Mehrfach ist in diesen Blättern schon auf die bedeutsame, von
den benachbarten Gebieten Mecklenburgs und Schleswig-Holsteins
abweichenden FLORISTISCHEN Verhältnisse Lauenburgs hingewiesen
worden.
Gleich bedeutsam und interessant ist die FAUNA, insbesondere die
niedere Tierwelt Lauenburgs. (Es ist nicht überflüssig, hierauf
ausführlicher hinzuweisen, denn die floristischen Verhältnisse decken sich in den
Einzelheiten nicht
mit den faunistischen, wenn sie auch in den Grundzügen
übereinstimmen.
Die große Bedeutung der Lage Lauenburgs für tiergeographische
Fragen, welche in umgekehrtem Verhältnis zur Kleinheit des
Landes steht, soll an
der Schmetterlingsfauna des Gebietes dargelegt werden.
Die Schmetterlingsfauna Lauenburgs ist allerdings noch recht
ungleichmäßig erforscht. Gut bekannt sind lediglich die südlichen Teile,
nämlich der
Sachsenwald und das Elbufer bis zur Stadt Lauenburg hin; hier
sammeln seit
über 100 Jahren die zahlreichen Sammler aus Hamburg-Altona. Die
übrigen
Teile Lauenburgs sind nur ganz gelegentlich besammelt. In vielen
Gegenden
ist überhaupt noch kein Schmetterlingssammler gewesen. Trotzdem
haben die bisherigen Beobachtungen schon recht viele
Besonderheiten der Schmetterlingsfauna gegenüber anderen Teilen
der Provinz Schleswig-Holstein ergeben, sowohl hinsichtlich des
Vorkommens bestimmter Arten wie hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens und der allgemeinen Verbreitung anderer
Arten.
Auf das Wichtigste soll nachstehend in systematischer Aufzählung
der Arten
hingewiesen werden:
In Schleswig-Holstein sind die eigentlichen "Weißlinge", zu
denen die jedem
Laien bekannten schädlichen Kohlweißlinge gehören, durch 5
regelmäßig auftretende Arten (Baumweißling, großer Kohlweißling,
kleiner Kohlweißling, Rübenweißling und Resedafalter) vertreten. In Lauenburg kommt außer
diesen 5 Arten noch STÄNDIG der Senfweißling (Leptidia sinapis L.) vor;
im übrigen
Gebiet der Provinz ist er nur ganz vereinzelt beobachtet. Bisher
ist dieser
zarte Schmetterling nur im Mai in den Waldgebieten Lauenburgs
gefunden
worden. Bei genauerer Durchforschung wird er aber gewiß auch
noch in seiner
zweiten Generation im Juli, August beobachtet werden. (Abb.
1.)
Recht verbreitet und nicht selten sind in Lauenburg sodann zwei
unserer
größten und schönsten Tagfalter, der große Schillerfalter
(Apatura iris L.)
und der Eisvogel (Limenitis populi L.). (Abb. 2 u.
3.)
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Im Sachsenwald sind beide Arten in manchen
Jahren sogar häufig anzutreffen. Die Raupe des Schillerfalters lebt auf
Saalweiden, diejenige des Eisvogels auf Espen; beide ziehen an Waldrändern
stehende höhere Bäume vor.
Häufig trifft man in Lauenburg weiter die sog.
Perlmutterfalter (Gattung Argynnis) an, von welchen die häufigste Art, der "Kaisermantel". Argynnis paphia L., im Spätsommer und Herbst alle Waldlichtungen
und Waldränder belebt, wo er Brombeer- und Distel-Blüten besucht. In Lauenburg
findet man
(Abb. 1) LEPTIDIA SINAPSIS L.
(Senfweißling).
(Abb. 4) CHRYSOPHANUS VIRGAUREAE L.
(Dukatenfalter).
(Abb. 2 u. 3)
Obere Figur: APATURA IRIS L.
(Großer Schillerfalter).
Untere Figur: LIMENITIS POPULI L.
(Eisvogel).
(Abb. 5) CARTEROCEPHALUS SILOIUS L.
(Abb. 6 u. 7)
Obere Figur: RHYPARIA PURPURATA L.
(Purpurbär).
Untere Figur: ARCTIA VILLICA L.
(Englischer Bär).
(Die Figuren sind etwas verkleinert.)
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nun recht häufig noch einen anderen, im übrigen Teil der Provinz nur ganz
vereinzelt beobachteten großen Perlmutterfalter, Argynnis adippe L., wie z. B.
im Sachsenwald, in der Umgegend von Ratzeburg usw.
Auf Melanargia galathea L., das Schachbrett, einen Tagfalter, der
in den letzten Jahrzehnten in Norddeutschland eingewandert ist und auch schon
einige Male in Ostholstein, insbesondere in Lauenburg, gefunden ist, soll noch
besonders eingegangen werden.
In sandigen Gegenden, trockenen Kiefernschonungen und an sonnigen Abhängen fällt Satyrus alcyone Schiff. auf, ein großer schwarzer Tagfalter mit
breiter weißer Außenbinde über alle Flügel: dieser Falter erreicht in Holstein
die Nordwestgrenze seiner Verbreitung in Mitteleuropa. Er ist im Lauenburgischen recht
häufig und verbreitet. Außerhalb Lauenburgs ist er bisher für SchleswigHolstein nur an der Grenze Lauenburgs bei Oldesloe und ferner noch bei Eutin
festgestellt. Das ist recht auffallend, denn in Lauenburg ist die Art so häufig,
daß sie nicht übersehen werden kann. Die Raupe lebt an Gräsern.
Vielleicht wird bei genauerer Durchforschung des Gebietes auch Satyrus
statilinus Hufn., ein vor Jahrzehnten im Sachsenwald und bei Bergedorf gefangener Falter, wieder entdeckt, welcher weiter nordwestlich niemals gefunden
ist.
Häufiger als im übrigen Schleswig-Holstein kommt in Lauenburg
Coenonympha arcania L. vor.
Thecla spini Schiff., ein kleiner Tagfalter, dessen Raupe an Rhamnus cathartica
lebt, erreicht bei Escheburg nach unseren Kenntnissen die Nordwestgrenze seines ganzen Verbreitungsgebietes.
Ein Charakterfalter Lauenburgs ist der Feuerfalter Chrysophanus
virgaureae L. Das Männchen, dessen Flügel oberseits zeichnungslos glänzend
goldrot gefärbt sind, ist im Sonnenschein, der die Flügelfärbung weithin erstrahlen läßt, nicht zu übersehen. (Abb
4.)
Noch vor 60-70 Jahren etwa hat der Falter in ganz
Nordwestdeutschland gefehlt; auf seine Einwanderung wird später noch eingegangen werden.
Auch von dem gelben schwarzgefleckten Tagsfalter Carterocephalus silvins Knoch,
der seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts im Sachsenwald nicht selten auftritt, wird weiter unten ausführlicher die Rede sein. (Abb.
5.)
Aus der Gattung der Spinner seien folgende Arten erwähnt: Gluphisia
crenata Esp. ist bisher in unserer Provinz nur in Lauenburg gefangen; sie
erreicht hier nach unseren jetzigen Kenntnissen die Nordwestgrenze ihrer Verbreitung. Dasselbe gilt für die beiden Ochrostigma-Arten velitaris Rott. und
melagona Bkh.; die Raupe von velitaris lebt vorzugsweise auf Eichen, diejenige von melagona auf Buchen. Häufiger als im übrigen Teil der Provinz'
[sic!]
scheint in Lauenburg die Raupe von Malacosoma castrensis L., welche trockene
sonnige Flächen liebt, vorzukommen.
Von den übrigen Nachtfaltern sind die folgenden Arten besonders bemerkenswert: Acronycta strigosa F., die im Sachsenwald früher öfter, in den
letzten Jahren nur vereinzelt gefangen ist, Agrotis subrosea Steph., eine
seltene an Moore gebundene Art, welche in einer besonderen, sowohl von der
ausgestorbenen englischen Nominatform wie von der ostdeutschen und russischen
Rasse abweichenden bemerkenswerten Form vorkommt, Mamestra glauca Hb.,
ebenfalls eine seltene, die Moore bevorzugende Art, Mamestra chrysozona Bkh.,
früher bei Geesthacht gefangen, Celaena haworthii Curt., nicht selten auf
Mooren,
Hadena pabulatricula Hb., manchmal häufig im Sachsenwald, Coenobia rufa Hw.,
bei Mölln auf Sumpfgebiet gefangen, Cucullia argentea Hufn., deren Raupe
an Artemisia campestris oft nicht selten ist, Tholomiges turfosalis Wocke, eine
kleine an Moore gebundene Art, welche ich im Jahre 1929 häufig auf
dem Salemer Moor gefunden habe; vereinzelt war sie früher schon im Sachsenwald und bei Mölln beobachtet.
An weiteren Arten sind zu nennen: Dysauxes ancilla L. (früher bei
Reinbek im Sachsenwald, Nordwestgrenze des Verbreitungsgebietes), Rhyparia
purpurata L. (die an Ginster u. a. niederen Pflanzen lebende Raupe ist im
Sachsenwald und bei Geesthacht gefunden), Arctia villica L. (früher angeblich im
Sachsenwald gefunden, in Mecklenburg verschiedentlich beobachtet), Pericallia
matronula L., der sog. "Augsburger Bär", ein überall seltener großer Bärenspinner, dessen Raupe früher im Sachsenwald gefunden ist, Coscinia striata L.
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(Mölln), Acidalia nemoraria Hb. (früher im
Sachsenwald, Nordgrenze des Verbreitungsgebietes), Acidalia violata v. decorata
Hb. (Sachsenwald), Ephyra
quercimontaria Bastelb. (Sachsenwald), Phibalapteryx aquata Hb., welche im
Sachsenwald (und bei Niendorf a. O.) gefangen ist und deren Raupe in
Mitteldeutschland an Clematis vitalba, in unserem Gebiet aber, in welchem die
Waldrebe nicht wild vorkommt, vielleicht an Pulsatilla leben wird, Arichanna.
melanaria L. (auf Mooren mit Vaccinium uliginosum), Boarmia secundaria Esp. (Sachsenwald). (Abb.
6 u. 7.)
Um die Besonderheiten im Faunenbilde Lauenburgs zu erklären, genügt
es nun nicht, auf die Flora Lauenburgs und ihre Eigenart zu verweisen. Denn
nur bei sehr wenigen Großschmetterlingsarten besteht ein Zusammenhang zwischen
der Verbreitung der Futterpflanze der Raupe und der Verbreitung der Art selbst.
Bei den Großschmetterlingen deckt sich in der Regel das Verbreitrmgsgebiet der Art mit demjenigen irgendeiner Futterpflanze nicht. Nur bei ganz
wenigen der ca. 820 Großschmetterlingsarten, welche in
Schleswig-Holstein vorkommen, ist die Verbreitung durch das Vorkommen einer
bestimmten Futterpflanze bedingt. Grade bei den oben aufgeführten Arten sind bis auf drei Arten
die Futterpflanzen ihrer Raupen weit verbreitet, viel weiter, als die Falter vorkommen. Die drei Arten, welche hiervon eine Ausnahme machen, sind
Cucullia
argentea Hufn., Phibalapteryx aquata Hb., Arichanna melanaria L.; ihr Vorkommen
dürfte in der Tat von dem Vorhandensein einer bestimmten Futterpflanze in unserem Gebiet abhängen. So lebt die Raupe von C. argentea
in Nordwestdeutschland wohl ausschließlich an der recht ungleichmäßig verbreiteten Artemisia campestris. Die Raupe von Phib. aquata frißt, wie schon
hervorgehoben, wahrscheinlich Pulsatilla, die sich in Ostholstein findet.
Arichanna
melanaria L. ist von dem Vorkommen der Rauschbeere, Vaccinium uliginosum,
abhängig, die ebenfalls im Lauenburgischen besonders häufig wächst.
Anders als bei den Großschmetterlingen dürften die Zusammenhänge,
um das kurz zu erwähnen, bei den sogenannten Kleinschmetterlingen, den
Microlepidopteren sein, die infolge der besonderen Lebensweisen ihrer Raupen
vielfach eng an bestimmte Pflanzen gebunden sind. Leider sind die Kleinschmetterlinge, von denen etwa
1200 Arten in Schleswig-Holstein vorkommen werden,
sowohl in Lauenburg wie im übrigen Teil der Provinz so ungleichmäßig und
unvollständig gesammelt, daß sie in der vorliegenden Arbeit außer Betracht
bleiben
müssen. Es ist aber dringend erwünscht, daß ihnen mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Gerade in Lauenburg dürften auf diesem Gebiete wertvolle und
allgemein bedeutsame Ergebnisse gewonnen werden können.
Was die Großschmetterlinge anbetrifft, so kann aber, um dies noch einmal hervorzuheben, die eigentümliche Verbreitung vieler Arten in Lauenburg
außer in ganz vereinzelten Fällen nicht durch das Vorkommen bezw. Nichtvorkommen
einer bestimmten Futterpflanze erklärt werden. Für die besondere Art der Verbreitung dieser Schmetterlinge in Ostholstein und Lauenburg
sind ganz andere Gründe maßgebend. Hierüber soll in einem weiteren Artikel die
Rede sein.
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