Natürlich war es nur ein Vorwand, als der
Dänenkönig erklärte, die Befestigung Ratzeburgs bedrohe seine
holsteinischen Gebiete und zwinge ihn zum Einmarsch ins
Lauenburgische. Tatsächlich entbehrte die kleine Inselfestung
jedes Wertes für etwaige Angriffsabsichten gegen Holstein. Zur
Sammlung eines Heeres war sie wegen des knappen Raumes
untauglich und aus dem gleichen Grunde auch zur Anhäufung
nennenswerten Heeresbedarfs. Vielmehr kam es dem Dänen darauf
an, die dauernde Festsetzung des ihm verhaßten welfischen
Nachbarn östlich der Elbe durch die ULTIMA RATIO REGIS zu
verhindern. Nur völlige Besetzung des Landes gab dem Angreifer
nach dem Waffenrecht die Möglichkeit, über dasselbe zu verfügen,
deshalb war von vornherein die Eroberung der Festung Ratzeburg,
die ja gebaut war, um erstere zu verhindern, in den Feldzugsplan
aufgenommen. Herzog Georg-Wilhelm war sich schon im Winter
1692/93 über das Kommende klar, konnte aber, da seine
Truppen in fremdem Solde außer Landes standen, nicht an eine
Behauptung des Herzogtums oder auch nur hinhaltenden Kampf im
freien Felde denken, vielmehr sein Heil nur im Widerstand der
Festung Ratzeburg sehen; Mölln und Neuhaus kamen wegen ihrer
verfallenen Anlagen für Verteidigung nicht in Betracht. Glückte
es, die Inselfestung solange zu halten, bis die diplomatische
Unterstützung durch den Kaiser und die Seemächte,
Holland-England, Georg-Wilhelm den Dänen vom Halse schaffte, so
machte sich der Aufwand für jene Errichtung bezahlt.
Dänemark hatte im Sommer 1693 allmählich seine
Truppen aus Jütland und Schleswig-Holstein bei Oldesloe
versammelt, die von den Inseln mittels der Flotte nach
Travemünde geschickt. Lübeck war längst nicht mehr imstande, dem
Druck selbst einer mittleren Macht gegenüber die
Unverletzlichkeit seines Gebietes zu wahren. Es mußte froh sein,
wenn Dänemark versprach, das "Commercium" auf Elbe und
Steckenitzkanal nicht zu stören. Demgegenüber nahm auch
GeorgWilhelm keine Rücksicht auf die Hansestadt und ließ sowohl
die Elbe
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durch Kanonen auf dem Westufer sperren, als auch die
Schleusen des Steckenitzkanals zerstören. Seine Beamten und Agenten hielten ihn
über alle Maßnahmen der Feinde auf dem Laufenden, so daß man aus den Akten ein
klares Bild der Geschehnisse empfängt. Für die Haupthandlung, Ratzeburgs
Belagerung, sind daneben noch 3 tagebuchartige Aufzeichnungen
vorhanden:
1) "Diarium Waß seither Ratzeburg von den Dähnischen belügeret
gewesen, merkwürdiges vorgegangen, gehalten von dem ArtillerieSekretär
Mardefelt."
2) Ein vom Regierungspräsidenten v. Grote selbst oder in seinem
Auftrag geschriebenes, sehr kurzes Tagebuch.
3) Des mecklenburgischen Aktuars Riecken auf dem Domhof gemachte
Aufzeichnungen.
Nr. 1) ist am vollständigsten und zuverlässigsten, da der Verasser
zum Stabe des sehr tüchtigen Kommandanten v. Bobart gehörte, wodurch übrigens
auch ein Unterton der Kritik gegen den im letzten Augenblick Bobart vor die Nase
gesetzten Gouverneur de Boisdavid hervorgerufen wird. Nr. 2) ist
vorwiegend durch ebensolche Kritik an dem General wichtig, während Nr. 3)
sehr eingehend die Ereignisse auf der Domhalbinsel behandelt, aber für die
eigentliche Festung nur vom Hörensagen berichtet. Außerdem hat Riecken das Ende
der Belagerung nicht mitgemacht. Jedes dieser Tagebücher bewahrt ein anderes
Archiv: Nr. 1) Hannover, Nr. 2) Kiel, Nr. 3)
Strelitz.
Schon von Mitte Juni an hatte man in Ratzeburg den Bürgern ein Verzeichnis ihrer
Lebensmittelvorräte abverlangt. Wer nicht für 5 Monate versehen
war, sollte die Stadt verlassen. Viele Bürger und auch Soldatenfamilien gingen
nach Lübeck, andere zu Verwandten auf dem Laude. Die Instruktion vom 27.
Juli für den Regierungspräsidenten v. Grote schreibt vor: 1)
Befestigung des Domhofs, womit aus Rücksicht auf Mecklenburg bisher gewartet
worden war. 2) Beschaffung von Feuerspritzen. 3)
Beseitigung der Strohdächer. 4) Verteilung der Lebensmittelvorräte
an möglichst viele Stellen der Stadt, wobei auch die Dom- und Stadtkirche
benutzt werden sollten. Gottesdienst dürfe nur noch im Dom abgehalten werden.
5) Da man der Begeisterung der aus Cellern, Hannoveranern und
Wolfenbüttelern gemischten Besatzung nicht allzuviel traute, war für
Sicherstellung des Soldes und darüber hinaus von Geldbelohnungen für besondere
Tapferkeit (Orden gab es damals nicht) zu sorgen. 6) Die
Offizierverpflegung regelte sich so, daß der Kommandant v. Bobart und Grote eine
Tafel für je 14, Kammermeister Schlüter für 8
Personen halten sollten, an der die Offiziere mittags und abends speisen
sollten. 7) Verkehr nach außen sollte über Lübeck und Mecklenburg
vorbereitet werden. Diese Instruktion atmet den Geist ihrer Zeit, wo die
lächerlichsten Einzelheiten von höchster Stelle befohlen und die Zuständigkeit
von Militär- und Zivilbehörden nicht streng geschieden wurden.
Im letzten Augenblick zog Wolfenbüttel seine 3 Kompanien aus der
Festung zurück, während es Bobart glückte, die Konstabler solange hinzuhalten,
bis es zum Abmarsch zu spät war. So bestand dann die Garnison am Tage der
Einschließung aus:
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Infant.-Rgt. v. Boisdavid unter
Obstlt. de Gauvain = 2 Komp.
Infant.-Rgt. de la Motte unter Obstlt. de
Fréchapelle = 7 Komp.
Infant.-Rgt. v. Rantzow unter Major Schwartz =
2 Komp.
Infant.-Rgt. v. Dieden unter Obstlt. v. Dieden =
4 Komp.
Infant.-Komp. v. Bobart (Hannoveraner)
Miliz, Komp. v. Ilten unter Major v. Ilten
Miliz, Komp. v. Lenthe unter Hauptmann v. Lenthe |
41 Artilleristen von Celle, Hannover und Wolfenbüttel gestellt.
Einige Schiffer zur Bedienung der Festungsboote.
In Mölln, Lauenburg und Neuhaus stand je eine Kompanie Wolfenbütteler
Infanterie, die sich neutral erklärt hatten. Sie besetzten mit Abteilungen
Stintenburg und Schwarzenbek.
Am 7. August rückten die dänischen Kolonnen über
die Grenze. Vor Mölln traf um 3 Uhr nachmittags das
Dragonerregiment Graf Löwendal ein, wurde aber nicht von dem wolfenbüttelschen
Hauptmann Hofmann durchgelassen, und nahm Quartier in Grambek, um von da aus in
die Güter des Erblandmarschalls v. Bülow zu gehen. Der sollte dadurch wohl zur
Herbeischaffung der ausgeschriebenen Proviant- und Futterlieferungen genötigt
werden. Übrigens war er schon ins dänische Hauptquartier gereist, um für
Schonung des Landes zu wirken. Sein Vater war ja dänischer General gewesen. Ein
Kommissar durfte am Möllner Rathaus das Manifest des dänischen Königs anheften.
Ebenso wurde mittags in Schwarzenbek von einem dänischen Korporal mit 2
Reitern, ungeachtet des Protestes durch den dortigen Leutnant, das Plakat
angeschlagen und am 8. August abends in Lauenburg mit Erlaubnis
des wolfenbüttelschen Majors v. Beschwitz durch einen Kommissar mit 20
Reitern. Die Hauptmasse der Feinde stand abends mit 8 Regimentern
zu Pferd bei Schwarzenbek, 4000 Mann zu Pferd und Fuß bei
Schönberg, der Rest an der Straße Oldesloe-Ratzeburg bis Berkenthin. Der König
selbst war noch in Pinneberg, wo Erblandmarschall von Bülow vergeblich um Erlaß
der ausgeschriebenen Kriegsumlage von 20 000 Talern
gebeten hat. Den gelandeten dänischen Truppen hatte Lübeck bei Moisling den
Traveübergang freigegeben, ebenso für die Artillerie die Stecknitzfahrt.
Immerhin kamen erst am 11. August die ersten Kavallerieabteilungen
vor Ratzeburg am Westufer des Sees an. Am 12. brach auch die
Infanterie und Artillerie wieder auf. Das Lager bei St. Georgsberg war schon
vorher abgesteckt. Um das Amt Neuhaus freizuhalten, hatte die Celler Regierung
versucht, durch die Wolfenbütteler Besatzung die Fähre bei Blücher und die
anderen "Pässe" sperren zu lassen, der Kommandant war aber nach Lauenburg
abgezogen und hatte den dänischen Truppen - General v. Fuchs mit
Löwendal-Dragonern - am 11. August das Feld überlassen. Der
Kornschreiber Grünhagen suchte den Offizieren Besorgnisse vor den angeblich nur
3/4 Meilen entfernten Brandenburgern einzuflößen, worauf sie
"spitze Ohren gemachet und gebeten, die Quartiere dicht zusammenzulegen". "Sehr
höfliche, treffliche Leute!" Dem Kornschreiber verboten sie bei Lebensstrafe
jede Korrespondenz, was ihn nicht abhielt, sofort alles nach Hitzacker zu
berichten. Er mußte auch nach
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Lauenburg 100 Fuder Heu und 400
Scheffel Hafer bringen. "Eben schießt ein Dragoner den anderen beim Absteigen
vom Pferde unversehens tot." In Lauenburg, wo die wolfenbüttelsche Kompanie v.
Beschwitz geblieben war, lagen 100 dänische Dragoner unter einem
Major. Somit hatte sich die Inbesitznahme des ganzen rechtselbischen Gebiets bis
auf Ratzeburg vollzogen. Etwa 12000 Mann mit starker Artillerie
waren unter Feldmarschall v. Wedell eingerückt. Während dieser nun endlich zur
Belagerung Ratzeburgs schritt, verteilte er seine Reiter über das Land, von
denen er bisher noch die Hauptmasse 1/2 Meile östlich Lauenburg
zusammengehalten hatte. Ins Amt Neuhaus kamen jetzt die Regimenter zu Pferde
Brockdorff und Bernstorff neben Löwendals Dragonern und 217 Mann
des InfanterieRegiments v. Bomstorff, zusammen 1537 Mann und
2 Regimentsgeschütze unter Generalleutnant du Menil.
2. Die Belagerung Ratzeburgs.
Am 12. August sah sich die Besatzung auch auf dem Ostufer des Sees
von Kavallerie abgeschlossen. Kundschafter meldeten das Eintreffen der
Infanterie bei der Ziegelei-Hütte (sw. Neuvorwerk), der am 13. die Geschütze
folgten. Es waren Kanonen und Mörser. Die Ratzeburger wußten jetzt, "daß man sie
zu bombardieren dräute". Trotzdem schickte am 14. Grote seinen Sekretär Schleh
zum Generalleutnant v. Schack, "welchem alle Civilität erwiesen und versichert
worden, daß sie zwar auf Königliche Ordre ins Land rücken müssen, hätten aber
Befehl, keine Hostilitäten zu verüben; der Herr Generalmajor v. Schwanewedel
aber hat ihn versichert, daß sie uns aus Stücken und Mörsern bald begrüßen
würden". Darauf wurde schon am 15. der Kanzleibote, welcher die
Post von Fredeburg abholen wollte, ebenso wie ein Tambour, der nach ihm fragen
sollte, von den Dänen festgehalten, "Worauf sie des Abends nach dem
Zapfenstreich mit Aufwerfung einiger Werke für unsern Hütten aufm St.
Jürgensberge den Anfang der Belägerung gemacht. Selbige Nacht hat der Hauptmann
Strackwitz auf die dänischen Arbeiten mit Kanonen feuern lassen wollen, der Herr
Generalleutnant (Boisdavid) aber hat solches verboten, vorgebend, daß wir die
ersten nicht sein wollten, die öffentlich Feind sich erklärten." So Mardefelt!
Boisdavid konnte wohl nicht anders handeln. Die Festung war noch keineswegs
bereit.
Besonders fehlte es an bombensicheren Räumen. Behelfsmäßig wurde mit Balken und
Steinen von auf dem Domhof abgerissenen Häusern versucht, eine Decke der
unfertigen Gewölbe herzustellen. Die Regierungsbeamten zogen in den Dom. Dort
waren erst 3 Erdbatterien gebaut, aber noch nicht mit Geschützen
besetzt. 400 Hammel waren auf den Palmberg getrieben, brachen von
dort in den herzoglichen Garten und fraßen die Mandel-, Feigen- und
Pfirsichsträucher und anderes Obst ab, ebenso die Weinstöcke. Im Kreuzgang lagen
150 Sack Roggen, dazu 4 Handmühlen, im Kalkkeller
unter dem Gärtnerhaus Branntwein, Wein und Lebensmittel. Am 14.
wurde der Pallisadenzaun um das Ufer der Domhalbinsel fertig, dafür die Planke
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zwischen Palmberg und Stadt eingerissen samt den beiden
Toren, die von altersher den Verkehr vermittelten.
"Den 16. August hat man auf dem St. Jürgenberge die Trancheen
geöffnet gesehen und ist bei hellem Tage mit der Arbeit stark continuiert
worden. Man hat auch gegen Abend verspüret, daß die Feinde auf der anderen Seite
bei der Vogelstange einige Trancheen und Werke aufgeführt." (Mardefelt.)
Letzteres war eine sehr unangenehme Überraschung. Die Festung hatte die Front
nach Westen. Am Ostufer der Insel lagen die Schiffe, in den Hang eingebaut die
Pulvermagazine. Von der Langen Brücke war nur der Belag abgeworfen, einige dort
stehende Hütten abgebrochen. Zwei Batterien waren beiderseits des Tors gebaut.
In der Nacht vom 16./17. kamen die ersten Geschütze
in die fertige Domhofbatterie. Harmloserweise hatten die Fahrer, als Riecken, in
dessen Hof die Batterie lag, sich weigerte, ihnen das Tor zu öffnen, am 14.
sie auf der Straße stehen lassen. Eine 4. Batterie wurde am
20. erst erkundet und angefangen.
"17. August haben sie an beiden Seiten sehr stark gearbeitet und
sind gegen Abend herunter bis vor die Lange Brücke zur rechten Hand gegangen.
Haben auch mit öffentlichem Trommelschlage ihre Werke in unser aller Gesichte
besetzet. Wie nun der Herr Brigadier (Bobart) sowohl auch andere Offiziere für
Recht befunden, daß man nicht länger einhalten, sondern dem Feind solche
Bravaden mit Stücken verbieten müßte, jedennoch hat der Herr Generalleutnant
darin nicht willigen wollen, vorwendend, daß wir nicht die Ersten sein wollten,
so brechen würden, sondern man müßte sich nach sie richten." (M.) Die Dänen
schickten den am 15. festgenommenen Kanzleiboten und den Tambour
zurück mit Grüßen seitens der Generale von Boisdavid, dessen Gesundheit sie
getrunken hatten. In der Festung wurde mit Bestückung zweier Batterien auf dem
Domhof erreicht, daß nun im ganzen 3 gegen den Schwalkenberg feuern konnten:
eine in Rat Gramanns Garten, eine im kleinen Kirchhof, eine in Rieckens Hof.
Der St. Georgsberger Amtsschreiber war, weil sein "Haus negst am Kirchhof vor
denen Kanonen gelegen", mit seiner Familie nach Lübeck geflüchtet, von wo aus er
dem Minister Bernstorff schon am 15. August berichtete, die von Dänemark
geforderten Lieferungen seien durch Ritter- und Landschaft mit 1/3,
durch die Ämter zu 2/3 aufgebracht. Die Elbe sei von Geesthacht
bis Neuhaus mit Kavallerie besetzt, auch einige "blecherne Schiffe" hergefahren
auf Wagen. Die Infanterie lagere um Neuvorwerk, die Artillerie bei der ersten
Scheune. An den Ziegelhöfen stünden Posten, um selbige nicht zu ruinieren. Der
König ist weg. Die ledigen Häuser sind geplündert, aber jetzt SALVAGUARDIEN
darin. "Auf dem Schwalkenberg haben sich 10 Stabsoffiziere zu
Pferde sehen lassen. Unsere Leute auf dem Domhof haben sich mit den Schalmeien
wacker lustig gemachet, Jene tummeln ihre Pferde und reiten mit einer Reverenz
wieder fort. Gestern sind die Stücke auf dem Schwalkenberg gepflanzt worden."
Schreiber ist selbst bis 3 Uhr dort gewesen, ohne bis dahin was zu
sehen. P. S. "Itzund gehe ich wieder nach dem Lager." Der
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Materialschreiber Paul Vermehren, der in Lübeck den
Nachrichtendienst leitete, hatte noch am 15. seinen Sohn mit
3000 Talern zu Wasser nach Ratzeburg geschickt. Bis Utecht geleiteten
ihn cellische Soldaten. Er kam noch glücklich durch, obwohl die Dänen mit ihren
kupfernen Pontons unter der Danebrogflagge auf dem See patrouillierten. Auf
einem der Lübecker Türme saß ein Beauftragter Vermehrens mit einem "Fernseher".
Es war verabredet, aus den Ratzeburger Domtüren mit farbigen Fahnen Zeichen zu
geben. Dies gelang nicht recht, da ein Beobachter die Farbe für weiß, der andere
für gelb, der Dritte für rot-weiß ansah.
"Am 18. August hat man des Morgens gar helle gesehen, daß sie
gegen den sogenannten Ratzenschwanz (nicht die spätere Straße dieses Namens,
sondern die Halbinsel südöstlich der Meierei) über eine Batterie gemacht und
oben aufm Berge bei der Vogelstange eine von 8 Schießscharten. In selbiger Nacht
haben sie auch einige Werke auf dem Schwalkenberg geleget und des Morgens
öffentlich Stücke und Mörser darauf geführet.
Den 19. August haben Sie den Schwalkenberg sehr fortifizieret und
viele Mannschaft dazu gebraucht.
Den 20. August haben sie mit äußerster Force alle ihre Arbeiten
continuiert, wozu wir aber stille geschwiegen, uns immer flattierend, die Dänen
würden die Extremität nicht ergreifen und uns feindlich traktieren. Wir sind
aber in unserer Meinung schändlich betrogen worden, allermaßen, nachdem sie ihre
Werke währender Zeit perfektioniert und ihre Stücke aufgeführt gehabt, haben sie
den 20. August Morgens umb 6 Uhr, nachdem sie
3 Raqueten steigen lassen, die Stadt Ratzeburg zu bombardieren und mit
Feuerkugeln zu beschießen angefangen." (M.) Vermehren hatte den Beginn der
Beschießung schon für den 18. gemeldet. Die Besatzung hatte sich
insoweit gesichert, als die Stäbe in Kellern ihre Gefechtsunterstände
aufgeschlagen, die Truppe in die fertigen Gewölbe und in den Dom gelegt war, an
dessen Beschießung man nicht glaubte. Den Domhof hatte das Regiment Dieden und
die Milizkompanien besetzt.
Mardefelt fährt fort: "Da dann, sogleich und in kurzer Frist, durch das
unaufhörliche Einwerfen der Feuerkugeln der Brand bei Bürgermeister Benecken
Hause domwärts (es lag in der Domstraße nach der Gasanstalt zu) angegangen und
dergestalt überhand genommen, (weil wegen des grausamen Schießens mit Stücken
kein Mensch in der Straße bleiben und retten können) daß des Abends umb 6
Uhr die ganze Stadt in der Asche gelegen, außer der Stadtkirche und Hofrat
Fabricius Hause, bei der Hauptwache gelegen, samt dem nebenstehenden Rademacher
und gegenüberliegenden Bäckerhäuschen. Desselbigen Abends ist auch der Thumb in
Brand geraten nachdem aber im Dache der Brand einige Stunden gewährt, ist
solcher doch wieder gelöscht worden. Herrn Gramanns und das unter dem
Fürstenhause am Wasser gelegene Armenhaus ist auch selbigen Tages abgebrannt.
Die übrigen Häuser sind, wie wohl sehr durchschossen, noch stehen geblieben.
Sonsten hat der Brand in der Stadt so geschwind über-
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Hand genommen, daß man auch einige Stücke von den Werken
nicht retten können, allermaßen hinter der Frau Generalmajorin Hause (v. Bülow
auf der "Freiheit") die Batterie so nahe gelegen, daß unsere Leute dieselbe
quittieren und die Stücke darauf dem Feuer zur Diskretion überlassen müssen, wie
denn von einem Schrot- und Eisenstück (kurzrohriges Geschütz für Kartätschschuß)
die Lafette und Räder ganz verbrannt, ja die Faschinen in dem Walle selbst. NB.:
In der Stadt sind auch 7 Personen (so ihnen eine Grube zu ihrer
vermeinten Sicherheit gemacht gehabt) jämmerlich verbrannt, item 300
Schafe und viel Vieh, auch ein großer Vorrat von Lebensmitteln. Selbigen Tages
ist auch auf den Thumb sehr stark kanoniert und bombardiert worden, welches
denen Leuten, die sich in großer Menge darin reteriert gehabt, und wegen
heftigen Schießens nicht daraus gehen dürfen, eine solche unerhörte Furcht
eingejaget, daß auch zwei schwangere Frauen, in Gegenwart vieler Leute, eine
unzeitige Geburt gehabt. In Summa, der Schrecken und das Elend der Leute ist
selbiges Tages unbeschreiblich gewesen, welches dadurch guten Teiles vermehrt
worden, weil erstlich des Morgens früh und fast in der ersten Furie der
Regimentsfeldscher Goß von des Herrn Generalleutnants Regiment in des Kantors
Türe am Kreuzgang mit einer Kanonenkugel gleich getötet und folglich einem
harburgischen Schiffer (diese waren gewissermaßen die cellische Marine) unter
des Thumbs Gewölbe nahe an der Tür, so nach der Münze gehet, ein Bein vom
Schwalkenberg abgeschossen worden; item einem Ausschußsoldaten durch eine, durch
das Gewölbe hereingefallene Bombe der Kopf halb abgeschlagen ist."
(Schluß folgt.)
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