Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1937


Zur Deutung des Namens Lauenburg.
Eine landschaftskundliche Betrachtung.

Von Kreisschulrat i. R. HEINRICH SCHEELE.

(Schluß.)

Bisherige Deutung des Namens Lauenburg.

Die Lauenburg wurde 1182 von Herzog Bernhard von Anhalt gegründet, dem Nachfolger Heinrichs des Löwen, als dieser seiner Länder verlustig erklärt war. Der neue Herr hatte die alte Herzogsburg, die Ertheneburg, in der er noch die Huldigung entgegengenommen hatte, zerstören lassen, indem er die umgürtenden Mauern niederlegen ließ. Die Feldsteine wurden an die neue Baustätte geschafft und dienten mit zur Errichtung der Burg. Dieser Ursprung der Lauenburg wie auch ihre nachfolgende ehrenvolle, wenn auch wechselvolle Geschichte stehen klar im Lichte der geschichtlichen Nachrichten.

Da ist es merkwürdig, daß die Ansicht bestanden hat, Heinrich der Löwe habe sie erbaut. Lairitz 6) sagte gegen 1700, die fürstliche Residenz habe ihren Ursprung Heinrich dem Löwen zu danken, welcher sie "nicht nur an der Elbe erbauet, sondern auch nach seinem Namen LÖWENBURG benennet." "Es hat aber Henricus Leo etwan im Jahre 1147, ehe er mit den Wenden und Obotriten diesseits der Elbe den schweren Krieg angetreten, ein Schloß zu seiner Reterade nahe an der Elbe erbauen und nach seinem Zunahmen dasselbe Leuenburg oder, nach der Nieder-Sachsen ausrede, Lauenburg nennen lassen." Was der  'Niedersachsen Ausrede' bedeutet, sagt er weiter selbst: "Die
Sprache ist hiesigen Orts, wie an andern befindlich, Nieder-Sächsisch, oder wie es dieser Oerter Gelegenheit lautet, Plattdeutsch." Er sagt also klar, die Lauenburger reden plattdeutsch und nennen ihre Stadt plattdeutsch "Lauenburg". Das ist eine wertvolle Nachricht. Noch heute heißt die Stadt im Plattdeutsch der Städte 'Lauenborg'. Auch
in den hochdeutsch geführten amtlichen Registern des Amtes Lauenburg wird die Stadt schon vor 1700 als  'Lauenburg' geschrieben. Im Plattdeutsch des Landes entwickelte sich die Form  'Loonborg, Loomborg'. In einem engern Bezirk um Lauenburg (Juliusburg und Krüzen) hat sich bei den Alten noch bis heute die Form  'Löönborg, Löömborg' erhalten, wie ich vor einigen Jahren festgestellt habe. Diese Ausspracheform muß schon viel früher bestanden haben. Wie dies sprachlich zusammenhängen mag, braucht hier nicht erörtert zu werden 7). Es mochte aber
_______________

6) Manecke, Topogr.-Histor. Beschreibung des Herzogtums Lauenburg, herausgeg. von Dührsen. Mölln 1884 (Zustand von 1800 etwa). Darin Lairitz, Beschreibung von den Herzogl. Sachsen-Lauenburgischen Landen. Abdruck einer Abschrift. (Zuerst war die Abhandlung 1686 gedruckt.) Aus Mahnecke-Dührsen sind die S. 8, 78, 289, 301, 304 zu vgl.
7) Wen es befremdet, daß Loomborg und Löömborg nebeneinander gesprochen wird, der sei daran erinnert, daß dergl. auch sonst möglich ist. Der Ortsname Hamfelde wird von den Einwohnern Hamfelln gesprochen ('In Hamfelln is nicks tau melln'). Nördlich vom Ort heißt es Hamfilln, östlich davon Hamfeeln. Auch der angeführte Volksreim wechselt dann mit.
Der Übergang von Löuwenborg zu Löömborg muß über die Ausspracheform Löögenborg gegangen sein. Auch davon hat sich im Volkshumor eine Spur

1937/3-4 - 76
 

1937/3-4 - 77

diese Sprechweise Veranlassung geworden sein, daß sich die Überlieferung erhielt, der große Löwe habe die Burg gebaut. Wie man dies geschichtlich zu begründen suchte, kann man bei Lairitz lesen. Obgleich seine Schrift derzeit als gut angesehen wurde, hat sich später die Geschichtswidrigkeit seiner Ausführungen in diesem Punkt ergeben.

Das sprach Manecke um 1800 aus und suchte nach einer andern Ableitung des Namens Lauenburg 8). Der Name müsse nach heutigem Sprachgebrauch als ELBBURG wiedergegeben werden, weil die Slawen die Elbe Lawa oder Laba genannt hätten. Noch 1837 nahm Kobbe diese Deutung aus dem Slawischen auf. Heute wird sie nicht mehr
vertreten.

Als von Duve 9) sich 1857 mit dem Namen befaßte, lehnte er die Ableitung aus dem Slawischen ab. Er hatte festgestellt, daß alle bekannten Lauenburgen ursprünglich in ausgedehnten Wäldern lagen, er betonte die Verwandtschaft von 'Lov, Lowe, Love, Loube, Loibe oder Laube'  und nahm als Ursinn dieser Wörter an 'Wald oder dichtes Gehölz'. Darum behauptet er, Lauenburg ist 'WALDBURG'.

Sehr ausführlich hat 1892 Hey den Namen behandelt 10). Er untersucht Ortsnamen mit der Form 'Lewen'. Lauenburg in P. sei von vornherein als Levaburg anzusprechen, da es an der Leva liegt 11). Er erwähnt die Lewenborch, die 1337 von Gerhard d. Großen an der Grenze Dithmarschens erbaut wurde. Er führt den lübischen Forsthof im sogen. Schwerin an (slaw. = Tiergarten), der 1164 Lewen, 1194 tom Lowen hieß und jetzt Lauerhof genannt wird. Auch das in seiner Nähe liegende meckl.-strel. Dorf Lauen hieß 1194 Lewen. Daher nimmt Hey ein altes Wurzelwort LEWE an und deutet dies Wort nach Stellen im Heliand (hleo, hlea, Gen. hlewes, hlewon) als 'großer Wald', eigentlich Blättermeer oder Laubdach. Der Übergang LEWEN > LOVEN > LAUEN sei ja an den lübischen und strelitzschen Ortsnamen erwiesen. "Die Lauenburg wäre demnach die BURG IM LEWEN, d. h. hier also IM GROSZEN WALDE AN DER DELVENAU."

Aber gerade sprachliche Erwägungen (altes lewe = Löwe) legen auch immer wieder die Deutung LÖWENBURG nahe. Wenn die Burg auch nicht von Heinrich dem Löwen erbaut ist, so könnte sie immerhin eine Löwenburg sein. U. a. tritt der Göttinger Sprachforscher Edw. Schröder mit seiner Autorität für diese Wortauffassung ein.

Ähnlich hat sich DR. Lammert in seiner gründigen 'Ältesten Geschichte des Landes Lauenburg' 12) für diese Ansicht beachtlicherweise
_______________

erhalten. Wenn jemand in der Gegend, wo man Löömborg ausspricht, in Lauenburg gewesen ist, so sagt er wohl scherzend: 'Ik bün tau Lögenborg wäsen'. Der Nebensinn ist 'Lügenburg'. Wie sollte dieser Volkswitz sonst entstanden sein?
8) A. a. Ort. S. 8.
9) von Duve, Mitteilungen usw. 1857. S. 26 f.
10) Archiv des Vereins f. d. Geschichte des Herzogt. Lauenburg 1892 III, 3 S. 15-17.
11) Für Lauenburg i. P. sind die Formen 'Levinburg, Lewenborch, Lawenborch, Lauwenborg, Lowenborgh, Lawburgk' belegt. Die Verhältnisse der Landschaftsform sind dort dieselben wie bei unserm Lauenburg: bewaldete Höhen und Flußniederung.
12) Lammert, Die älteste Geschichte des Landes Lauenburg. Ratzeburg 1938. S. 148/149. Das Buch ist immer wieder zum Studium zu empfehlen. Es ist gründlich.

1937/3-4 - 77


1937/3-4 - 78

entschieden. Er erwägt neben der sprachlichen Herleitung noch ein psychologisches Motiv, wenn er schreibt: "Lau ist eine Nebenform von LÖWE, und Herzog Bernhard mochte den Namen doppelt gern wählen gegenüber einem Vorgänger, der selbst den Löwennamen geführt hatte." Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß gerade am Stammesland der Askanier sich eine Lauenburg findet bei Stecklenburg am Harze, ebenso in der Heimat des Grafen Adolf von Ratzeburg ein Ort Lauenburg mit einer Burgruine darüber.

Auch die Flurnamenforschung hat sich mit der Deutung der Gruppe 'Lauen, Lee u. ä.' befaßt. Neuerdings hat Wild 13) Flurnamen in Zusammensetzungen mit Lau, Lee, Leu aus Pommern behandelt. Aus seiner Arbeit geht uns folgendes an. Von 17 untersuchten Fluren sind 13 feucht und sumpfig, 9 gehören zu einem Wasserlauf, 8 zeigen
Bewaldung an. Bei der Prüfung der überlieferten Namensformen aus früherer Zeit wird nachgewiesen, daß LEU = LEE SEIN KANN UND DASZ LEE NUR ALS BESTIMMUNGSWORT VORKOMMT. Es wird herangezogen, daß lô, léu, lëuland niederdeutsch-westfälisch Moorland, Sumpf bedeutet (nach Jellinghaus).


Eine Lewenlandschaft ist eine Niederungslandschaft, ein Becken.

Diese Untersuchungen können uns in unserer Auffassung stützen. Auch wir sehen Lewen als Bestimmungswort in Flurnamen an. Wir haben aber den Sinn des Bestimmungswortes in der Schilderung einer entsprechenden Landschaftsform zu erfassen gesucht, in der die einzelnen dazugehörigen Fluren durch das Wort Lewen ausgezeichnet werden, einerlei, ob Berg oder Wald oder Bruch oder Gewässer. Wir sprechen von einer Lewenlandschaft.

Als ursprüngliche Wortbedeutung von LEWEN finden wir 'Becken, Schale' in dem mnd. LOUWEN, LOWEN, LEWEN, altfr. LEVIN, LIOVEN" 14). Wir sehen unsere Landschaftsform als eine BECKENLANDSCHAFT an, ganz ähnlich wie der moderne Erdkundler größere Räume als Becken benennt.

Zum Becken gehört sowohl die Niederung wie der erhöhte Rand. Gehört zur Niederung Wiese, Bruch, Sumpf, Auenwald oder Strom, so stellen Berg und Wald den Rand dar. Das feine Gefühl des mit der Natur verbundenen Menschen hat diese niederdeutsche Landschaftsform als ein Ganzes erfaßt und mit dem einprägsamen Beiwort die
_______________

13) Teuthonista. Zschr. f. deutsche Dialektforschung. Jahrgang X, Heft 4. Unter den behandelten Flurnamen aus Pommern finden sich: Lawenburch (1570), Lauin, Lauensiep (1748), die Lau (1840), Lauerberg, Lauenbrügge, Leu-Wisch (1693) - Lehwiese (1818 und mundartlich); Im Leu (1696); Leuenberg (1819) hieß 1695 Lyenborg, Lüenberg; Lehbäk, Lehwisch (1810).
14) Mittelniederdeutsches Wörterbuch. Lübben. S. 732 LOUWEN (LOWEN, LEWEN), LOVENBECKEN Becken, Schale, missinges LOUWEN.
S. 737 LOVENBECKEN, LÔFBECKEN, altfr. LEVIN, LIOVEN. EN LOUEN DECKEN, IN EEN LEWYN. Im afr. Recht war das Würfelspiel verboten bis auf den Neujahrs- und Dreikönigsabend, wo man in VROELICHEYDEN YN GHESTERYEN YN ENEN LOEUENBECKEN MYT TWEEN DOBBEL STENEN würfeln konnte. - Das Geld sollte vollwichtig sein, daß es in einem LOUEN BECKEN klinge durch ein Haus.

1937/3-4 - 78


1937/3-4 - 79

Fluren dieses Raumes gekennzeichnet. Erd-leben ist Er-leben. Die schweren Züge des geschilderten Raumes stehen in inniger Wechselbeziehung zu herben Zügen im Seelenleben des Niederdeutschen.

Von solcher Art ist also unsere Landschaft bei Lauenburg. DIE BURG ÜBER DEM LEWEN, ALS HERRSCHERIN IN DIESEM BEREICH, MOCHTE SICH WOHL DANACH BENENNEN.

Der Name Lauenburg weckt mit seinem Klange das Bild der weiträumigen Landschaft, die hinter ihrem jetzigen kulturellen Anblick noch den naturhaften Lewen erkennen läßt. Wir möchten diese Landschaft in dem reichen Formenschatz unserer Heimat nicht missen.
 




 


 

 

 

*