Riecken ergänzt diesen Bericht dahin, daß die
Besatzung das Zeughaus - zwischen Stadtkirche und Stadtkaserne
gelegen - freiwillig abgebrochen habe, um durch das Feuer auf
dieses nicht die Kirche zu gefährden. Das Zeughaus war nur
Fachwerk, aus dem Material des Brauhauses vom ehemaligen Schloß
gebaut. Am Dom sind 7 mit Blei gedeckte Fächer
hell herunter gebrannt. Man trug Wasser in Hüten herbei. Ans
Ufer konnten die Leute wegen der Pallisaden nicht kommen und
Brunnen waren auf dem Domhof nur spärlich. Hauptmann Strauß, ein
Ingenieur, leitete die Löscharbeit. Die Verluste gibt Riecken
mit 2 Leutnants 8 Soldaten tot,
2 Unteroffizieren 47 Gemeinen verwundet
an, gegen Mardefelt, der nur von "über 30
Blessierten und Toten in allem" weiß, "worunter der Leutnant
Holst von Hauptmann v. Fersen und der Leutnant v. Stromberg von
Hauptmann v. Wrangel, welcher erste in wenig Stunden gestorben,
der andere aber in 5 Tagen. Hernach item 1
Leutnant von Hannover und 1 Fähnrich von uns
blessiert, so wieder genesen. Selbigen Tages sind auch in
unserem Hafen die 3 größten Schiffe in Grund
geschossen und 2 durchbohrt worden." Es waren das
alte "Lustschiff" der Askanier, mit kleinen Kanonen bestückt,
und Lübecker mit M aterial beladene Fahrzeuge. Georg-Wilhelm
ließ später durch einen Taucher Kupfer und Blei aus ihnen
heraufholen. Den Lederanzug des Tauchers bezahlte der Herzog
nebst der Kupferglocke; dazu bekam dieser, Johann Kolberg,
50 Taler im ganzen und 1 Taler
Tagelohn. Der Hafen war südlich der langen Brücke.
Grote berichtet, daß etwa 2000 Schüsse und
1000 Bomben von den Dänen abgefeuert sind. Die Baracken
seien erst abends in Brand geraten. Die Werke haben keinen
Schaden genommen.
Die Angreifer verbreiteten, in Ratzeburg seien alle Bollwerke
vernichtet; einschließlich der Bürger 300 Tote,
wogegen die Dänen nur 12 Mann verloren haben
wollten. Die Besatzung habe um freien Abzug gegen Hinterlassung
der Geschütze gebeten; das sei abge-
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schlagen. Die dänischen Schiffe lägen zum
Sturm parat. Vermehren konnte seit dem 19. keine Nachricht mehr
nach Ratzeburg bringen oder von da erhalten. Ein Forstbeamter, der Schütze
Christian, hatte sich bis dahin noch durchgeschlichen. Einen Boten hatte der
Lübecker dänische Agent "vollgesoffen" und ihm Briefe des St. Georgsberger
Amtmannes Winter abgenommen. Letzterer wurde daraufhin verhaftet und mit dem
Galgen bedroht, schließlich aber nach Lübeck abgeschoben. Lübische Fischer
wollten selbst für 100 Taler nicht die Fahrt wagen. "Den 22.
August hat man von beiden Seiten wieder stark kanoniert und der Feind
bombardiert. Den 23. August hat der Feind im Kanonieren und
Bombardieren ziemlich nachgelassen. Inzwischen ist auf Intercession der
Geistlichkeit und Bürger vom Herrn Generalleutnant resolviert, 2 Prediger,
nämlich einen vom Thumb und einen aus der Stadt, heraus zu lassen, welche den
General von den Dänen ersuchen könnten, daß sie den Thumb und Stadtkirche
verschonten und die Weiber aus der Stadt lassen möchten. Selbige nun, nachdem
sie hinaus kommen, haben zur Antwort erhalten, daß die Verschonung des Thumbs
nicht, wohl aber der Stadtkirche beliebet werden könnte und sollten die Weiber
und Kinder durchaus nicht herausgelassen werden. Übrigens sollten wir in
24 Stunden nicht arbeiten und schießen, so wollen sie desgleichen auch
nicht tun. Wie nun die Prediger nachmittags um 2 Uhr mit dieser
Antwort zurückgekommen, haben die Feinde kurz darauf einen Tambour
hereingeschickt und vernehmen lassen, ob wir diesen 24 ständigen
Stillstand halten und nicht arbeiten wollten, so wollten sie dergleichen tun,
worauf vom Herrn Generalleutnant die Antwort erfolgt, daß morgen deswegen die
Resolution erteilt werden sollte, so auch geschehen, und ist von beiden Seiten
mit Schießen und Arbeiten eingehalten worden.
Den 24. August des Morgens ist ein Tambour vom Herrn
Generalleutnant an den Generalmajor de Cormaillon mit einem versiegelten
Schreiben abgefertigt, bestehend in der gestern versprochenen Resolution, daß
ein Jeder die Werke und Arbeiten, so er gemacht, zur Perfektion bringen möchte,
würde man aber weitere neue Werke sehen, so wollte man dergleichen tun. Worauf
der Stillstand von beiden Seiden placediert und inzwischen nicht geschossen
worden."
(Mardefelt.)
Von Riecken hören wir, daß am 23. August die Regierung aus dem Dom
in eins der Gewölbe der Stadtbefestigung zog, der "Heilige Geist" erst jetzt
abbrannte und die Soldaten in den Kirchen und Häusern plünderten. Grote
bestätigt letzteres. Die geistliche Abordnung hatte ihm einen Brief des Oberst
v. Bülow mitgebracht, der Dom könne nicht geschont werden, weil Lebensmittel
darin lägen. Am 24. hatten die Soldaten die Keller ausgeraubt und
die Stadtkirche aufgeschlagen und geplündert, auch den Gotteskasten. Die dort
untergebrachten Akten der Regierung hatten sie herumgeworfen. Boisdavid schritt
trotz Grotes Ersuchen nicht ein, begnügte sich, "anzudeuten, sich des Mausens zu
enthalten", was natürlich nichts half. Nachts wurden heimlich Schweine
geschlachtet und Tags öffentlich gekocht. Der Hamburger Kaufmann Claßen, dem die
Verproviantie
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rung übertragen war, hatte durch diese
Plünderungen einen Schaden von 2000 Talern.
Im ganzen war mit Annahme des Waffenstillstandes der erste Versuch, sich
Ratzeburgs zu bemächtigen, gescheitert. Ganz unnötigerweise schlug gerade an
diesem Tage Vermehren Alarm: Der König werde am 24. im Lager
eintreffen und dann der Sturm stattfinden. "Entsatz, Entsatz ist der Festung
Ratzeburg höchst nötig, denn die Länge die Last tragen tut!" Die Lübecker ließen
die Wakenitz frei laufen, so daß das Wasser schon stark gefallen sei. Auch
stellten sie den Dänen Schiffe. Das erstere war nicht zutreffend. An Entsatz
konnte Georg-Wilhelm nicht denken. Er fürchtete selbst dänische
Übergangsversuche über die Elbe, wobei die Haltung der Schwerinschen Festung
Dömitz und des Güstrowschen Boizenburg wichtig war. Es gelang, beide neutral zu
halten. -
"Den 23. 8. hat man aufm St. Jürgens Berg ein ganz
neu angefangenes Werk aufgeworfen gesehen und haben die Dänen alle ihre Werke
wieder reparieret, man hat aber den ganzen Tag nichts Feindliches vorgenommen,
sondern gegen Abend ist ein dänischer Tambour zu uns geschickt worden mit einem
Schreiben von Herrn Geheimrat Bünsow an Herrn Gramann des Inhalts: daß, auf
beschehenes Ansuchen, des Herzogs von Mecklenburg und Bünsows Möbel wohl heraus
passiert werden könnten, wenn wir dieselben folgen lassen wollten. Worauf
geantwortet worden, daß die Erlassung vorerwähnter Möbel ohne Ihrer Durchlaucht
unsers allergnädigsten Herrn Consens und erpresse Ordre nicht geschehen könnte
und wenn die Herren Dänen diesen Consens nicht auszuwirken vermöchten, so müßte
von Mecklenburgischer Seite darum angehalten werden.
Den 26. 8. Nachmittags ist abermals ein dänischer
Tambour mit einem Brief von Herrn de Cormaillon an unsern Herrn Generalleutnant
eingesandt, des Inhalts, daß der Waffenstillstand bis den 27.
inclusive prolongieret wäre; wenn wir inzwischen nach Lüneburg schreiben oder
Jemand schicken wollten, stünde es uns frei, worauf ein Paß für einen Offizier
von uns verlanget und erhalten worden, mittels welchem der Herr Oberstleutnant
v. Frechapelle den 27. 8. Nachmittags abgefahren
ist, wobei zu merken, daß die Dänen ihm nicht vergönnen wollten, mit seinem
Wagen und Pferden nach Ihrer Durchlaucht zu reisen, aus Ursache, weil man
dasselbe nicht verlanget und im Paß exprimieret wäre. Sind ihm denhero vom Herrn
Feldmarschall von Wedell zwei Pferde bis Mölln und folglich vom Herrn de
Cormaillon ein Wagen bis Lüneburg gegeben worden.
Den 28. 8. hat man auch auf Ansuchen einen Paß für
den Hauptmann Strauß und Sekretär Jarchau aus dem dänischen Lager
herausgeschickt, wobei zugleich der Herr General de Cormaillon an unsern Herrn
Generalleutnant geschrieben, daß die Sache in Traktaten begriffen sei und der
Stillstand bis zum 1. 9. prolongieret wäre.
Inzwischen hoffe man, es würde zum gütlichen Vergleich kommen, weil der König
alle billigen Vorschläge annehmen würde." (Mardefelt.)
Beides war Schwindel. Die Dänen bereuten, nicht im Anschluß an
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das Bombardement gestürmt zu haben, aber da
hatte Wedell einen Gichtanfall gehabt. Als Friedensbedingung verlangte der König
gänzliche Räumung des Herzogtums samt Festung und 2 Millionen
Taler Entschädigung für seine Kriegskosten. Georg-Wilhelm hatte keine
Veranlassung, auf diese Forderung einzugehen. Frechapelle konnte ihm melden, daß
man in Ratzeburg gutes Muts sei, und Strauß, der über Lübeck nach Harburg ging,
berichtete, an Lebensmitteln sei noch 16 Wochen Brotvorrat und für
8-10 Wochen Branntwein, Speck, Butter, Erbsen und Grütze
vorhanden. Unter dem mangelnden Schutz gegen "Schlacker und Regen" litte
besonders die Miliz, die keine Mäntel hatte. Immerhin hatten die Leute auf dem
Domkirchhof sich Unterstände gebaut, die Riecken mit Türen und Fenstern "artig"
fand. Man hatte auch, ebenso wie die Dänen, ruhig weiter geschanzt und eine neue
Batterie auf dem Domhof zwischen der herzoglichen Kirche und dem Altfrauenhaus
fertiggestellt, die am 3. 9. mit 2
Mörsern bestückt wurde. Sie sollte in Richtung der Pfaffenmühle wirken, wo man
feindliche Übersetzabsichten vermutete, denn von den Pallisaden war nicht mehr
viel übrig. -
"Den 29. 8. ist ein dänischer Dragonerkapitän,
namens Sprengell, mit einem Tambour angekommen, mit dem Anbringen, daß weilen
bei währendem treves es nicht Kriegsgebrauch wäre, an den Werken etwas zu
reparieren und zu arbeiten, also hätte der Feldmarschall v. Wedell von seinem
König ordre, wenn wir mit der Arbeit nicht einhalten würden, von neuem Feuer auf
uns zu geben, wollte dennoch sich mittels diesem sich deswegen melden und wegen
künftiger, daraus entstehender Verantwortung protestieren. Darauf ist dem Herrn
Kapitän die Antwort gegeben, daß, ob man zwar nicht nötig hätte, mit der Arbeit
einzuhalten, weil sie mit der Arbeit bis dahin nicht angestanden, so wollte man
doch, wenn sie desgleichen tun wollten, künftig die Arbeit bleiben lassen.
30. 8. ist von beiden Seiten nichts passiert,
sondern es sind unter der Hand die Werke repariert worden. (!)
Den 31. 8. ist der Sekretär Jarchau mit eingekauften
Viktualien vor dem Herrn Generalleutnant von Lübeck wiedergekommen und hat die
am 15. zu Fredeburg arrivierten Celler Briefe von Lübeck
mitgebracht.
Den 1. 9. Mittags 12 Uhr ist der Herr
Oberst de Frechapelle von unserm gnädigsten Herrn zurück anhero gekommen, die
von Sr. Durchlaucht demselben mitgegebenen vivres als 4 Kälber,
8 Schafe, 12 Gänse, 24 Hühner und andere
Sachen aber haben die Dänen angehalten, nicht wissend, aus wes Ursache.
Den 2. 9 ist ein Schreiben von Herrn Gramann ins
Lager gesandt, um zu vernehmen ob die mecklenburger Leute und Sachen passiert
werden könnten, demselben aber ist keine Antwort geworden. Dito morgens um
8 Uhr hat der Konstabler Heinrich Janßen eine feindliche Bombe
reinigen wollen, selbige aber ist krepiret und hat ihn derogestalt geschlagen,
daß er des anderen Morgens frühe gestorben.
Den 3. 9. ist beim Rathause eine feindliche Bombe
von selbsten krepiret, weil sie vermutlich in einem Keller gelegen, da noch
Feuer in geschwelet. Sie hat aber keinen Schaden getan.
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Den 4. 9. ist
nichts Merkwürdiges passiert.
Den 5. 9. ist auch noch alles still gewesen.
Den 6. 9. hat der Geheimrat v. Grote den Kanzlisten
Hojer mit einem Tambour ins Lager gesandt und denselben über einige Posten
vernehmen lassen wollen, man hat den Kanzlisten aber auf dem Wasser halten und
gegen Abend den Hauptmann Sprengell geschickt, der das Gewerbe von dem
Kanzlisten angenommen und dagegen
versichert, daß des folgenden Tages eine Antwort erfolgen würde, so aber
ausgeblieben. In dieser Nacht ist auch die Batterie auf dem Thumb bei der
Druckerei, von 5 Stücken, fertig geworden, um die vom Feind uns
entgegengemachte Batterie von 10 Scharten zu beschießen.
Den 7. 9. hat der Herr Generalleutnant mit dem
Hauptmann Stracknitz und dem Minierleutnant sich besprochen, ob es nicht tunlich
wäre, DASZ MAN DEN THURM GESPRENGT HÄTTE. Es ist ihm aber zur Antwort worden,
daß, wenn solches geschehen müßte, unser ganzer Vorrat an Pulver dazu schwerlich
zureichen würde.
Dito Morgens hat der Herr Geheimrat auf Permission des Herrn Generalleutnants
durch einen Tambour von dem Feldmarschall v. Wedell vernehmen lassen, ob eine
Antwort erfolgen würde, als ihm nun der Bescheid erteilt, daß morgen dieselbe
einkommen sollte, so ist sie jedennoch ausgeblieben.
Den 8. 9. ist ganz Nichtes passiert als daß man bei
der Altfrauen Hause eine neue Batterie von 4 Schießscharten
angeleget, welche sich der dänischen bei der Papenmühle opponieren sollte.
Den 9. 9. hat der Herr Generalleutnant auf Ansuchen
des Rats Gramann einen gefreiten Korporal mit einem Tambour dem Aktuar Riecken
zugegeben, welch letzterer vernehmen wollte, wessen der Feldmarschall wegen
Herauslassung ihrer Leute und Möbel resolviert. Man hat aber den Aktuarius nebst
dem gefreiten Korporal und einem Schiffer aus Lüneburg in Arrest genommen und
durch den Tambour zurücksagen lassen, man wollte die Leute behalten bis auf
weiteren Bescheid und wäre es keine Manier, daß man ganze Schiffe voll Leute und
überdem Bürger herausschickte, meinend, der Schiffer aus Lüneburg sei ein Bürger
aus Ratzeburg." (Mardefelt.)
In Wahrheit hatten die Dänen um diese Zeit, unzufrieden mit dem Gang der
Verhandlungen in Hamburg, einen neuen Plan gefaßt, Ratzeburg in ihre Hand zu
bekommen. Zu zerschießen war nichts mehr, die Werke hatten die schwersten Bomben
"praf" ausgehalten, die Verteidiger sich gegen das Mecklenburger Ufer mit neuen
Batterien stark gemacht, also schien ein zweites Bombardement zwecklos.
Ebensowenig hatte ein Aushungerungsversuch Aussicht. Die auf der Insel
herumlaufenden Viehherden waren nicht nur dem Auge erkennbar, dänische Schwimmer
hatten auch nachts einem Ochsen, der außerhalb der Pallisaden weidete, den
Schwanz abgeschnitten und mitgebracht. Blieb nur ein Sturm als letztes Mittel.
Hierzu war eine größere Anzahl Schiffe nötig neben den Kupferpontons der Dänen.
Mit Güte oder Gewalt waren sie von Lübeck zu bekommen. Vermehren kam aber
schnell dahinter und konnte schon am 6. 9. die
dänische Absicht melden. Es wurden sowohl bei Lübeck aus der
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Trave in die Wakenitz wie bei Mölln aus der
Steckenitz in den Ratzeburger See bei Farchau Schiffe mit Pferden über Land
gezogen. Wie vorauszusehen, hatte der Senat erklärt, wenn die Dänen diese
Verletzung lübischer Neutralität mit Gewalt unternehmen wollten, könnte er es
nicht hindern. 90 Pferde waren nötig, um einen Schiffskörper über
die Landzunge vor dem Burgtor zu schleppen. In Mölln wurden Salzschiffe
beschlagnahmt, 36 an der Zahl, von denen täglich 2
bis zur Papiermühle fahren konnten. Sie wurden dort paarweise zusammengekoppelt
und mit einer Holzbrustwehr versehen. 100-200 Mann
trug solcher Prahm. Gleichzeitig ging von Holstein ein neuer Transport schwerer
Artillerie zum Belagerungsheer ab. Er umfaßte 9 schwere Stücke,
6 kleine und 3 Mörser von größerem Kaliber, als die
bisher vor Ratzeburg eingesetzten, und war der Festung Glückstadt entnommen.
Schon vor seinem Eintreffen eröffneten die Dänen die Beschießung
wieder. -
"Den 10. 9. Nachmittags haben die Dänen 2
Kanonenschüsse von der Vogelstange auf unsere Zimmerleute getan, aber keinen
Menschen getroffen und ist ihnen von unserer Seite mit 2 Kanonen
wieder geantwortet worden, in Meinung, sie würden weiter continuiren. Sie haben
aber den ganzen Tag still geschwiegen. Selbigen Abends um 9 Uhr
hat man einen Soldaten von Major Schwarzen Kompagnie, welcher sich obligieret,
eine Meile Weges zu schwimmen, mit Briefen an seine Durchlaucht abgeschickt,
derselbe ist auch in einem leinenen, expresse gemachten Kleide im Gesichte des
Herrn Major Schwarzen mitten im See umb den Schwalkenberg weggeschwommen, ob er
aber reüssiert wird die Folgezeit lehren müssen." (M.) Vermehren meldete, daß
der Schwimmer von den Dänen abgefangen sei. Der Brief an den Herzog war
chiffriert, daneben hatte er noch einen an Herrn v. Grotes "Liebste" mit.
"Den 11. 9. morgens haben wir auf die Dänen, so die
Mühle überm St. Jürgen Berge abgebrochen, mit einem Stück Feuer gegeben, worauf
sie den ganzen Tag stille geschwiegen und nicht wieder geantwortet. Den 12.
und 13. 9. ist nichts passiert.
Den 14. 9. morgens um 7 Uhr ist von
unserer Seite auf die dänischen Arbeiter vor dem Lüneburger Tor, woselbst sie
eine neue Linie, den Kirchhof herunter gemacht, mit einem Stück gefeuert worden
worauf dieselben um 9 Uhr von der Vogelstange wieder geschossen,
aber keinen Schaden getan, von unserer Seite sind selbigen Tages über 10
Schuß auf die dänischen Arbeiter gemacht. Des Abends um 10 Uhr
haben die Dänen 2 Schuß auf unsere Zimmerleute, welche noch einige
Joch von der Langen Brücke abwerfen sollten, getan, aber ohne Schaden. Darauf
haben sie fort 3 Raketen steigen lassen, nm ihren Leuten damit ein
Signal zu geben, auf ihrer Hut zu sein, weil sie vermeinet, daß man etwa einen
Ausfall über die Lange Brücke tentieren würde.
Den 15. 9. morgens um 8 Uhr haben wir
wieder auf die dänischen Arbeiter gefeuert. Worauf sie erst 7
Bomben ohne Effekt hineingeworfen, und ist folglich von beiden Seiten
verschiedentlich geschossen worden, aber ohne Schaden.
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Den 16. 9. haben
unsere Leute mit Kanonen auf die dänischen Arbeiter, so gegen der "Tête" (der
Ravelin vor dem Lüneburger Tor) approchieret, stark gefeuert, die Dänen aber
haben den ganzen Tag nicht geantwortet. Nachmittags aber haben sie wohl 10
Schuß auf uns getan, aber ohne den geringsten Schaden.
Den 17. 9. haben unsere Leute von
Mitternacht an stark auf ihre Arbeiter kanoniert; item die ganze Nacht
desgleichen getan.
Den 18. 9. haben wir mit Kanonieren stark
kontinuiert.
Den 19. 9. haben wir wie den vorigen Tag sowohl
Tages als Nachts mit Kanonieren stark kontinuiert, die Dänen aber haben nur
2 Schüsse geantwortet. Selbigen Morgen ist der beste Feldscher vom
Lamotteschen Regiment, namens Siegmann, gestorben.
Den 20. 9. hat man auf beiden Seiten wieder stark
kanoniert, die Dänen aber haben nur von der Vogelstange vier Kanonenschüsse
getan.
Den 21. 9. haben wir wieder auf die Arbeiter
geschossen, wiewohl etwas sparsamer als gestern." (M.)
Das Feuer der Festung zerstörte immer wieder die bei der Sandmühle neu gebaute
Batterie, so daß die Dänen ihre inzwischen angekommene Artillerieverstärkung
nicht einsehen konnte. Man sieht, wie groß die Aussichten waren, das
Bombardement ganz zu verhindern, wenn Boisdavid durch Feuer den Ball der ersten
Batterien ebenso unterbunden hätte. Nebenbei hatten die Dänen 6
Pontons verloren. Mit dem Überlandtransport der lübischen Schiffe ging es auch
nicht nach Wunsch. Eins blieb trotz Vorspann von 100 Pferden
zwischen Trave und Wakenitz stecken. Von Mölln waren erst 4
Schiffe im Küchensee, am 25. waren es 11. Der
Schütze Christian, der diese Feststellungen machte, fand seine grüne Hofuniform
dabei zu auffallend und bat um Lieferung einer graugrünen. Dieser Wunsch mußte
aber erst dem Herzog unterbreitet werden, so daß es wohl zur Ausführung nicht
mehr gekommen ist. Mit fortschreitendem Herbst litt das dänische Heer stark an
der roten Ruhr. Vermehren meinte, mit 5000 Mann könne die Festung
entsetzt werden. Die waren aber nicht aufzubringen. Ein kleines
brandenburgisches Hilfskorps sammelte sich bei Lenzen und Kurfürst Ernst-August
hatte seinem Bruder den Marschall v. Podewils mit einigen Truppen geliehen,
mochte aber diese nicht an ein so gefährliches Unternehmen wagen. So blieb man
links der Elbe stehen. Die Aussichten eines dänischen Sturmes waren andererseits
gegenüber der noch ganz intakten Ratzeburger Artillerie nicht allzu groß. Man
gedachte am Dom und an der Lange Brücke zu stürmen, wo der Wasserweg am
kürzesten und die Befestigung am schwächsten war. Aber den mannestief unter
Wasser gesetzten Schloßplatz gegen die modernen Werke der Westfront anzulaufen,
war Wahnsinn. Die Kampfkraft der Infanterie des Verteidigers war weniger zu
fürchten. Die Miliz und die neu gebildeten Hannoverschen Kompanien Diedens
konnten als voll nicht gerechnet werden. Die wenigen cellischen Kerntruppen
reichten für den Umfang der Festung nicht aus. So wogen beide Kriegführenden
ihre Gewinn- und Verlustmöglichkeiten und kamen zu dem Entschluß, einen mageren
Vergleich vorzuziehen. -
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"Den 22. 9. hat
man von beiden Seiten mit Kanonieren ganz eingehalten.
Den 23. 9. ist es gleichfalls stille geblieben. -
Den 24. 9. Nachmittags haben die Dänen 3
Schüsse von der Vogelstange getan. Wir haben aber nur mit 2
Stücken geantwortet, weil man keinen Menschen arbeiten gesehen.
Den 25. 9. ist von beiden Seiten gefeiert worden.
Den 26. 9. ist es gleichfalls ganz stille geblieben,
bis gegen Abend um 6 Uhr, zur selbigen Zeit aber haben die Dänen
aus den vor dem Lüneburger Tor gebauten Approchen 6 Granaten
hereingeworfen. Nachdem wir aber von unsern Contregarden 4
Granaten wieder hinausgeworfen, haben sie stille geschwiegen. Selbigen
Nachmittag umb 2 Uhr aben die Dänen durch einen Tambour einen
Brief der Frau Geheimrätin Grothe hineingeschickt, welcher von dem Herrn
Geheimen Rat sofort wieder beantwortet worden. Der meiste Inhalt der Frau
Geheimrätin Schreiben war, daß sie gehört, ob wäre der Herr Geheime Rat tötlich
krank. Nachdem hat sie notifiziert, daß Herr Direktor Spörken gestorben (er
hatte 1689 in Lauenburg für Georg-Wilhelm "Possession" ergriffen)
und daß der bei dem Schwimmer abgeschickte Brief v. 9. dss.
deroselben wohl eingelauffen wäre.
Den 27. 9. ist von beiden Seiten nichts vorgenommen
worden.
Den 28. 9. ist auch alles ruhig geblieben.
Den 29. 9. ist gleichfalls von beiden Seiten nichts
Feindliches vorgenommen worden. Wir haben gegen Mittag einen Tambour
herausgeschickt, um durch ein Schreiben vom Geheimen Rat Grothe fragen zu
lassen, ob nicht vergönnt werden könnte, daß er selbst sich beim Feldmarschall
einfinden und ein anderes sondierte; es ist ihm aber keine Antwort geworden.
Den 30. 9. Nachmittags um 3 Uhr ist
vom Herrn Kanzler Fabricius ein Kourier aus Hamburg anhero gesandt, welcher
mitgebracht, daß die Sache zwischen Ihrer Majestät von Dänemark und Seiner
Durchlaucht unserm gnädigsten Herrn folgendergestalt verglichen wäre, daß Ihre
Durchlaucht zwar das Land und den Ort Ratzeburg behalten, aber die Västung
Ratzeburg rasieren müßten, wozu sich Ihre Durchlaucht erkläret und dero Behuf
Ratzeburg zu rasieren Ordre erteilt, mit dem angehängten Befehl, daß die
Regierung, weil der Ort ganz ruiniert, nach Mölln transferiert werden sollte.
Den 1. 10. hat man einen Tambour hinausgesandt und
vernehmen lassen, ob die Auswechslung der Ratifikationen noch nicht geschehen.
Weil nun der Feldmarschall nach Mölln zum König gewesen, ist des Abends
allererst ein Tambour von den Dänen hereingesandt und berichtet worden, daß
morgen eine vergnügte (d. h. genügende) Antwort erfolgen würde.
Den 2. 10. haben die Dänen den Hauptmann Sprengell,
so als Generaladjutant Dienste tut, hereingeschickt und durch denselben sagen
lassen, daß nunmehr die ganze Sache richtig und daß wir aus der Stadt aus- und
eingehen, auch nach Belieben reisen möchten, weil die Ratifikationen von beiden
Seiten ausgewechselt wären. Selbigen Nachmittag ist der Generalmajor de
Cormaillon und der junge Baron
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v. Wedell herein zu unserm Herrn
Generalleutnant gekommen, samt unterschiedlichen dänischen Offizieren; man hat
auch von allen dänischen Werken die Stücke abermals gelöset und alle Feuermörser
ausgefeuert, deren insgesamt 62 gezählt worden.
Den 3. 10. haben die Dänen einige Bataillone
abmarschieren lassen. Haben auch ihre Werke zu rasieren angefangen, dergleichen
wir auch mit dem Ravelin zuerst getan und die Tore geöffnet. (Sie waren während
der Belagerung vermauert.)" (Mardefelt.)
3. Ausmarsch der beiderseitigen Truppen.
Nach dem Hamburger Vertrag vom 29. 9. sollte
Ratzeburg binnen 3 Wochen geschleift, die Truppen, bis auf
200 Mann, und die gesamte Artillerie über die Elbe gezogen werden. Die
Dänen sollten innerhalb 4 Tagen abrücken bis auf 6
Regimenter zu Pferde und 6 Bataillone zur Bedeckung der
Belagerungsartillerie, die aber auch spätestens nach 14 Tagen das
Land geräumt haben mußten. Solange durften sie nur Rauhfutter beanspruchen. Die
Artillerie solle sogleich auf 1/2 Meile von Ratzeburg weggezogen
werden. Weitere Geldforderungen seitens der Truppenbefehlshaber waren bei Strafe
verboten. Dänemark versprach, sich nicht weiter in die Lauenburgische
Erbfolgefrage zu mischen. Der Kaiser, England und Schweden garantierten den
Vertrag.
Die von den dänischen Inseln gekommene Artillerie ging die Wakenitz herunter zur
Trave und auf die Transportflotte. Die aus Glückstadt nachgelieferten Geschütze
fuhren von Lauenburg elbabwärts. An die Fristen und an das Verbot des
Requirierens von Verpflegung und Geld hielten sich die dänischen Führer nicht.
Kontribution wurde bis Ostern im voraus eingetrieben. Die Kavallerie ließ sich
im Amt Schwarzenbek die Ouartierforderung für 4 Regimenter durch
ein Geldgeschenk abkaufen. Sie lagen dann einige Tage im Amt Lauenburg und
"taten den Untertanen sehr wehe". Wedell beantwortete eine Beschwerde hierüber
mit Gegenklagen wegen ungenügender Demolierung Ratzeburgs.
Am 2. 10. gingen erst die letzten Regimenter aus dem
Lager bei Schwarzenbek in die Dörfer. Das Leib-Regiment zu Pferde lag bis zum
7. 10. in Juliusburg, Krukow und Lütau Und marschierte
am 8. über Grande nach Holstein. Regiment Brockdorff zu Pferde lag
in Wangelau, Witzeeze und Dalldorf bis zum 6. Zu gleicher Zeit zog
Regiment Prehn zu Pferde aus Basedow, Buchhorst, Lanze und Krützen, sowie
Regiment Basse zu Pferde aus Pötrau, Büchen, Fitzen und Bröthen ab. 4
Kompanien Aderkas-Dragoner lagen bis zum 2. Oktober in Lauenburg
und 2 Kompanien vom 7. ab in Pötrau. Büchen hatte
außerdem am 7. 10. den Glückstädter
Artillerietransport mit 716 Pferden, 140 Mann
unterzubringen.
Aus Stadt Lauenburg sollte am 30. 9. der Oberst
Tramp mit seinem Infanterie-Regiment abziehen, blieb aber bis zum 1.
10., weil er noch 200 Taler von der Bürgerschaft
erpreßte, die nicht eher
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zusammengebracht werden konnten. Übrigens
schickte er von seinem nächsten Quartier Göttin die 36
vierspännigen Wagen für sein Gepäck nicht zurück.
Am 16. 10. war das ganze Land frei, bis auf Amt
Lauenburg, wo noch zwei Dragonerkompanien bis zum 20. 10.
blieben. Das Amt hatte im ganzen 13135 Taler Kosten gehabt und
300 Wagen stellen müssen. Neuhaus mußte 4466 Tonnen
Hafer, 1486 Fuder Heu, 70263 Pfund Brot und
6887 Taler bar aufbringen. Für das ganze
Land stellte sich der Wert der Lieferungen und Leistungen an die Dänen auf
140 000 Taler. -
Bleibt noch die Demolierung Ratzeburgs und die Räumung durch die verbündeten
Truppen zu erzählen. Hannover und Wolfenbüttel forderten sogleich dringend ihre
Mannschaft und Material zurück. Am 4. 10. zogen sie
ab. Mit den Ausschußkompanien war auch nichts mehr zu machen. Sie waren krank
und erschöpft und durften zudem nach dem Frieden nicht mehr zurückgehalten
werden. Die wenigen cellischen Stammtruppen legten die Befestigungen mehr
schlecht als recht nieder. Am 22. 10. besichtigten
Minister Bernstorff und Boisdavid die beendete Arbeit. Die Artillerie wurde zum
Teil zu Wasser nach Lübeck gebracht, zum Teil auf beschlagnahmten Lübecker
Salzschiffen durch den Steckenitzkanal nach Lüneburg. Die letzten Kähne froren
schon ein. Am 9. 11. rückte die letzte Infanterie
ab. Der neue Kommandant Hauptmann v. Knebel mit 2 Kompanien
Lamotte räumte am 11. 11. den Domhof und belegte die
Gewölbe und Unterstände in der Stadt. Die Regierung war erst am 20.
10. nach Mölln gegangen, wo der Rat sogleich gegen die Benutzung
seines Rathauses Einspruch erhob. -
Am unzufriedensten mit dem Ausgang war der Kurfürst von Sachsen, der nun
einsehen mußte, daß seine Ansprüche auf das Herzogtum aussichtslos waren, seit
so mächtige Staaten dem Welfen den Besitz gewährleisteten. Schließlich schlug er
wenigstens eine ansehnliche Geldzahlung für seinen Verzicht heraus. Auch
Mecklenburg erlangte für die Schäden auf dem Domhof eine "Satisfaktion".
Man kann nicht sagen, daß sich für das Welfenhaus die Befestigung von Ratzeburg
nicht gelohnt hätte. Das alte Schloß wäre freilich in kurzer Zeit in Trümmer
gelegt. So aber wahrten die modernen Werke den Besitz eines Bruchteils
Lauenburger Bodens solange, bis der dänische Eindringling mürbe geworden war.
Andernfalls hätte einer Annexion durch ihn nichts im Wege gestanden, sobald das
ganze Land in seinen Händen war. Was die Einwohnerschaft, insbesondere die
bedauernswerten Bürger Ratzeburgs, betraf, so hatte sie gewiß keinen Grund zur
Freude. Die neue Landesherrschaft hat erst sehr allmählich wieder gut gemacht,
was ihr Zugriff dem Lande geschadet hatte.
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