeutung. Das Brook zu Häupten des Bistals hieß zeitweise Gretenbruch (1746-86). "GREED" in diesem in verschiedenen Schreibungen erscheinenden Namen ist offenbar ein ursprünglich gemeinfries. Wort, das aber bis nach Pommern hin 18) als Gattungsname und Bestimmungswort für "grünes Weideland, Wiese, Anger" gesagt wird 19) und anscheinend auch dem Wohltorfer Kreetwärder (1746-1833) in oder an der Bille und der Brunstorfer Kreetwisch (1797) zu ihren Namen verhalf, obgleich die Schreibungen "Krentwisch" und "Kreutwisch" zwar nicht die Deutung "Krautwiese" zulassen, aber doch nachdenklich zu stimmen vermögen. _______________ 15) Schiller-Lübben "Mnd. Wtb.", Bd. V, 790, und Neumann S. 67. 16)) Siehe S. 14! 17) F. L. Schulz "Die Fln. als Bausteine für d. Kultur- u. Siedelungsgesch. unserer Dörfer", in "Unsere Heimat" (Beilage zur Kösliner Ztg.), Nr. 3-7 (Febr-April 1927), S. 217, und Grimm "Dtsch. Wtb." Bd. VIII (1893), 1771. 18) Holsten "Pomm. Wiesennamen", in Mtsbl. Pomm., Jg. 46 (1932), S. 169-77. 19) Mensing II, 474.
1939/2 - 48 1939/2 - 49 Sumpfig ist es auch heute noch am Oberlauf des Schulenbrooksbeks zwischen Wentorf und Börnsen, wo es bereits 1290 in der Grenzbeschreibung Leegebrook und später Lesbrook (1746-92) und Les Brooks Heide (1746-87) hieß. "LEEG", mnd. LEGE, LECH, engl. LOW für "niedrig gelegen", kommt auch als Substantiv ndd. "LEDE, Leeg(de)", mnd. LEGEDE für "Niederung["] vor 20), das z. B. dem Bergedorf-Curslacker Leefeld (ab 1518) östlich vom Schleusengraben zum Namen verhalf, wie auch vermutlich den Brunstorfer Lehdeblöcken (ab 1745). Ebenfalls auf "feuchtes Gelände" deutet der Name Ziegenkrug (ab 1709) des bekannten Geesthachter Gasthauses. Da dieses Haus, das übrigens noch heute im Besitz der Familie des Begründers ist, am 9. April 1709 weitab vom Dorf in ursprünglich "feuchter Niederung" an der Landstraße nach Lauenburg errichtet wurde, dürfen wir wohl unbekümmert die noch 1831 angewandte Schreibung "Seegen Krug" als "SEGENKROOG" lesen. "Sege(n), zu mnd. SEGEN für "niedersinken", nennt man nämlich eine "niedrige, mit Wasser gefüllte Stelle im Ackerland" 21). Dementsprechend trägt ein schmales Grundstück in Tesperhude den Namen Zeegenremel, der als "Ziegel Rehmen" um 1618 auch bei der Stadt Lauenburg bezeugt ist 22) und in verständlicher Fassung "SEGENREMEN" lauten müßte. Auch an fließenden Wassern und zugehörigen Quellgcbieten ist kein Mangel. Zahlreich sind deswegen Namen mit dem Worte "BORN" vertreten. Zu ihnen können wir, wenn wir genügend auf die plattdeutsche Aussprache achten, gewiß drei im ersten Augenblick ganz andere Vorstellungen erweckende rechnen. Über die Lage der ButterHorst (1787) in Wentorf ist leider nichts Näheres bekannt. Hingegen liegt der Butterbusch (ab 1877), pld. "Borrebusch" gesprochen, bei den Dassendorfer Rienwiesen, die auch "Bornkoppel" (ab 1877) heißen und als Quellgebiet gelten, zeitweise vielleicht sogar "Bornwiese" (1745-83) hießen; jedenfalls finden wir in Brunstorf bei der Hasenbekshorst um 1797 ein Grundstück "Im Bornbusch" und noch heute in Wohltorf eine Koppel "Bornbusch" (ab 1927). Als Quellort des Dalbek kennen wir den Bornberg (ab 1746) in den gleichnamigen Jagen 98-102 und 116-118. Ein solcher "BORNBERG" kann auch der Butterberg nordwestlich vom Rappenberg gewesen sein, zumal die Karte der geologischen Landschaftsformen der Umgebung von Hamburg (1933) ein vom südwestlichen Hamwarde nach Wiershop verlaufendes Trockental zeigt. Da unter "Rie(de) oder Riege" auch das Gelände zu beiden Seiten eines sogenannten Wasserlaufs verstanden wurde, wird es sich bei Mohlenwercks Reye (1664) im Forstort Langenbruch östlich am Wiedenort um eine "MÜHLENWEGSREIE oder -RIEDE", und zwar am "(Kröppelshagener) Mühlenweg" (1787) gehandelt haben. ______________ 20) Ebd. III, 436. 21) Ebd. IV, 456. 22) "Land an der Elbe" (Nds. Mitt. d. Allg. Lbg. Landesztg.), Jg. 7 1934), S. 45.
1939/2 - 50 Nach seiner verhältnismäßig tiefen
Lage ist gewiß, entsprechend dem Moore "Riehloh" bei
Heede (Kr. Pinneberg) 23), der Forstort
Rülau (ab 1630) bei Schwarzenbek
benannt, der sich uns also als ein Rieloh oder "Loh oder
Wald an oder in einer Rie", d. h. zum mindesten ehemals
wasserreichem Gelände, darbietet.
1939/2 - 51 erinnern uns dabei der Haltestelle "Buckhorn" der Walddörferbahn bei Volksdorf. Einen nur noch in einzelnen Landschaften anzutreffenden Bewohner des Waldes, das SINGRÜN oder "Immergrün", hätten wir in alten Zeiten wahrscheinlich auf dem Sigrimsberg (ab 1743), d. h. in den Jagen 131, 134 und 144, begrüßen können. Mit "HORST", einem nur für sächsische Siedlungen in Altsachsen und Südengland 29) kennzeichnenden Wort, das auch "Host" und "Hoos" gesprochen wird, meinte man ursprünglich gewiß "mit Strauchwerk oder jungen Schößlingen 30) bewachsenes, sich von der Umgebung abhebendes Gelände" 31) später "Hügel, Strauchgewächs", nie aber "wilden Wald" 32). Mindestens 50 von unseren Namen enthalten dieses Wort, unter ihnen vermutlich auch Hasenbekshorst (ab 1656), das zu Anfang sicher die Horst an dem "Bek in der Horst", d. h. an der heutigem Schwarzen Au, bezeichnete. Eine ganz ähnliche Ursprungsbedeutung, nämlich: "Anhöhe, Hügel" 33), soll HEES gehabt haben. Zurückgehend auf lat. HEISA für "Gestrüppwald", bezeichnet das ags. HOS und asächs. HES lautende Wort vorwiegend den "Buschwald" 34). Wir hören es u. a. in Wester-Häse (ab 1856), wie der westliche Teil eines sich bis fast an die Stadt Lauenburg erstreckenden Waldgebietes hinter der Dynamitfabrik Krümmel heißt. Sind wir uns nun dessen bewußt, daß dieser Waldteil um 1780 noch Im Hasen Winkel (1775-82) hieß, in einer Art von Winkel zwischen Grünhof-Tesperhude und der Hasenthaler Forst liegt nnd vorwiegend Nadelholz, also jüngeren Holzbestand trägt, so liegt es nahe, hier einen alten "HEESWINKEL" anzunehmen, wie es ebenso beim Hohenhorner (1787) und vielleicht sogar beim Dassendorfer "Hasenwinkel" (ab 1664) möglich ist. Einen Loh oder Wald auf oder hinter der Heide, einen "Heidloh" 35), müssen die Namen Hittlade (ab 1745) in Brunstorf und Hüttlau (ab 1907), der Jagen 9 in der Rülau, bezeichnet haben. Die dortigen "Holzkoppeln" lassen jedenfalls gelegentlich vorgenommenen Kahlschlag vermuten, der eine Veränderung der Pflanzendecke bewirkte. Am und im Wasser wachsen u. a. LEESCH oder Liesch, auch "Lees oder Lusch" genannt, eine mnd. als LESCH für "Schilf, Ried" 36) bekannte Pflanzenart, die möglicherweise im Licschengrund (1753-1871) des Bergedorfer Stadtparks, gewiß aber beim Grünhof-Tesperhuder Lerchen Soll (ab 1775) und beim Leishof (ab 1877) im früheren Besenhorst und auf dem Lerchen Princk (1774), einer Bodenerhebung im Geesthachter Vie östlich vom Besenhorster Teich, gedieh. (Schluß folgt.) ______________ |
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