Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1927


Das Bauerndorf im Kreise Herzogtum Lauenburg. [TEILE 1+2]

Von Dr. JOHANN FOLKERS zu Rostock.

Dörfliche Siedelung und bäuerliches Gehöft dienen in erster Linie wirtschaftlichen, insbesondere landwirtschaftlichen Zwecken. Man sollte daher annehmen, daß für ihre Formen die Art und Weise des landwirtschaftlichen Betriebes allein maßgebend wäre. Das ist aber, wie die Forschung gezeigt hat, in so ausschließlicher Weise keineswegs der Fall. Daneben wirken Väterbrauch und Stammeseigenart, indem sie die Auswahl unter den verschiedenen wirtschaftlich möglichen Siedelungs- und Gehöftformen bestimmen. So werden diese Formen zum Ausdruck der besonderen Art des siedelnden Volkstums, und in der Entwicklung von Dorf und Haus erblicken wir wie in einem Spiegel die Geschichte des Volks, das sie schuf.


I. Aus der Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Lauenburgs.

Für die Siedelungsgeschichte des Herzogtums Lauenburg ist die Tatsache grundlegend, daß die germanischen Stämme, die seit den ältesten, überhaupt geschichtlicher Forschung zugänglichen Zeiten im Lande gesessen hatten, in der Zeit der sogenannten großen Völkerwanderung aus dem Lande verschwanden und dem von Osten her sich vorschiebenden slavischen Volkstum Platz machten. So kam es, daß mindestens 400 Jahre - von spätestens 800 bis 1200 nach Christi Geburt - das lauenburgische Land so gut wie ganz östlich jener Linie lag, die Deutschtum und Slaventum schied, bis um 1200 die ostwärts zurückschlagende Welle deutschen Volkstums auch das Gebiet des heutigen Kreises Herzogtum Lauenburg der deutschen Kultur wieder gewann. So zerfällt die Volkstumsgeschichte unseres Gebietes von selbst in drei Zeiträume, einen germanischen bis etwa 500 oder 800 nach Christi Geburt, einen slavischen bis 1200 und einen deutschen, dessen Dauer für die Zukunft durch Verankerung unseres Volkstums im Heimatboden zu sichern die Aufgabe der deutschen Gegenwart ist.

Welche Spuren haben diese Wandlungen des Volkstums in den Formen von Dorf und Haus hinterlassen? Um die richtige Deutung dieser Formen zu finden, werden wir die nach Osten und nach Westen angrenzenden Gebiete zum Vergleich heranziehen müsssen und uns die äußeren Schicksale des späteren Herzogtums Lauenburg zu vergegenwärtigen haben.

Wann die germanische Zeit, die unsere Hünengräber getürmt hat, zu Ende gegangen ist, das ist kaum genau zu bestimmen. Wir wissen nur, daß anscheinend schon um das Jahr 160 nach Christi Geburt die Hauptmasse der Langobarden, des zuletzt im Lauenburgischen nachweisbaren germanischen Volkes, nach Süden abzieht, um endlich nach heldenhaften Taten im heutigen Volkstum Norditaliens aufzugehen. wo der Name der "Lombardei" heute noch von den germanischen Einwanderern zeugt. Westlich der Elbe sind Reste langobardischen Volkstums im Bardengau um Bardowiek sitzen geblieben.Ob auch

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im Lauenburgischen? Die Vorkämpfer der sogen. Urgermanentheorie haben für das gesamte ostelbische Deutschland die ununterbrochene Fortdauer germanischen Volkstums auch währeud der slavischen Jahrhunderte behauptet. Nur habe sich eine dünne wendische Herrenschicht darübergelegt. Ohne diese vorwiegend germanische Unterschicht sei der schnelle Sieg deutscher Sptache und Kultur um 1200 ganz unerklärlich, meint man. Aber darüber kann man verschiedener Meinung sein. Und irgendwelche wirklich greifbaren Tatsachen lassen sich für diese "Urgermanentheorie" nicht beibringen. Die gründliche Slavisierung unserer alten Ortsnamen spricht sogar entschieden gegen ein Überdauern nennenswerter germanischer Volksreste. Man muß einmal unsere Dorfnamen nachprüfen, - nicht wie sie heute lauten, sondern in der alten Form, die uns das berühmte Zehntenregister des Bistums Ratzeburg aus der Zelt um 1230 erhalten hat. Da heißt Holstendorf noch Slavicum Pogatse" Wendisch-Pogeez. Ein scheinbar so deutscher Name wie Schlagbrügge erseheint als Slaubrize, Poggensee hat seinen Namen nicht von einem See mit Poggen, sondern durch deutsche Umdeutung des gut slavischen Pokense erhalten. Walksfelde heißt zwar schon 1230 Walegotesvelde, aber noch 1158 durchaus slavisch Walegotsa, und in derselben Urkunde von 1158 - es handelt sich um die Ausstattung des neuen Bistums Ratzeburg- wird ein slavisches Kolatza genannt, das schon 1174 Clotesvelde und heute Horst (bei Schmilau) heißt. Nach diesem Befund erscheint es als höchstwahrscheinlich, daß nennenswerte langobardische Volksreste nördlich der Elbe überhaupt nicht zurückgeblieben und die etwa vorhandenen rasch slavisiert waren.

Ums Jahr 800, als die freilich nicht im Sturm heranbrandende, sondern unmerklich leise höher steigende Slavenflut ihren höchsten Stand erreichte, verlief die Vorpostenlinie des Deutschtums etwa an der Westgrenze des Kreises, der selber jedenfalls zum weitaus größten Teile dem Siedlungsgebiet der Polaben, eines Stammes der wendischen Obotriten, angehörte. Genau abgesteckt worden ist die deutsch-wendische Herrschaftsgrenze anscheinend in den letzten Lebensjahren Karls des Großen. Nach der Beschreibung durch den Domherrn Adam von Bremen im 11. Jahrhundert verlief dieser Grenzzug, Limes Saxoniae oder Saxonicus d. h. "Sachsenmark" genannt, von der alten Ertheneburg bei Schnakenbeek nordwärts nach Krüzen, die Au hinab bis zur Einmündung in die Linau bei Lütau, diesen Bach hinab bis zur Delvenau, dann die Delvenau aufwärts bis zur Einmündung der Hornbek, diese hinauf, dann über Talkau, zwischen Gr. und Kl. Schretstaken durch zum Sirksfelder Wallberg, auch Koberger Wall genannt, von da in einer nicht genauer feststellbaren Linie, vielleicht an der Barnitz entlang zur Süderbeste und an dieser abwärts bis zu ihrer Einmündung in die Trave bei Oldesloe. Von da ging die Linie die Trave aufwärts bis nördlich an Segeberg, über Bornhöved nach Preetz ins Gebiet der Schwentine und diese abwärts bis zur Kieler Förde. Dies kann aber lediglich politische Grenze, nicht Sprach- und Siedelungsgrenze gewesen sein, denn die slavischen Ortsnamen herrschen noch viel weiter nach Westen bis an den Sachsenwald.

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Dahmker, Kasseburg, Sahms, Grabau, Pampau, Rülau - bei letzteren mit der gleichen bezeichnend slavischen Endung wie in Gülzow, Kollow usw. Im schon erwähnten Ratzeburger Zehntenregister von 1230 sind die Endungen -au und -ow noch ganz gleichmäßig: Pampowe, Grabowe, Lutowe, Basdowe, Colodowe (Kollow), Putrowe  (Pötrau). Zu allem Überfluß aber bezeichnet das Register ganz ausdrücklich die Bewohner folgender westlich oben beschriebener Grenze gelegenen Dörfer als selbst noch um 1230 slavisch: Wankelowe (Wangelau), Elmhorst, Grabowe, Grove, Slavicum Pampowe (Kl. Pampau), Lelecowe und Cemerstorp - letztere beiden heute nicht mehr feststellbar, aber alle sieben im Kirchspiel Siebeneichen gelegen. Außer diesen Dörfern sind im Lauenburgischen, aber östlich der oben bezeichneten Grenzlinie, noch Sciphorst, Slavicum Parketin (Kl. Berkenthin) und Slavicum Pogatse (Holstendorf) als Wendendörfer und folgerichtig ohne Angabe von Hufenzahl und Zehntleistung aufgeführt. Der ganze Südwesten des heutigen Kreises Herzogtum Lauenburg, alles Land südlich der Linie Kuddewörde-Grambek und westlich der Delvenau, gehörte nicht zum politischen Herrschaftsgebiet des Stammes der Polaben, sondern zur Mark Sadelbandia, und diese gehörte zum alten Herzogtum Sachsen, das von Dortmund bis Kiel reichte und von 1142 bis 1180 in Heirich dem Löwen seinen letzten und größten Herzog hatte. Ob der Name "Sadelbandia" deutsch oder slavisch ist, läßt sich nicht bestimmt entscheiden, auf jeden Fall aber war ums Jahr 1150 nur eine wenig zahlreiche Bevölkerung slavischen, wahrscheinlich polabischen Stammes im Lande. Trotz der politischen Herrscherstellung des Sachsenherzogs ist damals sicherlich noch keine irgendwie nennenswerte Zahl deutscher, niedersächsischer Siedler im Lande Sadelbandia vorhanden gewesen. Einen sehr großen Teil dieses Gebietes nahm der alte Grenzwald ein, von dem heute in Sachsenwald und Hahnheide noch stattliche Reste vorhanden sind, der aber zu jener Zeit wahrscheinlich noch in geschlossenem Bestande bis weit über die heutige Straße Bergedorf-Schwarzenbek südwärts gereicht hat.

Was ist nun nach 1230 aus der slavischen Bevölkerung im Lauenburgischen geworden? Die sogen. Ausrottungstheorie nahm an, daß ein wahrer Vernichtungskampf gegen das wendische Volk geführt worden sei, bis nichts mehr übrig blieb. Aber für diesen Vernichtungskampf gibt es keinerlei Beweise, und schon der verstorbene Prof. Hellwig-Ratztburg hat der "Verflüchtungstheorie" die Frage entgegengehalten, woran denn eigentlich das Wendenvolk gestorben sein solle? Etwa am Gram um die verlorene Nationalität? Oder ob die Wenden sich etwa dem Genusse des Feuerwasser ergeben hätten, wie die Indianer in Nordamerika? Auch von einer Auswanderung der Wenden wissen wir nichts. Die ganze Ausrottungs- oder Verflüchtigungstheorie beruht auf einem Mißverständnis unserer Urkunden, vorab des vielgenannten Zehntenregisters. Man hat gemeint: Da die Wenden keine Einteilung der Feldmark in Hufen kannten und den kirchlichen Zehnten nicht zu zahlen brauchten, so muß jedes Dorf, dessen Feldmark in Hufen liegt und dessen Bauern den Zehnten zahlen, von deutschen Kolonisten besiedelt sein. Nach den Urkunden,

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insbesondere nach ausdrücklicher Angabe des Zehntregisters, zahlten die Slaven statt des Zehnten drei wendische Scheffel (Kuriz) Weizen, einen Topp Flachs, ein Huhn und einen Schilling vom Haken. Etwa 60 Jahre früher schrieb der Priester Helmold zu Bosau am Plöner See in seine Slavenchronik: "Der Herzog (Heinrich der Löwe) schrieb den Slaven, welche im Lande der Wagiren (Wagrien d. h Ostholstein), der Polaben, der Obotriten und der Kicinen (bei Rostock) übriggeblieben waren, dieselben Steuern an das Bistum vor, welche bei den Polen und (slavischen) Pommern erlegt werden, d. h. von jedem Pfluge drei Scheffel Weizen und 12 Stück gangbarer Münzen. Der Scheffel aber hieß bei den Slaven Curitce, und ein slavischer Pflug wird zu zwei Ochsen und ebensoviel Pferden gerechnet." Es handelt sich also bei den Slaven um eine Besteuerung der Gespannhaltung, dagegen beim Zehnten um einen stimmten Ernteanteil. Für den Bischof brachte der Zehnte bedeutend mehr als die wendische "Biskopnitza". Und der Graf von Ratzeburg bezog vom Kirchenzehnten der meisten Dörfer auf Grund lehnsrechtlicher Übertragung die Hälfte für sich. Graf und Bischof waren daher auf das Stärkste daran interessiert, daß ein Dorf "deutsch" wurde statt "wendisch", d. h. daß es den Kirchenzehnten zahlte statt der Biskopnitza. Oft hören wir daher, daß die Wenden eines Dorfes im Rechtswege durch Kündigung ausgewiesen oder auf den kleineren Teil der Feldmark beschränkt werden. So wird noch ums Jahr 1250 Wendisch-Pogez geräumt, mit holsteinischen Siedlern besetzt und Holstendorf genannt. So muß es auch gekommen sein, wenn neben einem deutschen Dorf ein gleichnamiges Wendendorf steht wie Slavicum Karlowe (neben Karlow), Slavicum Turowe (Kl. Thurow), Slavicum Sethorp (neben Seedorf), Slavicum Sakkeran (neben Segrahn), Slavicum Sirikesvelde (neben Sirksfelde), Slavicum Sarowe (Kl. Sarau). Nun leisten aber alle diese als wendisch aufgeführten Dörfer den Zehnten. Sind etwa auch von hier später die Wenden vertrieben worden? Aber wohin dann? Und waren in dieser Zeit gewaltigsten Bedarfes an deutschen Arbeitskräften für das ganze weite ostelbische Land auch genügend deutsche Bauernsöhne jederzeit aufzutreiben? Da ist es doch wohl die nächstliegende Lösung, daß man eben die Wenden zu Deutschen gemacht und sie dadurch zur Zehntleistung verpflichtet hat, indem man ihnen das deutsche Recht verlieh. So scheint es z. B. in Lütau gegangen zu sein. "Im Dörfe Lütau", sagt das Zehntregister, "hat der Graf Reinold den Zehnten besessen, der die Äcker des Dorfes in der Art und Weise eines Lehens zehntbar gemacht hat. Anscheinend ist also hier deutsches Recht auf die slavischen Bewohner übertragen worden, ähnlich, wie es 1220 mit den Wenden in Brüsewitz bei Schwerin urkundlich geschehen ist. Man darf ruhig annehmen, daß die Aufnahme von Wenden ins deutsche Recht keineswegs selten gewesen ist. Woher stammt denn sonst die große Zahl slavischer Namen, die Witte in "deutschen" Dörfern Mecklenburgs nachgewiesen hat? Man versteht unsere Urkunden, vor allem wiederum das Zehntregister, gründlich falsch, wenn man sie als eine Art Nationalitätenkataster liest. Den Ausstellern und Empfängern der Urkunden war die Herkunft der Kolo-

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nisten - von deutschen oder wendischen Eltern - gleichgültig, ihnen kam es auf die Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse an. Wenn ein Wende es übernahm, Zins und Zehnten zu entrichten wie die deutschen Einwanderer, - warum sollte man ihm deutsches Recht verweigern? Bei den oben erwähnten sieben Dörfern des Kirchspiels Siebeneichen in der alten Sachsenmark Sadelbande, die das Zehntenregister ausdrücklich als "slavische Dörfer" bezeichnet, werden in der Tat Hufen nach deutscher Art aufgeführt, aber der alte slavische Charakter dieser Gegend kommt noch darin zu deutlichem Ausdruck, daß in Sadelbande nicht der volle Zehnte gegeben wird, sondern "nach einer sehr schlechten Gewohnheit", wie der geistliche Verfasser unzufrieden bemerkt, nur vier Scheffel Weizen von der Hufe. Das muß auf die alte Biskopnitza zurückgehen. Man merkt deutlich, wie sich hier der Übergang der slavischen Bewohner der Landschaft Sadelbande, d. h. also des ganzen Gebietes zwischen Elbe, Bille, Hornbek und Delvenau, aus wendischen in deutsche Rechtsverhältnisse vollzieht. Worin nun freilich die Vorteile deutschen Rechtes gegenüber der höheren Belastung bestanden, können wir nur ungefähr sagen. Jedenfalls war der Inhaber deutschen Rechtes nicht hörig, sondern freien Standes. Ob aber, wie man wohl behauptet hat. zum deutschen Rechte das erbliche Nutzungsrecht am Grund und Boden gehört habe, ist ungewiß. Wahrscheinlich hatte nur ein Teil der deutschen Einwanderer verbrieftes Erbrecht an seiner Scholle. Die Regel bildete das Erbrecht nur da, wo der Grund und Boden erst vom Urwald geklärt oder entsumpft werden mußte, wie es etwa in dem breiten waldbedeckten Küstenstreifen von Lübeck bis Greifswald und Wolgast der Fall war. Das ist das Hauptgebiet der sogen. Hagendörfer oder Waldhufendörfer. Wo aber der Boden schon in der Wendenzeit urbar gewesen war, ist erbliches Nutzungsrecht bei den deutschen Kolonisten die Ausnahme gewesen. Freies, aber kündbares Pachtrecht war die Regel. Eine Gefahr für ihre oder ihrer Kinder Stellung haben die deutschen Kolonisten im Mangel der rechtlich verbrieften Erblichkeit nicht erblickt, da es für die Grundherrschaft geistlicher wie weltlicher Art kaum eine andere Nutzungsweise als durch bäuerliche Erb- und Zeitpächter gab. Denn den landwirtschaftlichen Großbetrieb hat, abgesehen von ein paar Gutswirtschaften der Mönchsklöster, erst die Neuzeit verbreitet. Der einzige nachweisbare Fall von Bauernlegung schon im Mittelalter in unserer Gegend geht denn auch von geistlicher Seite aus. Es handelt sich um die Verwandlung des Dorfes Rodemuszle (Römnitz gegenüber der Stadt Ratzeburg) in einen Gutsbetrieb des Domkapitels zu Michaelis 1285. Dazu wurde den Bauern ein Jahr und vierzehn Wochen vorher gekündigt, beim Abzug der Wert der Häuser und der Meliorationen durch von beiden Seiten ernannte Taxatoren abgeschätzt und der Schätzungswert den abziehenden Pächtern ausgezahlt. Die Bauern, deren Namen rein deutsch ohne allen wendischen Beigeschmack lauten, konnten also hier von bei Grundherrschaft in aller Form Rechtens gekündigt werden. Hörig waren sie nicht. Solche freien bäuerlichen Pächter nennt der "Sachsenspiegel", das berühmte niedersächsische Rechtsbuch, um 1230 "Landseten", Landsassen. Aber solche Kündigung war eben seltene Aus-

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nahme, denn der Ritter des Mittelalters war kein Landwirt, sondern Soldat, Verwaltungsmann und Grundrentenbezieher, wie es heute noch der westdeutsche Adel größtenteils ist. Die zahlreichen Pachtbauern des westfälischen oder ostfriesischen Adels sitzen seit langen Geschlechterfolgen auf ihren Stellen. Auch für Ostholstein ist Ansiedelung mit tatsächlicher, aber nicht rechtlich erzwingbarer Erblichkeit der Hufen im Mittelalter die Regel gewesen. "Die Ansiedler mögen auf die ausdrückliche Versicherung der Erblichkeit kein besonderes Gewicht gelegt haben, denn daß man sie und ihre Nachkommen auf den Stellen ließ, solange sie ihre Heuer bezahlten, lag im Interesse des Herrn selbst", schreibt Max Sering in seinem großen Werke über Erbrecht und Agrarverfassung in Schleswig-Holstein mit Bezugnahme auf das ehemals slavische Ostholstein.

Ein anderes Gesicht bekam aber diese Rechtslage, als mit dem Niedergang des Rittertumes der ostelbische Ritter zum eigenen Betrieb der Landwirtschaft im Großen überging. Da ist ein großer Teil der Bauernhufen vom Grundherrn eingezogen und zu adeligen Großgütern zusammengeschlagen worden, zumal als im sechzehnten Jahrhundert die Getreide-, Fleisch- und Wollpreise auf das Doppelte und Dreifache emporschnellten und zur Eigenwirtschaft lockten. Zur Bewirtschaftung des umfangreichen Hoffeldes, das so aus den Feldmarken niedergelegter, d. h. dem "Bauernlegen" zum Opfer gefallener Dörfer zusammenwuchs, dienten die Hand- und Spanndienste der verschont gebliebenen Bauern. Zu einer Leibeigenschaft wie in Ostholstein ist es aber im Lauenburgischen nicht gekommen. Dazu war der Einfluß der seit 1689 regierenden hannöverschen Landesherrschaft dem Adel gegenüber zu stark. Dem Einfluß Hannovers war es auch zuzuschreiben, daß das alte Zinsverhältnis der Bauern durch das erbliche Meierrecht, wie es im Lüneburgischen herrschte, verdrängt wurde. Nur auf den adeligen Gütern Wotersen, Lanken und Seedorf genossen die Bauern kein Erbrecht. Die Hofdienste betrugen im Durchschnitt für den Vollhufner wöchentlich zwei Tage Spanndienst und zwei Tage Handdienst, für Teilhufen weniger. Die Kätner leisteten Handdienste, oft nur einen Tag in der Woche. Die Hofdienste waren jedoch für die einzelnen Güter verschieden, aber nach dem Herkommen unabänderlich bestimmt. Im Zeitalter des absoluten Fürstentums, dessen glänzendste Vertreter die preußischen Könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große waren, wurde wie in Preußen so auch im Kurfürstentum Hannover eine allgemeine Reform der bäuerlichen Verhältnisse in Angriff genommen, die darauf hinauslief, den Bauern wirtschaftliche und rechtliche Ellbogenfreiheit zu schaffen. Dazu gehörten die sogen. Verkoppelung und Gemeinheitsteilung, über die noch zu sprechen sein wird, sodann die Ablösung aller Hofdienste gegen billige Entschädigung (Dienstgeld), gleichmäßige Festsetzung der Dömanialgefälle usw. Erhalten blieben nur die sogen. Burgfestedienste für öffentliche Zwecke, bis 1869 auch ihre Ablösung gegen eine entsprechende Geldabgabe erfolgte. Schließlich ist am 14. August 1872 durch preußisches Gesetz das alte Meier- und Erbzinsrecht in Eigentum übergeführt und durch ein weiteres Gesetz vom 21. Februar 1881 betreffend das Höferecht

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im Herzogtum Lauenburg die Rechtsgrundlage geschaffen, um die Bauernstellen auch für die Zukunft im Besitze der alten Bauernfamilien zu erhalten. Wirkt doch nichts verheerender für ein Volk, als wenn der Grund und Boden, diese Grundlage des gesamten Volkslebens, zur Handelsware und seinen Besitzern nicht mehr als das kostbare Erbteil der Väter erscheint, das zu pflegen und kommenden Geschlechtern zu erhalten heilige Pflicht ist, sondern nur noch unter dem Gesichtspunkt des höchsten erzielbaren Verkaufspreises betrachtet wird.

II. Die lauenburgischen Dörfer.

Es ist seit langer Zeit aufgefallen, daß die Anlage der Dörfer in den verschiedenen Gebieten Norddeutschlands beträchtliche Unterschiede ausweist, die sich nicht durch die Verschiedenartigkeit der örtlichen Lage und der Bodenverhältnisse erklären lassen. Man hat daher die Gründe der Entstehung unserer Dorfformen großenteils in geschichtlichen und völkischen Verhältnissen suchen müssen. Eine besonders auffallende Form der Dorfanlage und daher wohl auch diejenige, die zuerst die Aufmerksamkeit der Geschichtsforscher in besonderem Maße auf sich zog, sind die sogenannten Rundlinge. Wir haben sie im Lauenburgischen nicht selten, wenn sie auch namentlich seit der Verkoppelung durch Verlegung der Hofstellen vielfach verändert und daher auf den heutigen Meßtischblättern schwerer zu erkennen sind als auf den alten Flurkarten des 18. Jahrhunderts. Diese sind daher auch die Grundlage der beigefügten Kartenzeichnungen. Brunstorf Abb. 1) ist als besonders großes und schönes Beispiel der Rundlingsgruppe gewählt worden. Diese ist gerade in der alten Landschaft Sadelbande zahlreich vertreten. Havekost, Möhnsen, Kasseburg, Hohenhorn, Dassendorf, Talkau, Koberg sind alte Rundlinge. Bezeichnend für diese Dorfform ist die hufeisenförmige Anordnung der alten Bauernhöfe um einen geräumigen Dorfplatz, der nicht gerade kreisrund zu sein braucht, aber doch etwa ebenso breit wie lang ist. Oft enthält er den Dorfteich, nicht selten auch die Kirche. Alle Gehöfte kehren dem Dorfplatz ihre Einfahrt zu. Dieselbe Art der Dorfanlage ist im westlichen Mecklenburg, so auch im Lande Boitin, dem Kerne des Bistums und späteren Fürstentums Ratzeburg um Schönberg sehr verbreitet, kommt aber weiter westlich des Kreises Herzogtum Lauenburg, z. B. schon im mittleren und westlichen Holstein so gut wie gar nicht vor. Die Verbreitung des Rundlings reicht also ziemlich genau so weit nach Westen wie die Verbreitung der wendischen Ortsnamen. Das bewährt sich auch weiter südlich im Hannöverschen, wo die Rundlings- und Wendengrenze zusammen die Ilmenau aufwärts an Lüneburg vorbei, dann die Ise abwärts bis nach Gifhorn und schließlich längs der Ohre zur Elbe unterhalb Magdeburgs verlaufen. Diese Beobachtung schien den schlüssigen Beweis zu liefern, daß der Rundling von den Wenden ausgebildet sein müsse. Allerdings mußte es gegen diese Annalune Bedenken erwecken, daß im ganzen eigentlichen altslavischen Siedelungsraum zwischen Oder und Ural der Rundling fehlt. Seine Verbreitung erstrebt sich somit über lauter Gebiete, die bis zur Völkerwanderung germanisch gewesen und erst seit dem 5. oder

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[Nicht paginierer Einschub: Beidseitig bedruckte große Abbildungen:]




Abbildung 1.

Flurkarte der Gemeinde Brunstorf vom Jahre 1745.
Der Gemeindewald im Norden der Ackerfläche ist nicht mitaufgenommen. -
Die Stücke, die dem Bauernvoigt gehören, sind durch Schraffierung gekennzeichnet.




Abbildung 2.

Flurkarte der Gemeinde Fuhlenhagen vom Jahre 1748.
Die Stücke, die dem Bauernvoigt gehören, sind durch Schraffierung gekennzeichnet.


 


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6. Jahrhundert nach Christi Geburt von den Slaven besetzt worden sind. Man hat daher vermutet, daß der Rundling nicht eigentlich eine Lieblingsform slavischer Niederlassung sei, sondern in dem Grenzgebiete, wo sich deutsche oder germanische Siedler mit Slaven stießen und drängten, sich die Rundform bei beiden Parteien besonderer Beliebthrit erfreut habe, weil sie sich vor allen Dorfformen durch ihre Verteidigungsfähigkeit auszeichne. Daran ist allerdings soviel richtig. daß die gegenseitige schnelle Nachbarhilfe bei der Siedelung in Rundlingsform besser gewährleistet ist als bei irgend einer anderen, weiter auseinandergezogenen Form der Niederlassung. An eine Verteidigung gegen regelrechte kriegerische Unternehmungen darf man dabei freilich nicht denken. Es ist mit Recht darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Kräfte der Bewohner eines solchen Runddorfes auf keinen Fall dazu ausreichten, um einen etwa rund um das Dorf gezogenen Wall oder Palisadenzaun genügend zu besetzten und ernstlich zu verleidigen. Außerdem würde, da ja der Dorfplatz zur Aufnahme des Viehes diente, das Hineinschießen etlicher brennender Pfeile in einem solchen Kraal voll zusammengepferchten Viehes genügt haben, um unter letzterem eine solche Panik zu erzeugen, daß jede Verteidigung unmöglich gewesen wäre. Nun kommen aber auch Rundlinge in unbestritten germanischen Gegenden wle Südschweden und namentlich Ostfriesland vor, wo der völlig rein ausgebildete Rundling geradezu die allgemein übliche Siedlungsform der ältesten Zeit ist. Nördlich Emden auf der Halbinsel Krummhörn findet man noch heute über dreißig untadelige Rundlinge, in den übrigen ostfriesischen Marschen ist diese Dorfform erst in jüngerer Zeit meist der Einzelhofsiedelung gewichen. Auch im westdeutschen Binnenlande, wo das scheinbar völlig regellose Haufendorf herrscht, fanden sich bei näherem Zusehen Dörfer. die aus alten Rundlingen oder "Platzdörfern" dadurch hervorgegangen waren, daß der Dorfplatz in Hausplätze aufgeteilt und zugebaut worden war. Somit scheint der Rundling den Germanen ganz allgemein nicht fremd gewesen zu sein, sich aber nur in gewissen Außenbezirken gehalten zu haben, während er im Kernland durch das regellose Haufendorf verdrängt wurde. Warum behauptete der Rundling sich nicht im germanischen Kernlande zwischen Elbe, Rhein und deutschem Mittelgebirge? Das Haufendorf ist volkreicher als der Rundling, der nur für eine begrenzte Zahl von Hofstellen Raum bietet. Mehr Volk auf derselben Feldmark setzt aber eine höhere Stufe der Landwirtschaft voraus, da ja Einfuhr von Getreide aus der Ferne für die ältere Zeit nicht in Betracht kommt. Nun wissen wir, daß bei den Germanen der Zeit um Christi Geburt der Ackerbau zwar durchaus geläufig, jedoch für die Volksernährung von geringerer Bedeutung war als die Viehzucht. Da die Düngung den Germanen noch nicht bekannt gewesen zu sein scheint, mußte man das Land jahrelang in Dreesch liegen lassen und beweiden, bevor man wieder Getreide darin säete. Das germanische Vieh wird von römischer Seite als klein und unansehnlich geschildert, es mag wohl auch wenig Milch gegeben haben, da von rationeller Fütterung keine Rede sein konnte. Die Kühe ernährten sich auf der Weide und kannten ursprünglich kein Dach über

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dem Kopfe, selbst im Winter. Wir werden bei der Erörterung des Bauernhauses erkennen, daß die "Kübbungen", die als Ställe dienen- hier zu Lande sagt man "Assiden" - eine nachträgliche Errungenschaft des niedersächsischen Hausbaues sind. Ursprünglich blieb also der Stolz und Reichtum des germanischen Hofbesitzers, sein Viehstapel, Tag und Nacht, Sommer und Winter unter freiem Himmel - bei gutem Wetter tagsüber unter der Aufsicht des Gemeindehirten mit der gesamten Herde der Dorfgenossen zusammen auf der gemeinsamen Weide der Markgenossenschaft, bei schlechtem Wetter und des Nachts auf dem Dorfanger, wo der Dorfteich als Viehtränke diente. Dieser Dorfanger ist das eigentliche Kernstück des Rundlings, auf ihm war das Vieh gesichert gegen Verlaufen und Viehdiebstahl. Eben daher kommt es auch, daß die meisten Rundlinge bis in die neueste Zeit hinein nur einen einzigen Zufahrtsweg besaßen, gewissermaßen den erweiterten Kopf einer Sackgasse bildeten und daß an dieser einzigen Zu- und Ausfahrt gerne die Kate des Gemeindehirten lag. Der Rundling war also eine Dorfform, die einem Landwirtschaftsbetrieb mit stark vorwiegender Viehwirtschaft ohne Stallfütterung und ohne staatlichen und polizeilichen Schutz gegen Viehdiebstahl angemessen war. Für ausgedehntere Ackerwirtschaft dagegen ist eine Dorfform mit einem einzigen Ein- und Ausfahrtsweg, wo sich in der Bestellungszeit alle Aekergespanne und in der Erntezeit alle vollen und leeren Erntewagen der ganzen Dorfschaft beständig kreuzen und einander behindern müssen, im höchsten Grade unbequem und unzweckmäßig. Mit einem modernen Ausdruck könnte man also sagen: Der Rundling entsprach sehr extensiver Wirtschaftsweise. Also verschwand er auch, wo die Wirtschaft intensiver wurde, der Ackerbau vordrang und im Zusammenhang damit die Bevölkerung zunahm. Der Rundling behauptete sich, wo die Klimaverhältnisse den Vorrang der Viehwirtschaft mit Weidegang dauernd aufrecht erhielten, wie in den Nordseemarschen, oder wo die Bevölkerung lange dünn blieb, wie in den Landen, die vom 5. bis zum 12. Jahrhundert wendisch geworden waren, und wo die Wirtschaftsweise seit der Germanenzeit wohl eher noch einen Rückschritt gemacht hatte. In diesem Sinne kann man dann also wohl auch den Rundling mit den Wenden in Verbindung bringen, daß sie seinen Vorgänger, das Platzdorf, von ihren germanischen Vorgängern übernahmen, und die Rundlingsform vielleicht sogar erst recht regelmäßig ausbildeten, eben weil sie auf der Stufe extensiver Viehwirtschaft stehen blieben. Daß die Rundlinge so oft slavische Namen haben, obwohl sie wahrscheinlich zum großen Teile uralte Platzdörfer germanischer Herkunft sind, geht auf die Tatsache zurück, daß die Slaven das ostelbische Land wohl fast menschenleer vorgefunden haben.

Daß die seit dem 12. Jahrhundert ins Land kommenden deutschen Kolonisten nicht sofort die intensiven Wirtschaftsformen des westelbischen Mutterlandes ins Wendenland verpflanzen konnten, ist leicht einzusehen, wenn man die Frage aufwirft, wo denn damals der Bauer östlich der Elbe überschüssiges Korn zu Markte bringen sollte? Es ist allgemein koloniale Art, die Erzeugungskräfte des Bodens nicht sofort auf das äußerste anzuspannen. Erzeugt doch selbst heute noch der

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amerikanische Farmer nur halb soviel an Getreide vom Hektar Ackerland wie der deutsche Landwirt auf seinen durchschnittlich geringeren und mehrere Jahrtausende länger zum Ackerbau herangezogenen Böden. Daß auch die deutschen Kolonisten noch Rundlinge angelegt haben, ist daher nicht zu verwundern. Für Mecklenburg ist die Anlage deutscher Kolonistendörfer in Rundlingsform "von wilder Wurzel", d. h. auf bisher unberührtem Urwaldboden, uns sicher bezeugt. Nördlich der Bahnlinie Güstrow-Teterow erscheinen auf alten Karten drei Rundlinge namens Zierhagen, Warnkenhagen und Wattmannshagen. Heute sind sie längst durch das Bauernlegen zu Gütern gemacht und ihre Dorfform unkenntlich geworden. Daß es aber deutsche Neugründungen sind, zeigt die Namensendung "hagen". Für Lauenburg liegt es nahe, etwa gerade Brunstorf für eine deutsche Neugründang zu halten, da das Dorf im Zehntenregister von 1230 noch nicht genannt wird, wohl aber 1299, - da es ferner den Namen eines deutschen Gründungsunternehmers enthalten könnte und da es endlich für einen Rundling außerordentlich umfangreich angelegt ist, indem Rundlinge alter Art mit slavischen Ramen nicht über 8 Bauernstellen zu enthalten pflegen. Nicht ohne Bedeutung für diese Frage wäre es festzustellen, wo der Name Hamester bis in die Siedelungszeit zurückgeht. Auf den alten Flurkarten von Hohenhorn und Brunstorf - letztere ist dieser Arbeit beigefügt - aus den Jahren 1745 und 1746 fehlt in der Liste der Grundbesitzer der sonst so weit verbreitete Familienname Burmeister. Dieser Name ist ursprünglich die Amtsbezeichnung für den Gemeindevorsteher oder, wie man im 18. Jahrhundert sagte, den Bauervogt. Dagegen findet sich in Brunstorf 1745 ein Hufner Hans Hofemeister, in Hohenhorn ein Claus Hovemeister. Der letztere ist jedenfalls dieselbe Person, die im Kornregister von 1725 als Claus Hahmester in Hohenhorn anfgeführt, vom nächsten Jahre ab aber als "Hoffemeister" weitergeführt ist. Auch in Kröppelshagen, dessen Name ja schon das alte Hagendorf, die Rodung deutscher Kolonisten verrät, kennt das Kornregister von 1725 einen Carsten Hahmester. Weiter erscheinen im Kornregister von 1761 in dem deutschbenannten echten Rundling Dassendorf zwei Bauern und in Brunstorf noch ein Bauer namens "Hoffemeister", die alle drei beim Jahre 1762 als "Hamester" wiederkehren. Daraus ergibt sich ganz offensichtlich, daß die Schreibung "Hovemeister" und "Hofemeister" auf den Flurkarten von 1745/46 nichts anderes ist als nach der üblen Gewohnheit jener Zeit eine falsche Verhochdeutschung von Hamester. Dieser Name hat mit Hofmeister nichts zu tnn, sondern gehört zu dem in Mecklenburg und Vorpommern weitverbreiteten Familiennamen Hagemeister. Das aber ist die alte Amtsbezeichnung des Gemeindevorstehers oder Bauervogtes in den sogen. Hagendörfern, d. h den oben genannten Dörfern "van wilder Wortelen", wie es im Sachsenspiegel, der berühmten Aufzeichnung niedersächsischen Rechtes aus dem 13. Jahrhundert heißt. Solche Dörfer, deren Flur erst durch die deutschen Einwanderer urbar gemacht werden mußte, liegen dichtgedrängt in dem breiten Urwaldstreifen, der sich in wendischer Zeit von Lübeck über Grevesmühlen, Doberan und Rostock bis nach Stralsund und Greifswald hinzog. Die Dörfer, die

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hier entstanden, tragen meistens die Endung "-hagen", d. h. "-wald". Durchweg zeigen sie nicht die Rundform, sondern sind im Gegensatz zum Rundling an einer langen "Dorfstraße" - wenn man überhaupt von einer solchen sprechen darf -, manchmal nur an EINER Seite dieser Straße mit oft recht beträchtlichen Abständen zwischen den einelnen Gehöften zu einer langen Reihe auseinandergezogen. Der Grund dieser Anlage ist darin zu suchen, daß man bei solcher Gestalt von Dörfern "aus wilder Wurzel" auf Urwald- oder Sumpfboden jedem Kolonisten seine Hufe in einem einzigen langen Streifen zuzumessen pflegte. Dieser lange Landstreifen stieß im rechten Winkel auf die Dorfstraße, und hier wurde das Gehöft angelegt. Die Entstehungsweise muß man sich wohl so denken, daß zunächst die Dorfstraße quer durch das für die neue Feldmark angewiesene Stckk Urwald frei gemacht und an dieser Dorfstraße jedem  Kolonisten seine bestimmte Breite zugemessen wurde, wo er sein erstes primitives Blockhaus bauen und von wo er sich in den Wald hineinroden konnte, bis er an die Grenze der Feldmark stieß. In den nordwestdeutschen Moorkolonien, den sogen. "Fehnen", die allesamt so angelegt sind und noch heute ebenso neu angelegt werden, nennt man das Recht des Kolonisten, in der Breite seines Kolonates bis an die Grenze der Feldmark mit der Abtorfung und Kultivierung vorzurücken, das "Aufstreckungsrecht". Dieses Verfahren scheint im Lauenburgischen im Gegensatz zu Mecklenburg bei Walddörfern nicht üblich gewesen zu sein; weder die Sachsenwalddörfer, noch etwa das Hagendorf Fuhlenhagen (Abb. 2) zeigt die gewöhnliche Flur - und Dorfgestalt der Waldhufendörfer. Dagegen haben wir in ganz unmittelbarer Nähe die genau entsprechenden Dorfanlagen auf Boden, der zwar nicht dem Urwald, wohl aber dem Wasser erst von den deutschen Kolonisten abgerungen werden mußte, in den Vierlanden und der ehemals lauenburgischen Artlenburger Marsch (Abb. 3).




 

Abbildung 3.

Flurkarte der Gemeinde Avendorf vom Jahre 1776.
Die Stücke, die dem Bauernvogt gehören, sind durch Schraffierung gekennzeichnet.

Der Unterschied dieser sogen. Marschhufendörfer gegen die Waldhufen oder Hagendörfer besteht nur darin, daß in der gänzlich ebenen und von  natürlichen Geländehindernissen freien Marsch die Abgrenzung der parallel laufenden langen Hufenstreifen mit fast mathematischer Genauigkeit durchgeführt werden konnte. Als Dorfstraße ergab sich in dem feuchten Lande ganz von selbst der einzige zu allen Jahreszeiten begehbare trockene Verbindungsweg in der Marsch: der Deich. Überhaupt ist der Deich das Rückgrat der Marsch. Bis zur Anlage der Deiche war die ganze Elbniederung von den Lauenburger Höhen bis nach Bardowiek der Überschwemmung durch die von der Meeresflut zurückgestauten Wassermassen des Elbstromes zweimal täglich ausgesetzt. In dem jetzigen Unterlauf der Neetze, der Ilmenau und der Luhe auf den Strecken, deren Stromrichtung der Hauptrichtung des Elbstromes entspricht, haben wir nicht eigentlich Nebenflüsse, sondern den früheren südlichsten Elbarm vor uns. Dieser südlichste Elbarm ist höchstwahrscheinlich noch im 13. Jahrhundert der Hauptarm des Stromes gewesen. Um etwa 1250 hat aber die Elbe, deren Bett ja damals noch keinerlei Regelung durch den Menschen erfuhr, eine Stromversetzung weiter nordwärts vollzogen, so daß ihr Hauptarm nunmehr das Bett der heurigen Ilau mit ihren oberen Teilen Landwehr-

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und Schnedegraben benutzte. Um 1300 muß dann eine weitere noch erheblichere Stromversetzung noch weiter nordwärts eingetreten sein, so daß nunmehr der Arm mit der stärksten Wasserführung hart unter dem nördlichen Geestufer daherfloß und die Ortschaften Avendorf und Tespe vom Nordufer auf das Südufer der Elbe verlegt wurden. Mit dieser Verlegung des Elbstromes wird auch die Teilung des alten, schon im Zehntenreister als Kirchdorf aufgeführten Hagede in Geesthacht und Marschacht zusammenhängen. Hierenach ist es begreiflich, daß bis 1816 der nördliche Teil der Elbmarschen von der Delvenau bis Geesthacht etwa bis zur Hälfte der Talbreite lauenburgisch war. Die Kolonisation des Marschlandes war jedenfalls von der lauenburgischen Seite her in Angriff genommen worden. Diese lauenburgische Siedlungstätigkeit hat ihre Südgrenze vermutlich in der Ilau und dem sie fortsetzenden Schnedegraben gefunden, denn an dieser endet heute noch das Gebiet der gleichmäßigen, langgestreckten und durch rechtwinklig zur Stromrichtung gezogene, gleichlaufende Gräben abgegrenzten Ackerstücke. Das jetzige Elbbett wird zu Beginn der Siedlung nur schmal gewesen sein, da seine Wasserführung jedenfalls gering war, und wird kein Kulturhindernis gebildet haben. Ein Beweis dafür ist der Umstand, daß bis in die neueste Zeit hinein Bauern der Lauenburger Geest Besitzteile in der jetzt linkselbischen Marsch und umgekehrt Marschbewohner Besitzteile auf der nordelbischen Geest hatten. Dieser Zustand wird jedoch durch Kauf und Austausch immer mehr beseitigt. Auch die ganz nach demselben System mit Marschhufendörfern besiedelten Vierlande, die ja heute noch nördlich des Hauptarmes der Elbe liegen, waren lauenburgisch bis 1420, wo sie von den Städten Hamburg and Lübeck in gemeinsamer Fehde dem Herzog von Lauenburg abgenommen wurden, um zunächst "beiderstädtisch", seit 1868 hamburgisch zu werden.

Wer waren nun die Siedler und Deichbauer in den lauenburgischen Marschen? Früher riet man auf Holländer, die ja im 12. und 13. Jahrhundert bei der Urbarmachung sumpfiger Niederungen in ganz Norddeutschland eine wichtige Rolle gespielt haben. Die älteste Siedelung im Elbtal wird das jetzige Artlenburg sein, das auf einer flachen sandigen Erhöhung liegt und wo eine der wichtigsten mittelalterlichen Straßen - der Straßenzug Braunschweig-Gifhorn-Lüneburg-Bardowiek das Elbtal durchschnitt, um sich am Nordufer der Elbe bei der alten Ertheneburg unweit Schnakenbeck zu gabeln. Darauf beruhte die Bedeutung und die reiche Geschichte der Ertheneburg. Die eine Straße ging im Zuge der heutigen Bahn nach Lübeck. Von ihr zweigte eine andere ab, die ins Ostland nach Rostock und Stralsund führte und die wir durch einen eigentümlichen Rechtszug kennen, auf den man sich noch im 16. Jahrhundert gegen das pommersche fürstliche Hofgericht zu Wolgast berief. Da ging die Berufung vom Kirchspielsgericht Pütte bei Stralsund an das Burglehen in Loitz, vou da an das Buch oder den Stapel in Schwerin, vou da endlich an das Kirchspiel zu Siebeneichen. Hier muß also das Markding der Grenzmark Sadelbande gehalten worden sein, und daß die Dingstatt, an der die dingpflichtigen freien Männer der ganzen Grenz-

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mark sich regelmäßig zur Gerichtsversammlung einzufinden hatten, gerade bei Siebeneichen lag, beweist, daß dieses 1230 genannte Kirchdorf ein wichtiger Straßenkreuzungspunkt war. So war die Ertheneburg der Schlüssel zum Ostland. Eine Urkunde vom Jahr 1164 erwähnt drei Holländer Hufen nahe der Ertheneburg, die Heinrich der Löwe dem Lübecker Bischof schenkte. Aber die Bezeichnung "Holländer Hufen" beweist für das Vorhandensein holländischer Siedler nichts, sondern besagt nur, daß hier nach holländischem Vorbild kolonisiert wurde. Holländisches Recht war damals Kolonistenrecht schlechtweg. Die ganzen Marschhufendörfer gehen auf niederländisches Vorbild zurück, sind aber keineswegs überall von Niederländern bewohnt gewesen. Alles, was wir über die Eigenart des Volkstums in den Vierlanden, in der Winsener und Artlenburger Marsch wissen - z. B. über den volkstümlichen Hausbau - weist auf niedersächsische Ansiedler und nicht auf niederländische. Wie in den Vierlanden, werden es auch in der lauenburgischen Elbmarsch Söhne der holsteinischen und lauenburgischen Geest gewesen sein, die die Marschhufendörfer anlegten, vielleicht unter der Leitung holländischer Unternehmer und Deichbaumeister, wie sie auch bei anderen schwierigen Entsumpfungs- und Bedeichungsarbeiten eine Rolle gespielt haben. Begonnen ist die Bedeichung und Besiedelung der lauenburgischen Elbmarsch wahrscheinlich unter dem Herzog Heinrich dem Löwen von Sachsen, also zwischen 1139 und 1180, wohin auch die 1164 erwähnten Holländer Hufen deuten. Die Vermutung, daß die Kolonisten der Elbmarsch damals zu wesentlichen Teilen aus Dithmarschen gekommen seien, ist auf Grund der Ortsnamenvergleichung aufgestellt worden durch den Pastor Meyer zu St. Dionys, doch ist das Beweismaterial kaum ausreichend. Allerdings ist es beachtenswert, daß in der Zeit des Siedelungsbeginns auf der Ertheneburg jener Graf Reinold aus Dithmarschen saß, der am 6. Juli 1164 in der Schlacht bei Verchen am Kummerower See gegen die Slaven fiel und bereits oben gelegentlich der Zehntbarmachung des Dorfes Lütau erwähnt wurde.

Wie erst deutsche Kolonisten die Elbmarsch dem wilden, ungezügelten Strome abrangen, so haben auch wohl sicher erst deutsche Kolonisten die Gegend südlich des Sachsenwaldes durch Zurückdrängung des Urwaldes kulturfähig gemacht. Die slavisch benannten Dörfer Kollow und Gülzow freilich sind sicher älter, reichen möglicherweise bis in die germanische Zeit zurück. Dafür spricht ihre klare Rundlingsform, die vermutlich von Slaven aus der Form des germanischen Platzdorfes weiterentwickelt ist. Als Coledowe und Gultsowe finden sie sich im Zehntenregister von 1230. Es kommt hinzu, daß beide Siedelungen in dem uralten Schmelzwassertal liegen, das heute die Linau einnimmt. Dessen magere Sande und Kiese haben wahrscheinlich niemals Wald getragen und so immer günstige Siedelungsmöglichkelten geboten. Weiter westwärts kommen slavische Dorfnamen nicht mehr vor. Es kann auch kein Zufall sein, daß 1230 im Zehntenregister noch die ganze Reihe der Dörfer des südlichen Waldrandgebietes fehlt: Schwarzenbek. Brunstorf, Dassendorf, Kröppelshagen, Wohltorf, ebenso weiter südlich Börnsen und Escheburg. Nur vom Südosten her war 1230 die Rodung

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schon über die slavische Siedelungsgrenze hinaus im Vorrücken: Dörfer Geesthacht und Hohenhorn waren schon Kirchdörfer, neben ihnen werden Wiershop, Hamwarde, Worth, Hasenthal, Besenhorst - letzteres damals noch am Elbufer gelegen, erst im 19. Jahrhundert verlegt -, endlich als westlichster Vorposten Fahrendorf bei Hohenhorn erwähnt. Wir haben allerdings keine ausdrücklichen geschichtlichen Nachrichten darüber, wie weit zu den verschiedenen Zeiten die Waldbedeckung des Landes gereicht hat. Aber es gibt doch wohl die Möglichkeit, die Verschiebung der Waldgrenzen in den einzelnen Zeitperioden in der Hauptsache festzustellen. Man hat auszugehen von der Frage: wo hat sich ursprünglich ohne menschliches Zutun auf Grund der Bodenbeschaffenheit bei dem jeweils in unserem Lande herrschenden Klima Wald entwickeln müssen? Man nehme etwa die Skizze, die Hermann Hovemeister im 56. Band der Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte (Kiel 1926) auf Seite 110 nach C. Gagels Karte in den Erläuterungen zur geologischen Karte Lieferung 140 (Berlin 1915) veröffentlicht hat. Hofmeister, der verdiente Erforscher unserer vorzeitlichen Burgen und Befestigungswerke, behandelt hier die Frage des von mir oben erwähnten Limes Saxoniae oder Saxonicus, der die Sachsenmark Sadelbande vom Gebiet der freien Polaben schied, und sucht den ehemaligen Delvunderwald zu bestimmen, durch den der Grenzzug verlief, bevor er die Delvenau erreichte. Nun handelt es sich bei den uns dem Namen nach bekannten Urwäldern der alten Zeit, wie dem Trave-Wald nördlich Oldesloe, dem Isarnho, der sich durch Holstein bis an die Schlei erstreckt, und dem Klützer Wald um sogen. Moränenlandschaften mit fettem Lehmboden, um sogen. "Buchenböden". "Es ist bewiesene Erkenntnis", schreibt Hofmeister unter Berufung auf die grundlegenden Vorarbeiten des Archäologen Dr. Tode in Kiel, „daß sich die steinzeitlichen Siedelungen und Denkmäler auffallender Weise in dürrer, magerer Sandgegend finden. Den fetten Boden mußten die Steinzeitleute liegen lassen, weil er von einem anderen Herren, der mächtiger war, mit Beschlag belegt war. Das war der Wald - und der Mensch besaß bis in die Zeit der Christianisierung hinein keine Möglichkeit, mit dem Walde aufzuräumen. Selbst als er während der bronzeeiszeitlicen Trockenperiode, als der Wald der Dürre wegen schwand und lichter wurde, in früheres Waldgebiet eingedrungen war, wurde er daraus wieder vertrieben, sobald die Vegetationsverhältnisse sich besserten und der Wald sich wieder ausbreitete. Der Wald war eben mächtiger und anspruchsvoller als der Mensch." Nun findet man auf der mecklenburgischen Seite der Elbe-Trave-Kanalniederung, der alten Delvenau, ein breites sogen. "Sandr-Feld", wie der Geograph jene flache, unfruchtbare Landschaft nennt, die dadurch entstand, daß die Schmelzwässer nach der Eiszeit mächtige Sandmassen ausspülten, auslaugten und damit das Vorgelände der sogen. Endmoräne, d. h. der Aufschüttung am abschmelzenden Ende der eiszeitlichen Gletschermassen, überschütteten. Der lose Sand lagert dort in einer Dicke von zwölf bis zwanzig Metern. Er besteht aus fein zerriebenem Quarz, ist arm an Nährsalzen und in hohem Grade wasserdurchlässig. Infolgedessen

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gibt er einen dürren, unfruchtbaren Boden ab. Dieses Sandr-Feld, das südlich von Gudow sich bis Boitzenburg erstreckt, bildet westlich der Kanalniederung einen verhältnismäßig schmalen Streifen, der im Osten sich etwa von Roseburg bis Pötrau in die Breite ausdehnt, von da westwärts die Bahnlinie Büchen-Schwarzenbek-Friedrichsruh auf der nördlichen Seite begleitet, so daß heutzutage der größere Teil des Sachsenwaldes auf diesem Sandr-Streifen steht. Aber war das immer so? Nach seiner natürlichen Beschaffenheit muß gerade derjenige Teil des Kreises, der südlich der Bahnlinie Büchen-Schwarzenbek-Friedrichsruh liegt, als alter Waldboden angesprochen werden. Ebendort hat ja nach Adam von Bremen bei der alten Grenzsetzung im 9. Jahrhundert auch der Delvunderwald gelegen. Nördlich der Bahnlinie ist der ganze Sandr-Streifen bedeckt mit durchweg slavisch benannten Rundlingen. Nur vereinzelte deutsch benannte - wahrscheinlich nachträglich deutsch UMbenannte Rundlinge wie Havekost, das alte "Habichtshorst" - ein in Holstein sehr beliebter Dorfname - und Elmenhorst sind darunter. Dies muß uraltes, weil urwaldfreies, Siedelungsgebiet sein. Von hier muß sich die Siedelung durch Rodung südwestwärts vorgeschoben haben. Am Ende der Slavenzeit waren ihre vorgeschobensten Posten nach Westen zu ungefähr Kollow-Gülzow-Krukow-Tesperhude (das alte Toschope). Doch kann von der heutigen Dichte der Verbreitung menschlicher Siedlungen in der lauenburgischen Südecke noch ums Jahr 800 nach Christi Geburt keine Rede gewesen sein. Wird doch die sächsische Grenzmark der im Jahre 818 zum ersten mal erwähnte Limes Saxonicus - als deutsche Grenze durch slavisch besiedeltes Land so angelegt,  daß zwischen dem Elbübergang Artlenburg-Ertheneburg und dem Flusse Delvunda, der Delvenau, die nach Hofmeisters Forschungen wahrscheinlich von Witzeeze nordwärts bis einen Kilometer südlich von Grambek als Grenzgraben benutzt wurde, der Delvunderwald als Grenzwildnis diente. Hier war also 818 noch ausgedehnter unwegsamer Urwald. Hier ist auf den Namen des Dorfes Buchhorst bei Lauenburg - im Zehntenregister um 1230 als Bochorst (zu lesen: Bok-horst) aufgeführt - hinzuweisen. Für diese Gegend fanden also noch die deutschen Kolonisten den Buchenwald bezeichnend. Nebenbei sei bemerkt, daß Buchen schwerlich etwas mit dem deutschen Wort "Buche" zu tun hat, sondern slavisch sein dürfte.

Aber warum fehlt dem Lauenburgischen die Form des Hagendorfes, obwohl doch um den Sachsenwald herum unzweifelhaft manche der heutigen Dörfer in den Wald erst in der Zeit der deutschen Einwanderung hineingerodet worden sind? Warum haben hier noch in der Zeit der deutschen Kolonisation Einwanderer aus Niedersachsen und Westfalen, wo man keine Rundlinge kennt, die uralte Rundform angewandt? Wahrscheinlich taten sie es, weil ihnen die lockere Reihe des Waldhufendorfes in diesem ziemlich dicht wendisch besiedelten und daher in der Frühzeit Kolonisation nicht als sicher anzusprechenden Bezirk nicht die genügende Sicherheit gegen räuberische Überfälle auf das eine oder andere Einzelgehöft bot. Der Rundling war zwar keine militärisch verteidigungsfähige Festung, machte es einer Bande aber doch ziemlich unmöglich, ein Gehöft auszuplündern oder das Vieh

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vom Dorfanger wegzutreiben, bevor die Hilfe der Nachbarn zur Stelle war. Es ist sehr bezeichnend, daß die oben erwähnten mecklenburgischen Hagenrundlinge nicht in dem Zusammenhang der deutschen Hagendörfer des Küstengebietes, sondern abseits im Binnenlande zwischen Wendendörfern ziemlich vereinzelt lagen.

Sind somit die Runddörfer zwar in verschiedenen Zeiten angelegt, ihre Form aber offenbar sehr alt, vermutlich bereits in die vorgeschichtlich Zeit unserer Hünengräber zurückreichend - sind dagegen Wald- und Marschhufendörfer auch ihrer Form nach eine junge Bildung der Kolonisationszeit, so liegt die Entstehung der nunmehr noch übrigen STRASZEN- und ANGERDÖRFER der Zeit nach in der Mitte. Auch ihre Gestalt ist ein Mittelding zwischen dem gedrungenen Rundling und dem weit auseinandergezogenen Wald- und Marschhufendorf. Längs einer ziemlich kurzen Dorfstraße, und zwar stets auf BEIDEN Seiten liegen eng aneinander die Gehöfte (vgl. das Straßendorf Fuhlenhagen Abb. 2). Natürlich kann bei solcher Anordnung der Gehöfte das Land der zugehörigen Hufe nicht in einem zusammenhängenden Stücke in unmittelbarer Nähe liegen, sondern ist über die ganze Feldmark verstreut.
 


Abbildung 4.

Flurkarte der Gemeinde Wangelau aus der Zeit vor der Verkoppelung.
Die Stücke, die dem Bauernvogt gehören, sind durch Schraffierung gekennzeichnet.
 

Weitet sich die Dorfstraße zu einem länglichen Platze wie in Wangelau (Abb. 4), so haben wir das sogen. Angerdorf, das dem Rundling noch ein Stück näher steht als das Straßendorf, zumal wenn die Landstraße nicht durch das Dorf hindurch, sondern daran vorbeiführt, so daß der Dorfanger eine Sackgasse bildet. Dörfer dieser Form beherrschen das ganze weite slavische Siedelungsgebiet bis an den Ural, dagegen ist in Westdeutschland diese kurze gedrungene Dorfform nicht gewöhnlich. Über den slavischen Ursprung dieses Typus besteht daher keinerlei Zweifel. Aber wie der Rundling ist auch das Straßendorf, insbesondere das Angerdorf gerne von den deutschen Kolonisten bei neuen Anlagen als Vorbild gewählt worden, vermutlich aus demselben Grunde: Besorgnis vor räuberischen Überfällen und Bedürfnis schneller Nachbarhilfe im unsicheren Slavenlande.

Beachtenswert ist, daß die Dörfer mit der Vorsilbe "Klein-" alle Straßendörfer sind. Gerade diese Dörfer aber sind die jüngsten rein-slavischen Gründungen; es sind "Flüchtlingsdörfer" in dem Sinne, daß nach einem in Ostdeutschland vier angewandten Verfahren bei vielen Dörfern der deutsche oder slavische Grundherr von seinem Kündigungsrecht gegenüber den slavischen Bauern Gebrauch machte, den größeren Teil der Feldmark zu deutschem Rechte austat (ob an Leute deutscher oder slavischer Abkunft, ist hier einerlei) und den weichenden Slaven anheimstellte, sich auf dem kleineren und meist auch der Bodengüte nach minderwertigen Teil der Flur neu einzurichten. Ausdrücklich bezeugt ist uns, wie oben schon erwähnt, der slavische Ursprung bei Kl. Thurow, Kl. Zecher, Kl. Berkenthin, Kl. Pampau im Zehntenregister von 1230. Dazu kommt Kl. Klinkrade, das 1337 als clincroth slavicalis erscheint. Alle diese Dörfer finden sich im nördlichen Teile des Kreises, nur Kl. Pampau liegt südlich der Kreismitte, aber immerhin noch weit entfernt vom Südrand des lauenburgischen Gebietes.

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Diese Tatsache bestätigt die vorhin aufgestellte Ansicht, daß im Süden z. Zt. der deutschen Einwanderung noch soviel Wald auf gutem Lehmboden frei war, daß die deutschen Kolonisten genügend Platz fanden und in dem Sandr-Streifen nördlich der Hamburg-Büchener Bahn die Slaven ruhig sitzen ließen, weil der Boden den anspruchsvollen deutschen Siedler nicht lockte. Südlich der Bahn liegt kein einziges "Klein"-Dorf, im Sandr-Gebiet nur Kl. Pampau. Daß aber auch die Deutschen das Straßendorf noch angewandt haben, beweist außer dem Walddorf Fuhlenhagen auch z. B. die große Siedelung Breitenfelde, die schon 1230 als Kirchdorf Bredenvelde erscheint. So stellt sich uns das Bild der Entstehung unserer lauenburgischen Dörfer zwar noch nicht in allen Punkten völlig geklärt, aber formen- und farbenreich als der Fortschritt menschlicher Arbeit in der Bewältigung der wilden Natur dar, und wir dürfen mit Stolz feststellen, daß die Lösung der schwierigsten Aufgaben, der Bemeisterung des Urwaldes im Süden des Kreises, wie der Wasserwüste des Elbtales erst deutscher Tüchtigkeit vorbehalten geblieben ist.


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