Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1929



Die Entwicklung des Bürgerhauses
in Lauenburg an der Elbe seit dem Beginn
des 18. Jahrhunderts.

Von WILHELM HADELER, Berlin.


I.

Wenn wir aus dem heutigen Straßenbilde der Stadt Lauenburg an der Elbe einmal die zahllosen Fernsprech- und Starkstromleitungen beseitigt denken, wenn wir im Geiste einmal all die Umbauten und Veränderungen fortgelassen sehen, die jeder unter uns sogleich als Erzeugnisse der letzten vier bis fünf Jahrzehnte erkennt, was bleibt dann übrig? - - -

Steile Giebel, da und dort ein wenig aus dem Lot geraten, hohe rote Dächer und viel, beinahe nur Fachwerk. Die ganz alten Häuser aus dem 15. und 16. Jahrhundert treten freilich mehr in den Hintergrund, als man nach einem ersten oberflächlichen Blick in die alten Straßen annehmen möchte. Wohl verleiht die Romantik der Vergangenheit, die sie im stärksten Maße verkörpern, dem Straßenbilde an manchen Stellen einen besonderen Zug, das Antlitz der Stadt aber wird durch einen anderen Stil gekennzeichnet, wenn einmal die zunftgerechte Arbeitsweise ehrsamer Handwerksmeister aus längst vergangenen Tagen mit diesem hier etwas hochtrabend erscheinenden Wort bezeichnet werden darf. Da gibt es keine Spruchbänder mehr und keine geschnitzten Knaggen, wie sie noch die Zeit um 1680 liebte, sondern alles ist schlicht und einfach. An die Stelle einer Gliederung durch Schmuckwerk und durch die Raumwirkung der überkragenden Stockwerke ist die Wirkung der Fläche getreten.

Im ersten Hefte dieser Zeitschrift 1) hat der Verfasser die Entwicklung der Architektur des Bürgerhauses in der Stadt Lauenburg bis etwa zum Ende des 17. Jahrhunderts darzulegen versucht. Die
_______________

1) Lauenburgische Heimat Jahrg. 1 , Heft 1 , S. 5.

1929/1 - (1)


1929/1 - 2

vorliegende Arbeit will das damals Begonnene fortsetzen bis in unsere Tage. Die Begrenzung der ersten Arbeit auf die Zeit bis etwa 1700 hatte ihren Sinn zunächst in der rein äußerlichen Tatsache, daß sich um diese Zeit ein sehr auffälliger Wechsel im Baustil der Häuser vollzog, darüber hinaus aber in der gerade in diese Jahre fallenden
grundlegenden Änderung der politischen Verhältnisse unserer Heimat. Im Jahre 1689 starb der letzte Herzog askanischen Stammes im fernen Böhmen zu Reichstadt. Fast bis zu diesem Jahr war die Stadt Lauenburg der bedeutendste Platz, wenn auch seit 1619 nicht mehr die Residenz des kleinen Fürstentums Niedersachsen gewesen. 2) Der eng
merkantilistisch eingestellten Wirtschaftspolitik jener Tage gemäß war sie für den Erwerb ihres Lebensunterhaltes auf sich selbst und auf die sie umgebenden Teile des Ländchens angewiesen. Wenn sich trotz dieser sehr beschränkten Möglichkeiten in den Truhen der Bürger einiges Vermögen ansammeln konnte, so war das der Schiffahrt auf der Elbe und auf dem Stecknitzkanal zu verdanken, an der die Lauenburger einen bedeutenden, monopolartigen Anteil hatten. Mit dem Anschluß an Hannover, einen der mächtigsten der damaligen norddeutschen Staaten, änderte sich das Bild erheblich zugunsten der Stadt, denn alle alten Vorrechte und Privilegien blieben erhalten, - der
neue Herr bestätigte sie ausdrücklich -, und das Wirtschaftsgebiet erweiterte sich beträchtlich. Unter der neuen Herrschaft war dem lauenburger Lande und besonders der Stadt eine rund hundert Jahre dauernde Zeit friedlicher Entwicklung beschieden. Handel und Wandel blühten, und wie jede Zeit des wirtschaftlichen Wohlergehens so fand
auch diese ihren dauernden Ausdruck in der Bautätigkeit der Bürger. In dieser Zeit, dem 18. Jahrhundert, gewann das Antlitz der Stadt Lauenburg das Aussehen, welches es aller geschickt und ungeschickt eingefügten Moderne zum Trotz auch heute noch hat. Es ist freilich nicht mehr möglich, die Entstehungszeit der Häuser so genau festzulegen, wie es bei den im Schriftband datierten älteren Bauten möglich war, aber das wenige, was wir einigermaßen sicher bestimmen können, das reicht vollauf aus, um daran das allmähliche Werden des Heutigen zu zeigen.

Die 2 1/4 Jahrhundert Entwicklung eines verhältnismäßig einfachen Haustyps lassen sich etwa so gliedern: der erste Abschnitt reicht vom Beginn der hannoverschen Herrschaft bis zur Franzosenzeit, der zweite über das Ende der dänischen Herrschaft hinaus bis etwa zum Großen Kriege, und daran schließt sich das, was wir unsere Gegenwart zu nennen gewohnt sind. Der erste Abschnitt ist noch schöpferisch, er ist im Rahmen des Themas der wichtigste; der zweite läßt die Höhe der Leistungen des 18. Jahrhunderts schnell abklingen zu den kümmerlichen Erzeugnissen einer beinahe ganz seelenlosen Zivilisation, er ist Niedergang; im letzten Teile vollständiger Verfall. Eine Wendung zum Besseren kündigte sich dann im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts an; gerade in den kleinen Städten und auf dem Lande begann damals eine Bewegung, welche sich von der Yankeeisierung des Lebens
_______________

2) Mölln kehrte erst 1683 aus der lübschen Pfandschaft unter die Regierung des Herzogs von Lauenburg zurück


1929/1 - 2


1929/1 - 3

abwendet. Sie ist heute, als der Kampf um eine "Kultur des 20. Jahrhunderts", das Motiv des letzten Abschnittes der Gegenwart.

Der Übergang von den Bauformen des 17. Jahrhunderts zu denen des 18. ist am besten an einem Hause zu zeigen, das zwar noch von 1670 datiert ist, in seiner Gestaltung aber unzweideutig auf die kommende Zeit hinweist und deshalb auch ihr zugerechnet werden muß, das Haus Hohlerweg 6 (Abb. 1).
 



Abb. 1 Aufn. Hadeler
Das Haus Hohlerweg 6.

Es zeigt schon die ganze Schlichtheit des Aufbaues, die dreißig, vierzig Jahre später allgemein ist. Das Fachwerk ist sehr regelmäßig ausgebildet, die geringe Unsymmetrie entgeht den meisten Beobachtern. Das Spruchband, einst vorherrschendes Element der geschmückten Schauseite, tritt bei diesem Bau schon erheblich zurück, obgleich es sichtlich mit vieler Mühe gearbeitet worden ist (allerdings hatte der Schnitzer wenig Geschick). Das Erdgeschoß ist möglicherweise erneuert; gewisse, nicht näher zu beschreibende Zeichen scheinen darauf hinzudeuten.

Aus den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts läßt sich kein Bau bestimmt nachweisen, obgleich sicher einige vorhanden sind, denn die Bautätigkeit wird niemals ganz geruht haben. Eine deutliche Stufe zeichnet sich dagegen ab mit der Einführung des Mansardendaches, 3) die in unserer Gegend spätestens um 1750 erfolgt sein wird. Bei dieser Form ist die Fläche des Daches nicht mehr in einer Schräge heruntergezogen, sondern im oberen Teil flacher, im unteren steiler als das alte Satteldach. Diesem gegenüber bietet es den Vorteil eines größeren und günstiger geformten Dachraumes. Sofern er sein Licht nicht vom Giebel her erhalten kann, müssen die Fenster den steilen Teil des Daches entweder in vorgeschleppten Gauben oder in einem Frontispiz durchbrechen. Solche Durchbrechungen beleben besonders freistehende Häuser ganz außerordentlich. Im Mansardendach ist das Zweckmäßige mit dem Schönen so glücklich vereinigt, daß es auch heute noch oft angewendet wird. Als hervorragende Beispiele für den Stil des 18. Jahrhunderts und besonders für das Mansardendach mögen folgende Häuser genannt werden: Elbstraße 10

______________

3) Der Name stammt von dem französischen Baumeister Fran
çois Mansard (1598 -1666).

1929/1 - 3
 


1929/1 -4

(das Haus ist wegen der Enge der Elbstraße nicht gut im Lichtbilde wiederzugeben), ferner das Vorderhaus der Apotheke - in seinem Aufbau ein Muster und Vorbild auch noch für unsere Zeit - , und schließlich das großartigste aller älteren Häuser der Stadt Lauenburg, das Haus des Herrn Sanitätsrat Dr. Vogel, Elbstraße 111 (Abb. 2), das von rechtswegen weit eher das Wahrzeichen der Stadt sein müßte als das bekannte kleine Häuschen am Markt. Es gibt noch viel mehr Bauten, die hier zu nennen wären; wer aufmerksam durch die Straßen wandert, kann sie mit leichter Mühe auffinden.
 



Abb. 2 Aufn. Hadeler
Das Haus Elbstr. 111


Der Aufbau der Häuser in technischem Sinne ist nicht anders als in den Jahrhunderten vorher, nur ein wenig fortgeschritten im Maße der zunehmenden Beherrschung des Baustoffes. Einige zum Teil sogar datierte Zeichnungen aus dem Besitze der Zimmererzunft - jetzt im Museum der Stadt Lauenburg - soviel bekannt, Meisterstücke oder
doch Teile der bei der Meisterprüfung vorzulegenden Arbeiten, gewähren auch dem Nichtfachmanne einen gewissen Einblick in das Technische des Hausbaues vor 150 Jahren. Er war damals noch vorherrschend Zimmermannswerk, das Ausmauern der Wände war nur Füllarbeit. Die tiefste Ursache für diese, uns Heutige bei dem Ton­
reichtum der Lauenburger Gegend etwas seltsam anmutende Erscheinung lag wohl darin, daß bei der damals üblichen Ziegelherstellung, dem Feldbrand, jedesmal nur verhältnismäßig wenig zur Außenmauerung geeignete Steine gewonnen wurden. Und andererseits war das Holz billig! So vermochte sich das Fachwerk zumal auf dem Lande bis tief ins 19. Jahrhundert hinein zu halten, bis endlich die Tonindustrie gute Backsteine in beliebiger Menge zu billigem Preise liefern konnte. Die Konstruktion des Fachwerks ist grundsätzlich ebenso wie früher. In die Satzschwelle, das unten auf dem Fundament aufliegende wage-


1929/1 - 4


1929/1 - 5

rechte Holz, sind die Ständer eingezapft, die oben vom Rähm, einem ebenfalls wagerechten Holz, gehalten werden. Die Querverbindung wird durch Wechsel hergestellt, kurze wagerechte Hölzer, die nur von Ständer zu Ständer reichen. Während man aber ein Jahrhundert vorher die Balken der Decke über das Rähm hinausragen ließ, schneiden sie jetzt mit der Flucht der Wand ab, so daß die Oberschwelle, gleichsam die Satzschwelle des nächsten Stockwerks, genau über dem Rähm des unteren liegt. Dadurch werden die Knaggen der älteren Bauten überflüssig, und die Füllhölzer, die einst ebenso wie die Kanten der Oberschwellen kunstreich mit Taustab und Schuppenmustern verziert waren, sind durch einfache schwach profilierte Bretter ersetzt, hinter denen die Lücken zwischen den Balken wohl meist durch Mauerung
geschlossen sind. Die Streben sind aus der Schauseite ganz verschwunden, nur in den Giebeln oder an den Enden der Vorderseiten steht noch zuweilen je ein schräges Holz, das von der Satzschwelle in das obere Drittel des Eckständers reicht und die Rechtwinkligkeit des ganzen Bauwerks gewährleistet. Die Grundsätze des Ausbaues aufzuzeigen, muß der Verfasser sich aus Mangel an Zeit und Unterlagen versagen; Hier sei nur erwähnt, daß sich alle Räume nach wie vor um die immer noch recht geräumige Diele herumgruppieren. Nur ist jetzt die Treppe sohl schon mehr bewußt als architektonisch wirksames Bauglied aufgefaßt und ausgcwertet, wenigstens zeigt sich das im Hause Elbstraße 111. Der äußere Gesamteindrnck eines Hauses aus jener Zeit, z. B. des in Abbildung 2 wiedergegebenen, und das gilt mehr oder weniger für alle, lautet in kurzer Formel: "Vornehme Einfachheit". Jeder Schmuck fehlt, selbst die Haustür, welche noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts einigen Zierrat aufwies, ist nur
noch durch einfache Rechteckteilung gegliedert. 4) Das Bedachungsmaterial ist wie früher die sogenannte holländische Pfanne, die auch heute noch am allermeisten verwendet wird. Nur die feinsten, teuersten Bauten benutzen den Biberschwanz, 5) und zwar in der Form des Kronendaches. Daß dabei auch geometrisch etwas schwierigere Formen des Daches gemeistert worden sind, ist durch einen Blick von der Oberstadt auf die Unterstadt leicht festzustellen. Es ist sehr bezeichnend, daß man komplizierte Dachkonstrnktionen nur dort anwandte, wo sie sich aus dem Grundriß ergaben, kaum jemals aus spielerischer Freude am eigenen Können!

Einige Beispiele mögen diese Ausführungen erläutern. Das Haus Elbstraße 10 fällt am Westende der Stadt durch seine Größe auf. Es ist zweigeschossig mit etwa 2 m hohem Sockel auf rein rechteckigem Grundriß erbaut. Das Mansardendach hat Zeltform, d. h. keine Giebel. In der Front nach der Elbstraße und in der nach der Elbe ist je ein Frontispiz mit zwei Fenstern eingefügt. Der

_______________

4) Vergl. Lauenb. Heimat Jahrg. 2, Heft 2, Seite 28.
5) Der Biberschwanz ist EBEN; die Fuge zwischen zwei nebeneinander liegenden Ziegeln wird durch einen dritten, der darüber liegt, gedichtet, so daß jede Reihe aus zwei Lagen Dachziegeln besteht. Im Gegensatz dazu greifen die holländischen Pfannen nicht nur von oben nach unten, sondern auch seitlich übereinander.
 

1929/1 - 5


1929/1 - 6

Bau stammt eher aus dem Ende als aus dem Anfänge des 18. Jahrhunderts. An der Elbseite hat man das Holzwerk der Mauern zum Schutz gegen Verwitterung mit Schiefer benagelt; das entstellt ein wenig, aber es stört den vorzüglichen Gesamteindruck - Geschlossenheit und maßvolle Betonung der Wohlhabenheit des Erbauers - auf den jenseits der Elbe stehenden Beschauer nicht nennenswert. Von der Straße kann man leider nur schwer einen ausreichenden Überblick bekommen. - Das Vorderhaus der Apotheke teilt das gleiche Schicksal. Seine vornehme, klare Gliederung kommt in der
 



Abb. 3 Aufn. Dipl.-Ing. Krüger
Das Haus Hamburgerstr. 36.
 

engen Elbstraße nicht zur Geltung und wird zudem noch durch die ziemlich übel "renovierten" Giebel der westlichen Nachbarhäuser stark gedrückt. - Als letztes Beispiel möge noch das Haus Elbstraße 111 genannt werden, das schon erwähnte Haus des Herrn Sanitätsrat Dr. L. Vogel. Es ist ohne Zweifel das großartigste Gebäude, das aus dem 18. Jahrhundert auf uns gekommen ist. Schon seine Größe zeugt vom Wohlstände, um nicht zu sagen, Reichtum des Erbauers. Die günstige Lage an der Stelle, wo sich die Elbstraße unmittelbar hinter dem ehemaligen Ostertor ein wenig erweiterte, ist durch die Gestaltung der Schauseite aufs beste ausgenutzt; der L-förmige Grundriß gestattete eine sehr glückliche Verbindung der Formen des freistehenden Einzelhauses mit denen des Reihenhauses. Für die heutige Zeit ist gerade dieses Haus besonders wertvoll, weil es als einziges sich aus dem richtigen Abstand betrachten läßt. Der Anlegeplatz der Lauenburger Dampfschiffe, kurz als "Dampferplatz" 6) bezeichnet, ge-

______________

6) Der freie Platz, an dem sich heute die Anlegebrücke der Lauenburger Dampfschiffe befindet, ist erst im vorigen Jahrhundert entstanden, als der damalige Besitzer des Hauses, der Bürgermeister Vogel, Elbstraße 111, das Grundstück erwarb - das Haus darauf war abgebrannt - und es der Stadt unter der Bedingung schenkte, daß es während seiner und seines Nachfolgers Lebzeiten ohne ihre Erlaubnis nicht bebaut werden dürfe.

1929/1 - 6


1929/1 - 7

stattet, weit genug zurückzutreten, um das Haus mit einem Blick umfassen zu können. Dabei werden außerdem noch die als Architektur sehr wenig erfreulichen Häuser Elbstraße 113, 115, 117 glücklich vom Zollhause und den davorstehenden Bäumen verdeckt. Statt einer eingehenden Besprechung der Einzelheiten sei auf die Abbildung 2 verwiesen. Leider gibt das Lichtbild nicht die Wirkung des ausgezeichneten Ölfarbenanstriches wieder, der zusammen mit dem reichen Efeubewuchs ein Kabinettstück von architektonischer Wirkung schafft. - Wer mit offenen Augen durch Lauenburgs alte Straßen geht, wird noch manches Gebäude sehen, das hierher gehört und das eigentlich kurz besprochen und abgebildet werden müßte 7) Aber der Raum ist zu
 



Abb. 4 Zeichn. Hadeler
Das Haus Hamburgerstr. 59.


knapp, als daß noch mehr gebracht werden könnte. Immerhin bleibt noch die Aufgabe, einige Häuser zu erwähnen, die aus der gleichen Zeit stammen wie die genannten, aber eine Sonderstellung einnehmen, weil sie ausgesprochene Einzelbauten sind. Sie stehen in der Oberstadt und waren wohl meistens das Besitztum wohlhabender
Ackerbürger oder vielleicht gar landhausähnliche Sommersitze. Es sprich: sehr deutlich für das Wohlergehen der Stadt unter der Herrschaft der Kurfürsten von Hannover, daß in der für die Siedlung nicht sonderlich geeigneten Oberstadt, der Vorstadt "Babenbrügg" - es gab dort nur wenig Wasser - eine ganze Reihe von Häusern entstand. Das älteste ist heute wohl das Haus des Herrn Tischlermeisters Steffens, Hamburger Straße 34, das als einziger älterer Bau zweistöckig ausgeführt ist. Es ist wohl möglich, daß es dem Anfange des 18. Jahrhunderts angehört, denn von den weiter zu besprechenden weicht es etwas ab. Es sieht deutlich "altertümlicher" aus. Das Haus Hamburger Straße 36 (Abb. 3), heute im Be-

_______________

7) Zu nennen sind unter manchen andern: Das Hans Hohlerweg 32, in dem der zweite Pastor seine Dienstwohnung hat, das Hans Elbstraße 29, früher Brauerei Niemann das Haus Neustadt 4, des Herrn Druckereibesitzers Mau, früher Hotel Deutsches Haus.

1929/1 - 7


1929/1 - 8



Abb. 5 Aufn. Hadeler
Das Haus Großer Sandberg 16.

sitz des Herrn Maurermeisters Fischer, gehörte früher als Wohnhaus zu einem größeren Landwirtschaftsbetriebe. 8) Frei vom Zwange der Enge, der die Bürger der "Stadt" in die Höhe bauen ließ, wurde dieses Haus wie alle andern nur einstöckig errichtet; erst die jüngste Zeit hat das Obergeschoß zu einer Wohnung ausgebaut. Es ist schade, daß die Schauseite vor etwa 20 Jahren Fenster mit großen Scheiben erhalten hat. Sie stören das Bild in hohem Maße und fallen um so mehr auf, als beide Giebelwände ihre alten Fenster mit der Sprossenteilung behielten. Die Form des Hauses ist, wie in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts üblich, rechteckiger Grundriß und Mansardendach mit Frontispiz, das Dach an den Giebeln abgewalmt. - Als weiteres Beispiel diene Hamburger Straße 59. Seine Schauseite zeigt das wundervoll regelmäßig gegliederte Fachwerk (Abb. 4); die Gartenseite, welche von der Gartenstraße her gut sichtbar ist, ist mit Holz verschalt, ohne dadurch in ihrer Wirkung irgendwie beeinträchtigt zu sein. Gerade bei diesem Hause zeigt sich die vollendet schöne Wirkung einer einfachen räumlichen Gestaltung des Baukörpers. - Daß auch ganz einfache Häuser aus jener Zeit schön sein können, beweist das Haus Hamburger Straße 46. Es hat die äußere Form des alten Niedersachsenhauses, also keine Mansarde. Leider ist es durch die neuzeitliche Haustür mit ihren fürchterlichen Fenstergittern aus silberbronziertem Gußeisen arg entstellt.

Vor dem endgültigen Verlassen des 18. Jahrhunderts muß noch das einzige Gebäude kurz behandelt werden, in dem das Rokoko in Lauenburg einen bleibenden Niederschlag fand. Es ist ein ganz fremder Vogel im Schwarm. Das Haus selber (Großer Sandberg 16) wird allerdings in seiner technischen Ausführung kaum anders sein als die Zeitgenossen, aber die Schauseite zeigt doch einiges Beachtenswerte (Abb. 5). Die niederdeutsche Seele wußte mit dem Schnörkelwerk eines ihr vollständig fremden höfischen Stils nichts anzufangen; darum lehnte sie es beinahe ganz ab. Nur in den Windfedern und in der Türlaibung kam es noch ein wenig zum Durchbruch. Dabei blieb die Formgebung der erstgenannten denn auch ungeschickt genug. Das Oberlicht
_______________

8) Das ganze, jetzt größtenteils verkaufte Gelände, das der Volksmund "Fischers Koppel" nennt, ist ehemals bei diesem Hause gewesen.
 

1929/1 - 8


1929/1 - 9

über der Tür zeigt allerdings richtiges Rokokoornament, aber das liegt leider so im Dunkeln, daß es von den meisten Beobachtern übersehen wird, obgleich es schon das Anschauen wert ist. Als Ganzes genommen wirkt die Schauseite recht ansprechend, trotzdem sie gegenwärtig ein wenig verwahrlost ist.

 



 


 

 

 

*