Ein Gotteswetter vernichtete 1681 das Vorwerksgebäude in
Rothenbek. An seiner Stelle erbaute man ein neues Haus in
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Fach Länge, mit Stroh gedeckt. Die Giebel wurden mit Steinen
ausgemauert, die Traufseiten im oberen Gefach nur
geschächtet und geklebt. Die große Tür lag zu Ost, dem Winde
abgekehrt; das Wohnende war nach Westen gerichtet. - Die
beiden Wohnstuben und die Zwischenkammer zeigten eine
anspruchslose Wohlhabenheit. Die Fußböden waren mit roten
Floren auszelegt, die Decken mit Eichenbrettern
überschlossen, die eichenen Bänke fest eingebaut. Das
Dannenblatt des Tisches ruhte auf einem Eichenfuß. Ein
Bierschapp war in der Zwischenkammer von der Wand
abgeschert. Die dunkelbraunen Kachelöfen wurden durch
Feuerdiggen vom Flett her beheizt. Vor den Fenstern der
Stuben gab es keine lichthemmenden Vorhänge; sie konnten
abends von außen durch Läden geschlossen werden. Von den
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Glastafeln ließen sich einige aufschlagen, was dem Bedürfnis
nach frischer Luft genügte. Das von außen hereinschimmernde
Grün, das Rot der Floren, das Weiß der getünchten Wände, das
vieltöonige [sic!] Braun auf den belichteten Möbeln, der
dunklen Decke und den schwärzlich glänzenden Kacheln, das
alles einte sich zu einem satten Farbenklang. der festlich
zu stimmen vermochte, wenn man vom dunklen Flett her
eintrat. - Als Flett bezeichnete man die mit Feldsteinen
gepflasterte Querdiele zwischen dem Wohnende und der großen
Diele. Gegen diese war es durch eine niedrige, geklebte Wand
abgeschert, die oben durch ein Gitterwerk ergänzt war.
Mitten auf dem Flett stand der alte Herd, von Fels- und
Mauersteinen aufgerichtet. Die Flammen umloderten den
Kessel, der am Kesselhaken unter dem Rahmen hing. Die beiden
Rahmenbalken, die 'einem Gewölbe gleich' mit Mauersteinen
überlegt waren, ruhten auf den Armen des Kreuzbaums. Der
Feuerboden darüber bestand in 3 Fach aus Eichendielen, deren
Nuten keinen Funken durchließen. Dicht beim Herd stand eine
Digge, von der aus eine der Stuben beheizt werden konnte.
Die zweite Digge lag weiter südlich im Flett. Die Luchten
der Fletts öffneten sich durch quergeteilte Siedeldören nach
außen; das Licht trat auf jeder Seite durch zwei Fenster ein
mit je 10 Scheiben, alle aus Glas, keine Holzluke mehr
darunter. Bänke und Tisch in der einen Lucht sahen das Haus
bei den täglichen Mahlzeiten vereint. Die stattlichen Brote
lagen oben auf der Drage mit 6 Schörten. Vom Flett konnte
man in die Stuben und Kammern gehen oder in den Keller mit
seinen kühlen Felssteinwänden hinabsteigen und konnte man
auch auf einer Eichentreppe hinter einer verschließbaren Tür
zu den beiden Böden hinaufsteigen, wo Korn und Schätze
geborgen lagen, feuersicher vom Viehende abgeschart. - Das
alte, abgebrannte Haus hatte fast dieselbe Raumeinteilung
gehabt. Herd und Schwibbogen werden schon 1644 im Flett
ausgezählt. Herd- und Heizfeuer waren demnach bereits
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getrennt. Vom Rahmen heißt es 1650, daß er neu gemacht
werden müsse. Auch der Kreuzbaum muß in jener Zeit schon
gestanden haben und nach dem Brande abermals verwandt
worden sein. Es könnte sonst nicht 1705 heißen, der
Feuerrahmen sei gut, aber der Ständer müsse neu gesetzt
werden. 1717 wurde im Flett ein Windfang neu eingebaut.
Um den Herd, die Digge und den Kreuzbaum errichtete man
auf 4 Fach Seitenlänge im Quadrat ein Geländer aus
Tannenbrettern, das oben durch ein Gitterwerk
abgeschlossen war. Eine Tür in dem Geländer gab Zutritt
zu diesem Bereich der Frauenarbeit. - Außerhalb des
stattlichen Vorwerks, das mit seinen Nebengebäuden
innerhalb eines Hackelwerks lag, fand sich die
Schäferei, die einige Jahre vorher von den Dänen
geplündert worden war. Der Schäferkaten war ebenfalls
ein Flettdielenhaus. ,Der Feuerdiggen über dem Feuerherd
(war) von Mauersteinen aufgeführt, und vor selbem Herd
[Vorwerk Rothenbek um 1720 /
Vorwerk Mustin um 1750]
Rothenbek:
Entwurf des Verf. nach dem Inventar. MUSTIN,
zusammengefaßt aus 2 erhaltenen Zeichnungen; die erste
zeigt die Gitterküche (gestrichelt) wie in Rothenbek;
die zweite zeigt nur den Kreuzbaum (K), da die Küche
beseitigt war. Die übrigen Umgestaltungen des Wohnendes
hängen damit zusammen, daß nach Herstellung eines
Pächterhauses das alte Haus nur noch als Gesindewohnung
diente.
Ausführung der Zeichnung: Baumeister
Niemann.
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die Hausdiele auf ein ganz Fach mit Feldsteinen
übersetzet, worüber auch ein Feuerrahmen'. Der Diggen
stand an der Stubenwand, und von ihm her ward die
ärmliche Stube beheizt, deren 'Boden' aus Buchen"
[sic!] sehr
wurmstichig war und nächstens gegen einen Tannenboden
ausgewechselt werden sollte 11). Die Herdstätte.
Wichtig für unsere Untersuchung ist nun die Entwicklung
der Herdstätte. In den VorwerksKATEN, in den
Schäfer-, Vogts- und Backhauswohnungen, in den Katen im
Weinberg (Lauenburg) und im Tiergarten (Juliusburg)
findet sich auf dem Flett der Herd. Über ihm hängt der
Rahmen (Rähm, Rämmels), und zugleich ist der Feuerboden
mitten über dem Flett mit Eichendielen überschossen,
während die Luchtböden nur mit Buchenschleten überlegt
sind. Der Herd erhält _______________
11)
Allgemeines über die Vorwerksgebäude.
Nach der Schilderung von Rothenbek mögen noch einige
Ergebnisse von allgemeiner Bedeutung aus den Inventarien
hier mitgeteilt sein. Bei allen Vorwerken handelt
es sich um Flettdielenhäuser. FLETT wird die ganze
Querdiele genannt; die Seitenarme heißen wohl auch
LUCHTEN (Auslucht, Fensterlucht), selbst das ganze Flett
findet sich als Lucht bezeichnet (Borstorf). Man
schreibt: Fledt, Fleht, Fleth, Fleeth, was auf die
verschiedene Sprechweise schließen läßt. Eine ABSCHERUNG
gegen die Viehdiele ist schon überall eingetreten. Das
Flett öffnet sich nach beiden Seiten in quergeteilte
SIEDELDÖREN. Die Belichtung geschieht durch Glasfenster,
aber auch noch durch 'HÖLZERNE FENSTER' zum Aufschieben
oder Aufklappen. Die Fenster der Wohnstube finden sich
an einigen Orten (Mustin, Borstorf) mit dem herzoglichen
Wappen geziert. Die Ausstattung mit Tischen und
Bänken (festen Bänken, REGEBENCKEN) ist überall ähnlich.
Man findet 'SCHLAAPBENCKE', KUTZEN ( 1591), Kueßbetten,
Schappbedden und Bettsteden. Einmal heißt die
Schlafstelle Coy. Die Raumeinteilung ähnelt einander
überall. Die Entwicklung der Stubenfußböden vom
Lehmbeschlag über die Pflasterung mit Kleinsteinen und
weiter über die Auslegung mit roten Fliesen hin zur
Bedielung mit Tannenbrettern ist deutlich. Der Fußboden
heißt Flor, und danach werden die roten Fliesen Floren
genannt. Im Norden sagt man auch AHLSTRACKEN, wie die
Vierländer Astern sagten (Estrich < ahd. astrich < lat.
aster - Stern). Der Boden über den Stuben findet sich
als 'Traunboden', 'TRUMPENBÖHN' bezeichnet (Franzhagen).
Es ist der heutige Trumpfenböhn. (Trumpen, Trumben,
Trumm = Gerüst des Hauses? [vgl. Trümmer.]) Bei der
Erneuerung der Gebäude wird aus dem Boden der SAAL mit
Kamin; es erscheint so eine Übergangsform zu einem
Herrenhaus. Die Stubendecken sind oft noch GEDÖNCHT, was
wohl auf Wellerwerk deutet. In der Zwischenkammer des
Wohnendes trifft man das BEERSCHAPP mit Falltür, das im
Norden des Kreises schon vor 1600 SCHENKSCHIEWE heißt
wie in den reicheren Vierlanden, wo es später zu den
Prunkstücken gehörte, während in Lauenburg alles für
einfachste Ausführung zeugt. Auf der Viehdiele ist die
zweite Ausfahrtstür bemerkenswert; sie ist typisch und
mag noch auf die ehemalige Durchfahrtsform des Hauses
zurückgehen. Die Abseiten heißen auch 'ANKÖBBELS', die
Futterständer 'SCHÜTTELSZE'. Als Zäune findet man die
großen HACKELWERKE, von Toren unterbrochen; die
Zwischenzäune sind 'Waßenzäune' oder Feldzäune; in
Aumühle ist 1641 der 'Mistfaldt mitt einem Kleinen
EDEZAUN, mitt Heide Überleget', umgeben (Ede = Torf?
Eedheidene = Torfwinkel?). An Schreibweisen sind
noch bemerkenswert: Röd (Reet), Schörwand (Scherwand),
Schwie(g)bogen, Zwiebogen (Herdgewölbe), Hengels und
Reffels (Hängehölzer auf dem Dach, dazu wohl 'Räpel' als
Teile der Kipplatte im First), beede (beide),
Beerschapp, Kierschen. Biernen, Disk (Tisch), Zedel
(Stuhl im Flett).
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weiterhin eine Brandmauer (AUF dem Herd, ÜBER dem Herd,
UM den Herd). Wird sie später als zu niedrig befunden,
so wird sie erhöht, und schließlich wird der Herd mit
dem Schwiebogen gänzlich überwölbt. Diese Brandmauer
heißt in den Inventarien der DIGGEN (ÜBER oder AUF dem
Herd). Der Ausdruck 'Diggen' überträgt sich dann auf den
ganzen Herd. Der Diggen kann also frei auf dem Flett
stehen; er bekommt aber in der Folge seinen Platz an der
Stubenwand und dient nun auch zur Beheizung der Stube.
Herd- und Heizfeuer sind dabei eins. Der Rahmen bleibt
zunächst an seiner alten Stelle, um später nachzurücken
oder zu verschwinden. Sein Verbleiben verdankt er wohl
zumeist seinem Wert als trockene und sichere
Aufbewahrungsstätte. Der Diggen oder DINGEN ist der
Schwibbogenherd. NUR IM SÜDEN DES KREISES SAGTE MAN
DINGEN (wie auch in den Vierlanden und südlich der
Elbe); im Norden sprach man immer nur vom Schwibbogen. -
Der DINGEN bezeichnet aber auch das Wohngebäude, im
besondern das Wohnende. "In Dingen hööbt's al tauslaten"
(= schon abgeschlossen). "Bi'n Gewidder blift man am
besten in Dingen." "Wü hööbt dat Hö (Heu) al in Dingen."
"Wöt ji mal in Dingen bliben!" (Zuruf an die Kinder.)
"Dingdör" = Seitentür. IN DIESER BEDEUTUNG GILT 'DINGEN'
IM GANZEN KREISE. - Im Süden hat das Wort demnach eine
doppelte Bedeutung. [Das Wort HUUS (Huis) umfaßt
eigentlich die Hofstelle (das Erbe) samt dem Volk (Wirt
und Gesinde). (Vgl. 'Alte Höfenamen in Lauenburg'. Lbg.
Heimat 1935, 1 ff.) Es lag also nahe, dort wo man diesen
Wortgebrauch hatte, für das eigentliche Wohnhaus den
besondern Ausdruck 'DINGEN' zu gebrauchen. Als über dem
Herd die Schutzwände entstanden, die wie ein kleines
Haus aussahen - eine hochdeutsche Urkunde aus dem 30
jährigen Krieg spricht vom 'BRANDHAUS' -, da ist
vielleicht der Ausdruck Dingen auf den Herd
übergegangen. Doch kann dies vorläufig nur als Vermutung
ausgesprochen werden.)
In den GROSSZEN HÄUSERN
ist die Entwicklung etwas anders. Man beläßt den großen
Herd an seinem alten Platz mitten im Flett. Man baut
daneben in der Stubenwand, vielleicht auch noch an der
Kammerwand, eine oder mehrere Diggen zur Beheizung der
Räume. Herd- und Heizfeuer sind also getrennt. Der Herd
selbst ist zunächst etwas durch die Abscherung nach der
großen Diele geschützt. Bald aber bekommt er eine
besondere Abscherung, einen Windfang aus einer
brusthohen Bretterwand mit Gitterwerk darüber. So
entsteht eine Art Küche. Indem man später in einem
Flettarm einen großen Schwibbogen errichtet und diesen
Arm auch durch ein Gitter oder eine Wand abschränkt,
gewinnt man die eigentliche Küche 12). Damit verbindet
sich oft die Errichtung eines besondern Schornsteins,
und ein so abgeleiteter Schwiebogen findet sich als
Kamin bezeichnet. An der alten Stätte bleibt der
verfallende Herd manchmal noch lange. Länger noch halten
sich Rahmen und Kreuzbaum an ihrem Ort. Der Kreuzbaum
findet sich aber auch seitwärts zur Küche versetzt
(Basedow); einmal sogar, und das in Grünhof, kehrt seine
Gestalt als 'eiserner Baum' mit 'eisernem Querbaum und
Kesselhaken' auf dem Küchenherd wieder.
______________
12) Solche Abgitterungen des
Küchenarms habe ich noch vor einigen Jahren in einer
Kate in Tramm gesehen.
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Ergebnis.
Der Kreuzbaum läßt sich, bei uns
mit urkundlicher Bestimmtheit seit
dem Beginn des 17. Jahrhunderts
nachweisen. Er kam im
Durchfahrtsdielen- und im
Flettdielenhaus vor, zumeist in
großen Häusern, doch auch in Katen.
Sein Zweck war die Stützung des
Rahmens. Mit der Wandlung der
Feuerstätte wandelte er sich selbst,
bis er - bedeutungslos geworden -
verschwand. Als Rahmenstütze mag er
zugleich den Flettbalken und damit
den schweren Kornboden getragen
haben. Eine eigentlich bauliche
Bedeutung, als Firstsäule etwa, kann
man aber für ihn nicht erweisen. Daß
er als Träger von Sinnbildern, von
Pferdeköpfen u. ä., diente, bleibt
eine Annahme, die denkbar, jedoch
nicht beweisbar ist. Schmuckformen,
die in diese Richtung deuten, sind
nicht bekannt.
Der Kreuzbaum
muß als besondere bauliche Eigenart
der Sadelbande gegenüber dem
Polabengau gelten 13). Da er sich
nicht in jedem Hause fand, stand er
dem Volksgemüt nicht so nahe als das
Herdfeuer selbst. Vielmehr war der
Dingen als die wärmende Mitte alles
häuslichen Lebens mit dem Hause
eins. 'Ik bliev in Dingen', das will
bedeuten: "Ich bleibe daheim; ich
lasse draußen geschehen, was will."
Es wird immer bezeichnend für das
Gemütsleben der alten Sachsenmark
sein, daß sie Haus und Herd in dem
Worte 'Dingen' ineins gesetzt hat.
*
Fragen wir nun noch einmal mit
dem Aufsatz der Reichszeitschrift:
"Ist der Kreuzbaum eine heilige
Säule?" Unsere Untersuchung wird
schwerlich den weiten Bogen stützen
können, den metaphysisches Bedürfnis
spannen möchte von diesem
Rahmenträger bis zum Weltbaum der
Urzeit. Wir können die Frage nicht
bejahen, und möchten sie nicht
verneinen. Sollten jemals genügend
Zwischenglieder gefunden werden, die
dartun, daß der Kreuzbaum ein
sichtbares Mahnmal jener Zeit
darstellt, als der Glaube an die
alles tragende Kraft der Weltsäule
unsere Urväter bewegte, dann wird
uns am ehesten die angeführte
Hornbeker Überlieferung einen Zugang
zu solcher Anschauung vermitteln
können. Wer unter dem Kreuzbaum
aufwuchs, wer dort an den langen
Winterabenden den Erzählungen,
sagenhaften Geschichten und Mären
aus dem Munde der Älteren lauschte,
träumend in die brennenden Törfe
sah, während die Funken rote Runen
zogen und die Schatten von Baum und
Rahmen riesengroß über die Wände
geisterten, dem mochte immer der
Kreuzbaum wie die Mitte seiner
geistigen Welt erscheinen, und sie
ist ja die wahre, die uns die rauhe
Welt der Wirklichkeit tragen hilft.
_______________
13) Die
einzige Ausnahme in Mustin läßt sich
wohl als Regelform der amtlichen
Bauleitung deuten.
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