Wie kamen die Berlings nach Lauenburg? Ja, das
ist eine ganz romantische Geschichte!
FRANZ CHRISTOPHER v. BERLING war, wie wir sahen, wie wir sahen, mit
seinem Bruder Otto bald nach der Hildesheimer Stiftsfehde seines
Gutes Emmingen beraubt und des Landes verwiesen worden. Da seine
Gemahlin, eine geborene v. Wittorf, bei der Zerstörung des Schlosses
den Tod gefunden hatte, so nahm er Kriegsdienste und kämpfte im
Bauernkrieg, in Italien und Ungarn. Dort aber empfing er eine
schwere Wunde. Doch gerade sie brachte ihm Glück. Die schöne
Adelheid v. Schärtling, die Nichte des berühmten Landsknechtsführers
Schertlin von Burtenbach, nahm sich seiner an und pflegte ihn. Und
als er genesen war, wurde sie sein Weib. Aber das Glück währte nicht
lange. Adelheid starb bald nach der Geburt eines Söhnchens, und
Franz Christopher, der unter dem Einfluß seiner Gemahlin zum
Protestantismus übergetreten war, entzweite sich mit seinem
katholischen Bruder Otto, der ihm in Königshofen ein Asyl gegeben
hatte. Und da zog der Kriegsmann wieder in die Welt hinaus. Von
sechs Knechten und seinem dreijährigen Söhnchen FRANZ JÜRGEN
begleitet, reiste er gen Norden, um bei dem Herzog von Lauenburg
Dienste zu nehmen, der damals "gegen die Pfaffen rüstete".
Aber der Ritter erreichte nicht sein Ziel. Als er sich anschickte,
mit seinen Begleitern bei Hohnstorf über die Elbe zu gehen, wurde er
von fünfzig vermummten Reitern überfallen. Fünf von seinen
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Leuten waren bald niedergehauen. Franz Christopher aber und sein
Knappe Meineke, dieser mit dem Kinde im Arm, warfen sich verwundet
in den eiskalten Strom. Der Diener erreichte schwimmend das rettende
Ufer. Der Ritter selbst, durch den Blutverlust geschwächt, ward von
der Strömung fortgerissen und ertrank.
Da stand nun der treue Knappe mit dem kleinen Knaben, dem bei dem
Ueberfall der rechte Arm zerschmettert war, und wußte nicht, was
tun. Aber Meineke verzagte nicht. Er wandte sich an die Herzogin im
Schloß zu Franzhagen. Der vater- und mutterlose Knabe wurde gut
aufgenommen und gewann, als er heranwuchs, das Vertrauen des
Herzogs. Da aber sein Oheim Otto sich nicht um ihn kümmerte und der
Prozeß gegen die Ritter von Neetze und Utenhove, die man des
Ueberfalls bezichtigte, ergebnislos verlief, mußte Franz Jürgen sich
mit einer bescheidenen Stellung begnügen: Er wurde Leibjäger des
Herzogs und erhielt dafür 1557 als Entgelt die BAUERMEISTERSTELLE IN
WITZEEZE und das Amt des Schloßvoigtes zu Frantzhagen. Meineke
erhielt einen Hof zu Lauenburg, von wo seine Nachkommen später nach
Bröthen übersiedelten. Ein Nachkomme von ihm ist heute Hufner in
Kankelau.
Franz Jürgens ältester Sohn FRANZ ERDMANN erbte dann die Stelle und
führte eine Tochter des nahen Brockmüllers Reimers heim. Da aber
kamen die beiden in lauenburgischen Hofdiensten stehenden Brüder
Georg und Gabriel (der Verfasser der Hauptchronik) und legten ihm
nahe, dieser nicht standesgemäßen Ehe wegen den Adel abzulegen.
Frantz Erdmann jedoch lachte ihnen ins Gesicht und ließ, den
Hochmutigen recht zum Trotz, über der Torfahrt seines neuerbaauen
Hauses das roh in Eiche gehauene Wappen der Berlings mit der
fünfzacktgen Krone darüber anbringen. Vor seinem Tode scheint er
aber doch den Adel abgelegt zu haben, denn ein bis vor wenigen
Jahren noch in der Witzeezer Kapelle vorhandenes Epitaph von 1596
das ihn mit seiner Gattin, umringt von 4 Söhnen und
4 Töchtern,
darstellt, trug die Inschrift:
Ich, Frantz Berling, mit Weib und
Kind,
Herr Christ, zu deinem Kreutz mich findt,
Dein bittrer Todt und Wunden roht
Helfen aus Noht, fahren zu Gott.
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Und auch eine Urkunde von 1608 bezeichnet ihn schlechtweg als
Bauernvoigt Frantz Berling.
Auch verschiedene Glasmalereien, von seinen Kindern gestiftet, führen diese
unter bürgerlichem Namen auf, so u. a. Dirich Berling, von dem unten noch zu
reden ist. Von seinen, außer 4 Töchtern, hinterlassenen 4 Söhnen erbte der
älteste Frantz Christopher Witzeeze; Eggert erwarb die Siebeneichener
Bauermeisterei, Ernst Hinrich starb früh, Dirich wurde Soldat. Nach Schäfer und
Jonas "Historischer Beweisführung, daß die Berlinge ein altadliges Geschlecht
sind", Berlin 1856, baute Frantz Erdmann 1596 das alte Herrenhaus zu einer
Kapelle um, die zur Erinnerung an seine im gleichen Jahre verstorbene Mutter
Katharina die Kathrinenkapelle hieß. Er starb 1628
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an Verletzungen, die er sich bei Abwehr kaiserlicher Marodeure zugezogen
hatte.
Denn inzwischen war der furchtbare, der dreißigjährige Krieg ins Land gezogen,
der auch Witzeeze nicht verschonte. Wie schon 1628, brach 1636 abermals eine wilde
Soldateska dort ein, zündete die Ställe an, tötete die Hausfrau, eine
Pastorentochter aus Lütan, und einen Sohn Frantz Christophers und schlug den
zweiten zum Krüppel. Die einzige Tochter Evamaria entging ihr durch Zufall; sie
heiratete hernach den Schumacher vom Büchener Herrenhof und knüpfte so die ersten
Beziehungen zu diesem. Das zum Krüppel geschlagene Knäblein blieb ledig und
vererbte 1706 mit seinem Tode das Witzeezer Erbe an seinen Vetter Melchior
Christian Berling aus Lauenburg, Dietrich Berlings Enkel.
Dieser DIETRICH (Dirich), Frantz Erdmanns oben genannter Sohn, war eigentlich
zum Geistlichen ausersehen gewesen, aber im Jahre 1627 war er mit seinem Freunde
Caspar Zobell von der Schule ausgerissen und in das Regiment hochdeutscher Knechte eingetreten, in dem sein Vetter Hans, Gabriel
v. Berlings einziger, bald
darauf im Duell gefallener Sohn als Hauptmann stand. Nach Gustav Adolfs Ankunft
trat er jedoch zu den Schweden über and machte dort sein Glüek. Er wurde schon
bald zum Feldhauptmann und dann zum Obristen ernannt. Als solcher aber ward
er schwer verwundet. Er mußte den Abschied nehmen und kehrte als Krüppel in sein
Heimatland zurück. Doch das Glück begleitete ihn trotzdem. In der Stadt
Lauenburg war sein Jugend-, Flucht- und Kriegskamerad Zobell inzwischen
Bürgermeister geworden. Franz Matthias heiratete seine Tochter und ward - wohl
durch den Einfluß des Stadtoberhauptes - zum Ratsherrn ernannt. Als Zobell ihn
aber auch zum zweiten Bürgermeister machen wollte, erhob der Herzog dagegen
Einspruch wegen der Gefahr allzu großer Vettermichelei.
Als Dietrich 1678 sein Amt niederlegte, folgte ihm als Ratsherr sein Sohn FRANTZ
MATTHIAS. Da der Herzog wohl eine Fortsetzung der Vetternwirtschaft fürchten
mochte, verfügte er 1679 die Suspension des Bürgermeisters Seeger vom Amte, da
dieser wiederum der Schwager des Frantz Matthias Berling war. Das aber gab einen
gewaltigen Sturm in der guten Stadt Lauenburg. Vor allem schürten die beiden
alten Veteranen, Dietrich und sein Freund Zobell, den Brand, während gleichzeitig
Frantz Matthias und Seeger auf mehr diplomatischem Wege dringende Vorstellungen
beim Herzoge. Das Reskript wurde dann auch zurückgezogen, und Seeger und
Berling wurden erneut in ihren Aemtern bestätigt. Frantz Matthias starb einige
Jahre darauf.
Sein zweiter Sohn KARL MATTHIAS entlief gleich seinem Großvater zu den
Soldaten und ist 1715 vor Stralsund gefallen. Der älteste Sohn MELCHIOR
CHRISTIAN aber erbte 1706 Witzeeze und wurde damit der 5. Bauervoigt daselbst aus
der Familie Berling, ein Amt mit dem fortan die Voigtey über die Dörfer Witzeeze,
Pötrau, Schulendorf, Bartelsdorf, Büchen und Fitzen und über das Vorwerk Frantzhagen, sowie das Amt des Reitenden Försters
über die Forsten des Amtes Lauenburg verbunden war.
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Tabelle: Stammbaum der Lauenburger Berlings.
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Von diesem Melchior Christian weiß übrigens die Chronik allerlei zu berichten.
Er war nicht nur ein tüchtiger Vogt und ein ausgezeichneter Forstmann, wie ihm
die Regierung ausdrücklich bescheinigte, sondern auch ein Hüne von Mensch und
ein echter Berling an Entschlossenheit und Tatkraft. Als eines Tages zwei
streitende Bauern zu ihm kamen und trotz seiner bauermeisterlichen Ermahnungen
nicht abließen, sich zu pauken, da nahm er die beiden einfach am Kragen und
stieß sie so lange mit den Köpfen zusammen, bis sie winselnd gelobten,
miteinander Frieden zu machen.
Melchior Christians Söhne zeigten nicht weniger als der Vater die
charakteristischen Eigenschaften der Berlings: die einen Unter-nehmungs- und
Abenteuerlust, die andern Energie und Starrköpfigkeit. Der älteste, Johann
Matthias, wurde Soldat; von ihm wird später noch zu sprechen sein. Ein zweiter,
Christian Friedrich, wurde Ratsherr in Lauenburg. Zwei weitere Söhne gingen, wie
bereits erzählt wurde, nach Schweden und Dänemark. FRANZ CHRISTOPHER und HANS
JÜRGEN aber blieben Landleute und wurden herzogliche Reitende Förster. Doch
pachtete Franz Jürgen 1738 das damalige herzogliche Vorwerk, heutige Dorf
Frantzhagen, das er bis 1752 behielt, worauf er die Bauervogtstelle zu
Bartelsdorf erwarb. Ihr Name ist bis auf den heutigen Tag bekannt durch einen
bedeutsamen Prozeß, den sie mit außergewöhnlicher Tatkraft gegen die
Lauenburgische Regierung führten und gewannen.
Es war im Frühjahr 1737, da reichte FRANZ CHRISTOPHER beim Hofgerichte in
Ratzeburg eine Klage ein, die die Behörden sehr lange Jahre beschäftigen sollte.
Er beschwerte sich, daß ihm das Amt in Lauenburg bei der Uebernahme der
Bauermeisterei zugemutet habe, "sich der Erbgerechtigkeit der
Bauermeisterschaft halber zu verziehen." Er sollte also auf das Recht
verzichten, sein Amt als Bauermeister auf seine Nachkommen zu vererben. Die
Hannoversche Regierung wünschte nämlich, nach "modernen" Grundsätzen die
Erblichkeit der Bauermeisterwürde allmählich zu beseitigen, und hatte bereits in
einigen andern Fällen den Verzicht erzwungen. Bei Franz Christopher Berling traf
sie aber auf nicht zu brechenden Widerstand. Soviel sie auch versuchte,
wenigstens einige der alten Bestimmungen zu beseitigen. immer wieder war der
hartköpfige Berling da, alarmierte die übrigen Bauermeister des Amtes Lauenburg
und erhob immer anfs neue Interventionen und „Leuterungen", bis schließlich das Hofgericht
am 15. Februar 1747 einen Vergleich bestätigte, durch den das für die
Berlings obsiegende Urteil vom 24. August 1746 von beiden Teilen anerkannt
wurde.
Zehn Jahre hatte Franz Christopher mit ungebrochener Tatkraft gekämpft. Jetzt aber
freute er sich in Dankbarkeit seines Sieges und stiftete zum Andenken daran den
noch heute in der Pötrauer Kirche befindlichen silbernen Oblatenteller.
Die Nachkommen dieses gradherzigen Mannes waren nicht so vom Glück begünstigt
wie er. Zwei Söhne fielen im siebenjährigen Kriege. Der dritte Sohn, HINRICH
JUSTUs, war kränklich. Und da sein einziger Sohn als neunjähriger Knabe starb,
fiel Witzeeze
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1787 an Hinrich Justus' Schwiegersohn Hans Nicolaus Jenkel. Dessen
Nachkommen
besitzen das schöne Erbe bis auf den heutigen Tag.
Zeigte Franz Christopher den hartköpfigen Typ der Berlings, so flackerte in
seinem älteren Bruder die alte Berlingsche Abenteurer-lust. JOHANN MATTHIAS sollte
nach dem Wunsch des Vaters ein Gelehrter werden und besuchte daher die
hohe Schule in Hannover. Aber das heiße Blut leidet ihn nicht auf der
Schnlbank. Schon als Siebzehnjähriger läßt er sich bei dem roten irregulären
Dragonerregiment, den späteren Cambridge-Dragonern, anwerben. Der Vater ist
außer sich und läßt sich nicht einmal auf dem Totenbette versöhnen. Johann
Matthias aber hat Glück in seiner Laufbahn. Er wird bald Rittmeister, tritt
nach Auflösung seines Regiments in holländische Dienste über und kämpft auf Java. Erst als ihm
sein Knie zerschossen wird, denkt er an Heimkehr. Als Oberstleutnant kommt er
zurück und pachtet Fahrendorf. Noch als 53jähriger
heiratet er Johanna Eleonore Schumacher vom Herrenhof in Büchen. Und so erwirbt
er für seine Nachkommen dies prächtige Erbe, das mehr als 100 Jahre in seiner
Familie bleiben sollte. Sein Sohn FRIEDRICH CHRISTOPH, der als Cornet im
amerikanischen Freiheitskriege kämpft und verunglückt, übernimmt den großen
Besitz und hat ihn bis zu seinem frühen Tode 1808 verwaltet Er war eine fröhliche,
übermütige Natur, von der in der Familie noch jetzt manch'
[sic!] toller Streich
erzählt wird. So fuhr er eines Tages vierspännig nach Lübeck. Zwei Vorreiter
sprengten vorauf. Und als er ans wohlbewachte Stadttor kam, da mußten die
Vorreiter blasen und rufen:
Wache, tritt in dein Gewehr.
Der Büchner Berling kommt daher!
Wie die Chronik weiter berichtet, "hat er aber
darob gar schwere Straf zahlen müssen."
Das 19. Jahrhundert sah in drei Generationen drei denkbar ungleichartige
Naturen anf dem Büchener Herrenhof. Friedrich Christophs Sohn FRIEDRICH PHILIPP
HEINRICH ist zunächst wieder ein unsteter Abenteurer. 1803 entläuft
er dem Vater, geht nach Frankreich, kämpft als französischer Soldat in Spanien,
macht den berühmten Ordonnanzritt von Saragossa mit und ist mit 23 Jahren
Kapitän im Bataillon Neuenburg. Krank und überreizt kehrt er aus dem Feld-Zuge
zurück, führt eine Gräfin zur Lippe-Sternberg-Schwalenburg heim und glaubt, sich
aus drückender Schuldenlast nur durch den Verkauf des Büchener Hofes retten zu
können. Kaum aber hat er abgeschlossen, bereut er und macht den Kauf rückgängig.
Als ihm ein Söhnchen geschenkt wird, reitet der hünenhafte Mann mit dem
Neugeborenen im Arm trotz eisiger Winterkälte nach Gudow, um das Kind bei der
Anmelduug als corpus delicti auf den Amtstisch zu legen. Und weiter
pocht er auf
die „Edelfreiheit" der Berlings, nimmt auch den Adel wieder auf und siegelt
statt der bisher gebrauchten 5zackigen seine Briefe mit der siebenzinkigen
Freiherrnkrone. Als man seinen Adel aber als napoleonisch verdächtigt, legt er
ihn wieder ab, zerschlägt jedoch einem Mißgünstigen, der über ihn spottet, alle
Knochen im Leibe. Als ihm schließlich die Schulden über den Kopf wachsen,
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geht er als Postmeister nach Schwarzenbek und übergibt den
Büchener Hof seinem so ungleichen Sohne Georg Heinrich,
Dieser GEORG HEINRICH lebt noch im Gedächtnis der älteren Lauenburger fort. Er
muß ein Mann wie von Eisen gewesen sein. Tatkräftig, kampflustig, unbeugsam.
Schon als Einundzwanzigjähriger übernimmt er, trotz allen Abratens, den stark
verschuldeten Hof. Fünf Jahre später brennen die schlecht versicherten Gebäude
ab, kaum daß man das nackte Leben rettet. Aber unverzagt geht er an den
Wiederaufbau. Die Pötrauer Doppelhufe muß er freilich verkaufen; an Stelle des
"Schlosses" entstehen bescheidene Gebäude. Aber die Wirtschaft gedeiht. Und
sein Amt als Postmeister und Zollinspektor läßt er bei allem Eifer für die
Landwirtschaft nicht zu kurz kommen. Mit welch' [sic!] eiserner Energie er auch als
Zollverwalter vorging, zeigt das tolle Stückchen von 1843.
Damals, nach Begründung des Zollvereins, blühte an den Grenzen Lauenburgs der
Schmuggel, wie nie zuvor. Eine Tages erhält nun Georg Heinrich die Nachricht,
daß ein großer Schmugglerzug nachts die Grenze überschreiten werde. Sofort
benachrichtigt er die Landreiter-Abteilung. Aber diese erklärt sich außer
Stande, gegen den großen wohlbewaffneten Trupp ohne Verstärkung einzugreifen Da
wagt es Georg Heinrich auf eigene Faust. Mit seinem Schwager, dem Zollgehilfen
Franz Henkel, zieht er in der Nacht aus. Bei Besenthal trifft er auf 40
Schmuggler. Da verbirgt sich Franz im Knick und gibt halblaute militärische
Kommandos. Georg Heinrich aber tritt vor, erklärt die Schmuggler für umzingelt und
fordert sie auf, ihm zu folgen. Und wahrhaftig, das nicht Erwartete geschieht.
die Schmuggler ergeben sich widerstandslos und führen ihre Waren selbst nach
Büchen. Die inzwischen verstärkten Landreiter aber kommen gerade noch zur rechten
Zeit, um Beute und Gefangene in Sicherheit zu bringen, ehe diese merken, daß
zwei tollkühne Männer ihre einzigen Wächter sind.
Das tolle Stückchen machte dem damaligen Landesherrn, König Christian VIII. von
Dänemark, außerordentlich viel Vergnügen. Er ließ Berling nach Kopenhagen kommen
und verlieh ihm Hofrang und den Titel eines Kammerrats. Franz Jenkel aber
erhielt 1000 Kronen zur Belohnung.
Georg Heinrich war jedoch alles andere als ein Hofmann. Er ließ sich ein zweites
Mal nicht wieder in Kopenhagen seben. Andrerseits aber hielt er treu zu seinem
König-Herzog und wirkte unverdrossen für den eigenartigen Plan, den er sich
zur Beilegung aller nordischen Streitfragen ersonnen hatte. Er gedachte, mit
Einschluß Dänemarks eine große wirtschaftspolitische Gemeinschaft der deutschen
Nordstaaten zu begründen. Vor allem war die Selbständigkeit Lauenburgs für ihn
unantastbar. Und als die Ritter- und Landschaft, deren Mitglied er seit
1848 war,
dennoch für den Anschluß an Preußen stimmte, da geschah dies in einer Zeit, als
Berling - und das war sicher kein Zufall - in Karlsbad war. Georg Heinrich war
nun einmal kein Preußenfreund, und einen Freund Bismarcks wollte er sich auch
nicht nennen. Als man ihm zumutete, 1882 für Herbert
[sic!] Bis-
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marcks Reichstagswahl einzutreten, lehnte er trotz aller
ehrenvollen Versprechungen ab. Als ihn aber deshalb ein liebedienerischer und
gewissenloser Beamter durch eine gemeine Intrige aus dem Amte bringen wollte, da
trat ganz Lauenburg für den so schmählich Verdächtigten ein. Er wurde vor
Gericht glänzend gerechtfertigt, und die Ritter- und Landschaft überreichte ihm
aus diesem Anlaß einen wertvollen goldenen Pokal, seine Anhänger aber einen
silbernen Tafelaufsatz mit symbolischen Nachbildungen Büchens und der drei
Städte.
Georg Heinrich Berling hat sämtliche Ehrenämter verwaltet, die Lauenburg damals
zu vergeben hatte. Er war Mitglied des Kreistages und Kreisausschusses, der
Synode und des Synodalausschusses, des Provinziallandtages, des preußischen
Abgeordnetenhauses und des Reichstages. Sein Gut hatte er verpachtet. Er selbst
lebte, seit die Erbauuug der Bahnen die Verlegung von Zollverwaltung und Post in
deren Nähe erforderlich machte, in einem Hause nabe dem Büchener Bahnhof. Seine
frische Tatkraft bewahrte er bis zu seinem Tode. Die Verehrung, die man ihm
entgegenbrachte, war allgemein. Als er 1896 starb, widmeten ihm selbst die
politisch gegnerischen Blätter anerkennende Nachrufe.
Der letzte Berling schließlich, der auf Hof Büchen saß, war seinem Vater ähnlich
in der Treue gegen seinen Beruf und der Hingabe, mit der er seine zahlreichen
Ehrenämter verwaltete. Auch HEINRICH BERLING hat in all den
Lauenburgischen Körperschaften gewirkt, in dem der Kammerrat Sitz und Stimme
hatte. Er war außerdem Kreisdeputierter, Mitglied des Provinziallandtages und
der Generalsynode. Aber der großen Politik hielt er sich fern. Er war keine
Kampfnatur. Er hatte sich schon als Jüngling gebeugt, als der Vater ihm während
des Krieges gegen Oesterreich 1866 untersagte, in die preußische Armee
einzutreten. Und als er kurz vor dem französischen Kriege doch als Offizier in
den aktiver Dienst übertrat, mußte er schon 1872 als Premierleutnant wieder den
Abschied nehmen, weil der Vater und der alte Familienbesitz es forderten. Auf
Büchen hat er dann 36 Jahre hindurch treu und tatkräftig gewirkt, allen
Hilfesuchenden ein freundlicher Berater, bis ihn ein früher Tod nach kurzer
Krankheit seinen Angehörigen entriß.
Als Heinrich Berling gestorben war, stand der alte Herrenhof in Büchen verwaist
da. Sein Sohn hatte sich einem gelehrten Berufe zugewandt. Es gab niemand mehr
in der Familie, der das Erbe der Berlings hätte übernehmen können. So wurde denn
der alte Stammhof verkauft, die Hauptsitze der Lauenburger Berlings, Witzeeze
und Büchen waren nun in andern Händen.
In Lauenburg lebt von den beiden Hauptzweigen der Berlingschen Familie kein
männlicher Sproß mehr. Aber draußen im Reich blüht das alte Geschlecht, und es
bewahrt treu das Andenken an seine Vorfahren, und es spinnt gern Fäden hinüber
zu den Berlings, die in andern Ländern ihr Glück und ihre Heimat gefunden haben.
Unvergessen aber bleibt ihnen ihr liebes Lauenburger Heimatland.
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