Olivenernte in der Provence.
Ansichtskarte, befördert nach St. Etienne (Loire),
rückseitig gestempelt: 5. 8. 1930.

Titelei: 019. EN PROVENCE - L'Oulivado, Cueillette des Olives.
[In der Provence, Oliven: Oliven-Ernte.]

Es folgen drei Verszeilen aus einem provencalischen Epos:

Quand li pausito soun braveto,
Qu'à plen barrau lis óuliveto
Dins li gerlo d'argelo escampon d'òli rous.
MIREILLE, cant. III

[Wenn in der Ernte zur Genüge
Die Sammler in die roten Krüge
Den goldnen Saft gefüllt, den mild der Ölbaum reift; ...
Mirèio: Dritter Gesang]

Der vollständige Text ist digital verfübar unter:
http://gutenberg.spiegel.de/buch/mireio-5931/1
 

Diese poetische Umschreibung des Herbstes mit obligater Olivenernte stammt von Frederi(k) Mistral (1830-1914), und zwar aus seinem in provencalischer Sprache abefaßten Epos 'Mirèio', im Original erschienen 1859, in deutsch um die Jahrhundertwende (Mirèio. Provenzalische Dichtung von Frederi Mistral, Stuttgart und Berlin, 4. Auflage 1905, J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger).

Frederi Mistral wurde bereits in der Schule, Avignon, durch seinen Lehrer Joseph Roumanille für die provenzalische Literatur gewonnen, gründete nach seinem Jura-Studium in Aix-en-Provence mit Anderen eine Bewegung, die sich sehr für die Wiederbelebung der provenzalischen Sprache einsetzte. Er erhielt 1904 den Nobelpreis für Literatur. In der Gegenwart wurde eine provencalische Edelrose nach ihm benannt.
 

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Die Ansichtskarte steht mit ihrer Grundaussage - die Ernte-Arbeit ist nur gemeinsam zu schaffen - thematisch für die Gesamtheit der Olivenproduktion in Südfrankreich. Alle Familienmitglieder sind während der Pflückperiode angehalten, ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, und antike Ansichtskarten liefern hierfür sprechende Beispiele:

 



Historische Ansichtskarte, ungelaufen, betitelt: Collection Artistique 1509.
La Cueillette des Olives dans les Alpes-Maritimes.
[Olivenernte in der Region Alpes-Maritmes.]
Rückseitiger Druckvermerk: Etablissement de Photographie GILETTA frères, Nice.

 

Obwohl die Menschen auf dieser Momentaufnahme nicht traurig aussehen, wird doch die Mühe spürbar, die in jedem Jahr nötig ist, um in diesem Gelände (das Département Alpes-Maritimes mit der Präfektur Nizza liegt ganz im Südosten des Landes in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur und ist nach den Seealpen benannt, die im Osten die Grenze zu Italien bilden) eine lohnende Menge an Oliven aufzusammeln. Es gibt keine Netze; die uralten Olivenbäume sind so hoch, daß ein Abschlagen der Früchte mit einem geeigneten Stock nicht in Frage kommt und das Terrain ist auch zu steil für Klappleitern.

Das folgende Foto-Motiv läßt sich ebenfalls in dieser Region vermuten: auch in der jetzt gezeigten Szenerie konnte es nur darum gehen, zur rechten Jahreszeit geduldig die heruntergefallenen Früchte einzusammeln, weil die Höhe der alten Olivenbäume keine andere Ernteweise zuläßt.




Historische Ansichtskarte, ungelaufen, betitelt: J. Achard, phot., Fort-National
29. - La Cueillette des Olives. [Olivenernte.]
Kein rückseitiger Druckvermerk/keine Verlagsangabe.

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In der Provence stellt sich die Situation an vielen Stellen anders dar: wenn die Bodenbeschaffenheit es zuläßt, bieten Klappleitern eine relativ sichere Möglichkeit, gut an die Früchte heranzukommen. In den folgenden beiden - selten zu findenden - Bildbeispielen liegt der Hauptakzent der (gestellten) Szene auf dem Einanderbehilflichsein, Zureichen, modern formuliert: der familiären Teamarbeit.
 



Antike Ansichtskarte, gelaufen im Januar 1903, betitelt: Collection L. A.
La Cueillette des Olives en Provence
[Olivenernte in der Provence]

 



Antike Ansichtskarte, gelaufen (schwacher Stempelabdruck auf der Rückseite,
daher ist keine Jahreszahl erkennbar
), betitelt in Französisch/Provencalisch:
EN PROVENCE. - 29 - La Cueillette des Olives (L'Oulivado)
[In der Provence. - 29 - Olivenernte in der Provence]


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Ein weiteres antikes Motiv aus der seltenen Ansichtskartengruppe "Olivenernte mit Klappleitern" zeigt neben betont fleissigen Olivenpflückerinnen rechts im Mittelgrund den nobel gekleideten Patron des Olivenhains als stolzer Besitzer und ruhiger Beobachter der Szenerie.



Antike Ansichtskarte, ungelaufen, betitelt in Französisch:
72. EN PROVENCE.  - La Cueillette des Olives (L'Olivado)
Edit Prévot, Avignon
[72. In der Provence. - Olivenernte in der Provence]


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Die großen uralten Olivenwälder an der Côte d’Azur waren und sind - abgesehen von ihrer Nutzfunktion - auch eine Sehenswürdigkeit, was sich zum Beispiel im folgenden Ansichtskartenbeispiel aus der Mitte des 20. Jahrhunderts widerspiegelt:
 



Historische Farbkarte, ungelaufen, ca. 1960, rückseitig betitelt:
Les Sites Merveilleux de la COTE D'AZUR - Champs d'oliviers
[Besonders sehenswerte Plätze an der Côte d’Azur - Olivenhain]
 

Die für den Olivenbaumwuchs günstigen klimatischen Bedingungen an der Côte d’Azur lassen sich aus der hellen Farbigkeit einer historischen Ansichtskarte ablesen, die eine Erntesituation im häuslichen, nichtindindustriellen Bereich thematisiert, eine Frau in Tracht steht oberhalb ihres Hauses (im Hintergrund ist diffus ein Durchblick zum Meer erahnbar) und pflückt Oliven:




Historische Ansichtskarte, ungelaufen, undatiert, frühes 20. Jahrhundert.
Rückseitig betitelt: 75. La Côte d’Azur. Cueillette des Olivers.
Druckvermerk: Lévy & Neurdein réunis, 44 Rue Letellier, Paris


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