Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1939


Der Maigräfentag im Glüsing.

Von Kreisschulrat i. R. HEINRICH SCHEELE.

(Fortsetzung und Schluß.)

Ablager und Marktfrieden.

Im Glüsing wurde kein Marktgeld erhoben. Dagegen bestand als alte Abgabe das bereits erwähnte Johannisochsengeld, das von den Bauern immer als eine Leistung für diesen Johannismarkt betrachtet worden ist. Es gehört mit dem sogen. Osterablager zu den öffentlich-rechtlichen Ablagergeldern, die dem Herzog zur Bestreitung seines Hoflagers dienen sollten. Ursprünglich hielt der Herzog selbst das Lager wechselnd in den Dörfern, dann entstanden daraus Naturallieferungen, die später in die Geldabgabe übergingen. Am längsten hat sich die Lieferung der Ostereier erhalten, die nur dort eingesammelt wurden, wo wirklich ein Osterablager erhoben wurde, sonst nicht. Ähnlich hat man früher Ochsen 6) geliefert, bis die Geldleistung eintrat. Als öffentlich-rechtliche Abgabe blieb das Ochsengeld daher auch bestehen, als die Gästerei im Glüsing nach 1700 aufhörte. Das Ochsengeld kann also nicht auf eine Gesamtbespeisung der Festgäste im Glüsing gedeutet werden. Eine Aufzählung der pflichtigen Bauernschaften erschließt uns aber den Bereich, aus dem ehemals Ochsen zum Glüsinger Tag aufzutreiben waren.

Es zahlten Johannisochsengeld

IN DER MARSCH: Barförde, Hitbergen, Sassendorf, Hohnstorf, Tespe, Avendorf,

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6) Auch Teile von Ochsen, sagt WALTER 1780 in seinem 'Meierrecht'.


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AUF DER GEEST: Schnakenbek, Krüzen, Hamwarde, Worth, Wiershop, Lütau, Wangelau, Bartelsdorf, Fitzen, Büchen, Witzeeze, Basedow, Buchhorst, Lanze,

IM AMT SCHWARZENBEK: Brunstorf, Dassendorf, Kröppelshagen, Horn, Schwarzenbek, Grabau, Grove, Havekost, Kasseburg, Möhnsen, Kuddewörde[,] Börnsen, Escheburg, Wentorf, Wohltorf. [Die letzteren vier Klosterdörfer müssen die Abgabe erhalten haben, als Herzog Magnus, der vielerorts das Ablager gewaltsam durchführte, um alte Rechte wiederherzustellen, diese Bauernschaften unter seine Rentekammer zog.]

Das Ochsengeld und Osterablager wurde nicht gezahlt

in den vier Grafendörfern Mühlenrade, Köthel, Talkau, Fuhlenhagen. (Sie waren zeitweise bis 1631 als oldenburgisch abgetrennt.) Pötrau (früher bischöflich) zahlte nur das Osterablager, Schönberg (früher adlig) gab keinerlei Ablager. Schwarzenbek (Amtshof) lag kein Osterablager ob. Die adligen Gerichte waren später auch nicht ablagerpflichtig; die adligen Grundherren haben selbst gelegentlich das Ablager von ihren Hintersassen beansprucht. DIE GRAFSCHAFT RAZEBURG kannte nur ein Ablager als 'Ochsengeld auf TRINITATIS.'

DEMNACH UMFASZT DER EINZUGSBEREICH DES JOHANNISOCHSENGELDES DIE EHEMALIGE SADELBANDE ODER GROSZVOGTEI LAUENBURG, SOWEIT SIE GERICHTSHERRLICH UNTER DEM LANDESHERRN GEBLIEBEN WAR.

Auf den großen Umfang des Festes weisen auch die Maßregeln zur Sicherung des Marktfriedens. In älterer Zeit erschienen wohl die
Bauervögte, überlieferungsgemäß als Einspenner gerüstet. Später tat neben ihnen eine Wache der Garnison Lauenburg den Sicherungsdienst. Dahin gehört folgendes Schriftstück:

AN ALLE BAUERVÖGTE DER GEEST.

Als am Dienstag ... Glüsinger Markt gehalten werden wird und dann nötig sein will, daß die Bauermeister in Ermangelung der Soldatenwache allda erscheinen und die Wache halten, wofür ihnen dann die GEWÖHNLICHE TONNE Bier 7) gereichet werden soll, so wird hiemit einem jeden Bauermeister anbefohlen, daß sie am besagten Dienstag, morgens um 6 Uhr, auf dem Amte allhie mit ihren gewöhnlichen Schießen erscheinen und anhören, was ihnen allda angedeutet werde, auch sodann sofort nach gehaltener Mannzahl nach dem Glüsinger Wachthause marschieren sollen. Lauenburg, 19. Juni 1743. (Unterschriften.)

Allerdings brauchten die Bauervögte nicht erst nach Lauenburg aufs Amt zu gehen; denn der Amtmann durchstrich den letzten Satz mit dem Bemerken: "Von diesem Aufzuge und MARCHE ist mir nichts bewußt und allenfalls die Bauermeister sich sperren sollten, werde ich
ihnen beifallen. Laßt MARCHE aus!" Und 1772 findet sich abermals eine 'Currende an sämtliche Bauervögte' [des Amts], sich einzustellen, um der Wache notfalls 'assistieren' zu können. Ein letztes 'Pro Memoria an sämtliche Bauermeister' erscheint i. J. 1800. Sie sollen in Glüsing gegenwärtig sein, die Tonne Bier aber, wie in vorigen Zeiten, soll ihnen nicht mehr gereicht werden. Die Bauervögte 8) waren jedoch
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7) Ähnlich erhielten die 'seekern Holsten', die in den holsteinischen Dingtagungen das Urteil fanden - es handelt sich in der Regel auch um die Bauervögte - eine Tonne Bier als Entgelt.
8) Die Anwesenheit der Bauervögte wird auf ihre Stellung im Volksthing zurückzuführen sein, in dem zwei 'verständige, erbgesessene Bauern' aus jedem Dorf sein sollten. (Gründl. Nachricht v. d. Vogtei Mölln 1740 Nr. XXXIII.) Später werden zumeist die Bauervögte allein das Arteil gefunden haben (wie in Holstein und Stormarn).

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mehr als unterste Organe der Gerichtsbarkeit anwesend; den eigentlichen Wachdienst versahen Soldaten der Garnison Lauenburg (1800 waren es 6 Mann) unter einem Offizier. Sie erhielten dafür 6 Taler. Ihre Aufgabe war es, Streifwache zu gehen, Diebe, Händelsüchtige und derlei Leute festzunehmen und aufs Amt zu liefern. Freilich mußte die Wache 1772 ermahnt werden, sich nicht selbst zu 'besaufen' - bei Verlust.der Löhnung. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts noch wurden alljährlich die Bauervögte angewiesen, eine Nacht VOR dem Glüsinger Markt und zwei Nächte NACHHER die Nachtwache gehörig zu verstärken. Wie die Kosten des Marktfriedens aus Stättegeldern u. ä. Abgaben bestritten wurden, braucht hier im einzelnen nicht dargelegt zu werden. Unsere Angaben sollen nur einen Begriff von dem tatsächlichen Umfang des Marktes geben. IN SEINEN URSPRÜNGEN MUSZ ER AUF EINE ORGANISATION DES GESAMTEN GAUES DER ALTEN SACHSENMARK ZURÜCKGEHEN.

Markt oder Jahrmarkt?

Das hohe Alter des Glüsinger Marktes wird oft erwähnt. Unter Hinweis auf die Lage des Glüsing unmittelbar an dem bekannten
Elbübergang bei der Ertheneburg wird es dabei zumeist als selbstverständlich angesehen, daß dort ein Markt habe entstehen müssen. Diese
Annahme ruht auf undeutlichen Vorstellungen und bleibt zu prüfen. Wenn demnächst die Ergebnisse der archäologischen Aufnahme unseres Kreises veröffentlicht werden, so wird sich erweisen, ob und wieweit der alte Abergang über die Elbe schon vor der Eisenzeit bestanden hat. Im Licht der Geschichte erscheint er 805, als Karl d. Gr. Bardowiek als einen der Grenzmärkte gegen die Slawen nannte, an denen die Kaufleute einer bestimmten Überwachung unterlagen. Der Weg von Bardowiek ins Slawenland kann nur derselbe gewesen sein wie zur Zeit Heinrichs des Löwen. Damals lag er bei der Ertheneburg. Und den Grundstock des Verkehrs bildete der Salzhandel, dessen Bahnen der Herzog selbst überwachte und zu dessen Unterstützung im Wettbewerb er nicht vor härtesten Maßnahmen gegen Lübeck und Oldesloe zurückschreckte. Als sein Nachfolger 1182 die Fähre von Artlenburg nach Lauenburg verlegen wollte, blieb sie nach geschehener Beschwerde der Lübecker Kaufleute auf kaiserlichen Befehl an der bisherigen Stelle bestehen. So hat sie während des Mittelalters den Wagenverkehr auf der alten Salzstraße vom Süden her nach Lübeck vermittelt 9). Durch ein Privileg Friedrichs l. erhielten die Lübecker 1188 Zollfreiheit in ganz Sachsen mit Ausnahme der Zollstelle in Ertheneburg. Auch weiterhin ist der Zoll bestehen geblieben; es war eine Ausnahme, wenn die Goslarer vom Herzog Bernhard eine Zollbefreiung erhielten. Nachdem 1189 Bardowiek von Heinrich d. L. zerstört worden war, beherrschten die Lüneburger immer mehr den Salzhandel selbst. Sie haben auch den Verkehr auf neuen Salzstraßen ausgebildet: über
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9) Die Straße ging von Bardowiek und Lüneburg her über Artlenburg, Schnakenbek, Lütau, Pötrau, Siebeneichen, Roseburg, Hornbek, Wollersdorf, Breitenfelde, Mölln usw. nach Lübeck. 1359 wird sie noch als Königsstraße bezeichnet. (Benutzt wurde Heineken. S. Anm. 10.)


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Boizenburg (Umschlag 1248) nach Mölln, über Buchhorst (Umschlag 1278) nach Mölln, den Kanal Lauenburg-Mölln, und zeitweilig ging auch Salz über Tesperhude nach Mölln. Die Rückfracht bildete der Hering. Das Auf und Ab in der Bevorzugung der einzelnen Straßen richtete sich nach den Zeitumständen und braucht hier nur angedeutet zu werden. Die alte Hochstraße über Artlenburg fand immer wieder ihre günstige Zeit. Ein solcher Aufschwung kennzeichnet sich in der Verpflichtung, die Herzog Erich 1335 übernahm. Es sollten 'ieghen ertheneborgh' zwei Häuser als Niederlage für Salz und andere Güter gebaut werden. Die Häuser sollten mit Tonnenmachern und andern 'guten Leuten' besetzt werden zur Bequemlichkeit des Kaufmanns. Tonnen, die zu Wagen kommen würden, sollten aufgewunden und aufs Haus geschafft werden. Das lose Salz, das in Schiffen ankäme, sollte in Tonnen 'gestoßen' (gepackt) werden. Zur Anfertigung der Tonnen gestattete der Herzog zollfreie Ausfuhr von Holz aus seinen Waldungen. Eingehende Bestimmungen über die Grundruhr (sie soll nicht gelten), über die Sicherung der Waren, besonders im Kriege, und genaue Feststellung der Abgaben (aringpenninge und buedelaghe) und Löhne werden getroffen. Vermutlich lag die Niederlage links- und nicht rechtselbisch 10); jedenfalls bezeichnet sie einen Höhepunkt des Treibens an unserer Fährstelle, eine weitere Stufe hat der Salzverkehr an diesem Punkt nicht mehr erreicht. Niemals ist es hier zur Bildung eines dauernden Marktes gekommen, niemals war hier das Kreuz aufgerichtet als Symbol des Königsbannes und des Marktfriedens. Die Übergangsstelle Ertheneburg-Artlenburg war eine Zollstätte; ihr Zoll war ein Transitzoll, kein Marktzoll. Wie befriedet und privilegiert diese Stätte auch sein mochte, um ein Marktprivilegium handelte es sich nicht.

DER MARKT IM GLÜSING IST KEIN MARKT SCHLECHTHIN, SONDERN EIN JAHRMARKT, ein jährlich sich wiederholendes, auf wenige Tage zusammengedrängtes, festliches Handelstreiben, das sein Dasein andern Wurzeln verdankt. Kann man allgemein sagen, daß Jahrmärkte vielmals entstanden sind, wo regelmäßig Volks-, Gerichts­ und Heeresversammlungen zusammentraten oder wo kultische Feste und Wallfahrten wiederkehrten, so müssen wir nach solch einem Ursprung unseres Marktes uns umsehen.

Das Markthing.

Die Ertheneburg bestand vor 1100 als Sitz der Grafen von Ertheneburg. Der letzte Billunger, Herzog Magnus, starb auf dieser Feste. Ihre hohe Zeit hatte sie unter dem Löwen. Es spricht für die Stattlichkeit der Burg, wenn die Gemahlin Heinrichs den Halberstädter Bischof dort während seiner Haft hingebungsvoll so versorgen konnte, daß es ihm an nichts zu fehlen schien. Mehrfach hielt der Herzog seine Landtage dort, wo dann alle hoffahrtpflichtigen Grafen, Bischöfe und Wendenfürsten auf der Burg weilten. Der Nachfolger

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10) Heineken (Der Salzhandel Lüneburgs mit Lübeck. 1908) meint rechtselbisch. Hoffmeister 'Wehranlagen': linkselbisch.


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des Löwen, Herzog Bernhard, empfing dort 1182 nach feierlichem Einzug die Huldigung und den Treueid seiner Vasallen. Doch noch im selben Jahre ließ er die Mauern niederlegen und begann mit ihren Felsen den Bau der Lauenburg. Aus dem Volksleben war damit die Stätte der alten Volksburg noch nicht entschwunden; denn sie wird schon früher der Ort des Volksgerichts, des Things, gewesen sein und blieb es auch noch.

Nach alter Rechtsansicht konnte der freie Mann nur durch das Urteil seiner Volksgenossen nach mündlicher Verhandlung in öffentlicher
Volksversammlung gerichtet werden. Das geschah dreimal im Jahr zu festgesetzten Zeiten und an bestimmten Orten im 'echten ungebotenen) Thing'. Alle mündigen Freien mußten dazu erscheinen. Zur Zeit der uordalbingischen Sachsenmark war der Markgraf der Gerichtsherr. Er dingte in seinem Sprengel 'nicht unter Königsbann', sondern, wie der Sachsenspiegel es ausdrückt, bei 'seinen eigenen Hulden'. Heinrich der Löwe, zugleich Markgraf, nannte seine herzogliche Gerichtsversammlung daher auch Markthing (marcthinc). Es scheint alle freien Männer der Mark umfaßt zu haben und stand damit über dem Gericht der Grafen und Vögte 11). Den wesentlichen Unterschied des Markthings gegenüber dem Vogteigericht sehe ich darin, daß mit dem Markthing offenbar zugleich eine Heeresschau stattfand. Das erscheint mir aus folgendem deutlich.

Die Hintersassen des bischöflichen Vogteigerichts im Stift Ratzeburg wurden noch 1169 von dem Löwen 'nach dem Gewohnheitsrecht'
zum Besuch des Markthings und auch zur Heeresfolge verpflichtet. 1174 wurden sie vom Besuch des Markthings befreit, und dennoch
ward die Heeresfolge der Kolonen auf 30 Schilde und auf 6 Wachen (diesseits der Elbe) festgelegt 12). Dabei muß folgendes maßgebend
gewesen sein. Geschah die Befreiung vom Markthing, dann fiel die Heeresschau auch weg und damit die Überwachung der Wehrkraft.
Sollte eine solche Kontrolle stattfinden, dann konnte das nur im Markthing sein, und Befreiung durfte nicht eintreten. Um diese zu ermöglichen, ohne die Waffenkraft zu schmälern, ward dem Bischof selbst die Pflicht und die Vorsorge zur Stellung eines bestimmten Aufgebots übertragen, als der Herzog die Befreiung aussprach.
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11) Vgl. dazu: Beyer, 'Beiträge z. Gesch. der Volksgerichte'. Jahrb. f. mecklbg. Gesch. XIV. S. 108 ff. Stoppel, 'Entwicklung der Landesherrlichkeit der Bischöfe v. Ratzeburg'. Meckl.-Strel. Geschichtsbl. III 1927, S. 138 ff.
12) Vgl. Meckl. Urkundenbuch I.

 
1169. M. U. Nr. 90   1174. M. U. I. Nr. 113.
     
Ceterum uolumus
 
  Ceterum etiam nunc remittimus, quod
tamen in priueligiis ante datis nullatenus admittere uolimus,
ut predicti coloni ecclesie
ut predicti coloni
juxta consuetudinem terre
placita nostra, que marcthinc uocantur,
  ad placita nostra, que marketinc vocantur
 
obseruent   uenire non artentur,
et expeditiones sequantur   expeditionem tamen ducis cum triginta clipeis semel in anno ad sex septimanas, et hoc infra Albim, sequantur ...

 

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Auch der Dänenkönig Waldemar verlangte 1213 als Oberherr und Markgraf von den Kolonen des Bistums Lübeck die Teilnahme am Markthing gewohnheitsrechtlich 13). Das Markthing bestand also immer noch, wie auch 1217 der dänische Statthalter Albrecht von Orlamünde vierländische Bauern zum ungebotenen Ding verpflichtete, wohingegen sie zum ungebotenen Ding nur im Falle des Beklagtseins kommen sollten 14). Es muß für den Herzog der Grenzmark ein stärkender Anblick gewesen sein, wenn im Mittsommer ein solches Maifeld mit allen Roßdiensten und Schilden, mit allen Einspennern und Waffenfähigen antrat. Und waffenfähig waren damals alle Bauern; sie durften auch ihre Ehre vor Gericht mit der Waffe im 'camp' (Zweikampf) verteidigen 15).

Wo das Markthing stattfand, ist nicht bekannt. Die Sadelbande hatte zwei alte, große Kirchspiele: Siebeneichen und Lütau, beide an der Heerstraße. Danach dürfte sie auch zwei Thingspiele gehabt haben. Für ein Thing in Siebeneichen gibt es einen Hinweis 16), für Lütau fehlt es daran. Dort hat sich auch kein Markt entwickelt 17). Man darf daher den Ort des südlichen Things bei der alten Volksburg suchen, bei der Ertheneburg. Noch jeder Vorgeschichtler und Geschichtskundige hat dieses Landschaftsgebiet bedeutsam gefunden. Auch die alten Flurnamen weisen auf Feierstätten: Hanshee (Johannisheide), Hillenblöcken, Hinzemoinken, Loosberg, der Glüsing selbst, der immer Herrengrund geblieben ist, und selbst der Name Schnakenbek mag auf den Bach bei einem satanisierten Kultbild, einem 'Snaak', deuten.
Thing und alte Burg gehörten zusammen.
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13) Urkundenbuch d. Bistums Lübeck, 1. Teil XXIX. Formel wie in M.U. I. Nr. 90 ('marketing').
14) Hasse, Schl.-Holst.-Lbg. Urkd. u. Reg. I 338: ad sollempnia placita ter in anno veniant, non ad alia venturi nisi pro suis excessibus.
15) Das Markding fand wohl nur einmal jährlich statt; im übrigen werden die echten Dingversammlungen von den Grafen und Vögten in den einzelnen Gebieten abgehalten worden sein. Mit dem späteren Verfall der alten Volksgerichte beschränkte sich die Zahl der Tagungen. Im Land Ratzeburg (Grafschaft) fand schon vor 1303 das Landding nur einmal jährlich am DIENSTAG NACH PFINGSTEN statt, von da ab NACH JOHANNIS. (Urkde. bei Kobbe II. S. 40.) Im Stift Ratzeburg trat das Landding noch im 17. Jahrhundert zusammen (UM  JAKOBI). In der Vogtei Mölln wurden früher die Landdinge am MONTAG NACH OSTERN und MICHAELIS in Mölln gehalten. Später wurde jährlich nur ein Ding gehegt, das ab 1683 seitens Lübeck nach Ritzerau verlegt wurde und auf den TAG NACH PFINGSTEN. (Bericht über Ritzerau bei Becker, Gesch. Lübecks (1782) II, S. 96. Bericht über das Ding im Stift Ratzeburg b. Beyer in d. Jahrb. d. V. f. meckl. Gesch. XIV, S. 138 ff.) Über die Dingtagungen für Steinhorst bringt unsere Zeitschrift noch einen besonderen Aufsatz.
16) Endler u. Folkers. 'Das mecklenb. Bauerndorf. Rostock. S. 13: Noch im 16. Jahrhdt. ging eine Berufung vom Kirchspielsgericht Pütte b. Stralsund über das Burglehn Loitz an das Buch zu Schwerin und dann an das Kirchspiel Siebeneichen bei Büchen. Das deutet auf ein altes Thing.
17) Lütau ist darin sogar WITZEEZE unterlegen, das 'auf Kathrinen' eine alte Kirchweih hat (Kapellenfest), die ein bedeutendes Sippenfest gewesen ist. Der große Markt in Büchen hängt nicht mit Siebeneichen zusammen, auch nicht mit dem Thing. Als Büchen (1680) Auskunft über seine Privilegien geben sollte, konnte es nur berichten, es sei nichts darüber bekannt. Der Markt sei alt, man glaube, er rühre aus der Zeit der katholischen Wallfahrt her.

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Wo konnte nun das Markthing anders sein als hier an dieser alten Thingstätte, wo die Burg Sitz der Grafen und Vögte und dann des Herzogs war, wo auch der Herzog seine Landtage hielt? IM GEFOLGE DES MARKTHINGS  UND DES MAIFELDS MUSZ SICH DER MARKT IM GLÜSING ENTWICKELT HABEN.

Die Entwicklung des Jahrmarktes.

Es ist naturgemäß, daß mit der Heeresschau im Markthing sich ein Markt entwickelte. Das Erfordernis an Waffen und Pferden, der Auftrieb von Ablagerochsen, das Bedürfnis an Lebensmitteln mußte vou selbst in Tausch und Handel einen Viehmarkt und einen Lebensmittelmarkt entstehen lassen. Die Marktwaren besonders konnten nicht den auf der Königstraße über die Elbe verkehrenden Warenzügen entnommen werden, vielmehr mußten dazu eigens auf diesen Binnenhandel eingestellte Händler herankommen. Der Handel jener Gegend wurde zur Zeit Heinrichs d. L. gänzlich von Bardowiek, dem alten Grenzmarkt, beherrscht. Lübeck war erst im Entstehen und vielfach bekämpft, Hamburg noch unentwickelt, weil vielfach wieder in Asche gelegt, und Lauenburg noch gar nicht vorhanden. Es werden daher vornehmlich Bardowieker nach dem Glüsing gekommen sein.

Aus Bardowiek haben wir ein hübsches Zeugnis über solchen Handel um 1160, das nicht alleinsteht 18). Es wird berichtet, wie Dienstpflichtige eines Klosters verpflichtet sind, jährlich eine Reise nach Bardowiek zu machen, um dort Getreide zu verkaufen und für
den Erlös und einiges Bargeld Fische wieder einzukaufen. Die Dienstpflichtigen dieses Klosters bekamen nämlich an Festtagen statt Fleisches drei Heringe (allecia). Es war damals nicht anders als Jahrhunderte später. Noch vor 200 Jahren war der Bedarf an Heringen auch in unserer Landschaft groß; besonders zur Erntezeit gehörten die Heringe - es sollten vielfach Berger Heringe sein - zu den täglichen, unabdingbaren Pröven der Erntearbeiter. Auch bei Festzeiten spielte der Hering eine Rolle. Auf dem Pfingstheisch war der Hering auf einem kleinen Brot ein Leckerbissen, und auf Jahrmärkten (Sandesneben!) war er noch vor 100 Jahren das handliche Festessen für die Besucher. Der Bedarf war im Mittelalter wegen der Fasttage noch bedeutsamer. So ist noch ein Vertrag erhalten von 1223 19), nach dem das Stift Ratzeburg vom Fürsten von Rügen die Vergünstigung des zollfreien Heringsfangs erhielt. Damit ist also ein wichtiger Marktartikel nicht bloß der großen Handelszüge, sondern auch der Binnenmärkte gekennzeichnet. Die Heringe konnten nicht etwa aus einem in Ertheneburg passierenden Warenzug, der als Rückfracht von der Ostsee diesen Fisch nach Bardowiek brachte, entnommen werden, sondern wir müssen für Bardowiek ähnliche Verhältnisse voraussetzen, wie in Lübeck und Hamburg einige Jahrzehnte später. Dort wurden die Heringe, wenn sie
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18) Kiesselbach 'Zur Frage der Handelsstellung Bardowieks, Schleswigs und Stades im 12. u. beginnenden 13. Jahrhdt.' in Ztschrft. d. Hist. V. f. Niedersachsen 1912, S. 221. Benutzt auch desselben: Die wirtschaftl. Grundl. d. dtsch. Hanse usw. Berlin 1907.
19) Meckl. Urkdbch. I Nr. 312.


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von der Ostsee ankamen, im sogen. Herings- oder Salzhause ausgepackt, gereinigt, gesalzen und für den Binnenmarkt in neue Fässer umgepackt. Das besorgten die Heringswascher und -packer. Garbrader, Heringswascher und -packer bildeten in Hamburg später zusammen ein Amt, das wieder mit den Fischweichern verflochten war. Fischweicher und Höker verhandelten, wie oben dargestellt, Heringe, Smeer (Heringsfett), Käse, Butter usw. Die Lübecker Garbrader bezogen mit ihren Garbuden sogar die Heringsfangstätten in Schonen. Nach allem kann man sich schon den anfänglichen Markt im Glüsing vorstellen: den Viehmarkt, daneben den Lebensmittelmarkt (besonders mit Heringen) und einen Getreideaustausch dazu. Garbuden mochten auch dem Augenblick genügen.

Als 1189 Bardowiek zerstört wurde, fing der Handel an, auf andere überzugehen; es begann die Zeit der Hamburger. Man ersieht das aus ihrem Bemühen, von Albrecht von Orlamünde 1216 in Lauenburg Zollfreiheit zu erlangen, die nach ihrer Behauptung Heinrich der Löwe ihnen schon gegeben hatte. Sie erlangten 1252 nur Befreiung vom Ungeld, nicht vom Zoll. Das Getreide blieb ausnahmsweise dem Zoll und Ungeld unterworfen; nur die Geleitsätze wurden um die Hälfte ermäßigt. [Das Stift von Ratzeburg erlangte damals vom Herzog für seine Getreideausfuhr und für die Rückfracht seiner Bedürfnisse auf der Elbe volle Freiheit.] In jener Zeit kann die Gilde der vereinigten Fischweicher und Haken aus Hamburg die besonderen Gerechtsame auf dem Markt in Glüsing erhalten haben, der nach dem Vorbilde eines städtischen Marktbetriebes mit seinen Blöcken oder Bänken und Buden eingerichtet wurde. Ihre Waren, die Fische und auch der Käse befriedigten die Bedürfnisse des Festes.

Wann kann das gewesen sein? Nicht, bevor Bardowiek zerstört war, nicht, ehe Hamburg genügend entwickelt war, frühestens 1190.
Wegen der erwähnten Bevorzugung der Bergedorfer muß es gewesen sein, ehe Bergedorf dem Hauptteil Lauenburgs durch Abteilung entzogen war, also vor 1320. Die Bevorzugung Bergedorfs - wenn überhaupt man die beiden Urkunden A und B dahin deuten darf - ist
besonders unter Albrecht von Orlamünde geschehen. Er soll das Schloß dort gegründet haben, hat dort geurkundet und hat ebenda die
Kirche mannigfach gefördert, und er hat, wie angegeben, mit den Hamburgern über mancherlei ihnen zu gebende Verkchrsrechtc verhandelt. Spätestens wird die Marktordnung aber unter Albrecht I. geschehen sein, der in Ruhe den Handel auch der Hamburger gefördert hat und der ein besonderes Interesse haben mußte, die gegenüberliegende, neugewonnene Elbmarsch (Marschvogtei) an die Sadelbande anzuschließen, welches Interesse übrigens auch der Orlamünder sicherlich für die Vierlande betätigt hat. Für die Gründung durch den Orlamünder spricht, daß zu seiner Zeit das Markthing noch bestand, daß er überhaupt die Dingverfassung (besonders in Holstein) achtete, wie auch nachweislich lauenburgische Edle oft in seiner Umgebung weilten. AUF DEN ZEITRAUM VON 1200 BIS 1260 DÜRFTE MAN DIE ORDNUNG DES GLÜSINGER MARKTES ZURÜCKFÜHREN.

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In der Nähe der Ertheneburg entwickelte sich indes schnell das von den Herzogen begünstigte Lauenburg. Mindestens ab 1252 war es eine Zollstätte, wenn wohl auch noch keine Fähre. Die Herzoge legten die Vogtei hinein, wodurch die Burgstadt zum Verwaltungssitz der Großvogtei 20) wurde. Der Kaufmarkt der Stadt blühte auf, die Zahl der Jahrmärkte stieg auf drei. Trotzdem blieb nur 4 Kilometer entfernt der Markt im Wald bestehen und blieb selbst dann noch in bedeutsamer Eigenart, als Lauenburg längst Gilden und Goien 21) hatte. Wie war das möglich, da doch das Thing aufgehört hatte und der Verkehr auf der königlichen Straße dem Platz keine Bedeutung verlieh?

Der kultische Mittelpunkt: die Kapellenfrage.

Zur Lösung der Frage wenden wir uns dem kultischen Gebiet zu. Ein Gau bildete allemal eine Gemeinschaft, deren Ideenwelt Kriegertum, Rechtsübung und Götterverehrung umfaßte. Wo bei einer Volksburg das Gericht gehegt und Waffenschau gehalten wurde, geschah es nicht ohne kultische Bräuche an heiliger Stätte. Eine solche vermutet man denn auch für die Sadelbande bei der Ertheneburg. Zur (christlichen) Zeit der Billungermark muß die Sadelbande noch immer eine Einheit unter dem Grafen der Ertheneburg gewesen sein, sonst könnte sie nicht noch später einen vom Polabengau abweichenden Zehnt gezahlt haben 22) und es könnte nicht später immer besonders betont sein, in ihr gelte sächsisches Recht. 23). Die Verchristlichung wird maßgebend vom Bistum Verden vorgedrungen sein, wobei der
Elbübergang die Einbruchstelle war, und es ist kaum anders möglich, als daß hier an der völkischen Kultstätte unter Verpönung des alten
Kultbildes am Snakenbek eine Kapelle entstand, wenn nicht gar das alte Heiltum dem neuen Dienst gewidmet und geweiht wurde. Es hat
in der Tat auch eine KAPELLE IM GLÜSING gegeben; man weiß von ihr ab 1506, wo sie wohlgeordnet bestand.

Damals hatte der Herzog MAGNUS das neu gegründete ARCHIDIAKONAT in Lauenburg und die KOMMENDE IN DER KAPELLE ZU GLÜSING dem Heinr. Bergmeyger KONFERIERT. Der genannte Erzpriester wurde 1511 Bischof von Ratzeburg und geriet als solcher in schwerste kirchlich-politischen Kämpfe mit seinem alten Gönner. Im Verlauf des Streites ward der Bischof IN SEINER HERBERGE AM DOM vom Herzog gefänglich gehalten und so zu umfangreichen schriftlichen und eidlichen Zugeständnissen genötigt. Er mußte u. a. auch auf sein Archidiakonat und AUF DIE KOMMENDE IN DER KAPELLE ZU GLÜSING, die ihm beide jährlich 70 Gulden eintrugen, RESGINIEREN.
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) Die Großvogtei reichte noch 1497 bis Kuddewörde. (S. Nachr. üb. d. Vogtei Mölln XXlV.)
21 ) Goien (Schützen) ab 1509. Nach Götze im 'Land an der Elbe' 1929. Nr. 7. Der Aufs. bringt auch Einzelzüge der jüngsten Zeit des Marktes.
22 ) Zehntenregister: 'nach höchst übler Gewohnheit 4 Maß Korn (Roggen).' [4 modii - 6 dempten - dem Holstenzehnt, gemäß d. Ang. f. Rensefeld i. Reg. d. Bisch. v. Lübeck.]
23) Der Herzog an d. Hadeler 1481 als Erläuterung: 'Sachsenrecht', wie es gehalten wird "sund3rliken in dem Lande to Sadelbende u. i. d. Vagedie to Louwenborg". Duve, S. 409.


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Doch hat er sie später infolge Vergleichs bis zu seinem Tode im Jahre 1524 innegehabt 24).

Bei der VISITATION DER LAUENBURGER KIRCHE 25) wird 1581/82 ins Protokoll ausgenommen, daß zu dieser Kirche 'vorzeiten' die St. Annen-Kapelle und die GLÜSINGER KAPELLE gehört habe. Sie seien 'itzo' WÜST, solle aber ein 'STATTLICH LEHEN' bei ihnen gewesen sein. Man wolle gedenken, Nachricht darüber bei dem Ratzeburger Domherrn Clawes Grebß zu erlangen, weil dieser ein 'NACHPAR DES GLÜSING' gewesen.

Dann meldet der Vis.-Ber. von Lauenburg 1590: „Nachdeme der Kirche z. Lawenburgk die wueste CAPELLE IM GLÜSING mit dem Stein aus Kalcke die Kirche zu bauwen von fr. (fürstlicher Seite) zugeleget worden, welche sie NIEDERBRECHEN und den Kalck zusammenbringen lassen, klagen sie (die Juraten), daß die Potrower den ungebrannten Kalck sie unersecht (?) wegkgenommen. Pitten Erstattung von den Potrowern."

Es ist nicht anzunehmen, daß die Pötrauer die Baumaterialien ganz ohne Rechtsanspruch weggenommen haben. Ich vermute einen Zusammenhang zwischen der Stiftung dieser Kapelle und der Stiftung von Pötrau seitens Heinrichs des Löwen am ersten Kreuzzugstage (s. w. u.), worüber vorläufig nichts Bestimmtes auszumachen ist.

Von dieser Kapelle ist die KAPELLE IN SCHNAKENBEK zu unterscheiden. Ihr Patron war der heilige Johannes, das Patronat hatte der Herzog. Kirchgeschworene hatte sie nicht, sie gehörte ins 'Caspell Ertlenburg' (wie heute). 1585 ist sie in traurigem Zustand.

PAWEL VICKE zum Snakenbeke u. seine Mutter geben an, daß zur Kirche St. Johannis gehören '11 Plöcken Landes (ungef. 2 Scheffel Saat), genannt die Pöle'. Das Land werde von BALTZER WREDE gebraucht, dessen Frau nachher erklärt, daß sie dafür jährlich 8 Schill, 'gegen den Hoff' geben. Dieser Wrede (Wreide) hat auch den Kirchhof bezäunt und mit 'Lihensaat beseiet'. Er wohnt, wo vorher der Kuhhirt gewohnt, und der Kuhhirt wohnt in der Kapelle. 1590 wird die Abgabe von 8 Schill. nach dem Hause Lauenburg nochmals festgestellt. Ebenso ist ermittelt, daß HANS PORRES HAUS mit Hufe und Acker Kapellenland sei, das er 'erkauft habe und dafür der Herrschaft Schatz und Schulde und Dienst leiste'. Zur Kapelle sollten Kühe und Schafe gehört haben und CLAUS BURMESTER solle Nachricht darüber wissen. 1614 hat dann die Kapelle endlich einen Juraten, nämlich HANS BURMESTER in Schnakenbek, der Aufsicht über das Kapellenland nehmen soll.

Noch eine dritte Kapelle befand sich im engsten Umkreis, nämlich die ST. GEORGENKAPELLE MIT DEM SIECHENHAUS A. D. ELGE, gegenüber Artlenburg 26).

Die Vorsteher sind 1582 genannt, ebenso werden die 'HAUPTSTUELLE UND RENTEN' genau angegeben. Von den Renten (es sind fast immer 10 %) wird gesagt, sie seien 'zu groß und UNCHRISTLICH, sie müßten MODERIERT ODER ZU ERBZINSEN gemacht werden'. Pawell Vicke gehört u. a. zu den Beteiligten. Die Sülze in Lüneburg gibt 1 Tonne Hering, 1 Tonne Salz, 2 fette Schweine,
25 Pfd. Rottscher, 1 Pfd. Malz (= 12 Scheffel) dazu. Auch das halbe Fährgeld

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24) Nach Masch, Gesch. d. Bistums Ratzebg. 1835, S. 410 26. Diese Nachr. (aus dem Ber. a. d. Erzbisch, v. Bremen) haben leider alle Forscher übersehen, selbst Haupt-Weysser trotz seines Interesses f. d. heil. Stätte (S. 182 159). Erst Fischer-Hübners Gesch. d. Reformation in Lbg. (1931 Ratzebg.) bringt sie wieder. Das dort mitgeteilte Ergebnis von Walcke-Schuldt über den Glüsing kann nur Vermutung gewesen sein und war wohl noch nicht für eine Veröffentlichung bestimmt.
25) Der folg. Ber. über die Kapellen hat die Kirchenvisitationsakten 1581 bis 1614 zum Grunde (im Kieler Staatsarchiv). Die Zusammenhänge über die Eingriffe des Herzogs werde ich in einer Besprechung der Gesamtflur des Gebiets bringen.
26) Vgl. Archiv (f. Lbg.) IV, 2 S. 91. Friese, Das Hospital St. Georg zum Sandkruge. M . W. ist bis heute noch nichts über die Kapelle dort mitgeteilt.

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„Ich kann wohl sagen, daß ich in keinem so kleinem
Lande ein so starkes Gefühl von lokalisiertem
Nationalstolz gefunden habe wie in diesem Herzogtum,
das sich nicht Herzogtum Lauenburg nennen läßt,
sondern, wie die alten Leute sagen,
Herzogtum Sachsen oder Niedersachsen.''

Bismarck im preußischen Abgeordnetenhaus 1876.

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geht an die Stiftung. REGISTER UND RECHNUNGEN hat der alte Herzog anno 70 an sich genommen: 'sie wären nötig, man suche sie auf, er brächte sie wieder an die Kapelle'. 1590 aber ist die Kapelle niedergebrochen und 'HINWEGK', sei ein Filial von Artlenburg gewesen. Die Zinsen waren noch unverändert, Lüneburg schickte aber nicht ein.

Wir kennen demnach drei Kapellen, alle nur etwa 1 km voneinander entfernt: zwei zweckbestimmte, Kirchspiels Artlenburg, und die einsame Heidekapelle im Glüsing, zu Lauenburg gehörig. Der Eingriff des Patronatsherrn, des Herzogs, in das Kapellengut ist überall deutlich, ebenso wird die derzeitige Umwandlung begreiflich. Die Gemeindekapelle mit dem Friedhof bestand weiter. Die St. Jürgenstiftung blieb ohne Kapelle als Armenhaus erhalten. Die Glüsinger Kapelle ging unter, weil der Kult an ihr sinnlos geworden war. Die Kapellenlehen wurden gemindert oder ganz vom Herzog vergabt. Die Gemeindekapelle wird mit der Dorfschaft entstanden sein. Die St. Jürgenkapelle kann (nach dem Zinssatz zu rechnen) schon um 1300 bestanden haben. DIE GLÜSINGER MUSZ DIE ÄLTESTE VON DEN DREIEN SEIN, und es ist Versuchung und Notwendigkeit zugleich, nach dem besondern Sinn zu suchen, dem sie in den katholischen Zeilen diente.

Die allgemeine Kirchweihe.

Hell zeichnet sich nun für diese Gegend die Zeit HEINRICHS DES LÖWEN ab. Schon sein erstes Auftreten in der Sadelbande erfolgte IM ZUGE DER GROSZEN POLITISCHEN UND RELIGIÖSEN ZIELE JENER ZEIT. Was ging vor?

Im Februar 1147 predigte Bernhard v. Clairvaux auf dem Frankfurter Reichstag hinreißend DEN KREUZZUG ins Heilige Land. Die politisch andersgerichtete, nüchterne sächsische Herrengruppe gelobte dagegen einen Zug in die heidnischen Ostländer. Bernhard stimmte zu, stiftete ein besonderes Kreuzesabzeichen, ließ ein Sendschreiben ausgehen und setzte darin als Zeit und Ort der Heeresversammlung das PETER PAULSFEST am 29. JUNI in Magdeburg. Dort gingen auch, während der König schon nach dem Orient unterwegs war, Ende Juni zwei Heere ab. Das dritte hatte seine besonderen Schicksale. Wo es sich versammelte, ist nicht erwähnt, doch wird es den Termin der heiligen Sache nicht versäumt und sich zum 29. Juni versammelt haben. DIE FÜHRUNG HATTE HEINRICH D. L. mit den Großen; in seiner Begleitung fanden sich die sächsischen Bischöfe, darunter der Bischof von Verden und der Erzbischof von Hamburg.

Ehe der Löwe über die Elbe ging, machte der verlassene Obotritenfürst Niklot mit Schiffen und Reitern einen schnellen Flankenstoß ins Ostholsteinische. Am 26. JUNI, DEM FESTE DER HEILIGEN JOHANNES UND PETRUS, wurde das festberauschte Lübeck überfallen und zwei Tage verheert. Unmittelbar darauf - die Not drängte - brach Herzog Heinrich auf, wohl mit dem 29. Juni. Er überschritt die Elbe bei ARTLENBURG und erreichte am ersten Marschtag PÖTRAU, wo zur Nacht gelagert wurde 27). Es verrät etwas von den Gefühlen des jungen Herzogs, wenn er später, als nach wiederholten Wendenzügen "die himmlische Liebe seinen Unternehmungen kräftigen Erfolg verliehen hatte", den ersten Tag seines ersten Zuges auszeichnete. Er verlieh JENES PÖTRAU dem Bischof von Ratzeburg ALS ERSTE OPFERGABE FÜR GOTT UND DIE HEILIGE MARIE.

DER MORGENDLICHE AUFBRUCH Aufbruch bei der Ertheneburg nach dem glücklich vollzogenen Übergang der Tausende wird sicherlich von den anwesenden Bischöfen eingesegnet worden sein, und der Löwe wird ihn ebenfalls dem Gedächtnis der Nachwelt würdig haben einprägen wollen, indem er die KAPELLE besonders
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27) Schilderg. des Zuges b. Wigger, Meckl. Jahrb. 1863, S. 52 ff.

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begabte und weihen ließ und sie seiner Burgkapelle zuordnete? 28). Solche Akte pflegte der Löwe sehr feierlich zu begehen. Die HEILIGE GOTTESMUTTER und der EV. JOHANNES standen über jener Zeit. Ihnen beiden wurden die DOME ZU RATZEBURG UND SCHWERIN geweiht. So mochten sie auch beide über dem ersten Kreuzzugstag stehen: die Stiftung Pötrau für die Gottesmutter und die Kapelle für den Ev. Johannes, wie wir annehmen.

Überdies grenzte der Herzog die Sadelbande kirchlich neu ab. Das Bistum Verden ward auf die Elblinie beschränkt, Bergedorf dagegen neu angeschlossen. Der gewohnte Zehnt blieb und ward vom Herzog selbst in Anspruch genommen. Nach solcher Besonderung erst kam die Sadelbande unter das Bistum Ratzeburg. Heinrich schuf das Markthing, er ordnete wohl die Ablagerpflicht, die übrigens auch kirchlich begründet werden konnte, und in solchen Zusammenhängen entstand bei der Herzogsburg ein Johannisfest 29), das den Charakter einer sogen, allgem. Kirchweihe annahm, was umsomehr angehen konnte, als das FEST DES HEIL. JOHANNES ALS DAS ALLGEM. KIRCHFEST DES ABENDLANDES galt.

Zu einer Kirchweihe gehört nun das Zusammentreffen der Sippen, das weltliche Treiben eines Marktes, die besondere Festspeise; ihr ist es eigen, daß sie gerne Frühlingsbräuche an sich [sic!], auch besonders Maigräfenfeste, und ihr ist es nicht fremd, daß auswärtige Unternehmer das Fest wirtschaftlich ordnen. Und das finden wir im Glüsing wieder.

Setzt die allgemeine Kirchweihe die besondere kirchliche Abgrenzung der Sadelbande voraus, so tritt diese noch einmal deutlich heraus zur Zeit des Statthalters Albrecht und des Herzogs Albrecht I. Zu ihrer Zeit hatte der Propst Arnold in Bergedorf, ein Prämonstratenser Ordensbruder, mit 'Erlaubnis' den geistlichen Bann in der Sadelbande inne mit dem Sendgericht, welcher Erlaub 1247 nach seinem Tode für immer nach Ratzeburg zurückgenommen wurde. Dieser Zustand gipfelte in dem Plan, für die Sadelbande ein Filial von Ratzeburg zu
gründen als Kapitel mit einem Propst an der Spitze, was die Wirren der endenden Dänenzeit verhindert haben mögen 30).

Um jene Zeit werden die Hamburger und Bergedorfer Höker auf den Markt gekommen sein. Es fügt sich ganz in den Rahmen,
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28) Im Archiv III, 1 berichtete der Landesbaurat v. Binzer 1890, daß gelegentlich einer Wiesenplanierung die Fundamente eines massiven Gebäudes aufgefunden und teilweise aufgedeckt wären: Steine nach Oual. u. Form mittelalterlich, unter den Formen Dreiecksformen und Profilierungen im Kabeltaumuster, wie sie in Lüneburg aus 1300-1500 vorkämen. Die Dielung wäre als starke Lehmschicht an einigen Stellen zu Tage getreten. Die mitgeteilte Überlieferung, als ob es sich um ein fürstl. Schießhaus handeln könne, ist wie die sonst noch milgeteilte fragwürdig und in jüngster Zeit entstanden. Der Glüsing war im Mittelalter unbewohnt. Die Zusammenkunft der herzogl. Brüder 1585 (Kobbe H, 334) z. B. fand in einem Bauernhause in Schnakenbek statt. Es könnte höchstens das alte Vorwerk damals noch bestanden haben. Bei den Trümmern handelt es sich offenbar um die alte Kapelle, die 1590 schon abgebrochen war. Natürlich war ihre Vorgängerin z. Zt. Heinr. d. L. nur aus Holz, ex 1ignis, wie das erste Gotteshaus in Lübeck 1163 auch. Die Kapelle wird also am Übergang üb. d. Bach im Glüsing a. d. Südseite gelegen haben. - Die Kap. wird i. Zusammenhang mit der Burg nach Lauenburg zugeordnet worden sein.
29) Als Johannistage galten der 24. (Joh. d. Täufer), der 26. (Ev. Joh. u. Petrus), der 29. Juni (Petr. u. Paulus) oder der zugehör. Sonntag. Alle konnten einem Johannisfest dienen. (Die Sonnenwende umfaßte nach alt. Ansicht mehrere Tage.) - Zum Ablager: Der Superintendent hatte noch 1582 zwei Ablager in Lütau u. Siebeneichen. Das letztere wurde 1583 durch den Herzog als ein 'unchristlich Wesen' aufgehoben u. sollte 'ewig' nicht gezahlt werden^
30) Siehe Jessen 'Zur Geschichte der kirchl. Stiftungen'. Kiel. Jahrbch. f. Ldskunde. IV 1861, S. 209 u. Hambg. Urkdbch. I, 479. Der erste Artikel ist wohl zu oft übersehen.

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daß es Käsehöker und Fischweicher von auswärts waren. An der Festprozession nahmen sie nach der üblichen Pflicht solcher Gilden teil,
und als die Genossenschaft ein eigenes Maigräfentum entwickelt hatte, mochte sie mit Würdezeichen, Lichten u. ä. mit im Zuge schreiten, wie anderswo die Maigräfengilden auch. Käse zum Brot wird die Festspeise gewesen sein, und auch den Johannistrunk wird man als Kalte Schale gekannt haben 31). Die hohen Gäste jedenfalls ließen sich den Johanniswein munden. Die Stadt Lüneburg sandte dazu nach "uralter Gerechtigkeit" jährlich ein Ohm rheinischen Weines am Sonntag nach Johannis mit besonderen Zeremonien auf den Schloßhof in Lauenburg 32). Das spätere strenge Gebot, daß der betreffende Wagen noch vor Abend wieder jenseits der Elbe sein mußte, sagt, daß der Aufzug früher wohl gegen Abend mit lauter Johannislust unter dem Volk endete. Es gehörte wohl ebenso zu den Mayalien, den Maigaben, wenn die Hamburger wie andern Herren 33), so auch dem Herzog von Sachsen ein Faß Wein verehrten 34). "Mutuelle Obligationen" nannte man solch artige Geschenke, und man verlangte die Innehaltung dieser "Pflichten", wenn sie auch als Sitte entsprungen waren 35). So muß man auch die spätere Verpflichtung der Hamburger Höker einschätzen: anfangs ehrerbietige Sitte, dann geschätzte, weil auszeichnende Pflicht, schließlich Last und Bürde.

Sah das mittelalterliche Fest die Prozession im Mittelpunkt - sie mochte von der 'Hanshee', dem Walde, nach dem Hinsekenmoinken,
dem Born, und dann zur Kapelle ziehen - so gab sich das Volk seiner Lust hin am Johannisfeuer, beim Tanz unter der Krone, in Maigräfenbräuchen und fröhlichem Gelag, während der Fürst, mit Ehrengaben begrüßt, zusamt seinem Adel den Feierlichkeiten Würde und Ansehen verlieh.

Dieses Fest mußte sich mit der Reformation aufs stärkste wandeln. Die Prozession verging, die Kapelle verfiel, das Land ward vergeben,
Johannisfeuer und -krone verbot man: die Heide verlor ihren Schein, am Born wurde es einsam. Und doch nach den Wirren der Zeit, als überall neue Ordnungen aufgestellt wurden, da fand auch unser Fest seine neue Setzung. Der Markt blieb bestehen und blieb in der Hut und Verwaltung der Herzöge; der Maigräfentanz blieb in Ehren und Würden; die hohen Festbesucher stellten sich artig wieder ein,

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31) Fremde Weine und Biere auf d. Gl. Markt werden 1770 der Zölle wegen angemerkt. - Ein solches Fest wird aus d. Zeit vor 150 Jahren aus Wewelsfleth berichtet, wo KAUM GEHANDELT, sondern ein bestimmter Tanz geschritten wurde. Sonst saß alles und trank Wein (m. viel Zucker) und aß schweres Konfekt dazu. Diesem Markt strömte man zu nach gehaltenem Gottesdienst.
32) Archiv (f. Lbg.) VII, 2 S. 103.
33) Vgl. Warnecke i. d. Kiel. Heimat 1917. S. 222 ff. Scheele, Lbg. Heimat 1938, S. 39. Vgl. auch Anm. 35.
34) In der Hamb. Kämmereirechnung findet sich die regelm. Ausg. für die lbg. Herzöge unter dem Titel dominis extra civitatem. Darunter 1351 Duci Saxonie tunnam vini pro 3 Pfd. 4 Schill. Ahnl. 1353. Dann ist der Titel nicht mehr spezifiziert u. daher das Verschwinden der Ehrengabe nicht feststellbar. Auch andere Ehrengaben kommen vor.
35) Vgl. Kobbe II. S. 339 u. 388: die Pflicht der Lübecker noch 1600.

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vom Herzog festlich begastet. So waren denn die Glüsinger Tage weiterhin ein repräsentatives Gau- und Staatsfest der Sadelbande bis zum Antritt der hannoverschen Regierung.

Aus der jüngsten Zeit des Marktes.

Die neue Regierung hob die Begastung im Glüsing auf. (Urkd. C). Das bedeutete eine Krisis für den Markt. Schon 1711 verlangte der Drost und Amtmann von Lauenburg von den Hökern den Nachweis ihrer Privilegien, bevor sie den Markt bezögen. Doch die




Lauenburger Trachten.
(Nach dem lauenburgischen Almanach v. Berenberg 1785.)


Höker scheinen den Schutz der Regierung in folgendem Schreiben erhalten zu haben, aus dem man zugleich ersieht, daß die Maigräfen-Zeremonien nicht mehr üblich gewesen sein müssen.

Es wil beiläufig verlauten, daß denen Käsehöckern aus Bergerdorff und Hamburg, so den Glüsinger Markt bis daher bezogen, von euch untersaget worden, mit ihren wahren nicht dahin zu Kommen, bevor sie ihre Privilegien gedachten Jahrmarkt zu beziehen würden beygebracht haben. Nachdem malen nun dieses EIN WERK VON BÖSER CONSEQVENTZ, indem andere benachbarte zu
repressalien dadurch könten Veranlaßet werden, mithin auch verlautet, daß mehrged. Käsehöcker Von Jeher ohngehindert Zum Glüsing mit ihren wahren ausgestanden, So habet ihr solche dabey bis zu weiterer Verordnung zu lassen und was es mit der gemelten Production des privilegii habe, negstens zu berichten. -

Ratzeburg, den 16. Juni 1711.

Churfürstl. Br.-Lünebg. zur Sachsen-Lauenbg. Regierung
verordnete Landdrost und Räthe. v. Laffert.


Jedenfalls blieb die Stättenbesetzung. Noch 1823 streiten die Hamburger Erben einer solchen Stelle für ihr Recht. Wir erfahren aus diesem Rechtsstreit, daß damals eine solche Stelle in einem Afterkauf unter der Hand mit 27 Tlr. bezahlt wurde. Die Regierung verbot fernerhin, den Ausdruck, die Stellen seien verkauft, in die Ur-
 

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kunden aufzunehmen. 1770 hatte der amtliche 'Kaufpreis' 1 Tlr., das Stättengeld 2 Schilling betragen, und Wanderjuden hatten 8 Sch.
bezahlt.

Einmal drohte ernsthaft dem Viehmarkt Verlegung. 1775 beantragten die vier Glüsinger, die sich als gehorsamste Diener und Dienerinnen Unterzeichneten, unter Führung von Johann Olde, der sich Einwohner nannte, den Platz näher nach Schnakenbek zu verlegen, weil Oldes Koppel durch das Vieh geschädigt würde und weil die übrigen den Viehmarkt näher haben möchten, damit sie ihre Nahrung (aus dem ganzen Marktbetrieb) bequemer hätten. Dem Gesuch ward nach sorgfältiger Untersuchung nicht stattgegeben. Im besondern hinderten es die Schnakenbeker Bauern. Das versteht man, wenn man aus der Ortsgeschichte weiß, daß seit dem dänischen Lager in Schnakenbek (1692) eine verheerende Sandflucht die Ländereien der Gemeinde herabgesetzt hatte. Die schweren Folgen waren auch im Amt unvergessen, und man befürchtete aufs neue die Zerstörung der Bodenbenarbung an dem in Aussicht genommenen Ort nahe dem Dorf.

Die Wachmannschaft bestand noch 1854 aus sechs Mann, deren Abgeltung (5 Tlr.) von den Stelleninhabern besonders vereinnahmt
wurde. Die Polizeibehörden von Bergedorf und Boizenburg wurden wurden [sic!] 1854 unter dem 'Erbieten gleicher Rechtswillfährigkeit' ersucht, verdächtige Personen auf Pässe nach dem Glüsing zu revidieren. - Vom Sonntag hatte der mehrtägige Markt sich wegbewegt; er fand stets am Dienstag und Mittwoch statt. Doch noch 1872 war das Schenken in den Zelten am Sonntag und Montag bis 10 Uhr abends
erlaubt oder vielmehr, es wurde auf diese Stunde beschränkt. Handel an diesen Tagen war verboten. Weiterhin zeigt die Verwaltung des
Marktes, daß er immer mehr die Formen des heutigen Marktbetriebes annimmt; es sind bekannte Bilder.

Das Schwinden des ehrwürdigen Marktes hat unser Geschlecht selbst erlebt. Sein großes Ansehen verdankte er bis zuletzt seinem
Hauptvorzuge: DER MARKT IM GLÜSING WAR DURCH ALLEN WANDEL DER ZEIT HINDURCH EIN ALTES SIPPENFEST DER SACHSENMARK GEBLIEBEN.

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Der Markttrubel jüngster Zeit, der als Volksfest wohlgeordnete Markt des 18. Jahrhunderts, die Krise von 1700, das repräsentative
Gaufest des 17. Jahrhunderts, der Umbruch im Gefolge der Reformation, die mittelalterliche Kirchweih mit den alten Volksbräuchen,
das Markthing der hohen Zeit Heinrichs des Löwen, das Thing altsächsischer Zeit, das alles sind Entwicklungsstufen des Glüsinger
Marktes, der ohne Zweifel eine der ehrwürdigsten Erscheinungen verkörpert, die das Volks- und Gemeinschaftsleben der Sadelbande geprägt hat.
 


 

 

 

 

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