Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1928



Die Söhne Franz' II.

Von U. v. Rundstedt.

Welchen Vater überliefe es nicht kalt bei dem Gedanken, daß 19 liebliche Kinder seine Knie umspielten? Wenn sich die Frage: "was soll der Junge werden?" siebenfältig wiederholt? Was den letzteren Punkt betraf, konnte Herzog Franz II. von Sachsen-Lauenburg getrost die Augen schließen. Er hatte sein Bestes getan, seine Söhnen wohl gerüstet in den Kampf ums Dasein zu entlassen.
 



Die Söhne Franz' II. von Sachsen-Lauenburg.
Ausschnitt aus dem Büchener Altargemälde.
Phot.: W. Flügge in Büchen.
 

Auf dem schönen Bild in der Kirche zu Büchen sehen wir sie von einem tüchtigen Künstler abgeschildert. Guter, niedersächsischer Schlag mit schmalen Köpfen und langen Gesichtern. Noch ahnte niemand, in welch stürmische Zeit die Mannesjahre der herzoglichen Jünglinge fallen sollten, und doch war schon soviel gewiß, daß nur eigene Tüchtigkeit und gründliche Ausbildung sie auf der Höhe des Lebens halten konnte, auf die ihre Geburt sie gestellt. So hatte denn der Vater, da eine weitere Teilung des kleinen Landes beim besten Willen nicht anging, ihnen soviel an Wissen und ritterlichen Künsten zuteil werden lassen, als die damalige Zeit geben konnte. Das war nicht eben viel. Nutzloser Gedächtniskram wog vor. Die fürstlichen Wunderkinder, die mit 12 oder 14 Jahren lange Kapitel der heiligen Schrift oder alter römischer Schriststeller lateinisch auswendig wußten, haben später ebenso enttäuscht, wie ihre glücklicheren Genossen, denen unter Jagen und Waffenpiel die Jugend verstrich. Moritz "der Gelehrte" von Hessen konnte ebensowenig "die Zeit, den tollgewordenen Renner" meistern, wie sein Vetter Johann-Georg von Kursachsen, den seine Studenten den "Bierkönig" nannten und der seine politischen Reisen durch zahllose eingeschobene Jagdintermezzos würzte.

Für nachgeborene Söhne kleinerer Fürsten und die Reichsgrafen und Herren war aber unerläßliche Vorbedingung für

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jene einzig standesgemäße Laufbahn, die eine Mischung von militärischer, diplomatischer und Verwaltungs-Tatigkeit war. Man macht sich von den Führern im dreißigjährigen Kriege einen ganz falschen Begriff, wenn man sie als halbe Analphabeten ansieht. Wallenstein, Pappenheim, Arnim, Kniphausen, Bernhard von Weimar, Baner Torstenson und viele andere waren studierte Leute, neben denen sich freilich auch rohe Haudegen vom Schlage eines Johann von Werth, Thurn und Baudissin finden.

Soweit die Söhne Franz II. in das große Kriegsspiel handelnd eingegriffen haben, soll im folgenden ihr Leben kurz geschildert werden. Für das richtige Verständnis ihrer Handlungen muß aber eine Einführung in die, jene Zeit kennzeichnenden, Verhältnisse vorangehen; denn auch für den Leser möge das Goethe-Wort gelten: "Soll er strafen oder schonen, muß er Menschen menschlich sehn." -

Ein Nationalgefühl im heutigen Sinne kannten damals noch nicht einmal die Kernländer des Chauvinismus, Frankreich und England, geschweige denn jenes "römische Reich", von dem niemand recht wußte, wo seine Grenzen lagen. Auch das Glaubensbekenntnis bildete keine so strenge Scheide, wie man wvhl annehmen sollte, wenn man die Pressepropaganda verfolgt. Das katholische Frankreich verband sich unbedenklich mit dem protestantischen England oder Holland, wie wieder England mit dem katholischen Spanien, wenn politische oder dynastische Ziele es nützlich erscheinen ließen. Sollte man da den Söldner jeden Ranges schelten, wenn er nach dem Wort handelte: "Wes Brot ich ess', des Lied ich sing'?" Letzteres war übrigens damals wörtlich zu verstehen, denn die Kriegführenden suchten in langen, ungefügen Gedichten nach irgend einer bekannten Melodie ihre Sache in hellstes Licht zu setzen und die des Gegners zu schwärzen. Das Kriegshandwerk war vor dem dreißigjährigen Kriege durchaus "Saisongewerbe". Eine beschränkte Zahl von Berufssoldaten zehrte den Winter über von ihren Ersparnissen oder lebte vom Bettel, bis sich im Frühjahr irgendwo eine Aussicht zu einem Feldzug bot. Letzterer war nur kurz, weil man einmal das Reifen der Feldfrüchte abwartete und dann die schweren Kosten der Kriegführung nur für wenige Monate anbringen - oder schuldig bleiben - konnte. Im November spätestens wurden die Truppen "abgedankt". Wer zuerst anfing zu werben, hatte natürlich die Auswahl unter den Besten, während der andere den Rest nehmen mußte. Daher pflegten größere Staaten ständig eine Anzahl tüchtiger Obersten, einerlei ob im In- oder Ausland wohnhaft, durch Zahlung von "Wartegeld" sich zu sichern, worauf diese wieder ihre Unterführer und letztere ihre Mannschaft in gleicher Weise verpflichteten. Die hohen Schulen des Krieges waren die Niederlande, wo Spanien seit Jahrzehnten um die Zurückführung Hollands unter seine Macht kämpfte, und Ungarn, der Schauplatz der Türkenkriege des Hauses Habsburg. Im ganzen war es so, daß Süddeutschland das Fußvolk, Norddeutschland die Reiter stellte. Ein geregeltes Aufrücken in den Offizierstellen gab es nicht. Jeder Oberst besetzte nach Laune und Gunst die Posten in seinem Regiment, wie es auch der Kriegsherr mit der Anstellung seiner Obersten hielt. An-
 

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fänger machten im Gefolge eines bewährten Führers als "Aufwärter" einen Feldzug mit. Sie wurden dann gelegentlich, wenn sie gefielen, als Offiziere angestellt, blieben aber oft jahrzehntelang gemeine Reiter oder "Knechte" (beim Fußvolk). Für Fürstensöhne war der Sprung vom Aufwärter zum Rittmeister oder Hauptmann, ja zum Obersten, nichts Seltenes. Das Wichtigste für Anstellung und Unterhaltung eines Regiments war eben entweder das Kapital oder ein bekannter Name, der kreditwürdig machte. Der Kriegsherr konnte selten seine Soldverheißungen erfüllen; dann hielt sich der Soldat an den Obersten und ließ sich auch gerne vertrösten, wenn er die Gewähr hatte, daß dieser nicht spurlos verschwand. Das war bei Fürsten nicht zu befürchten. die sich ihrerseits zudem eher vom Kriegsherrn bezahlt machen lassen konnten, als Untertanen. So war es eigentlich die Regel, daß die meisten Regimenter von fürstlichen Obersten aufgestellt wurden. Mochten diese die Führung im Felde nicht selbst übernehmen, weil ihnen Lust oder Erfahrung fehlte, so übertrugen sie sie einem Stellvertreter (französisch LIEU TENANT), dem Oberstleutnant. Ihnen blieb dann die Einnahme, zusammengesetzt aus Oberstengehalt, Beuteanteil, Soldersparnis und einer Reihe von Abgaben, die der Marketender, Soldaten, die Geldstrafen verfielen, oder die Erben Gefallener leisten mußten. Hatte der Oberstleutnant glücklich gekämpft, auch einiges erspart, so konnte er gelegentlich selbst ein Patent zur Werbung eines Regiments bekommen. Im dreißigjährigen Kriege, wo ein Feldzugsjahr sich ans andere anschloß, wurden bald die Regimenter bis auf weiteres zusammengehalten, d. h. bis entweder der Kriegsherr mit seinem Regiment wegen mangelnder Leistung, allzu grober Ausschreitungen gegen die Einwohner, oder das Regiment mit ihm wegen zu hoher Soldrückstände oder zu starker Beanspruchung durch Weiterkämpfen im Winter oder in ödem, ausgesogenem Lande unzufrieden war. Auch schwere Niederlagen oder Seuchen lichteten oft die Truppenteile so, daß mehrere zusammengestellt werden mußten. Die nationale Zusammensetzung der Heere war auf beiden Seiten von Beginn des großen Krieges an sehr bunt. Der Kaiser war, da seine protestantischen Untertanen (so die Mehrzahl des Adels) wegen der Gegenreformation in lauter oder stiller Empörung gegen ihn waren, auf Ausländer: Spanier, Belgier, Italiener, Polen und auf die altgläubigen Stämme aus Ungarn: Kroaten, Raitzen und Wallachen, angewiesen. In den Führerstellen treffen wir besonders Spanier und Belgier, aber auch von Anfang an protestantische Reichsdeutsche, bei denen man, der Not gehorchend, ein Auge zudrückte. Später bevorzugte Wallenstein sogar ausgesprochen die letzteren, was ihm in Wien sehr verdacht wurde. Die Liga, der Bund der katholischen Reichsstände, war in derselben Lage. Besonders Bayern mußte sich mit Fremden behelfen, da der Kurfürst Max durch Glaubenszwang und innerpolitische Vergewaltigung seinen Adel aufgebracht hatte. Auf der anderen Seite standen der Pfalzgraf und König von Böhmen, ein Schwiegersohn des englischen Königs, der ihm Engländer und Schotten zu Hilfe schickte, und Ernst von Mansfeld mit seinem in Italien geworbenen, bunt aus Abenteurern aller Länder gemischten Heere.
 

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Die eingeborenen Böhmen glaubten erst, daß diese Fremden den Krieg für sie allein führen könnten. Nach der Niederlage trieb sie die Rache Kaiser Ferdinands in die Fremde, und wir finden sie seitdem in allen protestantischen Heeren, während die oben genannten ausländischen Offiziere des Kaisers mit ihren Gütern beschenkt wurden. Dänemark brachte später ein neues Element, verstärkt durch einige holländische Führer, während die Generalstaaten selbst ängstlich neutral blieben. Gustav Adolf führte in seinem Heer - neben wenigen Schweden - Finnen, Balten und Engländer mit. Dann aber überwiegt eine Weile stark das deutsche Blut auf beiden Seiten, bis durch Hinzutritt der Franzosen und wachsende Kriegsmüdigkeit der Deutschen die Ausländer wieder zunehmen. Zuletzt gab es unter den Mannschaften wenige, die nicht schon auf beiden Seiten gedient hatten (man stellte später Gefangene ohne weiteres in die eigene Truppe ein), und auch in den höheren und höchsten Führerstellen war solcher Wechsel nichts Ungewöhnliches. Oft vollzogen, wurde er noch öfter versucht. Er galt durchaus nicht für schimpflich, und die ehemaligen Kameraden verkehrten brieflich und gelegentlich auch persönlich weiter, wenn auch die politischen Leiter verfochten, die Abtrünnigen als Verräter zu brandmarken. Noch häufiger war natürlich der Wechsel zu einem der Bundesgenossen, wie vom Kaiser zur Liga und umgekehrt, oder von Schweden zu Sachsen oder Frankreich. Gern wurden in solchen Fällen die unterstellten Truppen mitgenommen. Das großartigste Unternehmen dieser Art ist Wallensteins Abfall vom Kaiser, dem seine Ermordung ein schnelles Ende machte. Aber auch kleinere Geister betraten oder verfochten diesen Weg. So Mansfeld, Herzog Christian von Braunschweig, der kurz vor seinem Tode sich und sein dänisches Korps Gustav Adolf anbot, Bernhard von Weimar, der von Schweden zu Frankreich ging, der schwedische General Speerreuter, ursprünglich ein Lüneburger Bauerssohn Dietrich, der von Gustav Adolf geadelt war und nach dessen Tode eine Anzahl Reiterregimenter mit in kaiserliche Dienste nahm, und endlich am Kriegsende der hessische Feldherr Melander, in kaiserlichem Dienst als Graf Holzapfel und Generalissimus gefallen. Der Wechsel von Obersten, mit oder ohne Regiment, war noch häufiger. Ich nenne aufs Geratewohl ein Dutzend Namen: Fahrensbach, Sparr, Holk, Baudissin, Graf Cratz, Arnim, Wrangel, Lüdinghausen, Rochow, Goldacker, Georg von Braunschweig, Pfuhl und viele andere. Diesen allen stehen gegenüber wenige Fanatiker, wie der alte Tilly, Graf Thurn, Pappenheim, Johann Ernst von Weimar, die nur für die Sache, nicht für persönlichen Vorteil kämpften, ohne natürlich letzteren ganz außer acht zu lassen.

An diesen Hintergründen können wir einen ganz andern Maßstab für die Beurteilung von Franz II. Söhnen gewinnen, als lediglich aus diplomatischen Akten, Kampf- und Klageschriften.

1. Franz-Karl.
 

Die abenteuerlichste Laufbahn hatte von allen Brüdern der 1594 geborene Franz-Karl. Der Ausbruch des böhmischen Aufstandes lockte mit vielen anderen deutschen Fürstensöhnen auch ihn nach Prag.
 

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Da hatte Graf Matthias Thurn, übrigens ein erst in Böhmen eingewanderter Tiroler, der Urheber des "Fenstersturzes" der kaiserlichen Räte Martinitz und Slawata, ein Regiment errichtet. Wie alle Obersten, hatte er darin eine Leibkompagnie, die er durch einen Kapitänleutnant führen ließ. In dieser nahm er auch Franz-Karl auf und gab ihm später eine eigene Kompagnie. Anfänglich bestand der Feldzug aus gegenseitigen Beutezügen und Wegnahme kleiner fester Orte, während nur Mansfeld sich des wichtigen Pilsen bemächtigte. Im Bunde mit den österreichischen Protestanten und dem ungarischen Fürsten Bethlen Gabor kam Thurn sogar bis unter die Mauern Wiens. Als der Kaiser dann Max von Bayern zur Hilfe rief, kam es auf des letzteren Betreiben 1620 zu einem Vormarsch auf Prag und vor dessen Toren zur Schlacht auf dem Weißen Berge. Da war aber Franz-Karl wohl schon im Dienste MANSFELDS. Sicher finden wir ihn als Oberst eines Reiterregiments bei des letzteren Armee im Oktober 1621, nachdem Mansfeld Böhmen und die Oberpfalz geräumt hatte und in die Rheinpfalz gerückt war, wo inzwischen ein spanisches Heer von Belgien aus sich erheblicher Gebietsteile bemeistert hatte. Mansfeld kam noch grade zurecht, um Heidelberg und Mannheim zu entsetzen, worauf die Spanier über den Rhein gingen. Um sich die nötigen Winterquartiere zu erobern, mußte Mansfeld den Feldzug bis spät im Dezember fortsetzen. Franz-Karl wurde mit 8 Fähnlein Knechten, 2 Kompagnien seiner Reiter und 6 Geschützen gegen die kleine FESTUNG DEIDESHEIM entsandt, die er auch nach kurzer Beschießung einnahm. Mansfeld selbst nahm noch Hagenau im Elsaß und ließ seine Reiter in breiter Front von den Vogesen bis zum Rhein nach Süden streifen, wo der Erzherzog Leopold versuchte, Truppen gegen ihn zu sammeln. Mansfeld und Leopold waren alte Feinde; Mansfeld hatte unter dem Erzherzog in Jülich gedient, war dort gefangen und nur gegen hohes Lösegeld freigelassen worden. Als er, um zahlen zu können, seine Soldrückstände von Leopold forderte, wies der ihn höhnisch ab, worauf Mansfeld stracks zur Gegenpartei hinüberritt.

Die Reichsstadt Straßburg übte freundliche Neutralität gegen Mansfeld, dessen Reiterei hart nördlich der Stadt in Winterquartiere ging. Die Ansichten des Pfalzgrafen Anfang 1623 waren recht gut. In Norddeutschland sammelte Herzog Christian von Braunschweig ein Heer für ihn; der englische Schwiegervater hatte einige tausend Mann geschickt; und auch Mansfeld hatte im Winter fleißig geworben. Tilly war dafür nach Eroberung der Oberpfalz auch an den Rhein gekommen. Gegen ihn setzte Mansfeld ein großes Kavallerieunternehmen an. Am 31. März 1623 überschritten bei Mannheim 3 Kolonnen den Rhein und rückten gegen die Straße Heidelberg-Bruchsal vor. Franz-Karl führte die mittelste über Wiesloch-Sinsheim auf Neckarbischofsheim, wo Tilly sein Hauptquartier hatte. Erst eine halbe Meile vor dem Ziel gelang es, ihn aufzuhalten, bis Tilly geflüchtet war. Er hatte seinen Sieg aber überschätzt und die nötigen Sicherungen versäumt, so daß die Obersten Pappenheim und Einatten ihn in Gimpen überfallen und trotz tapferer Gegenwehr bis Elsenz zurückdrängen konnten.
 

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Pfalzgraf Friedrich war durch Frankreich unerkannt zu Mansfeld gekommen und sollte nun der ENTSCHEIDUNGSSCHLACHT mit Tilly beiwohnen. Am 23./24. April ging die ganze Armee über die Mannheimer Schiffsbrücke und über Bruchsal, das erstürmt und geplündert wurde, auf WIESLOCH. Südlich davon traf seine Vorhut auf Tilly, mußte zurück und über eine enge Steinbrücke im Dorf Mingolsheim zum Gros, das sich südlich des Dorfes in Schlachtordnung gestellt hatte. Mansfeld legte durch Verbrennen seines Biwakstrohes einen Rauchschleier vor seine Stellung, so daß Tillys allzu stürmischer Anprall unvermutet auf jene stieß. Nach heftigem Kampf mußten die Tillyschen ihrerseits über die enge Brücke zurück, wobei sie sehr viel Verluste hatten.

Ein neuer Kämpfer für den Pfalzgrafen rückte grade jetzt heran. Der Markgraf von Baden-Durlach hatte schon längere Zeit gerüstet, warf nun die Maske der Neutralität ab, und Tilly wäre verloren gewesen, wenn nicht Streit um den Oberbefehl die beiden evangelischen Feldherren abgehalten hätte, sich zu vereinigen. Tilly nutzte sofort dieses Glück, zog ein spanisches Korps unbemerkt heran und überwand nach wechselvollem Kampfe bei WIMPFEN den Markgrafen, während Mansfeld untätig einen knappen Tagemarsch abstand.

Nun mußte Mansfeld sich um seine elsässischen Eroberungen vom Vorjahr kümmern, wo indessen der Erzherzog eingefallen war und Hagenau belagerte. Mit gewohnter Schnelligkeit warf Mansfeld seine Reiterei über den Rhein, überfiel und zersprengte die ganze Belagerungsarmee, die in gründlicher Verfolgung ganz aufgerieben wurde.

Nachdem Mitte Mai dieser Gegner erledigt war und Tilly sich dem heranrückenden Braunschweiger entgegenstellte, suchte Mansfeld wieder nicht die Vereinigung mit letzterem, sondern leistete sich einen zwar einträglichen, aber für die Entscheidung gleichgültigen Beutezug ins Hessen-Darmstädtische. Da ereilte ihn auch bald die Unglücksbotschaft von Christians NIEDERLAGE BEI HÖCHST AM RHEIN, aus der sich der Braunschweiger nur mit einem Teil seiner Reiter rettete. Fast wäre auch Mansfeld jetzt Tilly erlegen, wenn nicht die Reiterei in einem Nachhutgefecht im Wald von Kloster Lorsch ihm die Zeit zum Entkommen verschafft hätte (10. Juni 1622).

Der Pfalzgraf hatte durch diese Nackenschläge den Mut verloren und entließ seine Truppen in der Gegend von Zabern. Mansfeld und Christian beschlossen, nach vergeblichen Übertrittsängeboten an den Kaiser, mit dem Rest ihres Heeres an die französische Grenze bei SEDAN zu rücken. Sie hofften durch den Besitzer dieser Festung, den Herzog von Bouillon, in den Dienst der Hugenotten oder auch, weill der französische König eine solche Stärkung seiner aufständischen Untertanen auf jeden Fall zu hintertreiben suchen würde, in dessen Dienst zu kommen. Die französische Regierung fand aber einen billigeren Ausweg. Sie hielt die Deutschen mit Verhandlungen solange hin, bis eine ausreichende Macht an der Grenze versammelt war, und forderte dann drohend sofortigen Abzug. Da war guter Rat teuer. Die unbezahlten Soldaten, die sich nur durch die Aus-
 

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sicht auf französische Gelder hatten beschwichtigen lassen, meuterten und wollten nach Hause. Mitte August verließen 44 Kompagnien weiter mit ihren Offizieren in guter Ordnung Mansfelds Lager bei Mouzon und verschanzten sich auf einem Hügel. Den Weg sperrte ihnen aber ein spanisches Heer bei Inor. Während mit diesem verhandelt wurde und man endlich einen Dienstvertrag mit dem spanischen Feldherrn Cordova abschloß, hatte Mansfeld durch Agenten die Leute mißtrauisch gemacht, so daß sie zögerten, wie verabredet, am 19. August zu den Spaniern zu stoßen. Dies ließ nun Cordova Verrat wittern und die Unschlüssigen angreifen, worauf diesen nur der Rückweg zu Mansfeld übrig blieb. Der aber hatte endlich einen Brotherrn gefünden. Die Holländer wünschten, ihn zum Entsatz ihrer von Spaniern belagerten FESTUNG BERGEN heranzuziehen. So stellte Mansfeld seine Artillerie und Bagage bei seinem Freund Bouillon in Sedan unter und strebte in Eilmärschen nach Holland. Leichten Kaufs sollte er jedoch nicht dahin kommen. Cordova holte ihn in Belgien ein und sperrte ihm bei Fleurus (unweit Ligny und Waterloo) den Weg (28. 8.). Mansfeld beschloß den Durchbruch, der am nächsten Tage nach verlustreichem Kampf (Christian von Braunschweig verlor einen Arm) auch glückte, trotzdem ein Teil der Reiter unter dem Rufe "erst Geld" sich weigerte zu fechten. Mansfeld rückte als Sieger in Breda ein, worauf die Spanier die Belagerung von Bergen aufhoben.

Zunächst wurden die Mansfelder als Retter in Holland sehr gefeiert. Auch FRANZ-KARL nahm im Gefolge des Feldherrn an den Einzügen und Festmählern teil. Die sparsamen Holländer hatten aber keine Lust, die Fremden im Winter auf dem Hals zu behalten. Am 15. Oktober dankten sie Mansfeld ab und schoben ihn zu Schiff nach Ostfriesland, wo er Winterquartiere bezog. Er hatte immer noch 20000 Mann.

Da die Soldateska im Lande wüst wirtschafte, war schon im Frühjahr 23 die Hungersnot da, und die Frage: "wohin jetzt?" erhob sich. In diese Zeit fällt wohl auch Franz-Karls angebliches Verdienst, Mansfeld die Einlagerung im Lande Hadeln ausgeredet zu haben, woraufhin er im Juni von den Ständen 6000 Taler verlangte.

Um diese Zeit hatte sich nun ein neuer Plan, Mansfeld für einen Bund Frankreich-Venedig-Savoyen nach dem Elsaß und Oberitalien zu schicken, infolge Schwenkung der französischen Politik zerschlagen. Franz-Karl hatte deshalb den Brotherrn wechseln müssen und von Brandenburg den Auftrag, ein Regiment von 452 Reitern zu werben, angenommen. Das Geld wäre ihm dafür gut zustatten gekommen. Jedoch fürs Gewesene gab, noch weniger als der Jude, keine Ständevertretung damals etwas. Im Mai begann die Werbung, der sich Anfang Juli die Musterung auf dem Vogelschießplatz der Berliner Schützengilde anschloß. Schon aber reute Brandenburg das schöne Geld, weil Tilly, gegen den die Rüstungen gedacht waren, nach Nordwesten abrückte. So suchte man Franz-Karl billiger zu unterhalten und bot ihm an, als Oberstleutnant weiter zu dienen, was ihm aber nicht "annehmbar" war. Am 14. September nahm er den Ab-
 

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schied, um wohl bald wieder zu Mansfeld zurückzugehen, der jetzt, diesmal in englischem Sold, in Niedersachsen Truppen werben und nach Dover einschiffen ließ.

In ENGLAND hielt man die Geworbenen lange auf, bis die dortigen Formationen fertig und das Geld flüssig gemacht war. So hat wohl Franz-Karl sich die Wartezeit durch jene ENGLISCHE LIEBSCHAFT verkürzt, deren Folge eine Tochter Elisabeth-Charlotte war. Nach stürmischer Überfahrt landete man in Holland, von wo erst im Herbst 1625 diese sogenannte französisch-englische Hilfsarmee zuerst ins Bremische, dann, im Dezember, über Winsen a. Luhe - Artlenburg ins HERZOGTUM LAUENBURG rückte. Obwohl es nur wenige tausend Mann waren und von ihnen, da sie erst kürzlich Sold bekommen hatten, einigermaßen gesittetes Betragen hätte erwartet werden dürfen, geschah der Einmarsch nicht zur Freude der Bewohner, die damals zum ersten Male vom Krieg berührt wurden. Der niedersächsische Kreis hatte auf Betreiben des Königs von Dänemark auf dem Fürstentag in Lauenburg am 2. Januar 24 - wo auch Franz-Karl gewesen sein soll - neue Rettungen beschlossen, weil Tilly in Norddeutschland blieb. Ende 1625 standen die Kreistruppen an der unteren Weser unter des Königs Befehl. Franz-Karls Regiment lag in Ratzeburg und im Bistum während des Januars 26 und Anfang Februar. Da folgte Mansfeld endlich Christians IV. wiederholtem Befehl und marschierte durch Mecklenburg und die Mark gegen Wallenstein. Franz-Karl hatte dabei die Vorhut. Es galt ein Zusammenwirken mit zwei dänischen Heeresteilen: der General v. Fuchs stand in der Altmark, der vertriebene Erzbischof von Magdeburg bei Burg. Nach einer Ruhepause in Havelberg trat Franz-Karl am 17. März wieder an und nahm die Stadt Zerbst, deren Mauern seine Leute mit Leitern erstiegen, ohne Widerstand zu finden. Zur Besetzung der weitläufigen Umwallung war aber sein Regiment zu schwach, und da Mansfeld nicht nachkam, bat Franz-Karl die nächsten Truppen v. Fuchs um Unterstützung. Er bekam auch 100 Musketiere. Immerhin war auch das noch zu wenig, so daß Franz-Karl aufatmete, als elf Tage nach der Einnahme zwei weitere Regimenter eintrafen. Vier Tage später kam Mansfeld mit dem Rest. Es war auf die ELBBRÜCKE BEI DESSAU abgesehen, deren Wallenstein sich im Januar bemächtigt hatte und die Mansfeld ihm sperren wollte, um ungehindert in die Stammlande des Kaisers einfallen zu können; denn die kursächsischen Elbbrücken durfte Wallenstein nicht benutzen, da dieses Land neutral war. Mansfeld vertrödelte aber soviel Zeit, daß Wallenstein den Brückenkopf stark befestigen konnte. Beim ersten Angriff, am 11. April, mußte Mansfeld nach kurzer Beschießung zurück, weil ihn Fuchs aufs linke Elbufer zu Hilfe rief. Erst am 21. April schritt er wieder zum Angriff. Nach anfänglichen Erfolgen wurde er von Wallenstein, der über die getarnte Brücke Verstärkungen herangebracht hatte, am zweiten Kampftage zurückgeworfen. Unter dem Schutz der Reiterei sollte sich Mansfelds Fußvolk vom Gegner lösen. Die Feigheit der ersteren ließ aber die Schwesterwaffe im Stich als Beute der verfolgenden kaiserlichen Reiter.
 

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So sammelte in den nächsten Wochen Mansfeld in der Mark vorwiegend Kavallerie und eilte mit dieser nach Schlesien und von da nach UNGARN, wo der Fürst von Siebenbürgen ihn mit einem Heer erwartete. Wallenstein folgte in solcher Eile, daß er die von Mansfeldern besetzten schlesischen Städte unbeachtet ließ, den Gegner aber trotzdem nicht mehr erreichte. In Ungarn vollzog sich nun im Spätherbst in dem weiten, durch jahrhundertelange Kriege und Raubzüge verwüsteten Steppenlande das Verhängnis beider Heere. Wallenstein schloß eilig einen dürftigen Frieden mit Bethlen Gabor, ehe ihm Hunger und Krankheit sein Heer ganz zu Grunde richteten. Mansfeld starb auf der Reise nach Venedig. Von seinen heimatlosen Söldnern traten viele in kaiserlichen Dienst.

Auch FRANZ-KARL versuchte dies durch Briefe an seinen Bruder Franz-Albrecht, kaiserlichen Reiteroberst, und an Wallenstein selbst. Auf der Reise ins österreichische Lager ließ ihn aber Bethlen Gabor, obwohl er ihm freies Geleit zugesichert hatte, überfallen, wobei sich Franz-Karl nur mit wenigen Begleitern rettete und nun in TrOppau bei dem dänischen Kriegskommissar Mitzlaff ankam. Der half ihm mit 1000 Talern aus, gegen das Versprechen, in DÄNISCHEN DIENST zu treten. Dies geschah auch Mitte Dezember, indem Christian IV.. dem Herzog einen Werbeauftrag für zwei Regimenter Reiter und eins zu Fuß erteilte. Es gelang ihm aber keineswegs, eine so beträchtliche Streitmacht auf die Beine zu bringen. In der Abrechnung des dänischen Generalzahlmeisters für 1627 ist Franz-Karl als Regimentsinhaber garnicht aufgeführt. Anfang März überwies letzterem der König die Reste des Regiments Bremer, die in Mecklenburg in Quartier lagen, und noch am 23. März wurde er ermahnt, sich zur Musterung bereitzuhalten.

Inzwischen klagten die Mecklenburger laut über die Ausschreitungen ihrer Einquartierung und schickten schließlich eine Gesandtschaft an den König von Dänemark mit einer langen Klageliste über Ausschreitungen. Von Franz-Karls Regiment ist da genannt die Kompagnie des Rittmeisters Paul Stöwers, der in Brahlstorf lag: andere, ungenannte, lagen in Gütern der Stadt Rostock. Es handelt sich meist um unberechtigte Belegung von Ortschaften und um "Ausstreifen" der Reiter, einzeln oder truppweise, zur Einsammlung von Liebesgaben unter Drohung mit Gewalt.

Im Sommer übernahm der MARKGRAF VON BADEN, der Besiegte von Wimpfen, die Führung der rechtselbischen Truppen und hielt bis Mitte Juli die Havellinie gegen Tilly. Franz-Karl war in die KÄMPFE BEI HAVELBERG mit Teilen seines Regiments verwickelt und bekam ein Lob über diese "wackeren Reuter". Beim Nahen Wallensteins von Frankfürt a. O. her wichen aber die Dänen aus der Mark und durch Mecklenburg bis an die vor dem Wismarschen Hafen liegende Insel Poel, auf der sich eine kleine Festung befand, die der Herzog ihnen einräumen mußte. Inzwischen hatte der Dänenkönig sich von der Elbe nach Rendsburg zurückgezogen und forderte den Markgrafen auf heranzukommen. Der königliche Adjutant empfahl letzterem, bei Heiligenhafen zu landen und den Abschnitt zu besetzen.
 

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der bei Oldenburg durch die beiden Seen von Dannau und Gartz sowie den sie verbindenden OLDENBURGER GRABEN gebildet wird. Ein Infanterie-Regiment wurde vorausbefördert, um die Stellung zu besetzen. Die Reiterobersten losten die Reihenfolge des Übersetzens aus, wobei Franz-Karl vorletzter wurde. Das Wasserhindernis hatte aber den Nachteil, daß bei starkem Westwind, wenn der Meeresspiegel sank, der Graben so flach wurde, daß man leicht durchwaten konnte. Der alte, gichtbrüchige Markgraf hatte garnicht erkundet, dagegen Franz Albrecht, der die Vorhut der Kaiserlichen führte, nach seiner Gewohnheit sogleich, wobei ihm die schwache Stelle bei Oldenburg bekanntgeworden war.

 



Zum Gefecht am 23. September 1627.
 

Ich habe den Wasserlauf einmal durchpaddelt und mit dem flachen Kajak Mühe gehabt, durchzukommen. - Bei dem Gefecht am 23. September legten die Kaiserlichen den Nachdruck auf den erwähnten Punkt und kamen nach hartnäckigem Widerstand, den zuletzt Franz-Karl hier leistete, mit starken Kräften herüber. Nun mußten die Dänen nach Heiligenhafen abziehen, wo sie hofften, genügend Schiffe zur Fahrt nach den Inseln zu finden, 200 Mann von Franz-Karls Regiment ließ man als Besatzung im Oldenburger Schloß zurück, während jener mit dem Rest den Abmarsch deckte. Es konnten sich aber nur die Infanterie und ein Teil der Reiter in den wenigen kleinen Schiffen retten. Der Rest versuchte noch, den Fehmarnsund zu durchschwimmen - er ist etwa 2 Kilometer breit - oder bei Dahme durchzuschlüpfen, welches aber schon in kaiserlichen Händen war. Bei Großenbrode waren sie schließlich hart am Ufer von den Feinden umstellt. Die Obersten retteten sich noch in der Nacht zum 24. September, worauf die Truppe sich dem Feldmarschall Schlick ergab. In diesen Kämpfen hatten sich die Brüder, wie schon erzählt, gegenübergestanden; nun zwang Franz Albrecht noch die 200 Mann im Oldenburger Schloß zur Übergabe. Zur Belohnung für seine Dienste durfte er die erbeuteten Fahnen und Kornetts (Standarten) dem Kaiser bringen, darunter 5 von seines Bruders Regiment. Im

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weiteren Verlauf des Krieges, den am 2. Juli 1629 der Lübecker Frieden beendete, ist Franz-Karl nicht weiter hervorgetreten. Seine bei Heiligenhafen entkommenen fünf Kompagnien wurden in Jütland bei Horsens gelandet und bald darauf in die Gefangennahme der dänischen Reiterei nördllch Aalborg einbegriffen. -

Im Jahre 1629 starb Franz-Karls erste Frau Agnes, eine Tochter des Kurfürsten Johann-Georg von Brandenburg. -

1630 brachte mit der LANDUNG GUSTAV-ADOLFS in Pommern den Umschwung. Dem König lag viel daran, bald in Besitz der Elbe zu kommen, während er zunächst Pommern und Brandenburg vom Feinde säubern wollte und auf ein Bündnis mit den evangelischen deutschen Fürsten hoffte. Da letztere sich ängstlich zurückhielten, nahm er mit der Unterstützung zweier länderloser Herren vorlieb: des verjagten Bischofs von Halle und FRANZ-KARLs. Ersterer hatte es verstanden, in der Stadt Magdeburg die unteren Klassen auf seine Seite zu bringen und eine kleine Truppe zu werben, mit der er dem Feinde viel Verdruß machte, bis es gelang, ihn in Magdeburg zu belagern. Franz-Karl sollte von Norden her auf die Elbstrecke Dömitz-Lauenburg losgehen. Anfangs hatte er Glück, indem eine ÜBERRUMPELUNG DER STADT RATZEBURG
gelang, dann aber sperrte sein regierender Stiefbruder ihm das Schloß, und Pappenheim verlegte ihm alle Ausgänge, so daß er sich mit seiner gesamten Macht ereben mußte. Dieser Hergang ist oft und ausführlich geschildert. Sein Bruder, der kaiserliche Kammerherr Franz-Julius, legte u. a. im August 1631 ein Fürwort für ihn ein, und um diese Zeit muß er auch, wie das THEATRUM EUROPÄUM schreibt, "auf gewisse Maße und Bedingungen wieder frei gelassen" worden sein.

Im kommenden Winter warb Franz-Karl jedoch schon wieder im Lüneburgischen je ein Regiment zu Fuß und zu Roß "in Königl. Maj. von Schweden Dienst und Behuf des ganzen evangelischen Wesens". Mitte April 1632, "nachdem er etliche Tage nacheinander Predigt und Betstunden halten lassen, auch General-Musterung angestellt" - vom Tage dieser Musterung, bei der Zahl und Ausrüstung der Truppe von Beauftragten des Kriegsherrn geprüft wurden, rechnete die Zahlung des Soldes - brach Franz-Karl von Bardowiek auf und rückte nach Burtehude. Dort sammelte der schwedische Feldmarschall Tott ein aus niedersächsischen Kreistruppen und Schweden zusammengesetztes Heer zur Eroberung von Nordwestdeutschland. Sein Gegner war Pappenheim, der aus den Niederlanden herankam, an Tott vorbeischlüpfte und sich in die wichtige FESTUNG STADE warf. Diese wurde zunächst belagert. Bei den der Einschließung vorangehenden Reitergefechten "hat sich insonderheit Herzog Franz-Karl tapfer gebraucht".

Ende April durchbrach Pappenheim den Ring der Belagerer und ging nach Westfalen. Sehr ersprießlich waren die Kämpfe in Nordwestdeutschland für die Evangelischen nicht. Tott, Baudissin, Herzog Georg von Braunschweig und Franz-Karl sollten zusammenwirken, ohne daß die Unterordnungsverhältnisse klar waren, wogegen auf der anderen Seite der tüchtige Pappenheim alles straff zusammen-
 

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hielt. Nach "Absägung" Totts wurde wenig gebessert, denn Herzog Georg achtete mehr auf seine besonderen Belange, als aufs Ganze. So war auch 1632 im Herbst außer Einnahme etlicher Städte nichts Wesentliches erreicht, als Gustav-Adolf zur Entscheidungsschlacht mit Wallenstein, von allen Nebenkriegsschauplätzen die Korps nach Sachsen zusammenrief. Auch Herzog Georg mit der Mehrzahl seiner Regimenter - darunter zwei von Franz-Karl, der eine Zeitlang sogar deren 4 gehabt hatte - mußte sehr unlustig dem wiederholten Befehl folgen. Er zog es aber vor, einen Umweg über Torgau zu machen, wo er sich mit kursächsischen Regimentern, die aus Schlesien herangerückt waren, vereinigte, aber auf diese Art das königliche Heer vor Lützen nicht mehr erreichte.

Gustav-Adolfs Tod in dieser Schlacht festigte das Bündnis der Evangelischen nicht gerade, da des Königs überragende Persönlichkeit sein bester Kitt gewesen war. Nach allen Seiten zog man zur Verfolgung von Sonderzielen auseinander; Georg von Braunschweig nach der Weser zurück, wo er Vergrößerung seiner Stammlande durch geistliches Gebiet plante. Franz-Karl ließ nur sein Fußvolk mitziehen, das noch im Frühjahr in den Listen der niedersächsischen Armee erscheint. Er selbst war mit den Reitern in BRANDENBURGISCHEN DIENST getreten, nachdem er sie durch Werbung ergänzt und am 26. Januar 1633 bei Mittenwalde zur Musterung vorgestellt hatte. Er wurde von da nach Schlesien geschickt zu jenem brandenburgischen Heeresteil, der mit Sachsen und Schweden zusammen dort unter Arnims Führung kämpfte und wo auch sein Bruder Franz-Albrecht als sächsischer Feldmarschall wirkte. Wallenstein stand ihnen gegenüber, wich aber einer Feldschlacht aus, wohingegen er mehrfache Waffenstillstände zu Friedensverhandlungen benutzte. Hierüber wird bei Franz-Albrecht des weiteren zu sprechen sein. Genug, daß Franz-Karl eine faule Lagerzeit hier durchmachte, bis im Herbst Wallenstein die Verhandlungen schroff abbrach. Ein Einfall des kaiserlichen Generals Holk lockte Arnim mit dem größten Teil der Sachsen und Brandenburger nach der Elbe. Den Rest unter Thurn überfiel und fing Wallenstein bei Steinau a. O., worauf er Frankfürt a. O. nahm und Pommern, die schwedische Basis, bedrohte. Arnim zog schleunigst nach und wehrte noch eben eine Unternehmung auf Berlin ab. Das Wallensteinsche Streifkorps, das sie versucht hatte, auf dem Rückweg an der Spree abzufangen, glückte nicht. Arnim hatte vorausgesetzt, daß von Berlin aus die Spreebrücke bei Köpenick abgebrochen wäre, der Feind also nur bei Fürstenwalde über den Fluß könnte. Ersteres war aber versäumt, und Franz-Karl, der auf Fürstenwalde vorausgeschickt war, stieß in die Luft, während die Kaiserlichen bei Köpenick übergingen und entkamen.

In diese Kriegshandlungen spielten wieder DIPLOMATISCHE ANKNÜPFUNGSVERSUCHE hinein. Auch Franz-Karl ist Ende Oktober in Dresden gewesen, wo gerade sein Bruder Franz-Julius mit Friedensvorschlägen aus Wien eingetroffen war. An der kurfürstlichen Tafel machte sich Franz-Karl mißliebig durch ein Lob Wallensteins, "wie er so ein tapferer, wackerer Herr wäre und so schöne Qualitäten hätte".

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Wider Erwarten ging Wallenstein nach Böhmen zurück, Arnim aber blieb südlich Berlin in Winterquartieren. Am 14. Januar 1634 kündigte Franz-Albrecht die Ankunft seiner Brüder Franz-Julius und Franz-Karl bei Arnim an. Als es sich dann darum handelte, daß Arnim zum Abschluß mit Wallenstein nach Pilsen kommen sollte, schlug Franz-Albrecht Franz-Karl als Führer der Armee in der Zwischenzeit vor, später sollte der aber Arnim begleiten. Durch des letzteren Zögern entging jedoch Franz-Karl dem Schicksal seiner beiden in Böhmen gefangenen Brüder Franz-Albrecht und Julius-Heinrich. Die brandenburgischen Truppen waren inzwischen zu einer neuen Armee gekommen, die der schwedische General Baner im Mai 1634 bei Müncheberg sammelte und die zunächst die von Wallenstein im Vorjahr eroberten Städte wiedernahm und dann durch Schlesien nach Böhmen zog, ohne daß es dort zu größeren Kämpfen kam. Im Herbst mußte infolge der schwedischen Niederlage bei der schwäbischen Reichsstadt Nördlingen Böhmen geräumt werden. Franz-Karl kam in die Altmark in Winterquartier. Sein Aufenthalt kostete der Landschaft in 8 Monaten 86041 Taler, außer dem Futter und dem Servis für die Mannschaften.

1635 kam zwischen dem Kaiser und den meisten evangelischen Fürsten zu Prag ein Frieden zustande, nach dem die Ausländer: Schweden und Franzosen gemeinsam vom Reichsboden vertrieben werden sollten. Franz-Karl kam nun zur "REICHSARMEE" unter dem Kurfürsten von Sachsen. Am 15. Mai 1637 kehrte das Regiment Sachsen-Lauenburg unter seinem Oberstleutnant in brandenburgischen Dienst zurück, der Oberst muß also spätestens um diese Zeit ausgeschieden sein.

Am 24. Januar 1638 hatte Franz-Karl sich erboten, zwei schwedische Regimenter in österreichischen Dienst zu bringen. Er selbst erhielt unterm 1. März seine Bestallung als KAISERLICHER GENERALWACHTMEISTER (Generalmajor). Von seinen Diensten hat man aber nie Gebrauch gemacht. Anscheinend wollte man in Wien ihn auf diese Art billig lahmlegen, denn das Gehalt ist ihm nicht gezahlt. Ebensowenig machte der Hofkriegsrat von den Werbeangeboten Gebrauch, die Franz-Karl unverdrossen einschickte. Er lebte jetzt meist auf dem Schloß Neuhaus, in dem Lauenburgischen Amt gleichen Namens, nördlich von Dömitz gelegen. Er hatte da umfangreiche Wälder, in denen gehetzt und gepirscht wurde. Seine Abendstunden füllten Schreibereien wegen allerhand Rechtsstreitigkeiten. So mit seinem regierenden Stiefbruder August, ferner mit dem schwedischen Statthalter in Pommern, den er ziemlich aussichtslos beim Reichshofrat wegen Landfriedensbruchs verklagt hatte, ohne daß die Beschuldigten von 1638-52 der Vorladung nach Wien Folge leisteten. 1638 nahm er ingleichen den Reichshofrat in Anspruch in einer Schuldsache gegen einen gewissen Neukirch.

Das Neuhaus benachbarte, früher Bülowsche, SCHLOSS WEHNINGEN hatte Franz-Karl gekauft, anscheinend von der Mitgift seiner zweiten Frau. Herzog August weigerte sich aber, den Kauf zu genehmigen, wie er es auch in ähnlichen Fällen bei seinen anderen Brüdern abgelehnt hatte. Diese zweite Frau war eine Nichte der ersten, die ge-

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borene Markgräfin Katharina von Brandenburg. Sie hatte ihren Gatten, den Fürsten Bethlen Gabor von Siebenbürgen, durch den Tod verloren und schloß 1639 den zweiten Ehebund mit Franz-Karl. Zehn Jahre darauf starb sie und der Witwer, inzwischen katholisch geworden, ging eine dritte Ehe ein mit der Gräfin Christine von Meggau, verwitweten Freiin von Teuffel, die er wohl bei seinem Bruder Julius-Heinrich in Böhmen kennen gelernt hatte. Ihr Vater war Minister des Kaisers und oberösterreichischer Landmarschall.

Alle drei Ehen blieben kinderlos. Dagegen erwiesen sich seine Liebschaften, deren zwei bekannt sind, als fruchtbar. Die Tochter Elisabeth-Charlotte von jener Engländerin verheiratete er 1656 an einen Hofmarschall von Wedel. Eine Ratzeburger Wäscherin schenkte ihm vier muntere Söhne, die, wie auch die Tochter, den Namen von Rautenkranz erhielten. Der Rautenkranz war das Wappenzeichen seines Geschlechts, von Kursachsen rechtswidrig mit dem Herzogtum Wittenberg zugleich übernommen, als das Hans Wettin nach dem Tod des letzten askanischen Herzogs Obersachsen erhielt.

Den ältesten Sohn, Franz-Karl v. Rautenkranz, stattete der Vater mit einem Doppelhof in Darchow - an der Elbe unweit Neuhaus - sowie mit dem Amt eines Schulzen und Deichschauers aus. Nachkommen des ersteren lebten noch im 19. Jahrhundert da; ein Karl-Gustav Rautenkranz - sie hatten den Adel später abgelegt - war Förster in Schwarzenbek. Die drei jüngeren Brüder des Schulzen wurden Soldaten und sind alle im Kriege geblieben. Einer kommt als Oberst in schwedischen Heereslisten vor.

Der Tatendrang des Vaters war aber auch noch nicht gestillt. Nach genügender Erschöpfüng der bisherigen Hauptträger des Krieges, Österreich und Schweden, drängte sich FRANKREICH vor, das ja auch im Westfälischen Frieden den Löwenanteil bekam. Die großen Feldherren Ludwigs XIV., Condé und Turenne, pflückten nun ihre schönsten Lorbeern. Noch anziehender aber war der stets prall gefüllte Staatssäckel Frankreichs auf die Söldner aller Grade. Eben für den täglich erwarteten Frieden kam es darauf an, daß man einen Kriegsherrn hatte, von dem eine entsprechende "Ergötzlichkeit", d. h. ein Ehrengeschenk in Geld oder Land, zu hoffen war. Den 50jährigen Franz-Karl litt es da nicht in seiner ländlichen Ruhe. Hatte er als Jüngling unter Mansfeld der Krone Frankreich gedient und war wie jener geprellt worden, so mochte es diesmal besser glücken. Er machte sich auf den Weg zu TURENNE und unterbreitete ihm einen Plan, wie von der Republik Venedig zur Entladung kommende Söldner, 6000 Mann, durch ihn, Franz-Karl, für den französischen Dienst geworben werden sollten. Das Geld dafür war natürlich von Turenne vorzuschießen. Der Kaiser erführ jedoch von diesem Vorhaben seines, wenn auch unbezahlten Generalwachtmeisters, und zwar durch den Kurfürsten von Bayern. Der stand auch mit einem Fuß damals im französischen Lager, wußte wohl grade darum aber gut dort Bescheid. Flugs wurde der Gesandte Rabatta angewiesen, die Republik zu warnen, worauf sich die Sache zerschlug.
 

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Man nahm sich das aber beiderseits nicht lange übel. Franz-Karl suchte die Fürsprache Pikkolominis, der Schwiegersohn Julius-Heinrichs geworden war, zu erlangen. Deshalb versah er ihn mit Kriegsnachrichten aus den schwedisch-polnischen Kämpfen und dem Zuge Schwedens gegen Dänemark. Noch 1659 erbot er sich zu Werbungen, als der Kaiser in den Krieg zugunsten Dänemarks eingriff. Obwohl nun ein kaiserlicher Kommissar deswegen zu ihm geschickt wurde, kam es doch zu keinem Abschluß. Das einzige, was Franz-Karl vom Kriege hatte, waren Ausschreitungen der kaiserlichen Truppen im Amt Neuhaus auf ihrem Rückmarsch aus Jütland. 1660 richtete er eine Beschwerde darüber nach Wien. Es war sein Todesjahr. Der Oberst von Plettenberg, der unter Franz-Karl zu Gustav-Adolfs Zeiten gedient hatte und in Hamburg lebte, meldet unterm 8. Dezember 1660 dem kaiserlichen General Montekukuli, daß Herzog Franz-Karl auf seinem Neuhaus einem Schlagfluß erlegen sei.

So endete ein Fürst, dem das Glück beharrlich den Rücken gekehrt, dem aber Mißgeschick und Alter den fröhlichen Wagemut des Reiters nicht hatten rauben können. Die kaiserliche Hofstaatskasse konnte befriedigt einen Schuldposten von etwa 100000 Gulden in ihren Büchern löschen.

 












 


 

 

 

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