Als der Verein für Lübeckische Geschichte und
Altertumskunde 1890 die Verhältnisse der Bauernhäuser in seinen
Gebieten ermitteln ließ, ward nebenher auch das lauenburgische
HORNBEK besucht. In der Veröffentlichung der Ergebnisse durch
LENZ 1894 1) wurde über das Wenksche Haus (Baarshuis) in Hornbek
folgende Merkwürdigkeit mitgeteilt: "Am Ende der großen Diele)
liegt in der Mitte ein Herd, hinter demselben die 1734
eingebaute Stube mit Alkoven. Bis dahin versammelten sich nach
den Mitteilungen des jetzigen Bewohners die Insassen, im Winter
in Schafpelze gehüllt, zu den Mahlzeiten und am Abend UNTER DEM
KREUZBAUM um den allseitig freistehenden Herd. Der Kreuzbaum
selbst steht zur Zeit noch; seine Arme, welche den Kesselbaum
tragen, sind erst ganz kürzlich abgesägt worden. Am
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1) Zeitschr. d. Vereins f. Lüb. Gesch. u.
Altertumskunde, Bd. VII 1894.
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Stubenende ist auch jetzt noch eine große Tür
vorhanden und in Benutzung. Die gepflasterten Ausgänge vom Herd
auf dem Flett nach den Seitentüren (Bilangdören) werden ,groot
und lütt Höör' genannt."
Die größte Aufmerksamkeit wandte
demselben Hause KARL RHAMM zu, als er urzeitliche Bauernhöfe
untersuchte 2). Den KREUZBAUM SAH ER ALS EINE RÄTSELHAFTE
ERSCHEINUNG INNERHALB DES ALTSÄCHISCHEN HAUSES AN, die sich
unmittelbar gegen die hergebrachte Vorstellung von dem Flett als
einer bloßen Verlängerung der Diele richte. Diese einzige
Hochsäule im Flett verleihe dem alten Wohnraum das letzte Siegel
seiner Ursprünglichkeit und seiner Selbständigkeit, da eine
solche Mittelsäule dem Sparrendach gänzlich fremd sei.
Rhamm fand seine Vorstellungen verlockend. Er ging der
Verbreitung des Kreuzbaums weiter nach, stellte sein Vorkommen
in der Gegend von Lüneburg, Bardowiek, Soltau, Buchholz
(Hannover) fest, ermittelte in Lauenburg aber nur noch einen
Baum in BASEDOW, der im Hause Schröder stand - allerdings nicht
mehr in der Mittellinie, sondern nahe dem Luchtbalken beim Herd
im Küchenflett. Er wies noch auf den Kreuzbaum im Ostenfelder
Bauernhaus hin und stellte es als möglich dar, daß der Kreuzbaum
ÜBER GANZ HOLSTEIN HINWEG BIS LAUENBURG vorgekommen sei. Daß der
Kreuzbanm auch in den Vierlanden zu Hause ist, muß ihm entgangen
sein, obwohl er nach dort einen Schriftwechsel über die
Bedeutung des 'Diggen' führte. Doch hat er mit Eifer gesucht, DA
ER GLAUBTE, DASZ SEINE ERMITTELUNGEN WOHL DAS LETZTE SEIN
WÜRDEN, WAS ÜBER DEN GEGENSTAND IN ERFAHRUNG GEBRACHT WERDEN
KÖNNTE.
Dabei entging ihm ein sehr schöner
Kreuzbaum, der noch 1912 auf früher lauenburgischem Gebiet,
nämlich in ARTLENBURG stand und von SCHLÖBCKE nachgewiesen wurde
3). Unsere Abbildung zeigt, daß aus dem Kreuzbaum die
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2) Rhamm, Ethnogr. Beiträge z.
germ.-slawischen Altertumskunde, II. Abt.: Urzeitliche
Bauernhöfe in germ.-slawischem Waldgebiet. Brschwg. 08. S.
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f., 230 ff., 958 f. Dort sind die Eigenarten des Wenkschen
Hauses, auch in Zeichnungen, mit nachgehendem Interesse
dargestellt. 3) Lüneburger Heimatbuch, Bremen
1927. Bd. I. S.
45. Nachdruck der Abbildung ist uns genehmigt.
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beiden Balken ruhen, die den Funkenfang, eine
Decke aus Eichendielen, tragen. Ein solches Rahmenwerk nannte
man Rahmen oder Rähmen, wie man den Baum auch als Rähmstütt
bezeichnet. Diesen zunächst in die Augen fallenden Zweck des
Kreuzbaums konnte Rhamm nicht eindeutig feststellen, da der
Rahmen im Lauenburgischen nach seiner Aussage nicht mehr
anzutreffen war 4).
Rhamm erkannte recht wohl, daß der
Kreuzbaum ursprünglich KEINEN KONSTRUKTIVEN ZWECK im Hausgerüst
gehabt habe. Umsomehr ging er einer etwaigen SYMBOLISCHEN
Bedeutung nach. Er weist auf die Hochsäule in hansischen
Kaufhäusern hin, erwähnt den Dorfkreuzbaum im hannöverschen
Wendland 5) und erzählt auch, daß der Vorsteher in Siebeneichen
den Baum mit der Verchristlichung in Beziehung zu sehen glaube.
Ihm selbst schwebte folgendes vor: Das altsächsische Haus habe
eine altehrwürdige Firstsäule gehabt, vielleicht mit
Sinnbildern, wie denn der Rahmen oft mit Pferdeköpfen geziert
war 6). Bei der Verchristlichung habe dann der Baum das
Kreuzholz erhalten und sei zum Kreuzbaum geworden. Doch wagte
Rhamm nicht, diese Gedanken zu Ende zu gehen; er deutete sie nur
an 7).
Nun hat kürzlich in dem amtlichen Organ des
Reichsbundes für Vorgeschichte MENNE HELMERS die Frage
behandelt: "DER KREUZBAUM IM NIEDERSÄCHSISCHEN BAUERNHAUS EIN
HEILIGER BAUM ODER EINE HEILIGE SÄULE? Er meint: "Wir dürfen
wohl in unserm Kreuzbaum, der von uns als verkümmerte Firstsäule
erkannt wurde, ein Abbild der alles tragenden Weltsäule oder des
Weltbaums sehen." Und er ist überzeugt, daß DER GLAUBE AN DIE
ALLES TRAGENDE KRAFT DER WELTSÄULE BIS IN UNSERE TAGE IM HAUSE
DER NIEDERSACHSEN SEINE WIRKUNG AUSÜBTE 8). Weltanschauliches
Suchen hat den Verfasser weite Perspektiven abschreiten lassen.
Doch auch, wer ihm gerne folgt, dem wird vieles fragenswürdig
und fragenswert bleiben. Was uns besonders angeht, ist die
Rolle, die das lauenburgische Material auch _______________
4) In den Häusern ohne Kreuzbaum wurden die Langhölzer des
Rahmens am Balken mit Riegeln aufgehängt. Aber selbst wenn ein
'Pfeiler' vorhanden war, kam diese Aufhängeweise vor. Dann ergab
sich eine Einrichtung wie in Ostenfeld, wo auch Pfeiler und
Rahmen getrennt sind. Der Rahmen wird auch in der LBG.
FEUERORDNUNG VON 1784 erwähnt. Sie verlangt, daß der Herd
überwölbt sei; oberhalb dieser Wölbung müsse der Boden gespuntet
und genutet ODER mit einem Rahmen versehen sein. (Vgl. zu obigem
die Verbreiterung der Hillen, wie sie w. u. beschrieben ist.)
5) "Im ganzen Drawehn werden überall zweene Bäume hoch und wert
gehalten ... doch hat den Preiß der CREUZBAUM." Er wird an
Mariä Himmelfahrt von allen Bauern gemeinsam gefällt, im DORF
AUFGERICHTET und oben mit einem Kreuz und einem Hahn darüber
versehen - angeblich zur Erinnerung an die Einführung des
Christentums. (Aus dem Jahre 1671 berichtet. Zschr. f. slaw.
Philol. Bd. XX. S. 113. Nach Zitat von Rhamm.)
6) Nach den
lauenburgischen Sagen ist der RAHMEN die Stätte, wohin der Wode
den Pferdcschinken zum Lohne wirft, und hinter dem KREUZBAUM
läßt er einen seiner Hunde zuruck, wenn er in den Zwölften durch
das Haus zieht. Die Sagen werden nördlich und südlich vom
Sachsenwald erzählt. 7) Unter den Forschern hat dann Prof.
LEHMANN in seinem schönen Buch Rhamm angeführt als den, der auf
das Flett und den Kreuzbaum hingcwicsen habe. Er bringt auch
Rhamms Grundriß des Hauses Wenk in Hornbek. (lDas Bauernhaus i.
Schlesw.-Holst. von Lehmann. Altona 1927.)
8) Germanen-Erbe
III, 2. S. 48 ff.
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in seiner Erörterung spielt. Angesichts der
Knappheit des Ableitungsstoffes ist es unsere Pflicht, zur
Unterstützung der Sache hier dasjenige zu veröffentlichen, was
sich in unserm Kreise noch ermitteln ließ.
WEITERE NACHFORSCHUNGEN IN LAUENBURG.
Es wurde bereits gesagt, daß die Sagen vom Woden
den Kreuzbaum und den Rahmen kennen. Darin erweist sich schon
die frühere Verbreitung des Kreuzbaums im Sachsenwaldgcbiet. Man
findet denn auch den Baum noch genügend in der Erinnerung der
Alten bezeugt, was im besondern in Basedow, Müssen, Brunstorf
und Dassendorf festgestellt wurde 9). Gelegentlich einer
Besprechung über den Gegenstand machte mich Herr Lehrer
Einfeldt-Dassendorf darauf aufmerksam, daß ein solcher Pfeiler
noch in dem alten Hause der Gebertschen Stelle sich finde.
Dieser Mitteilung ist es zu danken, daß wir das Beispiel hier
etwas genauer erörtern können.
Lammersbuer in Dassendorf.
Der Gebcrtsche Besitz war ursprünglich eine Katenstelle. Der
alte Stellenname ist Lammers; vermutlich war Lambert Burmester
Zeichnung Kreisbaumeister
Ricmann-Ratzeburg.
(1689) der Erbauer des noch stehenden Gebäudes.
Bei der Verkoppelung wurde die Stelle fast verdoppelt. Aus jener
Zeit stammt viel-
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9) In DASSENDORF
sind mehrere Beispiele sicher bezeugt, ebenso in BRUNSTORF,
wo mir versichert wurde, daß alle größeren Bauernhäuser einen
Pfeiler haben. In MÜSSEN ist der letzte Pfeiler vor wenigen
Jahren niedergelegt worden. In BASEDOW hatte der Erbhof Basedow
einen Krenzbaum (niedergelegt 1864) in einem
Durchfahrtsdielenhaus. Im Sachsenwaldgebiet sagt man meistens
'Pfeiler'. Wenn man bei den Festen auf der großen Diele sehr
lustig wurde, dann ging es 'LINKS ÜM DEN PIELER'. Dieser sehr
bekannte Ausdruck wurde allgemein gebraucht, auch auf den
Gütern. Wollte man beim Erntefest tanzen (auf dem Boden der
Kornscheune mit den Pfeilern in der Mittellinie), so hieß es
morgens schon: "Hüüt Avend geet dat över links üm den Pieler!"
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leicht der Ausbau des Wohnendes, das
inzwischen massiv erneuert wurde, jedoch nicht mehr als Wohnung
dient. Gegen dieses Wohnende setzt sich das alte Haus mit seinem
schweren Eichengebälk deutlich ab. Die Höftplat über den
Ständern auf jeder Seite der Diele ist ein Baum von 14 m Länge
bei einem Querschnitt von 30:30 bis
20:20 cm. Die Kopfbänder
haben die Stärke 30:16. Baumlange und -breite Eichendielen
liegen über den Balken. Sparren und Stormswepen sind roh
behauene Eichenhester, die noch z. T. in der Borke stecken; das
Lattenwerk ist mit eichen Wäden aufgewrödelt. Die Diele hat die
sehr stattliche Breite von 6,90 m. An der linken Seite ist die
Hill verbreitert, indem man eine Art Vorboden über einem
Längsbaum gebildet hat, der in zwei naturgewachsenen Astgabeln
als Riegeln an den Balken hängt. Solche verbreiterten Hillen gab
es auch in den Gebäuden der Vollhufen; sie führen sich wohl auf
die Zeit der Verkoppelung zurück, wo man mehr Raum für die
vergrößerte Kornernte und Heuwindung schaffen mußte. Die ganze
Einrichtung ist der Aufhängung des Rähmen über der Feuerstätte
nachgebildet; sie fand sich meist auf beiden Seiten der Diele.
(Man vergl. unsere Abbildungen!)
Das jetzt verbaute Flett
öffnete sich früher auf jeder Seite mit einer Tür. Genau in der
Mitte der Flettgrenze steht die 'Rahmstütt', wie sie im Hause
genannt wird, oder der Pfeiler. Er ist unten in einen kurzen
Querbaum eingelassen, der wieder auf einem großen Felsstein
ruht. Früher ging dieses untere Querstück als Baumkante über die
ganze Diele und schied sie von dem etwas erhöhten Flett. An den
Löchern im Balken oben und der Kcrbrinne unten im Querstück ist
deutlich erkennbar, daß früher einmal das Flett durch
herausnehmbare Gitterstangen von der großen Diele abgeschert
war. Ein solches Gittcrwerk nebst verbreiterten Hillen
mitsamt dem Rahmen bezeugt auch der alte Landmann Haack in D.
für sein früheres Haus. Weiter lassen Zapfenlöcher in dem
Pfeiler und in den beiden Höftständern zu seiner Seite
schließen, daß früher ein Repel in Mannshöhe über die Diele
ging, der entweder die Gitterwand stützte oder die verbreiterten
Hillen. Man könnte daher annehmen, daß der Pfeiler als
Stütze dieser gesamten Ncbeneinrichtung gedient habe. Doch der
den Hausbewohnern geläufige Namen 'Rahmstütt' weist in seinem
landläufigen Sinn auf den ursprünglichen Zweck als Stütze des
Feuerrahmens über dem freien Herd hin. So glaubt es auch der
alte Haack für sein ehemaliges Stammhaus zu verstehen. Die
Verwendung zu den Nebenzwecken wird sich erst später entwickelt
haben, als schon der Rahmen wegen der Abwanderung des Herdes an
die Stubenwand wenig Bedeutung mehr hatte. Schließlich ist der
Pfeiler ganz überflüssig geworden, sodaß niemand sich mehr eines
Zweckes für ihn entsinnen konnte und er meistens weggenommen
wurde. Er verdankt seine Erhaltung in unserm besondcrn
Beispiel auch nur der Pietät des vorigen Besitzers, der, als
schon der Zimmermann mit der Axt an den Baum klopfte, erklärte,
er habe immer gestanden und solle auch stehen bleiben. Daß er
aber überall weggenommen werden konnte, tut dar, daß er einen
rein baulichen Zweck im Gesamtgerüst des Hauses nie gehabt hat.
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Nach alten Urkunden.
Sichere Auskunft über den Kreuzbaum habe ich auch aus der
Durchmusterung der Inventarien der alten Vorwerksgebäude
erhalten 10). Die letzteren glichen in ihrem ursprünglichen
Zustand ganz den großen Bauernhäusern. Das Ergebnis folgt
hierneben in einer Übersicht, doch füge ich die Schilderung
eines typischen Vorwerksgebäudes ein, um die Anschaulichkeit des
Zustandes und seine Begründung zu vermitteln. Ich wähle dazu ein
Vorwerk mittleren Umfangs von 1715.
(Schluß folgt.)
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Es wurden an Inventarien geprüft
(die Jahreszahl gibt das älteste Inventar) im Süden: 1)
Rothenbek 1641, 2) Aumühle 1644,
3) Grünhof 1690, 4) Fahrendorf
1644, 5) Schwarzenbek 1650,
6) Lauenburg 1699, 7) Juliusburg
1705, 8) Franzhagen 1729,
9) Mariental 1699. 10) Reitscheun
1705; im Norden: 11) Borstorf 1608,
12) Anker 1690 13)
Marienwohlde 1699, 14) Neuvorwerk und Farchau
1748, 15)
Woltersdorf 1750, 10) Kittlitz
1698, 17) Salem 1698, 18)
Hollenbek 1689, 19) Mustin 1649
20) Klempau, [Jahreszahl fehlt!]
21) Behlendorf 1591, 22) Ritzerau 1572. Nr.
1-20 finden sich
im Lbg. Landesarchiv, Nr. 21 und 22 im Lübecker Staatsarchiv.
Die ältesten Inventare hat das Kieler Staatsarchiv.
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