Die Arbeitsweise der Floristiken hat in den
letzten Jahren eine bedeutsame Wandlung erfahren. Früher wurden
die gesammelten Pflanzen nach ihren Namen bestimmt, gepreßt und
in einem Herbarium geordnet. Erstrebt wurde eine möglichst
vollständige Sammlung aller in einem Gebiete vorkommenden
Pflanzenarten. Man betrachtete die
Einzelpflanze, herausgenommen aus der Umgebung, in der sie
wuchs, und untersuchte sie auf Bildungsabweichungen, Varietäten
und Formen.
Vom frühsten Mittelalter an bis in die jüngste
Neuzeit hinein verdankt dieser Zweig der rein
systematisch-morphologischen Botanik den zünftigen Botanikern
und vielen Liebhaber-Pflanzenfreunden wertvollste Ergebnisse,
die in der Aufstellung natürlicher Pflanzensysteme und in der
Feststellung des Arten- und Formenbestandes in einem Gebiete
gipfelten. Dieser Zweig der Botanik bleibt selbstverständlich
die Grundlage einer genauen Pflanzenkenntnis und für jedes
weitere Pflanzenstudium.
Heutzutage ist es aber für jemand, der sich nur in den
Mußestunden mit der Pflanzenwelt seines Heimatortes beschäftigen
kann, schwer, auf dem Gebiete der systematischen Morphologie
schöpferisch tätig zu sein, wie es früher möglich war. Die
Wissenschaft geht jetzt mit Arbeitsmethoden an die systematische
Botanik heran, deren Ausführung dem Pflanzenfreund im
allgemeinen verschlossen ist. Mit Hilfe von Vererbungsstudien,
der Zellforschung (Zytologie), insbesondere der
Chromosomenuntersuchung, ferner der Serologie und der Ökologie
(Lehre vom Haushalt der Pflanzen) versucht man heute, die
Verwandtschaftsbeziehungen und Variabilitätserscheinungen der
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Pflanzenarten zu ergründen und vergleicht die auf diese Weise
ermittelten Befunde mit den Ergebnissen der rein morphologischen
Forschungsrichtung.
Infolgedessen sieht heute der ernste Pflanzenliebhaber, sobald er sich genügende
Arten- und Formenkenntnisse erworben hat, recht schnell die Hoffnungslosigkeit
seiner morphologisch-systematischen Betrachtungsweise ein. Er fühlt sich bald
unbefriedigt, und so mancher gibt deshalb feine bisherige Sammeltätigkeit wieder
auf.
Erfreulicherweise ist nun aber zu beobachten, wie fast jeder, der den Mut zum
Sammeln trotz aller Unzufriedenheit nicht verloren hat, geradezu zwangsläufig
auf eine höhere Stufe der Floristik geführt wird. Er betrachtet nicht mehr die
einzelnen Teile der Pflanze, sondern die Pflanzenart innerhalb ihrer Umgebung,
ihrer Beglcitpflanzen und ihrer Standortsbedingungen. Bei dieser
Betrachtungsweise gelangt er von selbst zum Studium der pflanzlichen
Gesellschaftslehre (Pflanzensoziologie), der Lehre vom Haushalt (Ökologie), zur
Pflanzengeographie und -siedlungsgeschichte. Er findet, daß unter ähnlichen
Standortsbedingungen fast dieselben Pflanzenarten sich zu einer Gesellschaft
(Assoziation) zusammenfinden und macht sich andererseits Gedanken über die
Ursache der selbst innerhalb kleinerer Gebiete zu beobachtenden ungleichmäßigen
Verbreitung einzelner Pflanzenarten.
Betrachten wir die Geschichte der floristischen Erforschung des Kreises
Herzogtum Lauenburg, so können wir feststellen, daß schon vor über hundert
Jahren durch die rastlose Tätigkeit von Ernst Ferdinand NOLTE (1791-1875)
die Grundzügs der Pflanzengeographie dieses Gebietes aufgedeckt wurden. Auf
seinen weiten Wanderungen durch Schleswig-Holstein und Lauenburg in den Jahren
1820-1825 konnte es seinen Blicken nicht entgehen, daß die Flora
Lauenburgs von der Holsteins und Schleswigs in bemerkenswerten Punkten abweicht.
In einem erst vor wenigen Jahren aufgefundensn Briefe vom 27.
April 1826 an Dr. Forchhammer in Flensburg äußert sich Nolte über
die pflanzengeographischen Verhältnisse unseres Landes wie folgt: " ...
Überhaupt finde ich doch eine ziemliche Verschiedenheit in der Vegetation der
drei Herzogthümer, so nahe sie auch beisammen liegen. Die östliche Seite des
schönen Schleswigs hat fast eine subalpine Vegetation, die nie so großartig in
den beiden anderen Herzogthümern zu finden ist ... Holstein hat dagegen manches
Gewächs, welches man vergebens in Schleswig und Lauenburg suchen wird ...
Dagegen hat die Lauenburgische Flora einen wirklich südlicheren Charakter auf
der einen, einen recht nordischen auf der anderen Seite ..."
Diese Erkenntnis konnte Nolte nur gewinnen auf Grund der von ihm festgestellten
Verbreitung der einzelnen Arten in unserer Heimat. Seine Verbreitungsangaben
bilden noch heute den Grundstock unserer floristischen Forschung und wurden in
den letzten Jahrzehnten nur zu einem abgerundeten Bilde ergänzt. Leider hat
Nolte in seiner späteren Eigenschaft als Professor der Botanik an der
Universität Kiel seine pflanzengeographischen Anschauungen nicht weiter
entwickelt. Auch alle anderen Botaniker unserer Heimat haben bis in
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die letzten Jahre hinein sich kaum eingehend mit den
pflanzengeographischen Verhältnissen unseres Landes befaßt.
Systematischmorphologische Studien standen bei ihnen eben stets im Vordergrund
ihres Interesses.
Umfassende, seit 1921 vom Verfasser durchgeführte Untersuchungen
der Pflanzenwelt Lauenburgs haben die Grundgedanken, die in den Nolteschen
Worten ausgedrückt sind, vollauf bestätigt. Lauenburg bietet in der
außerordentlich reichen Abwechselung seiner Pflanzengesellschaften eine fast
unerschöpfliche Fundgrube für den Botaniker. Das hohe Elbufer, Buchen- und
Kiefernwälder. Moore, Moorwiesen, Heiden. Seen, Hügel, Sandfelder, Äcker, Weiden
und Knicks liegen hier auf engem Raum in solcher Mannigfaltigkeit beisammen, wie
wir es in diesem Maße weder im benachbarten Mecklenburg noch im Kreise Stormarn
beobachten können.
Es ist nicht allein die stete Abwechselung im Landschaftsbilde, die Lauenburg
vor anderen Gebieten des nordischen Tieflandes so sehr auszeichnet, sondern eine
Erscheinung, die floristisch und pflanzengeographisch von hohem Interesse ist.
nämlich der Reichtum an Pflanzenarten. Endgültige Zahlen lassen sich leider
heute noch nicht
angeben, aber schätzungsweise beträgt die Gesamtzahl der im Kreise vorkommenden
urwüchsigen Arten etwa 7- 800. Schleswig-Holstein und Lauenburg
zusammen haben dem gegenüber nur reichlich 900, wobei für
Lauenburg die geringe Größe des Gebietes sowie der völlige Mangel einer
Küstenflora in Betracht zu ziehen ist.
Wichtiger noch als die absolute Artenzahl der Flora Lauenburgs erscheint mir der
Artenreichtum innerhalb einzelner Pflanzengesellschaften. Das überaus bunte
Bild, das z. B. die Flora eines Knicks, selbst an weniger fruchtbaren Orten
bietet, ist in der Tat bezeichnend für den Kreis. Während in anderen Gegenden
die Krautflora einer Knickstrecke oft nur aus 6-10 Arten besteht,
von denen 1-2 Arten völlig vorherrschend auftreten, ist in den
lauenburgischen Knicks die Zahl der Arten meistens bedeutend höher und das
Mengenverhältnis der einzelnen Arten harmonisch abgestimmt.
Ein Beispiel mag das Gesagte erläutern: Bei Schmilau wurden folgende Pflanzen in
einem Knick gefunden: Stermiere (STELLARIA HOLOSTEA), Gamander-Ehrenpreis
(VERONICA CHAMAEDRYS), Vogel- und Schmalblattwicke (VICIA CRACCA und V.
ANGUSTIFOLIA), Goldnessel (GALEOBDOLON LUTEUM), Rote Lichtnelke (MELANDRYUM
RUBRUM), Ziest (STACHYS SILVATICA), Körnerstcinbrech (SAXIFRAGA GRANULATA),
Teufelsabbiß (SUCCISA PRATENSIS), Rainkohl (LAMPSANA COMMUNIS), Giersch
(AEGOPODIUM PODAGRARIA), Kerbel (TORILIS ANTHRISCUS), Honiggras (HOLCUS
LANATUS), Knaulgras (DACTYLIS GLOMERATA) und Glatter Hafer (AVENA ELIATOR).
Demgegenüber traten an einem Knick bei Neumünster in einem großen Bestand das
Schmalblättrige Weidenröschen (EPILOBIUM ANGUSTIFOLIUM) und daneben die
Geschlängelte Schmiele (AERA FLEXUOSA) und die Jasione (JASIONE MONTANA) auf.
Bei Gettorf im Kreise Eckernförde besetzte hauptsächlich Engelsüß (POLYPODIUM
VULGARE) den Knickwall und ließ nur hier und da Platz für Moschuskraut (ADOXA
MOSCHATELLINA), Rippen-Miere (MOEHRINGIA TRINERVIA), Berg-Weidenröschen
(EPILOBIUM MONTANUM) und Männlichen Wurmfarn (ASPIDIUM FILIX MAS).
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Man erkennt aus diesen Artenlisten zugleich, wie
farbenfreudig das Vegetationsbild eines Lauenburger Knicks im allgemeinen wirkt,
wie eintönig und matt dagegen oft in Holstein und Schleswig. Selbstverständlich
kommen hier wie da Ausnahmen vor. Der Gegensatz ist aber so auffällig, daß ihn
der in unserer Heimat weit gewanderte
Naturfreund bald bemerkt. Es würde natürlich von hohem Interesse sein, durch
eine in allen Teilen des Gebietes mit den modernen Methoden der Soziologie
durchgeführte Untersuchung auch in anderen Pflanzengesellschaften, in denen wir
z. T. ähnliche Beobachtungen feststellen können, diese Erscheinung statistisch
zu erfassen. Eine derartige Untersuchung erfordert naturgemäß viel Zeit und
Arbeit, würde aber, da dadurch gerade die häufigeren Arten, die z. T. das
Landschaftsbild mit bestimmen, erfaßt werden, für die Heimatkunde des Kreises
Lauenburg einen wertvollen Beitrag bedeuten.
Über die genauere Verbreitung der häufig vorkommenden Arten sind wir bis heute
leider noch recht schlecht unterrichtet, weil diese Pflanzen bisher fast nur
Interesse boten, wenn Formenabweichungen vorlagen. Dagegen hat der fast stets
zum Seltenheitsjäger werdende Sammler frühzeitig zerstreut oder selten
auftretende Pflanzen mit denen
schon bekannter Fundorte verglichen. So erklärt es sich, daß wir heute über die
Verbreitung der selteneren Arten viel besser Bescheid wissen als über die
häufigeren.
Das Aufsuchen von Seltenheiten hat im Kreise Lauenburg seine besonderen Reize,
weil es hier meist von einem ungewöhnlichen Erfolg gekrönt ist. Von den etwa
1060 in Schleswig-Holstein und Lauenburg urwüchsig und eingebürgert
vorkommenden Pflanzenarten verläuft die Verbreitungsgrenze von nicht weniger als
etwa 160 Arten = 16-17 % durch Lauenburg oder doch
kurz westlich dieses Kreises. Mit anderen Worten: Wir begegnen in unserer Heimat
160 Arten ausschließlich oder vorwiegend in Lauenburg. Das ist
eine außerordentlich hohe Zahl, wie wir sie auf so engem Gebiet nirgends im
norddeutschen Tiefland wieder beobachten. Es dürfte ohne weiteres klar sein, daß
dieser Erscheinung eine hohe pflanzengeographische Bedeutung zukommen muß.
Bevor wir jedoch die Ursachen dieses Problems untersuchen, wollen wir noch ein
wenig näher auf die Pflanzen eingehen, die in Lauenburgs Flora eine so
bemerkenswerte Rolle spielen. Auf Grund ihres Verbreitungsbildes lassen sich die
160 Arten in 4 Gruppen einteilen. Die erste Gruppe
umfaßt Arten, die in ihrem Vorkommen bei uns auf den Kreis Lauenburg beschränkt
sind oder deren Verbreitungsgrenze kurz westlich von diesem Kreis verläuft. Es
sind 54 Arten, Vertreter sehr verschiedener Pflanzenfamilien und
Glieder fast aller Formationen; es sind ferner Pflanzen, die ihrer
Florenzugehörigkeit nach sehr verschiedenen Gruppen angehören, z. B. den
Allerweltspflanzen, den Zirkumpolaren, dem atlantischen, pontischen,
mediterranen, borealen und mitteleuropäischen Element. Schließlich sind es z. T.
alteingesessene Bürger unserer Flora, z. T. Neuankömmlinge. Wegen dieser großen
Verschiedenheit ist eine befriedigende Gruppierung nicht möglich. Diese Tatsache
erscheint beachtenswert und deutet
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daraufhin, daß ein ziemlich allgemein wirkender Faktor der
westlichen oder nordwestlichen Weiterausbreitung dieser Pflanzengruppe ein Ziel
setzt.
Der in Bergwäldern besonders heimische, bei uns häufig in Gärten gezogene echte
Sturmhut (ACONITUM NAPELLUS) wächst in ungeheuren Massen auf den feuchten Wiesen
der Schlucht, die sich von Hornbek bis ins Tal des Elbe-Trave-Kanals hinzieht.
Die Umstände, unter denen diese hübsche Pflanze hier auftritt, lassen durchaus
den Eindruck der Urwüchsigkeit erkennen. Wenngleich Hornbek, abgesehen von einem
kürzlich bei Lübeck nachgewiesenen Vorkommen, der einzige Fundort des Sturmhuts
auf der ganzen Cimbrischen Halbinsel ist, so sprechen doch auch
pflanzengeographische Gründe dafür, das Auftreten dieser seltenen Pflanze hier
als wild anzusprechen. Denn sie findet sich jenseits der Ostsee, wie manche der
zu dieser und zu den folgenden noch zu besprechenden Gruppen gehörigen Pflanzen,
in Schweden von Schonen bis Dalarne und Sörmland urwüchsig wieder.
Ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Wassernuß. Sie wurde 1768
in der Delvenau bei Lauenburg von dem braunschweigischen Hofmedikus TAUBE
entdeckt, in der Folgezeit aber trotz eifrigen Suchens nicht wieder gefunden,
bis vor einigen Jahren der betagte, noch heute in Stadt Lauenburg ansässige
Schiffer Christian BOLLHORN, ein
tüchtiger Pflanzenkenner, berichtete, er habe in seiner Knabenzeit die Nüsse,
"Timpenstuten", aus der Delvenau gefischt und gegessen. Bei dem Bau des
Elbe-Trave-Kanals sei dann die Wassernuß hier ausgerottet worden. Heute ist die
Pflanze in Lauenburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Dänemark ausgestorben.
Der nächste Fundort liegt jetzt bei Magdeburg. Früher war die Wassernuß, wie man
aus den Funden fossiler Nüsse weiß (übrigens heute noch am hohen Elbufer bei
Lauenburg zu finden), viel weiter nach Norden verbreitet und hat sich hier bis
heute nur noch bei Immeln in Schonen gehalten.
Es würde zu weit führen, alle in die erste Gruppe gehörigen Pflanzen hier näher
zu behandeln. Verwiesen sei deshalb auf meine ausführliche Darstellung in
"Nordelbingen" Bd.V, 2, 1927 (Verlag:
Kunstgewerbemuseum Flensburg) und auf die demnächst erscheinende, zusammen mit
Willi Christiansen bearbeitete "Pflanzengeographie von Schleswig-Holstein und
Lauenburg" (Verlag: Fischer, Jena). Erwähnt seien aus der Liste nur kurz: Der
Schwimmende Froschlöffel (ALISMA NATANS), die Wiesen- und Pfirsichblättrige
Glockenblume (CAMPANULA PATULA und C. PERSICIFOLIA), die Zypressen-Wolfsmilch
(EUPHORBIA CYPARISSIAS), die seit einigen Jahrzehnten entlang den
Eisenbahndämmen langsam in unser Gebiet einwandert und in Lauenburg schon
ziemlich verbreitet ist, ferner die Spurre (HOLOSTEUM UMBELLATUM), ebenfalls ein
Neueinwanderer, der Porst (LEDUM PALUSTRE) (Abb. 1), ein
boreal-alpiner Kleinstrauch, der aus den Lauenburgischen Mooren in riesigen
Beständen auftritt, die auf "pontischen" Hügeln vorkommende Kuhschelle
(PULSATILLA PRATENSIS) und viele andere mehr.
Sogar zwei Bäume gehören dieser Gruppe an, die Niedrige Birke (BETULA HUMILIS)
und die Kiefer (PINUS SILVESTRIS). Die niedrige
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Abb. 1.
Phot. DR. Emeis, Flensburg.
Der Porst (LEDUM PALUSTRE) auf dem Salemer Moor.
Birke, die in wenigen Exemplaren gleichzeitig in einem Bastard
mit der Weiß-Birke (BETULA PUBESCENS) auf den Moorwiessn bei Göttin am
Elbe-Trave-Kanal auftritt, kommt heute in vier völlig getrennten
Verbreitungsgebieten vor, die früher sicher miteinander in Zusammenhang
gestanden haben: in den Alpen, in Mittelrußland und Norddeutschland, im Ural und
vom Altai bis zu den Aleuten. Der Fundort bei Göttin ist der westlich am
weitesten vorgeschobene des russischnorddeutschen Verbreitungsgebietes.
Die Kiefer war in einem frühen Abschnitt der Nacheiszeit, als das heutige
Ostseebecken infolge bedeutender Landhebungen vom Weltmeer abgeschnitten war und
breite Landbrücken von Schleswig-Holstein über die dänischen Inseln und von
Pommern über Bornholm nach Skandinavien bestanden (sog. Ancylus-Zcit), in
unserer Heimat
der herrschende Waldbaum. In den dieser Zeit angehörenden Moorschichten findet
man zahllose Reste der Kiefer, Pollen. Zapfen und Baumstümpfe. Durch den
Eintritt eines feuchten und warmen Seeklimas und die Einwanderung der Eiche
wurde die Kiefer mehr und mehr verdrängt und ist heute in Dänemark und im
größten Teil von Schleswig-Holstein völlig verschwunden. Einzelne Vorkommnisse
der Kiefer sind hier auf künstliche Anpflanzung oder auf gelegentliche Ansamung
aus jüngeren Aufforstungen zurückzuführen.
Im Kreise Herzogtum Lauenburg ist die Kiefer noch heute ein oft in größeren
Beständen auftretender Baum. Die Häufigkeit ihres Vorkommens, das eigenartige
Landschaftsbild, das die Kiefer z. B.
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Abb. 2.
Phot. DR. Emeis, Flensburg.
Das Salemer Moor.
auf dem Salemer, Lehmrader und Königsmoor (Abb. 2)
bietet und wie wir es kaum anderswo in Schleswig-Holstein beobachten, sowie das
Auftreten einiger im mittleren und östlichen Norddeutschland an Kiefernwald
gebundener Pflanzen, der sog. Kiefernbeglciter, alles dies bewog schon die
Botaniker im Ausgang des vorigen Jahrhunderts,
die Kiefer in Lauenburg als einheimischen Baum anzusprechen. Auf Grund amtlichen
Erhebungsmaterials sowie ergänzender statistischer und forstgeschichtlicher
Studien über die Horizontalverbreitung der Kiefer kam jedoch DENGLER 1904
zu dem Ergebnis, daß das Vorkommen dieses Baumes in Schleswig-Holstein und
Lauenburg künstlich ist und daß die Westgrenze der Kiefer etwa von Wismar an der
Lübecker Bucht in südlicher Richtung über Hagsnow zur Elbe verläuft und dann im
wesentlichen dem Laufe dieses Stromes bis zur Mündung der Saale folgt.
Die von Dengler festgestellten Ergebnisse treffen sicherlich zu, beziehen sich
aber meines Erachtens nur auf die auf Sandboden auftretenden Kiefernwälder,
nicht dagegen auf die Kiefernbestände, die den Lauenburgischen Mooren ein so
charakteristisches Gepräge verleihen. Sie erwecken hier völlig den Eindruck der
Urwüchsigkeit, und das
Landschaftsbild eines Lauenburgischen Kiefernmoores ähnelt so sehr manchem
Moortypus der Mark Brandenburg, daß Spuren menschlichen Einflusses (abgesehen
von kürzlich begonnenen Entwässerungsanlagen) nicht zu beobachten sind. Ferner
nehmen in der Lauenburgischen Moorflora der Porst (LEDUM PALUSTRE) (Abb. 1)
und die
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Rauschbeere (VACCINIUM ULIGINOSUM) eine so herrschende
Stellung ein, während Charakterpflanzen des atlantischen Moortypus in Lauenburg
wie z. B. der Gagel (MYRICA GALE), die Krähenbeere (EMPETRUM NIGRUM), die
Glockenheide (ERICA TETRALIX), die Ährenlilie (NARTHECIUM OSSIFRAGUM) und die
Rasensimse (SCIRPUS CAESPITOSUS) so sehr zurücktreten oder gar fehlen, daß man
nicht glauben kann, daß dieses Moorbild erst in jüngerer Zeit durch den Menschen
geschaffen worden ist.
Der exakte Nachweis für die Urwüchsigkeit der Kiefer auf den Lauenburgischen
Mooren erscheint nur möglich durch eine paläontologische Untersuchung
zahlreicher Bohrproben, wie sie zur Zeit von KOPPE und KOLUMBE zur Klärung
dieser Frage durchgeführt wird. Hierbei müßten sich Kiefernreste in bedeutender
Menge bis in die
obersten Moorschichten hinein finden lassen.
(Fortsetzung folgt.)
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