Die Lauenburg wurde 1182 von
Herzog Bernhard von Anhalt gegründet, dem Nachfolger Heinrichs
des Löwen, als dieser seiner Länder verlustig erklärt war. Der
neue Herr hatte die alte Herzogsburg, die Ertheneburg, in der er
noch die Huldigung entgegengenommen hatte, zerstören lassen,
indem er die umgürtenden Mauern niederlegen ließ. Die Feldsteine
wurden an die neue Baustätte geschafft und dienten mit zur
Errichtung der Burg. Dieser Ursprung der Lauenburg wie auch ihre
nachfolgende ehrenvolle, wenn auch wechselvolle Geschichte
stehen klar im Lichte der geschichtlichen Nachrichten.
Da ist es merkwürdig, daß die Ansicht bestanden hat,
Heinrich der Löwe habe sie erbaut. Lairitz 6)
sagte gegen 1700, die fürstliche Residenz habe
ihren Ursprung Heinrich dem Löwen zu danken, welcher sie "nicht
nur an der Elbe erbauet, sondern auch nach seinem Namen
LÖWENBURG benennet." "Es hat aber Henricus Leo etwan im Jahre
1147, ehe er mit den Wenden und Obotriten diesseits
der Elbe den schweren Krieg angetreten, ein Schloß zu seiner
Reterade nahe an der Elbe erbauen und nach seinem Zunahmen
dasselbe Leuenburg oder, nach der Nieder-Sachsen ausrede,
Lauenburg nennen lassen." Was der 'Niedersachsen Ausrede'
bedeutet, sagt er weiter selbst: "Die
Sprache ist hiesigen Orts, wie an andern befindlich,
Nieder-Sächsisch, oder wie es dieser Oerter Gelegenheit lautet,
Plattdeutsch." Er sagt also klar, die Lauenburger reden
plattdeutsch und nennen ihre Stadt plattdeutsch "Lauenburg". Das
ist eine wertvolle Nachricht. Noch heute heißt die Stadt im
Plattdeutsch der Städte 'Lauenborg'. Auch
in den hochdeutsch geführten amtlichen Registern des Amtes
Lauenburg wird die Stadt schon vor 1700 als
'Lauenburg' geschrieben. Im Plattdeutsch des Landes entwickelte
sich die Form 'Loonborg, Loomborg'. In einem engern Bezirk
um Lauenburg (Juliusburg und Krüzen) hat sich bei den Alten noch
bis heute die Form 'Löönborg, Löömborg' erhalten, wie ich
vor einigen Jahren festgestellt habe. Diese Ausspracheform muß
schon viel früher bestanden haben. Wie dies sprachlich
zusammenhängen mag, braucht hier nicht erörtert zu werden
7). Es mochte aber
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6) Manecke, Topogr.-Histor. Beschreibung des
Herzogtums Lauenburg, herausgeg. von Dührsen. Mölln 1884
(Zustand von 1800 etwa). Darin Lairitz,
Beschreibung von den Herzogl. Sachsen-Lauenburgischen Landen.
Abdruck einer Abschrift. (Zuerst war die Abhandlung 1686
gedruckt.) Aus Mahnecke-Dührsen sind die S. 8,
78, 289, 301, 304
zu vgl.
7) Wen es befremdet, daß Loomborg und Löömborg
nebeneinander gesprochen wird, der sei daran erinnert, daß
dergl. auch sonst möglich ist. Der Ortsname Hamfelde wird von
den Einwohnern Hamfelln gesprochen ('In Hamfelln is nicks tau
melln'). Nördlich vom Ort heißt es Hamfilln, östlich davon
Hamfeeln. Auch der angeführte Volksreim wechselt dann mit.
Der Übergang von Löuwenborg zu Löömborg muß über die
Ausspracheform Löögenborg gegangen sein. Auch davon hat sich im
Volkshumor eine Spur
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diese Sprechweise Veranlassung geworden sein,
daß sich die Überlieferung erhielt, der große Löwe habe die Burg gebaut. Wie man
dies geschichtlich zu begründen suchte, kann man bei Lairitz lesen. Obgleich
seine Schrift derzeit als gut angesehen wurde, hat sich später die
Geschichtswidrigkeit seiner Ausführungen in diesem Punkt ergeben.
Das sprach Manecke um 1800 aus und suchte nach einer andern
Ableitung des Namens Lauenburg 8). Der Name müsse nach heutigem
Sprachgebrauch als ELBBURG wiedergegeben werden, weil die Slawen die Elbe Lawa
oder Laba genannt hätten. Noch 1837 nahm Kobbe diese Deutung aus
dem Slawischen auf. Heute wird sie nicht mehr
vertreten.
Als von Duve 9) sich 1857 mit dem Namen befaßte,
lehnte er die Ableitung aus dem Slawischen ab. Er hatte festgestellt, daß alle
bekannten Lauenburgen ursprünglich in ausgedehnten Wäldern lagen, er betonte die
Verwandtschaft von 'Lov, Lowe, Love, Loube, Loibe oder Laube' und nahm als
Ursinn dieser Wörter an 'Wald oder dichtes Gehölz'. Darum behauptet er,
Lauenburg ist 'WALDBURG'.
Sehr ausführlich hat 1892 Hey den Namen behandelt 10).
Er untersucht Ortsnamen mit der Form 'Lewen'. Lauenburg in P. sei von vornherein
als Levaburg anzusprechen, da es an der Leva liegt 11). Er erwähnt
die Lewenborch, die 1337 von Gerhard d. Großen an der Grenze
Dithmarschens erbaut wurde. Er führt den lübischen Forsthof im sogen. Schwerin
an (slaw. = Tiergarten), der 1164 Lewen, 1194 tom
Lowen hieß und jetzt Lauerhof genannt wird. Auch das in seiner Nähe liegende
meckl.-strel. Dorf Lauen hieß 1194 Lewen. Daher nimmt Hey ein
altes Wurzelwort LEWE an und deutet dies Wort nach Stellen im Heliand (hleo,
hlea, Gen. hlewes, hlewon) als 'großer Wald', eigentlich Blättermeer oder
Laubdach. Der Übergang LEWEN > LOVEN > LAUEN sei ja an den lübischen und
strelitzschen Ortsnamen erwiesen. "Die Lauenburg wäre demnach die BURG IM LEWEN,
d. h. hier also IM GROSZEN WALDE AN DER DELVENAU."
Aber gerade sprachliche Erwägungen (altes lewe = Löwe) legen auch immer wieder
die Deutung LÖWENBURG nahe. Wenn die Burg auch nicht von Heinrich dem Löwen
erbaut ist, so könnte sie immerhin eine Löwenburg sein. U. a. tritt der
Göttinger Sprachforscher Edw. Schröder mit seiner Autorität für diese
Wortauffassung ein.
Ähnlich hat sich DR. Lammert in seiner gründigen 'Ältesten Geschichte des Landes
Lauenburg' 12) für diese Ansicht beachtlicherweise
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erhalten. Wenn jemand in der Gegend, wo man Löömborg ausspricht, in Lauenburg
gewesen ist, so sagt er wohl scherzend: 'Ik bün tau Lögenborg wäsen'. Der
Nebensinn ist 'Lügenburg'. Wie sollte dieser Volkswitz sonst entstanden sein?
8) A. a. Ort. S. 8.
9) von Duve, Mitteilungen usw. 1857. S. 26
f.
10) Archiv des Vereins f. d. Geschichte des Herzogt. Lauenburg
1892 III, 3 S. 15-17.
11) Für Lauenburg i. P. sind die Formen 'Levinburg, Lewenborch,
Lawenborch, Lauwenborg, Lowenborgh, Lawburgk' belegt. Die Verhältnisse der
Landschaftsform sind dort dieselben wie bei unserm Lauenburg: bewaldete Höhen
und Flußniederung.
12) Lammert, Die älteste Geschichte des Landes Lauenburg.
Ratzeburg 1938. S. 148/149. Das Buch
ist immer wieder zum Studium zu empfehlen. Es ist gründlich.
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entschieden. Er erwägt neben der sprachlichen Herleitung noch ein
psychologisches Motiv, wenn er schreibt: "Lau ist eine Nebenform von LÖWE, und
Herzog Bernhard mochte den Namen doppelt gern wählen gegenüber einem Vorgänger,
der selbst den Löwennamen geführt hatte." Er weist in diesem Zusammenhang darauf
hin, daß gerade am Stammesland der Askanier sich eine Lauenburg findet bei
Stecklenburg am Harze, ebenso in der Heimat des Grafen Adolf von Ratzeburg ein
Ort Lauenburg mit einer Burgruine darüber.
Auch die Flurnamenforschung hat sich mit der Deutung der Gruppe 'Lauen, Lee u.
ä.' befaßt. Neuerdings hat Wild 13) Flurnamen in Zusammensetzungen
mit Lau, Lee, Leu aus Pommern behandelt. Aus seiner Arbeit geht uns folgendes
an. Von 17 untersuchten Fluren sind 13 feucht und
sumpfig, 9 gehören zu einem Wasserlauf, 8 zeigen
Bewaldung an. Bei der Prüfung der überlieferten Namensformen aus früherer Zeit
wird nachgewiesen, daß LEU = LEE SEIN KANN UND DASZ LEE NUR ALS BESTIMMUNGSWORT
VORKOMMT. Es wird herangezogen, daß lô, léu, lëuland niederdeutsch-westfälisch
Moorland, Sumpf bedeutet (nach Jellinghaus).
Eine Lewenlandschaft ist eine Niederungslandschaft, ein Becken.
Diese Untersuchungen können uns in unserer Auffassung stützen.
Auch wir sehen Lewen als Bestimmungswort in Flurnamen an. Wir haben aber den
Sinn des Bestimmungswortes in der Schilderung einer entsprechenden
Landschaftsform zu erfassen gesucht, in der die einzelnen dazugehörigen Fluren
durch das Wort Lewen ausgezeichnet werden, einerlei, ob Berg oder Wald oder
Bruch oder Gewässer. Wir sprechen von einer Lewenlandschaft.
Als ursprüngliche Wortbedeutung von LEWEN finden wir 'Becken, Schale' in dem
mnd. LOUWEN, LOWEN, LEWEN, altfr. LEVIN, LIOVEN" 14). Wir sehen
unsere Landschaftsform als eine BECKENLANDSCHAFT an, ganz ähnlich wie der
moderne Erdkundler größere Räume als Becken benennt.
Zum Becken gehört sowohl die Niederung wie der erhöhte Rand. Gehört zur
Niederung Wiese, Bruch, Sumpf, Auenwald oder Strom, so stellen Berg und Wald den
Rand dar. Das feine Gefühl des mit der Natur verbundenen Menschen hat diese
niederdeutsche Landschaftsform als ein Ganzes erfaßt und mit dem einprägsamen
Beiwort die
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13) Teuthonista. Zschr. f. deutsche Dialektforschung. Jahrgang
X, Heft 4. Unter den behandelten Flurnamen aus Pommern
finden sich: Lawenburch (1570), Lauin, Lauensiep (1748),
die Lau (1840), Lauerberg, Lauenbrügge, Leu-Wisch (1693)
- Lehwiese (1818 und mundartlich); Im Leu (1696);
Leuenberg (1819) hieß 1695 Lyenborg, Lüenberg;
Lehbäk, Lehwisch (1810).
14) Mittelniederdeutsches Wörterbuch. Lübben. S. 732
LOUWEN (LOWEN, LEWEN), LOVENBECKEN Becken, Schale, missinges LOUWEN.
S. 737 LOVENBECKEN, LÔFBECKEN, altfr. LEVIN, LIOVEN. EN LOUEN
DECKEN, IN EEN LEWYN. Im afr. Recht war das Würfelspiel verboten bis auf den
Neujahrs- und Dreikönigsabend, wo man in VROELICHEYDEN YN GHESTERYEN YN ENEN
LOEUENBECKEN MYT TWEEN DOBBEL STENEN würfeln konnte. - Das Geld sollte
vollwichtig sein, daß es in einem LOUEN BECKEN klinge durch ein Haus.
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Fluren dieses Raumes gekennzeichnet. Erd-leben ist Er-leben. Die
schweren Züge des geschilderten Raumes stehen in inniger Wechselbeziehung zu
herben Zügen im Seelenleben des Niederdeutschen.
Von solcher Art ist also unsere Landschaft bei Lauenburg. DIE BURG ÜBER DEM
LEWEN, ALS HERRSCHERIN IN DIESEM BEREICH, MOCHTE SICH WOHL DANACH BENENNEN.
Der Name Lauenburg weckt mit seinem Klange das Bild der weiträumigen Landschaft,
die hinter ihrem jetzigen kulturellen Anblick noch den naturhaften Lewen
erkennen läßt. Wir möchten diese Landschaft in dem reichen Formenschatz unserer
Heimat nicht missen.
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