Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1934


Nestjunge Maulwürfe.

Von ERNA MOHR, Zoologisches Museum, Hamburg.
 

Seit vielen Jahren schon sammele ich einheimische Kleinsäuger, da weder die bei uns vorkommenden Arten restlos bekannt sind, noch deren Verteilung bei uns, noch ihre Naturgeschichte. Oft wurden mir "junge Maulwürfe" gebracht, aber stets waren es nur Spitzmäuse aller möglichen Arten. Das ging solange, bis mir einfiel, daß ich selbst noch nie nestjunge Maulwürfe gesehen hatte, nicht einmal halbwüchsige. Ich richtete nun meine besondere Aufmerksamkeit darauf, frisches Material aus Schleswig-Holstein zu bekommen und machte



O. Grabham, PHOT.
Nackte Maulwürfe, 2-3 Tage alt.
 

mir eine ungefähre Vorstellung von den Jungen. Die Hoffnung auf frisches Material trog; auch ein Aufsatz nebst Aufruf in einer vielgelesenen Zeitung der Provinz hatte keinen Erfolg. Und meine Vorstellung von jungen Mullen erwies sich als falsch. Doch mit beidem befand ich mich durchaus in guter Gesellschaft: auch andern Feld- und Museumszoologen ging es nicht anders. Eine Rundfrage an die nord- und mitteleuropäischen Museen ergab das dürftige Resultat, daß nur an zwei Stellen nackte Jungtiere bewahrt wurden, in Stuttgart und Kopenhagen. Etwas ältere Junge, die ich ihrer Größe wegen nicht gleich richtig erkannt hatte, entdeckte ich dann noch in der Sammlung des Hamburger Zoologischen Museums und in meiner eigenen.

Wenn man Maulwürfe untersucht, kommt man zunächst zu dem Ergebnis, daß es ausschließlich Männchen gibt; schon die alten Sammler haben über das (angebliche) starke Überwiegen der Maul-

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Wurfmännchen geschrieben, und auch ich fand zunächst nur solche. Aber eins dieser "Männchen" hatte 5 Embryonen bei sich: die Geschlechter sind äußerlich fast gar nicht zu unterscheiden, ebenso wie bei Spitzmäusen und Hyänen.

Eine Maulwurfwochenstube ist ein ziemlich kugelförmiges Nest aus Gras und Laub oder beidem; das Baumaterial wird von dem Muttertier mit dem Maul eingeschleppt. Die jungen Maulwürfe kommen recht unfertig zur Welt. Sie sind bei der Geburt 4 cm lang, sind nackt, kurzschwänzig und farblos. Die Tiere wachsen schnell, bleiben aber noch sehr lange völlig unselbständig. Sogar Mulle, die schon die Länge der Alten erreicht haben, besitzen noch keinen einzigen
 



O. Grabham, PHOT.
Etwa 2 Wochen alte Maulwürfe.
 

benutzungsfähigen Zahn, sind also darauf angewiesen, daß sie an der Mutter saugen und daß sie ihnen Nahrung zuträgt, die sie heil hinunterschlucken müssen. Noch an den konservierten Jungtieren sieht man deutlich die zum Saugen typische Zungenhaltung. Rein äußerlich unterscheiden sich diese zahnlosen Jungen von den Erwachsenen nur durch kürzere Behaarung. Die Maulwürfe haben zwar Milchgebiß und bleibendes Gebiß, aber das Milchgebiß wird bereits vor der Geburt wieder resorbiert, und am lebenden Tier kann man nur bleibende Zähne finden. Bei Schnitten durch den Kopf von Embryonen sieht man beide Zahngarnituren übereinander.

Woran liegt es nun, daß man so gut wie nie junge Maulwürfe bekommt, und auch die Sammlungen kaum deren enthalten? Es kann nicht daran liegen, daß Kleintiersammler "so gemeines Zeug" nicht erst aufheben, denn die äußere Erscheinung ist so überraschend, daß


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auch ein Unbefangener aufmerksam wird, wenn er ein solches kleines "Walroß" sieht. Die Gründe müssen wohl in der Biologie gesucht werden. Die Zeit von Ende Mai bis Ende Juni, in der die jungen Mulle noch unselbständig und ans Nest gebunden sind, ist gerade diejenige, in der der Landmann sein Land am wenigsten betritt. Das Pflugland ist dann im allgemeinen bestellt oder, soweit es für späteren Kohl- oder Rübenbau dienen soll, meist mit Seradella oder anderer Gründüngung bzw. "halb Futter-, halb Düngerpflanze" bestellt, wenn es nicht als Brache liegen blieb. Auf jeden Fall wird normalerweise nicht dort mit dem Pflug gearbeitet, wo durch das Pflügen Mutterbaue freigelegt werden könnten. Bei uns zu Lande beginnt der erste Grasschnitt zum Heuen selten vor Johanni, 24. Juni; vorher wird zur Schonung des Grases das Heuland nicht betreten. Also auch die im Grasland angelegten Mutterbaue haben im allgemeinen bis Ende Juni Ruhe. In den Büchern wird meistens behauptet, daß die Mutterbaue an besonders schwer zugänglichen Stellen aufgeworfen würden: unter Hecken, Baumstubben, Mauern, Wällen usw. Es soll nicht bestritten werden, daß an solchen Stellen Mutterbaue gefunden werden könnten. Doch hat das schwerlich etwas mit "höherer Überlegung" zu tun. Zunächst ist das Aufwerfen überhaupt schwierig, wenn es gegen derart kompakte Widerstände wie Stubben, Mauern, Wälle geschieht. Ich bin vielmehr geneigt, diese scheinbar recht vorteilhaft und geschützt liegenden Baue als Zufallstreffer zu bewerten, ganz abgesehen davon, daß ihre Deutung als Wochenstuben schwerlich durch eigene Untersuchung des jeweiligen Berichterstatters befestigt wird. Wären all diese an den vorgenannten Stellen angeblich gefundenen Bauten wirklich einwandfrei Mutterbaue gewesen, dann stünde es schon längst erheblich besser um unsere Kenntnis von Entwicklung und Leben des Maulwurfs. Oft findet man auch mitten auf Feld-, Park- und Gartenwegen derart große Haufen, die sicher als Wochenstuben "gedacht" waren, aber verlassen bzw. nicht in Benutzung genommen wurden, als ihre Lage sich als unsicher erwies. Da das Muttertier die Wochenstube schon etwa einen Monat vor dem Werfen einrichtet, bleibt ihm genügend Zeit für solche "Experimente".

Wenn man die Literatur auf biologische Einzelheiten über den Maulwurf durchsieht, könnte man glauben, daß der Lebenszyklus bis zu den geringsten Einzelheiten klar läge. Man kann nur immer wiederholen, daß wir trotz allem fast nichts darüber wissen. Viele Autoren lassen ihrer Phantasie dabei recht freien Lauf; die tobt sich namentlich in Schilderungen innigen Familienlebens kräftig aus. Gegen die vielgerühmte Zärtlichkeit und Besorgtheit der Eltern für die Jungen spricht, daß noch nie ein Wurf zusammen mit einem erwachsenen Tier eingebracht wurde, wie das bei Raubtieren und Nagern oft genug der Fall ist. Es ist schließlich auch kein Wunder, daß die Maulwurfmutter sich in sichere Verborgenheit zurückzieht, wenn ihr Nest freigelegt wird. Sie würde gar nicht imstande sein, ein oder gar mehrere Junge, die ebenso groß sind wie sie selbst, "im Maule in ein nahes Loch oder in einen Moos-, Mist- oder Laubhaufen" zu schleppen und "sie vorläufig so eilig wie möglich zu verbergen".
 

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Die jungen Mulle versuchen sich spätestens zu der Zeit, in der die Zähne durchbrechen, im Wühlen. Jedenfalls fällt der Zahndurchbruch zusammen mit den ersten Beobachtungen über erdige Nägel. Die ersten Grabversuche sollen noch recht ungeschickt sein und oberflächlich und unordentlich dicht unter der Oberfläche hinziehen. Ob diese oberflächlichen Gänge wirklich von jungen Mullen gegraben werden, läßt sich wohl nur dadurch feststellen, daß man diese auf frischer Tat ertappt und fängt. Ich selbst habe die im Herbst nicht seltenen flachen Gänge, die auch zu anderer Zeit nie gänzlich fehlen, immer auf die Schermaus bezogen, habe auch in unmittelbarer Nähe von großen Maulwurfshaufen solche Gänge neu entstehen sehen und dabei die Schermaus als Täter festgestellt. Wenn ich auch nicht bestreiten will, daß die Gänge junger Mulle ähnlich aussehen und verlaufen könnten, weiß ich sie doch bisher nicht zu unterscheiden.

Wie so viele einheimische Tiere, gibt uns also auch der so bekannte Maulwurf noch eine so große Anzahl von Rätseln auf, daß wir die Landwirte, Gärtner und Kleingärtner bitten, bei deren Lösung mitzuhelfen. Die Museen sind dankbar für Material.

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ANMERKUNG: Mitteilungen von Beobachtungen sowie etwaige Jungtiere erbittet der Schriftleiter.
 

 

 

 

 

 

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