"Der Glüsing - eine Heideblöße im Walde, zum Dorfe
Schnakenbek gehörig, unweit Lauenburg", so heißt es in einem
alten amtlichen
Bericht kurz und knapp. Einmal im Jahre jedoch, zum
Johannistag, wandelte sich die einsame Heide zauberisch zur
Stätte eines Allerweltsfestes. Hören wir einen Zeugen!
" -- Ich wollte die alte Heimat noch einmal aufsuchen. Wiege
oder Grab der Heimgegangenen, die Schauplätze vergangener
Tage voll bewegten Lebens. Können Sie mir nicht sagen, ob
noch ein GLÜSINGER MARKT bekannt ist? In meiner Jugend gab
es einen SONNTAG, an welchem die halbe Bevölkerung meiner
Vaterstadt Lüneburg frühmorgens, ehe die Heide von der Sonne
beschienen ward,
auf Leiterwagen ausrückte. Die Jungen gingen schon am Abend
vorher weg nach Artlenburg und am andern Tage über die Elbe
nach dem
Glüsinger Markt, mitten im Walde. Da waren eine Menge Buden
und Zelte, in denen verkauft, gespielt, getrunken und
getanzt wurde.
Da ging es lustig her und recht liederlich. In Lüneburg war
der Glüsinger Markt so volkstümlich, daß man den ganzen Tag
rufen hörte:
"WO WÜLLT JÜ HEN?" worauf dann die Wegziehenden lachend
erwiderten: "NA GLÜSINGEN! NA GLÜSINGEN!" Und spät abends:
"Wo kamt jü her?" das mit einem weinerlichen: "VON
GLÜSINGEN" beantwortet wurde. Ich bin mit dem Aufzeichnen
einiger Jugenderinnerungen beschäftigt - - -. Sie würden mir
eine Gefälligkeit erweisen, wenn Sie mir - - durch
Hinzufügung einiger Notizen zu Hilfe kommen möchten." 1)
Sehnsucht des Alters und der Ferne haben dem greisen
Lüneburger die Bilder der Jugend in vergüldendem Schimmer
wieder vor die Seele gerufen. Er sagt uns, welches Ansehen
der Glüsinger Markt um 1825 hatte und wie er
die Gemüter der unzähligen Gäste bewegte. Und Heutige noch
bezeugen den ehemaligen Ruf dieses Johannismarktes. Im Dorfe
Schnakenbek rührte man sich schon viele Tage vorher mit
Schlachten und Backen zum Empfang der Gäste. Die Bauern
rüsteten ihre Dielen zum Tanz; denn fast alle hatten
Schankgerechtigkeit im Markt. Im Glüsing selbst richtete man
sich dazu noch auf die herkömmlich geregelte Übernachtung
der Krämer und Händler ein. Überall wurden die Koppeln
abgedichtet, damit das aufgetriebene Vieh gepflegt und
nachts gehütet werden konnte. Der Haupttag war der Dienstag.
Alle Bauern hatten dann Gäste; von weit und breit kamen die
Verwandten und Freunde und füllten mit ihren Stuhlwagen die
Höfe. Vollauf hatten die Einheimischen mit der Bewirtung zu
tun und gingen erst am folgenden Tag auf den Markt. Nur die
Kinder, von Onkeln und Tanten reichlich mit
Jahrmarktgroschen versehen, dämpften ihre Marktlust mit
harmlosen Einkäufen, mit einer
_______________
1) Geschrieben von SCHIRGES, geb. 1811
in Lüneburg, Jurist, Mediziner, Philosoph, gest. 1879
in Mannheim. Sein Wunsch, die Heimat wiederzusehen, erfüllte
sich nicht; er starb kurz nach dem obigen Brief an seinen
Freund, den Dichter Zeise, in Aumühle. (Zeise, 'Aus meinem
Leben'. Altona 1888, S. 238.)
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1938/3 - 79 Fahrt auf dem Karussell oder
staunten all die Menschen an, die ihnen im festlichen
Gedränge und im Treiben der Marktfreiheit manchmal
wunderlich genug verwandelt vorkommen mochten. Besonders
zog es es sie zu den Vierländerinnen, die in farbiger
Tracht, mit der großen
Nesselschleife geschmückt, dort ausstanden. 'St. Viet,
is dei Eirdbeern jüm ehr Tiet', sagten die Vierländer
und kamen auf der Elbe mit ihren Erdbeeren und Kirschen,
die einen der Hauptgenüsse des Sommermarkts für die
unverdorbenen Zungen ausmachten. Die Spannung
auf den Markttag war so groß, daß schon am Sonntag und
Montag Vorfeiern in den Schenkzelten stattfanden, obwohl
eigentlicher Handel
an den Vortagen verboten war. Die schöne Sommerlust im
dämmergrüneu Walde, das von alters her übliche
Zusammentreffen zahlloser
Freundschaften mit den Freuden des Wiedererkennens, die
immer weiter sich spinnende Erinnerung an das fröhliche
Festtreiben bewahrte
dem Glüsinger Markt seinen Ruf vor andern, und erst die
neueste Zeit hat ihn ins Bedeutungslose sinken lassen.
Doch immer noch umschwebt ihn aller Zauber der Romantik,
umsomehr als die Nachrichten über das uralte Fest recht
unbestimmt geblieben sind. Nun findet sich im
Landesarchiv ein Aktenheft, das recht viel Licht in das
Dunkel der älteren Zeit trägt. Einige der Urkunden seien
hier zunächst wiedergegeben, und zwar in vollem
Wortlaut, um eine Unterlage für weiteres Studium an
ihnen zu ermöglichen.
Alte Urkunden.
A.
Zue wißen sey hiemit Jedermänniglich, daß Nachdehme
bey gehaltenem öffentlichem Uhralten Marckte im Glüsing
hieselbst, viele Jahre hero, ßo woll Zwischen Theilß
Hamburgern undt Bergedorffern /: welche mit allerhandt
victualien inß Marckt daselbst Zu Kommen, undt
dabey gewöhnliche Solennitäten, der Landes
Fürstl. hohen Obrigkeit, auß Krefftigen uhrsachen
abzustatten verpflichtet; :/ Als auch einigen
Lauwemburger Höckern, irrung undt Mißverstand gewesen,
undt Zwahr wegen der Stellen, So diese unter jenen im
Glüsinger Marckt eine Zeitlang mit unfug gehabt,
weßwegen die Hamburger undt Bergedorffer beym Fürstl:
Ambte sich beschweret, undt mit anzihung vieler
ümbständen instendigst gebethen, man wolte entweder
verabscheiden, daß die Laumburger Höcker, insonderheit
die Basedauwsche /: dehren Mutter Zwar alß eine
Hambürgerinne, unter ihnen, den gemelten Hambürgern
Höckern, mit wahren außgestanden, dieser Basedauwschen
aber, weylen Sie jetzo alhie Zur Lauwenburgk wohnete,
solches nicht verstattet werden könte, unter ihnen den
Hambürgern verbleibende, Zugleich wenn Sie die Ordnung
Treffen würde, den Crantz altem Herkommen nach mit
außführen, und nach dehme darauff gehaltenem Tantze, daß
Convivium gewöhnlichst halten, oder auch ihre
Stellen alleine betreten, undt den Hambürgern sambt
Bergedorffern Höckern erlaubet seyn möchte, bey ihrem
alten Herkommen in der Ordnung alleine, undt niemandt
frembdes in ihrer Reige geduldende, Zu verbleiben, in
Betracht Sie eine zimbliche schwere BÜRDE, für andern
mit DANTZEN undt sonsten der GÄSTEREY wegen über sich
ergehen laßen müsten, wiedrig, falß Sie bedencken haben
würden, hinfüro daß Glüsinger Marckt Zue beziehen, Undt
nun die Lauwenbürger Höcker hierauff Zugleich fürß
Fürstl: Ambt gefodert, welche dan sich sistiret,
und durch aus nicht
1938/3 - 79
1938/3 - 80 Zu geben
wollen, daß die Hambürger und Bergerdorffer beysammen
verbleiben solten, sondern Sie begehreten unter ihnen Zu
stehen, undt neben demselben ihre wahren Zue verkaufen,
wollen aber mit dem onere des Tantzes und
Gästerey sich nicht belegen laßen, Wan nuhr die Güte bey
den Parten über Zuversicht nichts verfangen mögen, alß
ist nachfolgender Bescheidt, jedoch auff Ihro Fürstl:
durchl. Unserß gnädigsten Herren, gnädige
ratification Zu Verhütung allerhandt unter den
Parten besorgenden ungelegenheidten publiceret
undt Ihnen ertheilet worden; daß die Hambürger ihre
Stellen, im Glüsinger Marckte beyeinander, in dem
gewöhnlichem altem Zustande behalten, undt der Jenige,
so die Stelle welche die Basedauwsche Zur Lauwemburgk in
streit Zue Ziehen vermeinet, einnehmen will, den andern
Hambürgern und Bergerdorffern gleich, den Crantz in der
Ordnung außführen, undt alle onera davon tragen
soll :/ die Lauwemburgischen Stellen aber anlangendt,
Können an den Örtern, all wo Sie von alterß gewesen,
undt bey ihren freyheiten verbleiben;
Nechst diesem haben mehr erwehnete Hambürger auch
Bergerdorffer Höckere Unß gebührl: Zu erkennen gegeben,
daß nicht alleine, wegen außführung des Crantzes, sondern
auch der Speisung undt anderen ceremonien halber,
eine Zimbliche Unordnung unter ihnen eine Zeithero
gewesen, derowegen solcher Irrsahl mit ihrer allerseits
einhelligen bewilligung, auff folgende gewiße maße für
dem Fürstl: Ambte alhie abgehandelt und verglichen
worden, undt ZWAHR ERSTLICH, SOVIEL DER CRANTZ UND DABEY GEHÖRIGE GÄSTEREY
ANLANGEN, SOLLEN FOLGENDE PERSOHNEN IN NACHGESETZTER ORDNUNG, GLEICH WIE SIE ANNO 1659
DEN ANFANG GEMACHET, VERBLEIBEN, JEDOCH MIT VORBEHALT,
WEN MEHR UND MEHR HÖCKERE DARZU KOMMEN, DASZ SOLCHE,
ODER EIN JEDER VON DENENSELBEN BEYM ANTRITT AUCH DEN
CRANTZ AUSFÜHREN UNDT DASZ CONVIVIUM HALTEN SOLL.
Alß
1938/3 - 80
1938/3 - 81 SO SOLL AUCH AUS EINEM JEDEN
GEZETTE, [sic!] ALLEMAHL JÄHRL: AUFF BEGEHREN EINE PERSOHN ZUM
DANTZE SICH OHNWEIGERLICH GESTELLEN; BELANGENDT FERNER
DIE SPEISUNG BEYM CONVIVIO
/: WELCHE GESTEREY, DAN ZU JEDER ZEIT AM SONTAGE, GEGEN
ABENDT, SO FORTH NACH VOLLFÜHRTEM DANTZE SOLL DEN ANFANG
GEWINNEN :/, SOLLEN NUHR NACH SPECIFICIRTE
8PEISEN INSZ KÜNFFTIGE, NEMBLICH
1. Gut Ochßenfleisch mit Pflaumen undt
Rosienen,
2. feinen Stockfisch mit guter Butter der
Notthurfft nach durchgekochet,
3. Butter undt Keese,
4. Eine gute Tonne Hambürger Bier, |
FOLGENDEN TAGES aber nicht mehr alß Kalte
Schale, wobey drey Hüte Zucker undt Ein Stübig
Frantzwein Zu verspeisen auffgetragen werden; wobey
verabredet, daß ein Jeder, so dieser freyen willigen
Begebung in allen Puncten nicht nachlebet,
allemahl so offt Er pecciren würde, dem Frl:
Ambte mit Fünff Rthlr. Straffe soll verfallen seyn; Zue
mehrer bekräftigung ist dieses dem Fürstl: Ambtß
Protocollo einverleibet undt den Parten unter des
Ambts Insigell undt Unser eigenhändig supscription
ertheilet worden, Datum Lauwenburgk den 21.
July Ao: 1663.
(L. S.)
Fürstl: Nieder Sächsische Beambte hieselbsten.
Die voranstehende Urkunde hatten die Höker in ihrer
Hand, als sie anno 1671 aufs neue im Amt
erschienen, um neue Bestätigung und neue Ergänzungen zu
bitten. Der Text dieser ersten Urkunde ist aus der
zweiter: entnommen und hier vorangestellt, um das
Verständnis der Zeitfolge zu erleichtern.
B.
Zue wißen sey hiemit, Daß am heute unten gesetztem
Dato für Unß itziger Zeit verordneten Beambten, im
Fürstl: Ambte alhie persöhnlich
erschienen, die gesambte, auff dem Glüsinger Marckt mit
fetten wahren außstehende Hamburgisch: und
Bergedorffische Höckere, producirendt einen
schrifftlichen fürm Fürstl: Ambte alhie in Anno
1663 den 21. July ihnen
ertheileten Abscheid, Verord: undt Vergleichung, wie es
mit ihnen, in einnehmung der Gezelten oder Stellen, wie
auch außrichtung deß gewöhnlichen Convivy, undt
Ihro Hochfdl: Unßerem Gnädigstem Fürsten undt Herren Zur
unterthänigsten Ehren verrichtenden Tantzeß. undt
dergleichen Solennitäten gehalten werden solte,
mit bitte, Wir wolten gemeldte solche ihre erlangete
Verordnung, von worten Zu worten lautendt wie folgedt:
[Hier folgt der Wortlaut der voranstehenden Urkunde vom
21. Juli 1663.]
Nicht alleine n... Vorhochermelten Ihro: Hochfdl: Unß
anvertrauweten Ambts halber, de novo confirmiren,
sondern auch, weil Sie für nötig befunden, ümb beßerer
Ord: Zier: und Vergleichung willen, Zwischen ihnen itzo
verhandenen Höckerer undt Ihrer successoren undt
damit nicht ein jeder, in dieser ihrer Zunfft, die ihnen
Jährl: ein Zimbliches Kostete, sich mit einmischen undt
Sie turbiren möchte, nachfolgende ihre, Unß
ÜBERREICHTE ERINNERUNGS PUNCTA;
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1938/3 - 82 1. Daß nemblich
Wan Künfftig ein mehrer, Er sey aus Hamburgk oder
Bergerdorff, auff dem Glüsinger Marckte mit fette wahren
würde
erscheinen, außerhalb der itzo verhandenen undt der
Lauwenburger, auff dem Marckt Kommen, undt daßselbe mit
halten wollen, alß dan verpflichtet seyn sollen, also
forth vor ausstehenden Marckte, halb der Landesfürstl:
obrigkeit, und halb der Zunfft Zu erlegen, undt Zu
entrichten Zwölff Reichsthlr:
2. Mit diesem expressen reservat,
wann einer von itzigen verhandenen Höckern mit Tode
abgehen undt dessen Eheliche Erben solches
Marckt weiter mit halten wollen, wie auch derer jenigen
Kinder, so die 12 Rthlr. werden erleget
haben, hie von befreyet, undt die 12
Rthlr. Zu geben nicht verbunden seyn;
3. WASZ DIE SOLENNITÄTEN ALSZ MAY
GRÄFEN "CRANTZ" TANTZ UND CONVIVIUM BELANGEDT,
SOLL BESTÄNDIG UND FEST-HÄLTIG (SEYN) IN SEINEN WÜRDEN,
NACH ALTEM GEBRAUCH VERBLEIBEN, UNDT KEINER DAVON
EXEMPT, EIN JEDER AUCH, ER SEY MANNES ODER WEIBES
PERSOHN ZU TANTZEN; UNDT AUSZERHALB LEIBES SCHWACHHEIT
KEINE ANDERE, DOCH AUFF SOLCHEM FALL EINE EHELICHE
UNBERÜCHTIGTE PERSOHN,
ZU SUBSTITUIREN BEMÄCHTIGTET SEYN;
4. Da auch einige verspühret werden solten, die
aus frevell hafften gemüthe, in Ein undt anderen der
angewandten Unkosten ihre gvotum Zu Zahlen sich
verweigern, und sonsten in der Zunfft, ihres freyen
willens, sowoll von Frauwen alß Mann, grobe scheldt
Worte gebrauchen würden, dieselbe ohne einige
exeption, Zue der Obrigkeit will Kührl: straffe
verfallen seyn, damit solches Marckt in gutem friede
vollführet werde; 5. Weylen Fünfftens,
auch wegen Enge des Raumes in den Steten ein großer
unterscheidt, ihrer weite halber, ein jeder doch den
andern
gleich seinen antheil der Unkosten Tragen muß, sollen
die Stellen in eine solche agvatität abgetheilet
werden, daß Keiner über den andern, deßweg. Zu Klagen,
Derselben Zu annectiren, damit ein Jeder, der
sich auff dem Glüsinger Marckte ihrer Handelung Zu
gebrauchen
willens, sich darnach Zu richten;
Undt weylen Wir dan ihr der gemelten Höcker erstes
petitum wegen Confirmation ihrer alten Ordnung
billig: diese ihre nachgesetzte erinnerung und
additionat Puncta Serenessimi ill. Hochfürstl:
durchl: nicht präjudicirlich, sondern vielmehr
dem Marckte, undt denen darauff verübenden Commercien Zuträglich, undt Zu mehrer Zier: undt
Ordnung derer darauff haltenden solennitäten
gerichtet befinden,
So haben vermöge Unß anvertrauweten Ambts, nicht alleine
Erstgesetzte hiebevorigerlangte Verordnung bester maßen
in allen ihren Clausulen undt Puncten nochmalen
confirmiret, sondern verordnen auch n.
Serenissimi Illustri-vorhochgemeldt, daß denen
nachgesetzten Fünff Additionat oder Erinnerungs
Puncten gleich den vorigen gäntzlich nachgelebet,
undt da Einer oder ander denselben also nicht nachleben
würde derselbe in willkührl: Fürstl- Ambtsstraffe
verfallen seyn solle;
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1938/3 - 83 In Uhrkundt deßen, ist dieses
mit den Frl: Ambts Siegull bekräftiget, auch ein gleich
lautendes dem Fürstl: Ambts Protocollo beigeleget
worden,
Geschehen Lauwenburgk d. 24. July
1671.
Unterschriften.
C.
DAS AMT LAUENBURG AN DIE HOCHF. BRAUNSCHW.-LÜNEBURG.
ZUR NIEDERSÄCHS. REGIERUNG UND KAMMER VERORDNETEN HERREN
ZU RATZEBURG:
Ewer Wohlgeborn Hochfdl. Gestreng, kan Hiermit unbericht
nicht laßen, wie daß Künftigen Sontag, alß heünt über
8 tag, so sein wirdt der 29.
dieses, der sogenande Glüßner Marckt unweith von hier,
einfallen thuet, an welchen vor diesem gebräuchlich
geweßen, daß GNÄDIGSTE HERRSCHAFT DIE AUSZN LAND HIER,
DAHIN KOMMENDEN VON ADEL, HOHN MINISTER, AUCH EINIGE
BEKANDTE FREMBTE CAVALIER, UND OFFICIER, ALLEMAHL
TRACTIREN LASZEN, DAHERO BEY EWER WOHLGEBORN, HOCHFDL.
GESTRG: UMB DERO HOHEN BEFEHL, OB ES BEY DEM UHRALTEN
GEBRAUCH, FERNERHIN ALSO BLEIBEN, ODER DASZ ES
AUFGEHOBEN WERDEN SOLLE, ICH MICH HIERDURCH ERKUNDIGEN
WOLLEN.
Wie hoch sich die Unkosten an vergangenen Jahr diesfalls
Belauffen, sende hierbey die Specification zu dero hohen
Beliebigen ersehung eingeschlossen mit über welches aber
unterweiln etwas münder auch wohl höher, nachdem die
Leüth geweßen, sich Betragen, inmaßen auch offtermahls
Fürstl: Personen, ia Wohl die Gnädigste Herrschaft
selbsten dahin Kommen sein, erwarte also hierauf Ewer
Wohlgeborn, Hoch Edl. und Gestreng hohen Willen und
Befehl womit dieselben Gottesgnädigen Schutz: mich aber
dero Beharrenden Wohlgewogenheiten gehorsamdl: empfehle
Lauenburg, den 22. Juni 1690.
*
Die Unkosten, die aus dem Glüsinger Markt "iedesmahl
durch die Gastierungen derer von Adel und der vornehmen
Personen" entstanden, beliefen sich bis auf 30
Reichstaler. DIE KAMMER ORDNETE UNTER DEM 24.
JUNI 1690 AN, DASZ DIE TRAKTIERUNG
FÜR
DIESMAL EINGESTELLT werde.
*
Der TATBESTAND DER URKUNDEN ist folgender: Schon
1663 gilt der Markt im Glüsing als uralt. Er
wird am Sonntag nach dem Johannistag mit
althergebrachten, würdevollen Solennitäten eröffnet. Ein
Kranz wird ausgerichtet, UNTER oder IN dem der
Maigräfentanz stattfindet. Ein Konvivium, eine
gemeinsame Tafel, schließt sich abends unmittelbar
daran. Am folgenden Tag wiederholt sich alles, nur das
Mahl ist einfacher. Diese Zeremonien fördern den
Marktverkehr; sie sind aber zugleich 'Zier und Ordnung'
des Marktes. Ihre Ausführung geschieht dem gnädigsten
Fürsten zu Ehren, dem sie pflichtmäßig AUS 'KRÄFTIGEN
URSACHEN' zu leisten sind.
Die Hamburger Hökerzunft.
Die Verpflichteten sind die Hamburger Höker; sie
bezeichnen sich selbst als eine Zunft. Von alters her
haben sie ihre festen Stellen auf
dem Markt und wollen keinen Fremden in ihren Reihen
dulden.
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1938/3 - 84 Andere, wie die Lauenburger,
wollen und mögen bei ihren Freiheiten verbleiben, sollen
dann aber auch ihre Plätze außerhalb der Reihe
behalten. Der Streit, der über den Vorrang der Hamburger
entstanden ist, wird vom Amt geregelt. Eine freie
Beliebung, in der die Ordnung
der Zunft und der Feierlichkeiten festgesetzt ist, wird
vom Amt anerkannt und niedergeschrieben. Damit ist eine
förmliche Zunftrolle entstanden.
Diese Rolle spricht von Hamburger und Bergedörfer
Hökern. Man möchte an Höker des Hamburger Landgebiets
denken, die im Glüsing
ihre Ware verhandelten und vielleicht nach altem Brauch
ihrer früheren Landesherrschaft durch ländliche
Maientänze in ihrer schmucken Tracht huldigten. Allein
die Vierländer Bauern und Kätner kannten bis zum Ende
des 17. Jahrhunderts keine Höker. Sie
hatten auch noch
keinerlei Tracht, wie sie sich später entwickelte und
dann sogar ihren Waren eine gewisse Gewähr für Güte und
Echtheit gab. Man hatte
damals auch noch keine besondere Vierländer Hökerware:
die Kleinerzeugnisse, die Obsternten wurden von sogen.
Koopschlägcrn in die
Stadt gebracht, und ihr berühmter Gartenbau mit den viel
begehrten Erdbeeren, Früchten und Blumen war um
1650 noch nicht entwickelt.
Auch in Bergedorf werden um 1570 noch
keine Höker benannt. Es handelt sich tatsächlich um die
Hamburger Höker, unter denen der eine oder der andere
vielleicht mit einem Bergedorfer eine Maskopey, eine
Handelsgemeinschaft bildete. Im folgenden werden die
Hamburger Höker nach ihrer ursprünglichen Hamburger
Zunftrolle dargestellt 2). Die Hamburger
,Haken' bildeten schon vor 1500 mit den
Fischweichern zusammen ein Amt, dessen Patron der
älteste Bürgermeister
der Stadt war. Sie waren mit ihren Plätzen hinter den
16 Bänken der Fischweicher auf dem Fischmarkt
und a. a. O. gewissermaßen belehnt. Ihre Gerechtsame
mußten sie durch eine bestimmte, als Grundzins
anzusehende Summe (10 oder 15
Mark) erwerben. Nur wer Bürger oder Bürgerin und von
gutem Rufe war, wer ehelich, deutsch (nicht wendisch)
und frei geboren war, konnte sich ins Amt einzeugen
lassen. Er mußte sich allezeit gegen das 'Amt und
mennigliken guedtlich undt unvorwietlich schicken und
ertögen', damit das Amt 'rühmlich' erhalten werde.
Andernfalls legte man ihm sein Amt und hieß ihn
einpacken (inflieen). Eine grundlegende Bestimmung
wollen wir wörtlich anhören:
"Ith hefft ock ein erbar rhatt belevet und
eindrechtichliken beschlaten, dat dar nemandt HÖKERIE in
disser gueden stadt anfangen schal, he si denne erst
BORGER undt hebbe DEN OLDERLUDEN der vischwekere achte
schillinge THO HARNSCHGELDE gegeven. - - Und solck
harnschgeldt schöllen ALLE, DE SO BOTTER, KESE, SPECK,
SCHMER, HERING, SCHULLEN, SEPEN UTHOCKEREN, tho gebende
vorplichtet sin.- - Effte sick jemandt hirjegen
modtwillig settede, und duth bavengeschreven
harnschgeldt nicht uthgeven wolde, so mach ehme de
deener sine NERINGE VORBEDEN und heten ene INFLIEN BI
SOSTIG MARCK LUBISCH und nicht ehr wedder uthflien, ehr
he der weddehevven willen gemaket hefft und dat he sin
harnschgeldt uthgegewen, WENTE VAN DUSSEM HARNSCHGELDE
MODT MAN HOLDEN ACHTE MAN HARNSCH THO DER STADT BESTE."
___________
2) Die Darstellung stützt sich auf die
einzelnen Urkunden in: Rüdiger, Die ältesten
Hamburgischen Zunftrollen 1874. Dazu:
Welter, Studien zur Gesch. des hamburgischen Zunftwesens
im Mittelalter. Diss. Berlin 1895.
Lappenberg. Archivalbericht üb. d Ursprg. u. das
Bestehen der Realgewerberechte in Hamburg. Hamburg
1861.
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1938/3 - 85
Im Glüsing.
Durchblick auf die Elbe.
Gemälde: Lehmann-Lamburg.
Photo: Hamann-Aumühle.
- - "Ock schal ein jeder werckmeister sin EGEN
HARNSCH UNDT RUSTUNG ahne datt ferdig hebben, dar he
unbeschimpet tho jeder tidt thon ehren medde bestaen
kan."
Die angeführte Stelle gibt uns einen Einblick in die
Kriegslast, die auf dem Handwerk lag. Jeder mußte seine
Rüstung haben; das
Harnischgeld wurde zur Unterhalturg von acht Mann
verwandt (nach 1499 waren es nur noch
vier). Diese schwere Kriegslast ist - bei der
Abhängigkeit vom Rate und bei der sozialen Ungleichheit
gegenüber dem Kaufmannsstand - eine der Ursachen für die
verschiedenen Aufstandsversuche der Zünfte gewesen. -
Uns bleibt zunächst zu würdigen, daß die Rüstung von
wuchtigem Ernst war (60 Mark Strafe!). Sie
setzte straffe Wehrübungen voraus. Die Wehrfähigkeit
wurde aufmarschmäßig vor den Toren der Stadt und in
Wettkämpfen geprüft.
Solche Erziehung zu Manneskraft und -ehre gab dem Bürger
das Bewußtsein seines Wertes in der Stadt, im Leben und
in der Welt überhaupt. Das erprobte sich, wenn der
Bürger draußen über See und Land 'op eghene eventure'
dahinfuhr; das bewährte sich ruhmreich
in den Gefahren und Nöten der Vaterstadt, und das erwies
sich auch daheim in manchem Schwertspiel und in lauter
Freude auf den ge-
1938/3 - 85
1938/3 - 86 nossenschaftlichen Gelagen
und Högen als überschäumendes Kraftgefühl. Man muß die
Hamburger Höker als vollgewichtige Bürger und Hanseaten
in ihren vollen Ehren sehen, wenn man ihre Stellung im
Glüsing verstehen will.
In den oben erörterten Urkunden A u.
B findet man die Elemente der Zunftrolle der
Hamburger Höker wieder. Wir sehen im Glüsing 16
Höker. Die Stellen sind ihnen seit alters zugesichert
und werden als erblich behandelt. Wie die Grundlehen
sich später überall in Eigentum
wandelten, so behaupteten die nachkommenden Geschlechter
der Höker auch im Glüsing, ihre Stellen seien erkauft.
Die Zunft im Glüsing
hielt auf ihr Ansehen sowohl hinsichtlich der Zeremonien
wie des sittlichen und geschäftlichen Gebarens. Das
starke Gemeinschaftsgefühl
drängte auf gleiche Rechte, aber auch auf gleichmäßige
Erfüllung der Pflichten. So mußte denn auch ein jeder -
er war Mann oder Weib - in Person tanzen.
Die Solennitäten.
Damit kommen wir zur anziehenden Mitte des festlichen
Treibens im Glüsing, zum MAIGRÄFENKRANZTAG. Der
besondere Name legt es nahe, an ländliche Frühlingsfeste
mit einem Maipaar zu denken, wie man sie in
holsteinischen Gebieten als Maigrev oder Maigrön
feierte; doch im Lauenburger Land weiß man von solchen
dörflichen Maigrafen nichts. Maigrafschaften gab es aber
auch im weiten Bereich der mittelalterlichen
Hansastädte. Die kaufmännischen Gilden und später auch
die Zünfte erwählten im Frühling in freiem Felde einen
Maigrafen, was mancherorts durch ein Waffenspiel
geschah. Der Erkorene wurde dann unter geziemenden Ehren
in ritterlichem Zuge festlich in die Stadt eingeführt.
Einen Höhepunkt der Maigrafschaft bildete es, wenn der
neue Herr seinem Gefolge auf der Gildestube einen
festlichen Schmaus gab. Im übrigen entwickelte sich das
Brauchtum des Maigrafenhofes überall in reizvollen
Unterschieden 3). Unser Glüsinger
Maigräfentanz könnte nun ein Überbleibsel eines solchen
Maigrafenfestes sein, das etwa die Gilden der Stadt
Lauenburg sich geschaffen hätten, wenn nicht eben die
Urkunden deutlich sagten, daß die Lauenburger nichts
damit zu tun hatten.
Die festlichen Zeremonien des uralten Marktes müssen
daher mit dem selbeigenen Festbrauchtum der Hamburger
Hökerzunft zusammenhängen. Maigrefenfeste oder Maihögen
waren im mittelalterlichen Hamburg wohlbekannt.
Einzelheiten über deren Verlauf sind aber nicht
überliefert. Man weiß jedoch, daß die städtischen
Spielleute bei dem Auszug der Genossenschaften
mitwirkten, und daher darf man sich den Maientanz als
eine Hauptfreude des Tages vorstellen. Solche Högen
feierte man in den ersten Tagen des Mai oder zu
Pfingsten. Manche Zünfte hielten erst im Mitsommer ihre
Höge ab, wenn die
_____________
2) [sic!]
Über das LÄNDLICHE Maigrafenfest findet man Nachrichten
in: Schütze, Holst. Idiotikon III,
72; Grimm, Deutsche Mythologie 1854
III, S. 657 ff., 737 ff.;
Mensing, Schl.-Holst, Wörterbuch III, Sp.
1574. Über die STÄDTISCHEN Feste
unterrichtet in allem einzelnen gut: Pabst, Der Maigraf
und seine Feste. Reval 1864.
1938/3 - 86
1938/3 - 87 ganze Stadt sich der
Sommerluft hingab. Über diese Johannishöge weiß man
Genaueres. Am Tage 'Johannis to lichten', d. h. des
'hellen, leuchtenden Johannes, da ward das Johannisseuer
angezündet, und Rat und Bürgerschaft bewegten sich im
'Stadttanz' reigend durch die Stadt, worauf ein Festmahl
auf dem Rathaus, dem Schafferhaus und auf den
Trinkstuben der Zünfte den Tag beschloß. FREUDENFEUER,
TANZ UND SCHMAUS BILDETEN DEN FESTLICHEN DREIKLANG DER
HÖGE 4). Wie stellen wir uns nun den
'STADTTANZ' vor? Ratsbeauftragte riefen die
Stadtbewohner zusammen. Die Stadtmusikanten, die den Zug
begleiten sollten, ließen ihr Spiel ertönen. Die
Vortänzer eröffneten darauf den Zug, indem sie den
Reigen vorsprangen. Ratspersonen und Bürger folgten Hand
in Hand mit ihren geschmückten Frauen. So reigtc man
fröhlich singend und lebhaft springend durch die Gassen.
Dabei steigerte sich die Ausgelassenheit der
Reigensprünge immer mehr, bis sich auch die urkräftigste
Lust im Taumel des übermütigen Tanzes erschöpfte. Es ist
fraglich, ob die Tänze auf den verschiedenen Högen viel
Unterschiedliches zeigten. Der Stadttanz zur Fastnacht
bot allerdings ein besonderes Bild in dem Auftreten der
vermummten, bunten Gruppen (Schodüvellopen) und in der
Vorführung der im Volk sehr beliebten Schwerttänze.
Welche Besonderheit aber den Maigräfentanz auszeichnete,
wie man insbesondere den Maigräfen erkor und
ausstattete, darüber ist nichts bekannt.
Das abschließende KONVIVIUM, das gemeinsame Mahl, war
der dritte Bestandteil des Festes, dessen Wichtigkeit
man schon aus der Ausführlichkeit der Bestimmungen
ersieht, mit denen die einzelnen Zunftrollen die
Ausrichtung umsorgten. So heißt es:
"Welcke meister von unserm ampte SUNTE JOHAN THO LICHTEN
THO SCHAFFENDE gekaren werdt, de schall den brödern
geven ein etenfath und darna spisen, grapenbrade, rieß,
braden, botter und kese, nicht mehr den veer richte.
Were jemandt, de vischwerck wolte spisen, dat schall he
rekenen vor ein richte 5)." |
Wenn solcherweise eine Zunft einmal beschlossen hatte,
daß sie alle Jahr 'des sondages nha Johannis tho
mithsommer eynen hoegenn
holdenn wollden', dann war es Aufgabe der Schaffer, für
das Fest zu sorgen. In mancher Zunft dauerte die Höge
2 Tage, und dabei
setzte man scharfe Brüchen fest, damit auch alle sich
beteiligten. Insbesondere machte man es den Frauen zur
Pflicht, zu erscheinen; denn
gegen Ende des Mittelalters begann das schöne
Geschlecht, sich mehr
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4) Über die Hamburger Verhältnisse
unterrichtet Finder, Hamburgisches Bürgertum in der
Vergangenheit. Hamburg 1930. Er stützt
sich wesentlich auf die 'Kämmereirechnungen der Stadt
Hamburg', herausgegeben von Karl Koppmann 1869
ff. Dazu vgl. Koppmann in Mitteilg. d. Vereins f. Hamb.
Gesch. 1878. I. S. 133.
Sunte Johannis to lichten. Die Kämmereirechnungen habe
ich durchgesehen. Was sich für Lauenburg Neues fand,
folgt weiter unten.
5) Das Beispiel ist der Rolle der
Luchtenmaker entnommen (Rüdiger a. a. O. 165).
,Grapenbrade' ist "gelinde und kurz abgekochtes
Ochsenfleisch mit gelben Wurzeln (i. ält. Zeit mit
Rosmarin u. Rosinen), ein kräftiges Gericht.
Ursprünglich ein Festessen." Man vgl. oben die Glüsinger
Speisenfolge: Gut Ochsenfleisch mit Pflaumen und
Rosinen.
1938/3 - 87
1938/3 - 88
und mehr von den Springtänzen
zurückzuziehen. Man ahmte darin den höhern Schichten
nach, die in geschlossenen Räumen Tänze von
ruhigerer, gemessener Art pflegten. Zumeist dehnten sich
solche Vergnügungen bis in die späten Abendstunden aus,
weswegen ihre Gegner
sie als 'Nachttänze' verächtlich zu machen suchten. Die
Entwicklung hat allmählich zum Verschwinden der alten
Reigentänze geführt.
Dennoch muß man zugeben, daß die Reigen mit ihren
wechselnden Bildern und ihrem Jubel die hohe Zierde
eines Festes sein konnten,
ja daß sie zur Ordnung und Führung der übermütig
gestimmten Massen das zwanglose Mittel boten.
Nach diesem kurzen Einblick in das mittelalterliche
Festleben der Bürgerschaft wird uns manches an dem
Glüsinger Fest deutlicher. Die
Höker können nicht in Hamburg die Johannishöge
mitfeiern. Sie halten dafür hier auf dem Markt ihre
Maihöge, sei es nun die erste des Jahres oder sei es
eine Art Wiederholung des Frühlingsfestes, wie man es
daheim gefeiert hatte. Die beiden Schaffer richten das
Fest aus, dessen Solennitäten ,Zier und Ordnung' des
Marktes zugleich sind. Das Kernstück bildet der
Maigräfentanz, über den man jetzt, wie festgestellt,
leider nichts Genaueres mehr sagen kann. Wir haben uns
wohl vorzustellen, daß die Zunft, in einem großen Kranz
schreitend,
den Reigen vorschritt, während die Menge nachtanzte. Es
mochte ein langer Zug sein, der auf dem altgewohnten
Festwege bis zur Kapelle
hin sich bewegte und dann kehrte, und lange mochte er
dauern. Die strengen Vorschriften, die man sich selbst
setzte, lassen ahnen, daß um 1650 die
Frauen nur ungern noch teilnahmen, obwohl man argem
Übermut durch Ausschaltung loser Frauen wehrte. Man
empfand
überhaupt die Tänzerei mehr als Last denn als Ehre. Und
das sagt, daß die hohe Zeit der Reigentänze vorbei war,
wenn auch immer noch
hoch und niedrig herbeiströmte, um an dem uralten
Treiben teilzunehmen oder sich an seinem Anblick zu
ergötzen. An diese Stunden festlicher Bewegung schloß
sich dann das gemeinsame Mahl, dessen einladenden
Speisezettel wir oben kennen lernten. Es ist nicht
ersichtlich, wieweit der Kreis der Teilnehmer ging: die
mündliche Überlieferung berichtet, daß ALLE FESTBESUCHER
mit Ochsenfleisch bespeist worden seien, wofür als
entsprechende Abgabe das Johannisochsengeld von jeder
Hufe erhoben wäre. Ebenso ist es nicht bekannt, wann und
in welchen Formen dem Landesherrn bei seiner Anwesenheit
gehuldigt wurde. Wüßte man dies, so ließe sich daraus
vielleicht manches über den besondern Ursprung der
festlichen Vorgänge ermitteln. (Schluß folgt.)
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