Im Laufe des auf den Erwerb Möllns folgenden
Jahrzehnts führten die dynastischen Verhältnisse der
Sachsen-Lauenburger nach einer vorübergehenden Bedrohung des
lübischen Besitzes zu einem weiteren Ausbau der städtischen
Stellung. Da die beiden Herzöge von Mölln-Bergedorf, Albrecht
V. und Erich III., ohne Leibeserben
blieben, begann die ratzeburgische Linie einen Anfall dieser
Lande an ihr Haus in Rechnung zu stellen. Sehr unangenehm mußte
ihr dabei sein, daß Mölln für eine hohe Summe der mächtigen
Handelsstadt verpfändet war. Ihre Anstrengungen gingen nun
dahin, dies Verhältnis rückgängig zu machen, Mölln wieder frei
zu bekommen. 1364 Februar 21.
verbanden sich zu Artlenburg Albrecht V.
(MöllnBergedorf) und Erich II.
(Ratzeburg-Lauenburg), und ersterer versprach seinem älteren
Verwandten, bis zum 24. Juni gleichen Jahres die
verpfändete Herrschaft wieder einzulösen. Erich II.
und seine Mannen wollten ihm mit erme ghude und mit eren
penninghen dar to helpen; die Möllner Bürgerschaft sollte beiden
Herren huldigen und ihre Stadt beiden offen halten. Man schob
also Albrechts Bruder Erich III. ohne viel
Umstände beiseite - bezeichnend dafür, wie dessen Qualität
eingeschätzt wurde; zugleich setzte man sich über die Bestimmung
der Möllner Verkaufsurkunde, die Herrschaft nur für Albrecht und
Erich III., nicht für andere zurückzukaufen,
hinweg.
Zur Verwirklichung dieses Planes, zumal in so kurzer Frist, ist
es nicht gekommen. Aber doch war damit eine beunruhigte
Atmosphäre geschaffen; die Absichten blieben natürlich weder
Erich III. noch dem lübischen Rat verborgen, und
dieser machte seine Gegenzüge. Aus einem Mandat Kaiser Karls
IV. vom 12. März 1367 an
Lübeck 4) er
_______________
4) Ub. III. 607 ...
begehren wir an euch mit allem fleizz vnd ernste, daz ir euch
den vorgenanten herczog Erich von Sachsen lazzet empfolhen sein
in allen seinen sachen, die er mit euch zu schaffen hat, vnd mit
namen an seinem halbenteyl der stat zu Mulne, als verre der
egenante herczog Erich dorczu hat, das ym sein teil an der
vorgenanten stat nicht enpfremdet werde, als wir vnd auch er
euch des gelauben vnd getraven.
Die Interpretation dieses Mandates durch Heinrich Reincke, Karl
IV. und die deutsche Hanse S. 34,
der es in unmittelbare Verbindung mit der Verpfändung auch der
Herrschaft Bergedorf an Lübeck bringt, erscheint mir nicht
angängig.
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hellt, daß ein Bürgermeister bei Gelegenheit
seiner Anwesenheit am Prager Hofe diese Dinge im Vortrag beim Kaiser berührt
hat, und Karl beauftragte den Rat, Herzog Erich (III.) in allen
Angelegenheiten vor Benachteiligung zu bewahren, insbesondere ihm seinen Anteil
an Mölln, soweit er ein Recht darauf hätte, zu bewahren und eine Entfremdung
nicht zuzulassen. Diese "Schutzanweisung" geschah mit Wissen und Willen Erichs
III., der, in Abhängigkeit von Lübeck, sich gegen seinen Bruder
und seine Verwandten einstellte. - Die zugespitzte Situation, die auch jetzt
noch für Lübeck durchaus hätte ungünstig ausgehen können, klärte sich
überraschend: Herzog Albrecht starb, und Erich III. war alleiniger
Herr der Mölln-Bergedorfischen Lande 5).
Ganz neue Perspektiven eröffneten sich damit. Albrecht V. war
kinderlos geblieben. Erich war geistlichen Standes; dynastischer Ehrgeiz
beschwerte ihn, mit dem die eigene Linie aussterben mußte, keinesfalls, und zu
finanziellen Anstrengungen auf Erhaltung seines Landes zugunsten schließlich
doch der ratzeburgischen Nebenlinie fühlte er sich wenig veranlaßt. Wenn Lübeck
in diesem Moment dem schwächlichen und zum Regiment ungeeigneten Fürsten, für
dessen Wohlergehen zu sorgen der Stadt der kaiserliche Auftrag vor kurzem
anempfohlen hatte, energisch und zielbewußt begegnete, so war Hoffnung auf eine
endgültige Angliederung Möllns und auf Gewinnung auch seiner Herrschaft
Bergedorf. Diese Ziele vor Augen konnte Lübeck seine Gegenleistungen anbieten:
die absolute Sicherung der Person und fürstlichen Stellung Erichs III.
durch einmalige Auszahlung einer hohen Summe, Gewährung und Garantie bedeutender
laufender Einkünfte und Belassung der Bergedorfer Lande für Lebenszeit.
Schon im Spätherbst 1367 dokumentiert sich das Einvernehmen beider
Parteien, man sagte sich gegenseitig aller Geldverpflichtungen ledig, nur die
Mölln angehenden Verträge blieben aufrecht erhalten. Ruhige und behutsam
geführte Verhandlungen gingen weiter, und zu Anfang des Jahres 1370
waren alle Fragen über das zukünftige
Verhältnis zwischen der Stadt und ihrem Schützling geklärt; am 7.
und 10. Januar wurde in Lübeck der Vertrag über die Verpfändung
Bergedorfs abgeschlossen.
Herzog Erich erhielt 16 262 1/2 mr. lub. zu
seinem und seines Landes Nutzen und um damit seines Bruders und eigene Schulden
zu tilgen. Dafür verpfändete er dem lübischen Rat sein ganzes ihm noch
gehörendes Herrschaftsgebiet, im einzelnen: Schloß und Weichbild Bergedorf mit
den zugehörigen Gütern und der ganzen Vogtei, das Dorf Hachede (Geesthacht) mit
dem Zoll, seinen Anteil am Sachsenwald, seinen Teil am Lande Hadeln, sämtliche
mit der Herrschaft verbundenen kirchlichen und weltlichen Lehen,
zusammengreifend: vnse gantze land, vnse gantzen herschap vnd manschap. Des
weiteren die beiden Dörfer Nusse und Duvensee im Möllnischen, die 1359
noch sein Eigenbesitz geblieben waren. Alle Einkünfte, Nutzungsrechte, die volle
_______________
5) Der Tod Albrechts V. erfolgte vor 1367
Nov. 15 (Ub. III. 628), wo er in einer
Urkunde Erichs III. als verstorben genannt wird. Die letzte
urkundliche Erwähnung Albrechts ist nach den jetzigen Publikationen 1365
April 8 (Hasse-Pauls IV. 1114). v.
Kobbe und v. Duve nennen übereinstimmend seine letzte Urkunde von 1366
März 15 stammend.
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Gerichtsbarkeit, kurz die Landesherrschaft
sollte an die Reichsstadt übergehen.
Der Rückkauf dieser Pfandschaft wurde an sehr erschwerende Bedingungen
geknüpft. Nur gleichzeitig mit einer Einlösung der Möllner Herrschaft war er
gestattet, so daß auf einmal 26 000 mr. hätten
aufgebracht werden müssen. Sodann durfte er nur aus eigenen Mitteln (mit vnsen
eygenen penninghen), nicht also mit fremdem Geld, bestritten werden und konnte
lediglich für Erich selbst oder seine Erben geschehen. Gewarnt durch die
Vorgänge von 1364 bestanden die Lübecker bezüglich der Einlösung
auf einer ausdrücklichen Erklärung des Herzogs, sie anders nemande van der
werlde gestliken edder werdliken Personen, gunnen noch thosteden noch dar tho an
wisen, openbare edder hemeliken ...
Soweit die eine Seite des Verhältnisses. Die Kehrseite bildeten die
Zugeständnisse Lübecks, die in einer besonderen Urkunde niedergelegt wurden. Mit
ihrer Hilfe erst gewinnen wir ein deutliches Bild von den Vorgängen. Der
lübische Rat übernahm es seinerseits, Unterhalt und Ausstattung des Herzogs
sicherzustellen. So wurden
diesem zugewiesen 1. AUS MÖLLN alle Einkünfte aus dem Zoll, der
Mühle, der Schleuse lderen Instandhaltung, nach dem Vertrag von 1359
noch eine Pflicht des Herzogs, nun Lübeck zur Last fiel) und aus dem nahe
gelegenen Dorfe Breitenfelde; Lübeck gab hier also finanzielle Vorteile preis,
allerdings ohne seine herrschaftliche Stellung in dieser Vogtei irgendwie
antasten zu lassen; 2. AUS DER NEUEN PFANDSCHAFT - nun, eigentlich
die ganze Pfandschaft! nämlich alle Einkünfte und Nutzungen aus Stadt und
Herrschaft Bergedorf, Geesthacht, dem Sachsenwald, Nusse und Duvensee,
allgemein: aus dem ganzen Lande; desgleichen das Recht auf alle Lehen. Das
Schloß zu Bergedorf sollte den Lübeckern zwar offen sein, doch verblieb es dem
Herzog als Wohnung; der Schloßhauptmann 6) wurde von beiden
Parteien eingesetzt, es zu halten und zu bewahren dem Fürsten tu vzem lyve vnd
den van Lubeke tu erem rechten pande.
Alle Einräumungen seitens Lübecks galten aber nur für die Person Erichs
III. und für die Dauer seines Lebens. Sofort nach seinem Ableben mußte
sein ganzes Gebiet in dem Ausmaße der Pfandbriefe der Stadt zufallen. -
Zusammenfassend ist also herauszustellen: 1370 kamen Lübeck und
Herzog Erich III. überein, daß des letzteren gesamte Lande nach
seinem Tode nicht an die lauenburgisch-ratzeburgische Nebenlinie, sondern an die
Reichsstadt fallen sollten. Zu diesem Ende wurden über Mölln hinaus, das bereits
in Lübecker Verwaltung war, die übrigen Gebiete an Lübeck verpfändet. Doch trat
die Verpfändung nicht sofort in Wirksamkeit, vielmehr verblieb der Herzog in
seiner bisherigen Stellung, die durch finanzielle Zuwendungen aus der Möllner
Vogtei noch gebessert wurde. Lübeck trat also 1370 nicht den
Besitz und die Verwaltung seiner neuen Pfanderwerbung an, sondern nur eine
_______________
6) So übertrugen 1374 Lübeck und Erich III.
die Bergedorfer Schloßhauptmannschaft den Brüdern Johann und Eccard Wulf
(Hasse-Pauls IV. 1534).
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wohlfundierte ANWARTSCHAFT darauf. Immerhin war
die Abhängigkeit des Herzogs und seine Handlungsunfreiheit so
bedeutend, daß er politisch völlig gebunden erschien.
*
Dies neue Verhältnis konnte nicht eine
Angelegenheit der beiden Vertragspartner allein bleiben. Die
Reichsgewalt allerdings, Kaiser Karl IV., hat das
Vordrängen der städtischen Macht stillschweigend geduldet, wie
auch das Eintreten.für Erich III. im Jahre
1367 schon eine Stützung der LÜBISCHEN Position bedeutet
hatte. Als Nächstbeteiligter hatte sich dann der junge Herzog
Erich IV. von Ratzeburg-Lauenburg damit
abzufinden. Ein überzeugter Verzicht stand für ihn, in dessen
Familie die Spekulation auf den demnächstigen Anfall Möllns und
Bergedorfs durch den Tod Albrechts V. nur
verstärkt sein konnte, keinesfalls in Frage. Doch zeigte er sich
1370 an den Vorgängen zunächst desinteressiert. Er
war damals noch sehr jugendlich (nach Detmar 15
Jahre alt) und hatte gerade im Jahre zuvor sein eigenes, seit
ganz kurzem erst angetretenes Fürstentum im Falle eines
erbenlosen Todes den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg zugesagt
- konnte sich also nicht sonderlich beklagen, wenn sein
Verwandter ebenso über sein Gebiet verfügte. Zudem dürfte er
gerade in jener Zeit als Folge einer schweren Niederlage bei
einer Fehde in finanzielle Bedrängnis geraten sein und sich
damit an Lübeck gewandt haben, das, die Gelegenheit nutzend,
seine lauenburgische Position noch weiter ausbaute. Einen Monat
nämlich nach Abschluß der Verträge über Bergedorf ließ es sich
von Erich IV. dessen Burg und Vogtei Ratzeburg zu
Schloßglauben übertragen 7). Das Abkommen ward auf
6 Jahre eingegangen, während welcher Zeit lübische
Ratmannen das Schloß mit allem Zubehör an Gebiet, Einkünften und
Rechten dem Herzog zu treuer Hand bewahren sollten. Jährlich
150 mr. lub. hatten sie von ihm dafür einzubekommen,
während sie ihrerseits zusagten, alle Leute in der Ratzeburger
Vogtei ungestört bei ihrem Rechte zu belassen.
*
Das unmittelbare Ergebnis der lübischen Politik
1370 war die Gewißheit, die möllnische Herrschaft
endgültig der Stadt angegliedert zu haben. Diesen Besitz hatte
man durch die kaum erfüllbaren Bedingungen, an die seine
eventuelle Auslösung gebunden war, durch das zünftigst geregelte
Verhältnis zu Erich III. und dadurch, daß auch
_______________
7) 1370 Febr. 5; Ub.
III. 709. Die Motive für die
Übergabe Ratzeburgs sind nicht klar aufzuweisen. Die Urkunde
selbst gibt keinerlei Hinweis, weder ein Darlehen noch sonst
eine Leistung Lübecks ist zu erkennen, doch ist aus der
Tatsache, daß Erich IV. bei dem Handel noch
finanziell belastet wurde mit jährlich 150 mr., zu
schließen, daß er Lübeck stark verpflichtet war. War er
vielleicht in der Schlacht bei Roggendorf (1369
Nov. 29.) in mecklenburgische Gefangenschaft
geraten und von Lübeck ausgelöst? oder hatte die Stadt ihm bei
der Auslösung seiner Vasallen Beistand gegeben? Detmar (Nr.
742) erwähnt Erichs IV. Beteiligung an
dem Braunschweig-Lüneburgischen Zug gegen Mecklenburg nicht.
Vgl. v. Kobbe II. S. 100 f. (Die
Angabe über die 150 mr. das. ist falsch.)
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Erich IV. in dieser Zeit eine
gewisse Abhängigkeit von Lübeck eingegangen war, aufs stärkste
an sich geknüpft.
So war zweifellos die allgemeine Auffassung in Lübeck. Denn nun
begann, mehr als drei Jahrzehnte während, ein fast
kontinuierliches Einströmen lübischen Kapitals in dies Gebiet.
Das neue Stadtterritorium wurde - nicht vonseiten des Rates, der
fast einzig mit der Hoheit sich begnügte, sondern von
bürgerlichen Kapitalisten - regelrecht ausgekauft. Während bis
zum Jahre 1370 die Anlage privaten lübischen
Geldes überwiegend in Holstein und in Mecklenburg geschah und
dem gegenüber im Lauenburgischen eine ganz minimale
Geschäftsbetätigung in Grunderwerb, Rentenkauf und dergleichen
zu verzeichnen ist, trat jetzt eine grundlegende Wandlung ein.
Die
Verbindungen nach den erstgenannten Landen weisen ein merkliches
Nachlassen auf, und Lauenburg, insbesondere das Möllner Gebiet,
Wird die bevorzugte Gegend für den bürgerlichen Güterkauf.
Zunächst war es alter Bürgerbesitz, der seinen Eigentümer
wechselte. Seit 1323 befanden sich 9
Hufen in Behlendorf und Hollenbek in der Hand des Möllners
Godekin Snakenbek. Sein Sohn veräußerte sie 1370
an Lüdeke von Mölln, einen Lübecker Bürger, der sie seinerseits
1376 dem Ratmann Thomas Morkerke verkaufte 8).
Sodann war es der lübische Rat, der den weiteren Anstoß gab zu
Erwerbungen in und nahe der Vogtei Mölln. Er kaufte vom Knappen
Marquard v. Crummesse dessen Hof und Güter im Dorfe Crummesse
für zunächst 300 mr., zahlte ihm aber 1373
Mai 1. und Nov. 24. noch jeweils
100 mr. hinzu; das übliche Recht auf Rückkauf war dem
Verkäufer nur für seine Person zugestanden.
Dieser erste Zugriff des Rates ist vor allem als politische
Handlung zu werten: er wurde richtungweisend für die private
Initiative. Ihr überließ der Rat die Durchführung der von ihm
angezeigten Aktion; nur noch ein einziges Mal, an besonderer
Stelle, hat er selbst sich in den folgenden Jahrzehnten
grunderwerbend betätigt. Und was bisher ein REIN
WIRTSCHAFTLICHER VORGANG war, die bürgerliche Kapitalanlage in
Grund und Boden, das wurde hier BEWUSZT IN EINE POLITISCHE
AKTION UMGEWANDELT; die Durchdringung mit lübischem Kapital, die
wirtschaftliche Bindung des Möllner Territoriums an seine neue
Vorstadt, war zugleich das sicherste Mittel seiner politischen
Bindung. Gerade die Tatsache, daß bisher der bürgerliche
Grunderwerb über Holstein und Mecklenburg weithin zerstreut ohne
Zusammenhang (abgesehen von Poel vielleicht) sich vollzogen
hatte und nun ganz vorwiegend auf dies eine lauenburgische
Gebiet sich konzentrierte, verdeutlicht bündig den politischen
Einschlag dieser Erscheinung. Das bisher völlig freie
bürgerliche Kapital wurde - nicht durch Zwang, sicherlich aber
durch Hinweis - in EINE, vorbestimmte Richtung gelenkt, und der
an sich wirtschaftliche Vorgang erfüllte so einen politischen
Zweck. Wechselseitig trieben öffentliches und privates Interesse
einander voran. Auf der Grundlage eines großen Rückhaltes an der
Stadt, die ja Trägerin der Hoheit und
_______________
8) Ub. II. 438,
440. - Ub. IV. 166 und Anm. S. 295.
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Schützerin war, erwuchs die Initiative zu solchen
Erwerbungen, und diese waren ihrerseits eine Stütze für den Rat
und eine bedeutende Entlastung. Er brauchte sich so finanziell
nicht noch über die Summen, die die Hoheitsgewinnung schon
gekostet hatte, hinaus festzulegen.
Es scheint, daß er die angekauften Güter des Marquard
v.Crummesse später wieder abgestoßen hat und sie dem Namen
Crispin überließ, als dieser 1379/80
umfangreiche Landkäufe tätigte. Neben Segebodo Crispin waren es
seine Ratskollegen Johann Schepenstede und Gerhard Darsow, die
auch in der gleichen Gegend größere Besitzungen erwarben.
Schepenstede kaufte 1375 Sept. 21.
für 257 mr. dem Knappen Marquard v. Crummesse
dessen Anteil am Dorfe Gr. Schenkenberg (Ksp. Crummesse) mit
allem Zubehör samt einer jährlichen Rente von 18
mr. zu vollem Eigentumsrecht ab; ein Reemptionsrecht wurde nicht
vereinbart. Im folgenden Jahre erweiterte er diesen Besitz,
indem
er zusammen mit Eberhard Pauli den Teil der unmündigen Heinrich,
Johann und Otto v. Crummesse an Gr. Schenkenberg für 160
mr. erwarb. Das diesmal zugestandene Rückkaufsrecht gaben die
jungen Herren 1381 gegen eine neuerliche Zahlung
von 302 mr. auf. Zu beiden Verkäufen gab Herzog
Erich III. seinen lehnsherrlichen Konsens.
Damit hatte Johann Schepenstede das ganze Schenkenberg an sich
gebracht. Ein nahe gelegenes Gehölz Musse konnte er 1382
für 80 mr. dazu erlangen. Durch seine Tochter
Margarethe kam der Besitz später an die Ratsfamilie von Calven,
in deren Hand er lange verblieb.
Als zweiter Ratmann machte Segebodo Crispin umfangreiche
Erwerbungen in der Vogtei Mölln. 1379 Dez. 1.
kaufte er von Marquard v. Crummesse dessen Hälfte des Dorfs
Crummesse, die Hälfte von Niemark und den See bei Beidendorf für
insgesamt 1000 mr. Das vorbehaltene Rückkaufsrecht
gab Marquard schon nach drei Monaten auf; gleichzeitig gingen
einige mit den Besitzungen verbundene landesherrliche
Gerechtsame, Blutbann und Wedde in Crummesse und Niemark und das
Fischrecht am Beidendorfer See, 1321 und
1324 vom Herzog Erich I. verpfändet, an
den Käufer über. Bald gab Marquard v. Crummesse seinen ganzen
Grundbesitz an Crispin. So 1380 März 2.
halb Bliestorf, halb Cronsforde und halb Grinau mit Wald und
Moorländereien für zusammen 2000 mr. und das
westlich dieses Komplexes in Holstein gelegene Dorf Wulmenau für
6000 mr. Weitere Moore und Waldungen bei Crummesse
und Bliestorf kauft Crispin für 80 mr. und
85 mr. von Vicko und Detlef v. Crummesse.
In genau der gleichen Gegend wie Crispin kaufte der Ratmann
Gerhard Darsow zusammen mit seinem Bruder Hermann Grundbesitz im
Jahre 1382; nämlich von Eccard und Henneke v.
Crummesse, deren Anteile an den Dörfern Crummesse und Niemark
und am Beidendorfer See, sowie am gleichen Tage (aber nach einer
anderen Urkunde!) ihre Hälften von Cronsforde und Grinau und
zwei Höfe noch in Crummesse. Auch zu diesem Besitz gehörten
bedeutende Moore und Waldungen.
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Insgesamt zeigt sich, daß diese drei Ratsfamilien
in wenigen Jahren mächtige Gebiete des südlich der lübischen
Landwehr gelegenen Landes an sich gebracht haben. Die Verteilung
war jetzt so, daß unmittelbar südlich der Feldmark zunächst sich
Domkapitelbesitz erstreckte: die Dörfer Genin, Ober- und
Niederbüssau und Vorrade, sodann gehörten Wulfsdorf, Blankensee
und Beidendorf seit 1300 dem St. Johanniskloster
in Lübeck. Zwischen diese Liegenschaften greifend und an sie
sich anfügend zog sich nun ein breiter Streifen bürgerlichen
Grundeigens hin: Niemark, der Beidendorfer See, Teile von
Crummesse, Cronsforde, Gr. Schenkenberg, Bliestorf, Grinau und
Wulmenau. Der landsässige Adel, hier die vielverzweigte Familie
v. Crummesse, war durch das städtische Geld entscheidend
verdrängt worden.
Aber nicht nur in der Nähe des Stadtgebietes machte sich solcher
Grundaufkauf bemerkbar, vielmehr stieß dies Interesse über die
ganze möllnische Herrschaft vor. Das Ergebnis war ihre völlige
Durchdringung seitens des Bürgertums, so daß sie ökonomisch als
eine gewaltige Ausweitung des lübischen Stadtfeldes, aufgeteilt
an einzelne
Großbesitzer, anzusehen war.
Im Einzelnen:
1374 Sept. 29. verkauften die
Lübecker Brüder Schiphorst ihr halbes Dorf Lüchau (Vogtei Mölln,
Ksp. Sandesneben) an Nicolaus Stenbeke, Vogt der Stadt Lübeck;
sie selbst besaßen es von Berthold v. Ritzerau IN MODUM EMOLOGII
HOC EST WEDDESCHAT.
1375 Okt. 11. kaufte Lüdeke von Osnabrück
gegen Hingabe von 100 mr. eine Iahresrente von
10 mr. aus dem Dorfe Walksfelde (V. Mölln. Ksp.
Nusse).
1376 März 23. waren Emeke Schiphorst
und Radeke Stoltevoet in Besitz von Woltersdorf (V. Ratzeburg,
südl. von Mölln), das sie Berthold v. Ritzerau abgekauft hatten.
1378 kam es an den Ratmann Hartmann Pepersack.
1377 Aug. 10. konsentierte Herzog
Erich III. den Verkauf des Dorfs Castorf (V.
Mölln, Ksp. Siebenbäumen) abseiten der Eccard und Henneke v.
Crummesse an Arnd Stark; der Kaufpreis betrug 240
mr., von irgendeinem Vorbehalt ist nichts zu erkennen.
1378 Nov. 19. besaß Emeke Schiphorst
halb Kozelstorpe und verkaufte es für 150 mr. an
Nicolaus Krukow (= Kählstorf? V. Ratzeburg, südlich von
Crummesse).
1385 Jan. 13. und 1386
April 17. begegnet nach
Niederstadtbucheintragungen Giesensdorf (V. Ratzeburg, sw. von
Ratzeburg) in Besitz Lübecker Bürger, darunter Ratmann Gottfried
Travelmann.
1390 Juni 9. verpfändete der
Lübecker Heinrich v. Essen für 206 mr. das Dorf
Labenz (V. Mölln, Ksp. Sandesneben) und einen nahen Hof "Zur
Helle" an Vromold Warendorp, der 1394 Nov.
11. diese Güter fünf Brüdern v. Ritzerau abkaufte,
später gelangten sie an die Familie Brekewold.
1391 März 26. kauften der
Bürgermeister von Mölln und der Lübecker Vogt daselbst als
Treuhänder des Rates in Lübeck das Dorf
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Hornbek (V. Ratzeburg, Ksp.
Siebeneichen) für 370 mr. an. Die Erwerbung stand
im Zusammenhang mit dem Beginn des Delvenau-Kanalbaus.
1391 April 2. erwarb Paul v. Alen
gegen ein Kapital von 400 mr., das er Otto v.
Ritzerau lieh, eine jährliche Rente von 24 mr. aus
Poggensee (V. Mölln, Ksp. Nusse).
1391 Juni 24.verkauften die Knappen Detlef
und Heinrich Grönow für 50 mr. den Tegelbrok bei
Sarau (V. Ratzeburg), allerleie holt to houwende vnde tho
kolende, alse id de wynt weyget, an den Lübecker Henning Rene.
In derselben Zeit verpfändete Detlef Grönau auch seinen Teil von
Gr. Sarau dem Friedrich Wantzenberg, der heren
schencken van Lubeke, für 300 mr. Herzog Erich
IV. von RatzeburgLauenburg konsentierte 1391
Nov. 11., und dabei erfahren wir, daß der
Ratsschenk - früher übrigens herzoglicher Vogt in Lauenburg -
schon länger Besitz in Gr. Sarau hatte, das er nunmehr ganz in
seiner Hand vereinigte.
1391 Dez. 22. verkauften Otto v.
Ritzerau und zwei Vettern ihr Dorf Kl. Klinkrade (V. Mölln, Ksp.
Siebenbäumen) für 250 mr. an Wigger Brekewold
unter Vorbehalt des Rückkaufsrechtes nach zehn Jahren.
1394 April 20. kam Bergrade (V.
Mölln, Ksp. Nusse) abseiten Ottos v. Ritzerau für 600
mr. an Vromold Warendorp; Herzog Erich III.
bestätigte den Verkauf. Das für 12 Jahre gewährte
Reemptionsrecht wurde schon 1394 Aug. 23
aufgegeben. 1418 ging das Dorf an das Kloster zu
Marienwohld über; doch hat Warendorp bis 1424 noch
Besitz dort behalten.
1401 Febr. 25. verkaufte Herzog
Erich III. für 200 mr. all sein
Eigentum und seine Rechte in Siebenbäumen (V. Mölln), so wie er
sie von den Herren v. Parkenthin erworben hatte, an Wigger
Brekewold; nach Ablauf von fünf Jahren sollte er es zurückkaufen
können.
1401 April 8. gab Otto v. Ritzerau
Sirksrade und halb Wehden (V. Mölln, Ksp. Berkenthin) auf; er
verkaufte es für 178 mr. an Hermann Lange. Das auf
vier Jahre beschränkte Reemptionsrecht ist nicht benutzt worden.
Danach war das Gut eigen der Familie Lange.
1402 Jan. 29. kaufte der Ratmann
Hermann Darsow zusammen mit seinem Bruder Johann dem Knappen
Make v. Züle sein Dorf Stubben (Holstein, Ksp. Eichede) mitsamt
den Einkünften: rente vnd hure ab, Rückkaufsrecht wurde
eingeräumt.
1406 Nov. 29. beurkundet der Rat von
Lübeck, daß Volrad und Heneke v. Ritzerau ihre Anteile am Hof
und Dorf Duvensee (V. Mölln, Ksp. Nusse) dem Vromold Warendorp
verkauft haben. Die Bedingungen sind nicht ersichtlich.
Schließlich nahm der Lübecker Rat 1407 Febr.
2. das Schloß Ritzerau (V. Mölln, Ksp. Nusse) gegen
360 mr. zu Pfand von Mette, der Witwe Ottos v.
Ritzerau. Der Rat war berechtigt, die Burg zu Schloßglauben
auszutun und auf Kosten der Mette noch zwei oder drei Leute zur
Bewachung dort unterzubringen.
(Schluß folgt.)
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