Die mittelalterlichen Städte waren infolge
der damaligen Wirtschaftsweise auf ein gewisses Gebiet eigenen
Grundes angewiesen. Meist in unmittelbarer Nähe der Stadt
gelegen, vor ihren Toren oder rings um ihre Mauern, war diese
städtische Feldmark ein Gemeingut, das der Bevölkerung die
primitiv notwendige, tägliche Nutzung an Weideland, Ackerflur,
Wald und Wasser bot.
Weit über diese Grenzen hinaus
geschah ein weiterer Eingriff in das umliegende flache Land
dadurch, daß die mancherlei kirchlichen Korporationen und das
reiche Bürgertum durch Ankauf großer Landkomplexe diese
wirtschaftlich mit der Stadt verbanden.
Zu diesen beiden
Dingen, Ausbildung der gemeinen Feldmark und privater Erwerb von
Liegenschaften als wesentlich wirtschaftlichen Vorgängen, trat
bei einer Reihe mächtigerer Städte eine dritte, politisch
bestimmte Form der Ausweitung: die städtische
Territorialpolitik, die Teile der benachbarten
Landesherrschaften unter das Regiment der Stadt zu bringen
suchte.
Schauen wir auf Lübeck! - das Muster einer echten
Handelsstadt, lebend und herrschend durch den hier zentrierten
Fernhandel des nördlichen Europa. Aber auch in diesem Leben und
Herrschen immer bedroht, solange sein Handel fremdem Zugriff
offen lag. Machiavellis Wort von dem republikanischen
Staatswesen, dem "aus der Belästigung durch andere die Lust und
die Notwendigkeit zu erobern" entspringt, trifft hier wirklich
zu: die Notwendigkeit, für die vornehmsten Interessen der Stadt:
Handel, Verkehr und ihre Sicherheit mit völlig eigener Kraft
einstehen zu müssen, und die Lust (schöpferisch und böse - aber
niemals zu negieren), der wirtschaftlichen und politischen
Machtfülle, die dem Lübeck des späten 13. und des
14.
Jahrhunderts eignete, einen sichtbarlichen Ausdruck zu schaffen,
das waren die Triebfedern, die die lübische Expansion des 14.
Jahrhunderts entstehen ließen.
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Es galt, eine systematische Sicherung des
Handels anzubahnen durch Erwerb von Stützpunkten in den
fürstlichen Territorien, die geeignet waren zum Schutz der
Straßen, zum Niederhalten des Raubwesens und - nicht zum
geringsten - zur Organisation des Handels selbst.
So
gesehen, bildet die lübische Territorialpolitik des 14.
Jahrhunderts einen zusammenhängenden Strang in der politischen
Betätigung der Stadt, ist sie ein sehr planmäßig aufgebauter
Teil ihrer Gesamtpolitik, der in der Größe seiner Konzeption und
in der Durchführung als ganz außerordentlich zu werten ist.
Der Pfanderwerb Segebergs durch Lübeck im Jahre 1342 gab den
Anstoß. Wohl geschah er noch mit einer gewissen Zufälligkeit aus
einer konkreten Kriegssituation heraus, in die Lübeck und anders
Städte nach dem Tode Gerhards des Großen von Holstein zu dessen
Nachfolgern geraten waren. Doch war dies ein erster Schritt auf
einem Wege, der in die Zukunft wies und eine politische Methode
zeigte, die entfaltungsfähig war.
Und die
gesamtpolitische Situation Lübecks jener Zeit ermöglichte
solches Weitergehen, erforderte direkt den territorialen Erwerb
als eine neue politische Methode. So richtig es ist, den Anlaß
und EINE dauernde Triebkraft für diese Politik in der DEFENSIO
COMMUNIS STRATE REGIE zu sehen, so muß man sie aber doch in das
Gesamt der politischen Beziehungen hineinstellen und im
Falle Lübecks erkennen, daß sie die Konsequenz aus dem
prachtvollen wirtschaftlichen Aufstieg des letzten
Halbjahrhunderts war. Hinter ihr stand ein ungemeines,
konstruktiv-politisches Denken. Dabei war alles durchaus aus dem
Eigenen zu entwickeln und durchzusetzen. Stand doch selbst ein
so kluger Förderer der Städte in ihren Wirtschaftsinteressen wie
Karl IV. einer städtischen Eigenpolitik entschieden entgegen und
wies sie auf die Landfriedenspolitik.
Aber! eine wirksame
Landfriedenspolitik zu treiben, bedurfte es über Einung,
gelegentlichen Kriegszug und Burgenbrechen hinaus einer
massiveren Unterlage. So gingen DOCH die großen
wirtschaftspolitischen Wünsche Lübecks und die notwendige
Landfriedenssorge eine Verbindung ein, die, um nicht beide
völlig bedeutungslos verlaufen zu lassen, einen starken
Machteinsatz erforderte.
Die Auswirkung war, daß Lübeck
in einem Zeitraum von anderthalb Jahrzehnt zu Segeberg hinzu
sich in den Besitz der verkehrspolitisch für es wichtigsten Orte
und Gebiete setzte. Die LübeckLüneburgische Straße wurde durch
Mölln (1359) beherrscht, die Ostsee-Nordseestraße Lübeck-Hamburg
durch Oldesloe und Trittau (1375), der Anfall der Herrschaft
Bergedorf stand vertraglich fest (seit 1370), und das nordische
Wirtschaftsgebiet war in seinem Zentrum: Schonen gepackt durch
gemeinhansisches Handeln (1370).
Es scheint uns
unmöglich, in diesen Geschehnissen von 1359 bis
1375 eine Summe
zufällig sich ergebender Einzelaktionen zu sehen, vielmehr
meinen wir, daß sie auf eine einheitliche Konzeption
zurückgehen, auf einen Gesamtplan, der aus wirtschaftlichen
Notwendigkeiten geboren, von der Stadtregierung getragen und
durchgeführt
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wurde; freilich - ohne daß es möglich wäre,
diese Politik mit Sicherheit auf einzelne Männer zurückzuführen.
Als Quellenmaterial haben wir nur die das jeweils Vollendete
angebenden Vertragsurkunden, es fehlen uns Protokolle in der Art
der Hanserezesse, die das Geschehen so lebendig im Fluß zeigen
und auch die politisch Handelnden hervortreten lassen. Für die
Territorialpolitik bleiben wir fast ganz in der Sphäre der
Anonymität, nicht Einzelmenschen sind zu fassen, sondern der Rat
als Vertreter des gesamten Gemeinwesens erscheint als ihr
Träger.
*
Im Folgenden müssen wir uns auf die
Auswirkung der lübischen Territorialpolitik auf das benachbarte
lauenburgische Gebiet beschränken.
Die Stelle geringsten
Widerstandes gegenüber einer lübischen Expansion war im 14.
Jahrhundert zweifellos das Herzogtum Lauenburg.
Gegen
Ende des 13. Jahrhunderts war es aus der Teilung des askanischen
Sachsen in die beiden Linien Lauenburg und Wittenberg
hervorgegangen. Nach dem Tode Johanns I. von SachsenLauenburg
regierten zunächst seine drei Söhne gemeinschaftlich, doch bald
kam es zu Zwist und weiterer Unterteilung, wobei dem ältesten,
dem blinden Johann, nur die Herrschaft Mölln und ein Anteil am
Lande Hadeln verblieb, während die jüngeren Brüder zusammen das
übrige Lauenburg und Hadeln behielten. Johanns einziger Sohn
war Albrecht IV., der zugleich durch seine Mutter ein Neffe
Gerhards des Großen von Holstein war. Infolge einer Einmischung
Gerhards wurde er sofort nach seines Vaters Tode 1320 zu einer
Anspruchserhebung seinen Oheimen gegenüber gedrängt mit dem
Erfolg, daß ihm vier Kirchspiele abgetreten wurden. "Das müssen
die die Herrschaft Bergedorf bildenden Kirchspiele Bergedorf,
Curslack, Altengamme und Geesthacht gewesen sein, die sich erst
von nun an im Besitz der älteren Linie des Hauses
Sachsen-Lauenburg befinden" 1). Bis zum Aussterben dieser
älteren Linie im Jahre 1401 haben wir also Mölln-Bergedorf und
Lauenburg-Ratzeburg im Herzogtum Lauenburg zu
unterscheiden. -
Mölln-Bergedorf war von dem
holsteinischen Gerhard in hohem Grade abhängig. Dieser streckte
seinem Neffen mehrfach große Summen vor und erwarb dafür,
UNGEACHTET EVENTUELLER RECHTE DER RATZEBURGISCHEN LINIE
den vollen BesitzANSPRUCH auf das Mölln-Bergedorfische
Territorium im Fall eines erbenlosen Todes Albrechts IV. 2).
_______________
1) Hans Kellinghusen, Das Amt
Bergedorf; Ztschr. d. V. f. hamburg. Gesch. Bd. 13 (1908) S .
218, datiert die tatsächliche Trennung auf 1295.
2) 1322
(Hasse III. 485) erhielt Albrecht IV. 6000 mr. löt. Silbers von
Gerhard und verpfändete ihm dafür die Stadt Mölln und seine
ganze Herrschaft to besittende unde to beholdende. 1330
(Hasse III. 716), als Gerhard neuerdings 10
000 mr. löt. Silb. als
Mitgift bei der Wiederverheiratung von Albrechts Mutter
Elisabeth mit König Erich von Dänemark hergab, wurde ihm
nochmals ein Pfandbrief ausgestellt, diesmal auch über
Bergedorf. Wären beim Tode Albrechts aber Kinder als rechte
Erben vorhanden, so ne schal greve ghert unde sine erven us
nicht be weren noch panden an unser herschap unde lande.
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Als dieser 1343 starb, hinterließ er aber drei
Söhne, Johann III., Albrecht V. und Erich
III.; ein Anfall des
Landes an Holstein stand also nicht in Frage. Johann starb schon
1356, Erich III. war geistlichen Standes, hatte aber an der
Regierung teil und führte sie seit 1370 allein.
Das
Territorium war klein; es umfaßte die beiden Herrschaften Mölln
und Bergedorf, den halben Sachsenwald und einen, praktisch
geringwertigen, Anteil an Hadeln. Dabei war eine
unverhältnismäßig hohe Schuldenlast zu tragen. Der bisherige
Geldgeber, Holstein, war in den Jahren des politischen Anstiegs
König Waldemars nicht in der Lage, weitere Mittel für eine doch
nur eventuelle Gebietserweiterung im Süden anzuwenden; vielmehr
können wir denken, daß es drängte, seine früher geliehenen
Summen zurückzuerhalten. -
Wie stand nun der lübische Rat
den lauenburgischen Verhältnissen gegenüber? In einer Urkunde
Kaiser Karls IV. für Lübeck von 1367 März
12. heißt es, daß
Herzog Albrecht IV. von MöllnBergedorf "euch befolhen hat an
seinem letztem ende, daz ir die kinder vnd ir herschafft
bewaren soldet". Offenbar hatte Albrecht befürchtet, daß die
Schauenburger unter Hinweis auf ihre Pfandbriefe seinen
jugendlichen Söhnen rigoros begegnen, ihnen ihre Herrschaft ganz
oder teilweise nehmen würden und hatte dagegen Lübecks
Einschreiten sich versprechen lassen. Was er aber keinesfalls
vermuten konnte, war, daß gerade Lübeck, woran es die
Holsteiner hindern solle, selbst auszuführen sich anschickte!
Lauenburg hatte für die Ostseestadt die Bedeutung eines
ausgesprochenen Durchgangslandes. Die für den lübischen Handel
so ungeheuer wichtige lüneburgische Straße ging von der Grenze
der städtischen Mark bis zur Elbe hin ganz durch lauenburgisches
Gebiet (beider Linien) hindurch; von Lübeck aus in südlicher
Richtung über Krummesse-Gr. Berkenthin-Hollenbek-Behlendorf nach
Mölln, von dort über
Alt-Mölln-Breitenfelde-Woltersdorf-Hornbek-Roseburg-Siebeneichen-Pötrau-Lütau-Schnakenbek
nach Artlenburg a. Elbe und jenseits des Stromes über
Lüdershausen und Brietlingen nach Lüneburg. Auf dieser Straße
spielte sich nicht nur der umfangreiche Verkehr zwischen
Lüneburg und Lübeck ab - man denke an den Wert und die Größe
allein des lüneburgischen Salzhandels mit den Ländern des
Ostseeraumes -, sondern zugleich war sie Träger der gesamten
lübischen Verbindungen mit dem deutschen Westen und Süden. Von
Lüneburg aus ging der weitere Weg über Minden-Dortmund oder über
Hannover-Hameln bzw. Göttingen nach Köln und Frankfurt und über
Braunschweig-Magdeburg nach Nürnberg. Auch eine der
Lübeck-Hamburg-Straßen lief teilweise durch lauenburgisches
Land; zwar nicht die wichtigere, die über Oldesloe führend ganz
im Holsteinischen blieb, sondern eine geringere, die vor allem
im 15. Jahrhundert recht in Aufnahme kam; sie folgte bis Gr.
Berkenthin der Lüneburger Straße in Lauenburg, ging dann aber
über Sandesneben und Trittau auf Hamburg.
Der
bedeutendste Ort in Lauenburg war an sich und auch für Lübecks
Interessen das Städtchen Mölln, wichtig als Zollstelle und
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Umschlagsplatz für Massenwaren, denn hier begann bzw. endete
die Stecknitzfahrt zwischen Mölln und Lübeck. Wenn die lübische
Territorialpolitik die Sicherung der großen Verkehrsstraßen
durch ihre Beherrschung bezweckte, dann mußte Mölln bei diesem
Plan ein hervorragendes Glied sein.
Unter solchem Aspekt
wandelte sich das Protektorat der Handelsstadt über die jungen
Mölln-Bergedorfer Herzöge leicht um in ein Verhältnis, durch das
sie die Fürsten von sich abhängig machte und ihr Territorium
selbst übernehmen konnte. Es ist nicht zu ersehen, wer zur
ersten Annäherung den unmittelbaren Anstoß gab, sei es, daß
allgemeine Geldnot oder eine Bedrängung durch die holsteinischen
Grafen die Herzöge zu Lübeck führte, sei es, daß der Rat in
klarer Kenntnis der lauenburgischen Finanzverhältnisse die Zeit
gekommen glaubte und seinerseits Vorschläge machte ... genug,
man verhandelte und kam 1339 April 14. zur Einigung.
Das
Vertragswerk besteht aus drei Urkunden. Danach verkauften die
Herzöge Albrecht und Erich für 9737 1/2 mr. den. dem lübischen
Rat ihre Stadt und die Herrschaft Mölln, derart, daß das ganze
Gebiet in Zukunft unter Lübecks Hoheit stand. Sie übergaben es
CUM OMNI IURE ET JUDICIO, verzichteten auf ihre CURIA
HABITACIONIS in Mölln, auf eine Rente von 40 mr., die der
möllnische Stadtrat jährlich zu leisten hatte, und auf den
dortigen Zoll, der an keinem anderen Orte neu errichtet werden
durfte. In alle ihre landesherrlichen Rechte trat der Rat von
Lübeck ein.
Dieser reguläre Verkauf bedeutete also eine
Veräußerung, die viel weitergehend in die Existenz des kleinen
Herzogtums eingriff als die früher geschehenen Verpfändungen an
Holstein. Nur ein Vorbehalt wurde jetzt gemacht, der aber bei
der Lage der Dinge von Lübeck verhältnismäßig leichtgenommen
werden durfte: die Herzöge reservierten sich das
Reemptionsrecht, konnten ihr Gebiet in Teilen oder im ganzen zu
jeder Zeit zurückerwerben, jedoch - und das war wieder die
sichernde Klausel für Lübeck - nur für sich selbst und
keinesfalls zu Nutz und Frommen einer dritten Partei. Soweit die
Haupturkunde.
Die beiden anderen Abmachungen gaben noch
Einzelregelungen: 1. Lübeck sollte nicht mehr als
940 mr.
jährliche Hebungen aus Stadt und Vogtei Mölln für sich selbst
und zur Sicherung der Straßen und des gemeinen Friedens
einziehen (überhaupt geschah die ganze Aktion unter diesem
Stichwort PROPTER DEFENSIONEM TERRE NOSTRE ET COMMUNIS STRATE
REGIE!) 2. Kam diese Summe in einem Jahre nicht oder nur
teilweise ein, so konnte der Ausfall durch erhöhte Steuern in
den folgenden Jahren gedeckt werden. 3. Alle Untertanen in der
Herrschaft (VASALLI IN TERRA, CIVES IN MOLNE ET RURENSES IN
VILLIS) blieben in ihrem herkömmlichen Rechtsverhältnis
erhalten. 4. Die Instandhaltung der Möllner Schleuse fiel den
Herzögen zur Last, und an den Zolleinkünften bei der Schleuse
wurden sie zur Hälfte beteiligt.
Sofort trat Lübeck sein
neues Besitztum an. Schon am 25. April leistete der Möllner
Stadtrat dem lübischen die Huldigung en to holdende vnd en truwe
vnd holt to wesende, alse vsen rechten heren. Und im Herbst gab
der in der Herrschaft ansässige Adel eine
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vorläufige Gehorsamsverpflichtung ab, die im
nächsten Jahre durch eine förmliche Huldigung erweitert wurde.
Die versprochene VERA OBEDIENCIA war gleich an der Bestimmung,
von sich aus keine Fehden und Kriegszüge gegen irgendjemanden zu
führen, zu bewähren! Auf Dienstverpflichtungen, die den adligen
Herren aus ihrem Grundbesitz außerhalb der Möllner Vogtei
erwuchsen, hatte Lübeck natürlich keinerlei Einfluß; ebensowenig
war nun etwa die lehnsrechtliche Bindung an die lauenburgischen
Herzoge fortgefallen, vielmehr trat deren Lehnsherrlichkeit auch
jetzt noch in ihren Konsenserklärungen bei allen
Landveräußerungen Adliger hervor.
Es ist noch der Umfang des neuen lübischen
Territoriums, der Herrschaft und Vogtei Mölln, DOMINIUM ET
ADVOCATIA QUE AD OPIDUM MOLNE PERTINENT, klarzustellen. In
dem langwierigen Prozeß Lauenburg contra Lübeck über die
Rückgabe der Vogtei, der sich vom 16. bis ins
18. Jahrhundert
hinschleppte, stiftete die Unsicherheit über diesen Punkt
erhebliche Verwirrung. 1667 war Lübeck vom Reichskammergericht
zur Herausgabe der STADT Mölln gegen Erstattung der Pfandsumme
durch den Herzog von Lauenburg verurteilt; als dies 1683 erfolgt
war, beanspruchte man aber weiter die ADVOCATIA und das
DOMINIUM. Eine stattliche Zahl von Streitschriften 3) suchte die
Standpunkte beider Parteien zu verteidigen. In den
lauenburgischen Schriftstücken wurden mehrfach die als zur
Vogtei Mölln gehörig beanspruchten Dörfer
zusammengestellt; wenn ihre Zahl im einzelnen auch differiert,
so wird doch deutlich, daß man eine klare Vorstellung von der
Größe des 1359 an Lübeck gekommenen Gebiets nicht mehr hatte,
vielmehr so ziemlich allen lübeckischen Besitz in Lauenburg zu
Mölln gehörig glaubte. Tatsächlich ist dadurch, daß zwischen dem
Erwerb der Hoheit über die Vogtei und den besonderen Landkäufen
lübischer Bürger und des Rates - teilweise in Gegenden, die
nicht zur ursprünglichen Herrschaft Mölln gehörten! - zu
unterscheiden ist und infolge der späteren verwaltungsmäßigen
Zusammenfassung der Gebiete durch Lübeck, eine solche Unklarheit
leicht möglich. Doch läßt sich noch aus den Verhältnissen des
14. Jahrhunderts ziemlich genau der Umfang des 1359 übernommenen
Gebietes rekonstruieren.
Es grenzte im Süden und Osten an das
Territorium der ratzeburgischen Linie, im Westen an die
Grafschaft Holstein und erstreckte sich von Mölln aus nordwärts
bis an die Lübecker Landwehr. Kronsforde (a. d. Stecknitz) war
der nördlichste Punkt. Die Grenze gegen Holstein ging von
Trenthorst in südlicher Richtung über
Wulmenau-Steinhorst-Sandesneben, so daß Schenkenberg, Grinau,
Siebenbäumen, Kastorf, Klinkrade, Labenz und Lüchow noch zur
Möllner Herrschaft gehörten. Die Abgrenzung gegen das übrige
Lauenburg (Ratzeburg) läßt sich mit Hilfe der fürstlichen
Verkaufs- und Konsensurkunden in dem Zeitraum, wo ratzeburgische
und möllnische Linien nebeneinander bestanden, feststellen. Da
zeigt sich, daß von Mölln _______________
3)
Verzeichnis der sämtlichen Streitschriften, welche
lauenburgischer und lübecker Seits in den beiden Prozessen wegen
Mölln und Bergedorf von 1670 an im Druck erschienen sind ... in:
Arch. d. V. f. d. Gesch. d. Herzogtums Lauenburg, 6. Bd.
1899, S
. 47-88.
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nordwärts bis Lübeck der Stecknitzfluß die Grenze
bildete. Der ganze Landstreifen zwischen dem Ratzeburger See und
der Stecknitz gehörte zur Herrschaft Ratzeburg. So erscheinen
unter der Hoheit Erichs IV. von Ratzeburg-Lauenburg stehend:
1392: Behlendorf, Giesensdorf und Anker, ebenso Berkenthin;
1382: Albsfelde; 1383: Harmsdorf;
1391: Gr. Sarau; daß auch
Niemark, Beidendorf und ein Teil von Krummesse hierhin gehörten,
beweist der Umstand, daß lübeckische Ratmänner, als sie diese
Dörfer gekauft hatten, keinen fürstlichen Konsens erhielten:
Erich III. von Mölln-Bergedorf, der sonst damit nicht
zögerte, KONNTE ihn nicht erteilen, und Erich IV. von
Ratzeburg-Lauenburg WOLLTE es nicht. Weiter südlich als Mölln
reichte die Vogtei entweder gar nicht oder nur sehr gering, das
zeigen die Verhandlungen über den Delvenau-Kanalbau um 1390, die
mit Erich IV. geführt wurden.
(Fortsetzung folgt.)
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