Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1930


Alte Wandmalereien des Ratzeburger Doms.

Von FERD. V. NOTZ, Oberst a. D.

(Fortsetzung.)

BAROCKES.
 

Nach Fr. W. Rickmann (Festschrift S. 56) muß es so scheinen, als habe er bei seinen langjährigen Arbeiten "ältere Malereien" überhaupt nicht vorgefunden. Nirgends findet sich bei ihm ein Wort darüber, daß noch zu seiner Zeit die ganzen Wände des Domes bedeckt waren mit zahlreichen großen Bildern. Weil sie erst dem 17. Jahrhundert entstammten, galten sie ihm wohl nicht für "ältere Malerei", und weil sie nicht schön waren, erschienen sie nicht einer Erwähnung wert; es sei denn, daß er sie hinter die dunklen Worte versteckt: "die übrige Bemalung der Wandflächen", als er von den Zickzack-Bandstreifen an Pfeilern und Gewölben spricht. So ist denn in unserer  schnelllebigen, leichtvergessenden Zeit ein eigenartiges Kunstprodukt vollständig vergessen, das mehr wie zwei Jahrhunderte lang bestanden hat und vor nicht einmal Menschengedenken erst verschwunden ist. In keiner der vielen Beschreibungen, die es über den Dom gibt, findet man ein Wort darüber. 7)

Wir besitzen dafür, daß diese Malereien bis zur großen Restauration unter Daniel und Rickmann, die 1875 begann, sichtbar waren, unumstößliche Beweise:

Im Mecklenbg. Jahrbuch XXVI von 1859 schreibt LISCH: "1858 untersuchte ich die Kirche ..., vorzüglich wegen der Wandmalereien, da von mehrerer Seite geäußert war, daß es sich schwer bestimmen lasse, ob sie jung oder alt. Die Wände der Kirche sind ganz mit Wandmalereien in grau bedeckt. Diese sind aber offensichtlich sehr jung und ohne Zweifel in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts ausgeführt, als man anfing die Kirchen auszuweißen und, freilich sehr schlecht, wieder zu bemalen ..." Nachdem Lisch dafür Beweise erbracht und noch von den alten (obenerwähnten) Ornamentmalereien an den Pfeilern usw. gesprochen hat, fährt er fort: "Ob in der Höhe, z. B. an den Gurtbogen, nicht noch alte Malereien zu finden sind, ist noch die Frage. Überhaupt verdient die Kirche sowie der Kreuzgang noch eine gründliche Untersuchung und Beschreibung. 8)
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7) Auch Haupt in seiner ebenso trefflichen wie ausführlichen "Geschichte und Art der Baukunst in Nordelbingen, den Herzogtümern Holstein und Lauenburg sowie der Fürstentümer Lübeck und Ratzeburg" von 1925 tut dessen nicht Erwähnung. Er konnte nichts von ihnen wissen, denn er kannte den Dom nicht vor seiner Wiederherstellung 1881.

8) Lisch's Anregung betreffs der gründlichen Untersuchung ist bisher unverstanden geblieben. Die Nachfolgezeit traf sogar Maßnahmen, sie vielleicht für alle Zeit unmöglich zu machen. Man nannte das Restauration. Die spätere Wiederauffindung der Kreuzgang-Malerei ist einem Zufall zu verdanken. Wir werden noch sehen, daß auch bei ihrer Ausbesserung letzten Endes nicht die Umsicht gewaltet hat, die der Fund verdiente. Noch immer harren wichtige Untersuchungen, sofern es nicht zu spät geworden ist, der Inangriffnahme. - Auch Masch erwähnt milde den alten Zustand in der ungedruckten Handschrift "Der Dom zu Ratzeburg":


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In den Aufzeichnungen des Propstes Joh. Rußwurm, der seit 1859 seines Amtes waltete und 1890 starb, findet sich eine fast lückenlose Aufzählung der lateinischen "Unterschriften der Wandgemälde im mittleren Gange von der Orgel an". Am Ende der "Aufzeichnungen" (S. 151) bringt er sogar eine eingehende Beschreibung eines
großen Wandbildes über und hinter dem Altar: "das Jüngste Gericht".

Von diesen Bildern allen ist, anscheinend kurz vor ihrer Beseitigung, eine Abzeichnung 9) genommen worden. Vielleicht wollte man sich dadurch vor der Nachwelt rechtfertigen ob ihrer Vernichtung. Es ist eine mächtige Rolle Zeichenpapier, alt und stockfleckig, die sich in der Dombücherei vorfand. Auf ihr sind ohne Zeit- und sonstige Angaben, ebenso fleißig wie kunstlos sämtliche Bilder und Inschriften wiedergegeben. Trotz der Kunstlosigkeit aber gewähren sie guten Einblick in Art und Geist, in Alter und Herkunft der Wandbilder. Ergänzt wird das ganze durch ein beigefügtes Schreibblatt, das schlecht und recht auch die Übersetzung der Inschriften bringt.

Später hat der leitende Geist der Dom-Wiederherstellung von 1875-81, dessen Wort für die Beseitigung der Bilder wohl den Ausschlag gegeben haben dürfte, folgendes vernichtende Urteil über sie gefällt. Oberbaurat Daniel schreibt unter dem 11. 6. 1895 an den damaligen Domprobst in einem Briefe: "Bei der ersten Restauration wurde (u. a.) hergestellt: die Ncubemalung der Gewölbe und Wände nach Beseitigung der abscheulichen tintenfarbenen symbolischen Schmierereien."

Das Zeichenblatt zeigt 19 größere und kleinere Bilder von auffallender Häßlichkeit. Zwischen ihnen sind außerdem noch 14 sehr plumpe Gesellen in Mönchstracht sichtbar, die sich durch ihre Attribute und Unterschriften als neun Apostel, Moses und vier Propheten ausweisen.

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"Die Bemalung der Wände in Grau und im Geschmack der damaligen Zeit ist aus der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Hoinckhusen, der als CANONICUS ULTIMUS und AEDILIS 1682 starb, hat durch seinen Namen und Wappen die Zeit bestimmt." Vielleicht steht hiermit eine Bemerkung Kunrads von Hövelen, des lübischen Reiseschriftstellers, in Zusammenhang, welcher in seiner Beschreibung des Domes 1667 erzählt: "Außerhalb oben am Chorgestüll hat das Wetter geschlagen / und die Gülden Buchstaben ausgelöschet und geschwärzet / so wol zu märken." - Im Ratzeburger Probstei-Archiv findet sich eine kleine Handschrift: "Beschreibung der Domkirche". Sie hat zum Verfasser Immanuel Rußwurm, der bis 1846 der aufgehobenen Domschule und bis 1852 der Lauenburgischen Gelehrtenschule als Schüler angehörte. (Imman. Rußwurm, ein Verwandter des späteren Domprobsten Johannes Rußwurm, ist 1863 in Ludwigslust als Lehrer und Theolog gestorben.) Die Schrift ist sichtlich eine zensierte Schülerarbeit und wird vor 1852 entstanden sein. In diesem Heft (S. 9) steht folgendes: "Die Wände des Hauptschiffes, der Turmhalle, des Querschiffes und der Altartribüne sind mit großen Fresko-Bildern verziert, die aber teils, weil sie so schlecht gemalt, teils weil sie so alt und verwischt sind, der Kirche durchaus nicht zur Zierde gereichen." - Die Töchter des Malers Rieckhoff, welcher um 1880 unter Rieckmann den Anstrich und die Übermalung des Dom-Innern bewirkte, entsinnen sich dieser großen Bilder noch gut von ihren Besuchen her, die sie bei ihrem Vater während dessen Arbeit machten. Auch sie bestätigen übrigens, daß die Wände "abgekratzt" wurden, ehe sie neu übertüncht wurden.

9) Siehe Abbild der Nachzeichnungen der Wandmalereien usw. S. 137.
 

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Abbild der Nachzeichnungen der Wandmalereien aus dem 17. Jahrhundert
im Ratzeburger Dom vor ihrer Vernichtung um 1880.
Phot. A. Hannig, Ratzeburg.
 

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Vom Geiste des Barock, der doch zu gleicher Zeit im Dome so Bedeutendes geschaffen hat, kaum ein Hauch! Spätere Ausbesserungen (s. Arndt's Vermerk in den Repetitorien) können daran kaum etwas verdorben haben.

Zur Kennzeichnung von Geist und Sinn der Bilder nur 2 Beispiele: Das letzte Bild, "beim Taufstein links": Unter einem Betthimmel steht ein großmächtiger aber leerer Sorgenstuhl; vor diesem ein Wickelkind, das auf einem Kasten liegt; dahinter ein geflügelter Engel in sehr langem Röckchen; darunter: "EN INDUE CHRISTUM".
Und das erste Bild im Mittelschiff: Vor einer harmlos dasitzenden "Dame" steht ein kläffender Köter; darüber eine Waage, welche eine Hand aus den Wolken herabhält; zwischen den Waageschalen ein Auge; darunter: "NIL LATRASSE IUVABIT = "Es wird ihm nichts nützen, gebellt zu haben".

Versöhnend allein wirkt die wahrhaft kindlich-naive Auffassung, die aus dem Ganzen spricht. So sind die Bilder zu werten als ein Ausdruck kirchlich-frommen Sinnes zu einer Zeit, in der sich bereits gar Viele darüber erhaben fühlten. Darum brauchen sie auch nicht schamhaft totgeschwiegen zu werden.

Ihr Alter: Über dem Bilde hinter dem Altar halten zwei fragwürdige Engelsgestalten ein bretzelförmiges Spruchband, das in seiner Umschnörkelung die Zahl 1646 zeigt. (Dies ist übrigens das Eintrittsjahr Hoinckhusens in das Kapitel.) Das Bild "der Orgel gegenüber" trägt die Angabe: "Ano 1648". Zwischen den Bildern "im Mittelschiff links" befinden sich zwei Wappen mit Spruchbändern. Das eine soll das uns bekannte Hoinckhusen'sche Wappen darstellen; unter ihm steht: "DIAKONUS HINRIKUS HOINCKHUSEN". Das andere ist das des Probstes Gutzmer, wie es dessen Leichenstein zeigt; unter ihm steht: "DN. LAURENTIUS GILMER" (was verwischt gewesen zu sein scheint). "EKKLESIA HAUPTPASTOR" (!) Hieraus ist zu ersehen, daß die seltsame Ausschmückung des Domes sich durch Jahrzehnte hingezogen hat, denn erst 1667 wurde Gutzmer am Dome als Pastor  angestellt. -

Trotz der unvollkommenen Abzeichnung hebt sich eines der Bilder sichtlich von den anderen ab, als gehöre es nicht zu ihnen: "Das Jüngste Gericht" über dem Altar in der Apsis. Die Zeichenrolle gibt es so wieder, wie es Probst Rußwurm (Handschrift über den Dom) beschreibt:

"An der Kuppel des runden Turmes über und hinter dem Altar ist das jüngste Gericht auf die Wand gemacht, aber wohl nicht AL FRESCO, und auch nur schwarz. In der Mitte sitzt Christus auf einem Regenbogen, den rechten Fuß auf die Erdkugel stützend, den linken in Wolken verhüllt, mit ausgebreiteten Armen den Segen sprechend ... "
Es folgt eine eingehende Beschreibung, in der Moses und die Propheten, Engel und Teufel, Paradies und Hölle, die Seligen und die Verdammten auftreten.

Wenn es auch das altbekannte, vielbehandelte Motiv darstellt, so will sich doch hier ein Vergleich aufdrängen: Die Stiftskirche in Königslutter, die bereits mehrfach erwähnte, hat ein anscheinend ganz
 

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Ähnliches aufzuweisen. Wiehe schreibt: "Die Hauptapsis erscheint fast ganz in der wiederhergestellten ursprünglichen Bemalung", wie sie 1886 bei den Erneuerungsarbeiten entdeckt worden war. "Der Mittelpunkt ist der in der MAJESTAS thronende Christus ... Er sitzt auf einem Throne und ist von einer als Regenbogen gebildeten Mandorla
umgeben ..." Vielleicht lag auch dem Ratzeburger Chor-Bilde ähnliche alte Malerei zugrunde. -

Wenn die Wiederhersteller des Domes jene Bilder alle beseitigten, weil sie inmitten des hehren, ernsten Gotteshauses lächerlich wirkten, so will das begreiflich erscheinen. Nur hätten sie nicht "abgekratzt" werden sollen, vor allem nicht das "Jüngste Gericht", zumal dieses nicht einmal störend gewirkt haben mag.

Von anderen älteren Malereien, die Immanuel Rußwurm als im Dome befindlich erwähnt, die aber heute gleichfalls verschwunden sind, ist nicht gesagt, ob es sich um Wand- oder Tafel-Malerei gehandelt hat. 10) Von der letzteren wird an anderer Stelle die Rede sein.

Die jetzige Ausmalung des Domes beschränkt sich hinsichtlich der Wandbilder auf die lebensgroßen Gestalten der 12 Apostel an den Pfeilern und zweier Engelsgestalten an der Orgel. Unter ersteren die Namen, unter letzteren die Sprüche: "Singet dem Herrn" und "Lobet seinen Namen". An den Wänden der Apsis zu Seiten des Hochaltares: "Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth. Alle Lande sind seiner Ehre voll" und "Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen". Die Entwürfe der Malerei sind von Maler von Occolowitz-Schwerin 1894 und ausgeführt von Michaelis und Krause-Wismar.

Die Ornamentmalerei der Wände und Gewölbe zeigt in häufiger Wiederholung das alte Weihekreuz. "Sie soll sich anlehnen an die ursprüngliche Ausmalung, ist von Daniel entworfen und durch Malermeister Rieckhoff-Ratzeburg ausgeführt. Im übrigen wurden Pfeiler und Wände in Nachahmung des Backsteinrohbaues angestrichen. Doch sind die grauen Fugen willkürlich und störend nach dem Lineal gezogen, ohne sich an die darüber oder darunter durchscheinenden eigentlichen Fugen zu halten. 11)

Von alten GLASMALEREIEN des Domes wissen wir nur soviel, daß sich unter den reichen Zuwendungen Heinrichs des Löwen an den Dom nach der Zerstörung von Bardowiek und seiner Kirchen "Fenster" befanden, die "bunt" gewesen sein mögen. Von ihnen ist leider nichts erhalten. Die Landsknechte Mansfelds haben sie 1552 "eingeschlagen". (Masch S. 496.) Auch ist gewiß, daß dann später wieder im Dome Glasmalereien vorhanden waren. In einer der um 1880 abgebrochenen Kapellen befanden sich Fensterverglasungen mit buntbemalten Scheiben. Von diesen befinden sich heute noch vier oder fünf - wohlverpackt, -

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10) Imman. Rußwurm S, 14: "An den Pfeilern dieses Ganges (d. h. des Mittelschiffes) sind auf der Südseite 2 Bilder, die nicht mehr zu erkennen sind, und auf der Nordseite ist eins, welches eine Situation aus der Leidensgeschichte darstellt, gemalt von Heinrich Neumann nach einem Gemälde von Raphael." u. a. m.
11) Die Rechnung über alle Malarbeiten im Dome von 1876-82 an Wänden und Denkmälern betrug 10 008 Mark.
 

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im Museum vaterländischer Altertümer in Kiel. Eine dieser Scheiben zeigt ein Wappen mit Eicheln und der Beischrift "Hans Adam Hüseler, Amtmann zu Ratzeburg". Von diesem ist bekannt, daß er 1664 gestorben ist. Leider hat sich über diese Scheiben bisher nichts Näheres ermitteln lassen.

Im Sterberegister der Domgemeinde findet sich auch folgende Eintragung: "26.6.1671. Reichshofrat Curth Lützow, ein Katholik, in dem Dom beigesetzt in der 1. Kapelle hinter der Kantzel, die Lützow-Kapelle genannt, daher, weil lauter Lützow-Wappen in den Fenstern stehen."

Die jetzige Verglasung stammt von 1880 (sie kostete 4084 Mark). Die bunten Fenster am Chor lieferte Dr. Oidtmann-Linnich (für 765 Mark).

Die "Memorialmalerei" der beiden Fenster in der Stirnwand des südlichen Querschiffes stellen in dankbarem Andenken den mächtigen Gründer des Domes, Heinrich den Löwen, und den hochherzigen Wiederhersteller, Großherzog Friedrich-Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz, mit ihren Gemahlinnen dar. 12) Das große neue Rosettenfenster
in der Westwand, im Turmschiff über der Orgel, zeigt König David mit der Harfe. Sie sind 1895 gestiftet, als der Dom nach dem Turm- und Dachbrand von 1893 seine Wiederherstellung erfahren hatte, und sind verfertigt von der Tyroler Glasmalerei in Innsbruck nach ihren eigenen Entwürfen. (Brief Daniel's an den Domprobst vom 11. 6. 95.)

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12
) Mathilde Plantagenet und Augusta-Caroline, Prinzessin von Großbrittannien und Irland.


 

(Fortsetzung folgt.)





 

 

 

 

 

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