Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1934


Lübeck und Lauenburg im 14. Jahrhundert.

(Ein Kapitel aus der städtischen Territorialpolitik im Mittelalter.)

Von ALBERT DÜKER.

(Schluß.)

Seit 1406/07 fand der lübische Grunderwerb in Lauenburg zunächst ein Ende, wie überhaupt in dem Jahrzehnt der ständischen Unruhen und des Neuen Rates in Lübeck eine merkliche Lähmung der Geschäftsbetätigungen eintrat, die auf dem Gebiete des Land- und Rentenkaufs zu fast völliger Stille führte. Verschärft wurde diese Zurückhaltung durch Herzog Erichs IV. kriegerisches Vorgehen gegen Mölln im Jahre 1409.

Bis dahin war aber schon der Prozeß der Urbanisierung der Möllner Vogtei im großen und ganzen vollendet; die meisten der zwischen dem Lübecker Stadtgebiet und dem Orte Mölln gelegenen Dörfer waren mit ihren Fluren in den Besitz lübischer Bürger übergegangen. Eine ABSOLUTE Beschränkung der Käufe auf das neue Territorium liegt natürlich nicht vor. Auf nahem holsteinischen Gebiet wurden Wulmenau (1380) und Stubben (1402) erworben, im Ratzeburgischen: Kählstorf (1378), Teile von Krummesse, Niemark (1379 und 1382), Giesensdorf (1385-1386), Sarau (1392) und der Tegelbrok bei Sarau (1391); dazu im Gebiet südlich von Mölln Woltersdorf (1376) und Hornbek (1391). - Die ungewöhnlich rasche und weitgehende Durchdringung des Möllner Gebiets gab auch die Grund-

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lage ab, von der aus wirtschaftliche Förderungen möglich wurden. Der Bau des Delvenaukanals gerade im letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts darf als eine Auswirkung der lübischen Stellung in Lauenburg angesehen werden.

Die Stecknitz zwischen Mölln und Lübeck war nun eine ruhige und sichere Straße. Die Fortführung des Wasserweges über Mölln hinaus südwärts bis zur Elbe bei Lauenburg war wirtschaftspolitisch höchst erwünscht; besonders in dieser Zeit, wo Hamburg begann, als Konkurrent Lübecks in der Ausfuhr des lüneburgischen Salzes in die Ostsee (nach Preußen) aufzutreten. 1390 trat Lübeck mit Herzog Erich IV. in Verhandlung über den Bau. Die Durchführung war relativ einfach, da von Grambek an das Delvenau-Bett genutzt werden konnte; 1391-98 waren die hauptsächlichsten Baujahre, Ausbesserungen und Anlegung der Schleusen zogen sich noch weit ins 15. Jahrhundert hinein hin.

Neueren Darlegungen (F. Bertheau, H. Reincke), die einige lübische Grunderwerbungen der 70er und 80er Jahre im Gebiet südlich von Mölln mit den Kanalbauabsichten in Verbindung bringen und darin vorbereitende Schritte sehen, vermögen wir nicht zu folgen. Für Woltersdorf, das 1376 in einer Niederstadtbucheintragung als Bürgerbesitz erscheint, ist es nicht sicher, daß der Kauf erst damals erfolgt war, er könnte durchaus länger zurückliegen, Und die anderen dafür angeführten Käufe tragen eine solche Interpretation nicht.

Im Gegenteil ist es geradezu erstaunlich, wie wenig es Lübeck gelungen ist, in das südlichere Lauenburg einzudringen. Zur Zeit, wo der Kanalbau im Gange war, und wo um Mölln noch genügend Erwerbungen getätigt wurden, ist im Delvenaugebiet nur 1391 Hornbek angekauft, FÜR den Lübecker Rat, aber nicht von ihm selbst, sondern durch Treuhänder! Es war sicherlich Herzog Erich IV., der sich sträubte, Güter seiner Herrschaften in lübischen Besitz übergehen zu lassen; die Gefahr des Auskaufs der Adligen hatte er erkannt und suchte ihr zu begegnen 9). Den wirtschaftlichen Vorteil des Kanals zur Elbe sah er und ließ sich von Lübeck erhebliche Zollsätze zubilligen; aber eine Stützung der städtischen Stellung in Lauenburg lag ihm fern.

Auch in die möllnischen Verhältnisse verstand er es, sich einzumischen. Herzog Erich III., Lübecks Schützling und selbst Veräußerer seiner Eigentümer, stand der bürgerlichen Invasion völlig gleichgültig gegenüber und hat die Verkäufe seiner Untertanen durchweg bestätigt. Die Annahme, daß er zu den umfangreichen Landerwerbungen der Ratmänner Crispin und Darsow teilweise gar nicht, teilweise erst nach fünfzehn Jahren seinen Konsens gegeben und also Bedenken trug, einen so "ansehnlichen Gütercomplex gänzlich von dem Lauenburgischen Territorium abzulösen" und erst "als er dem Andrängen des Rates nicht länger widerstehen konnte", zugestimmt habe, hält sich nicht. Nähere Durchsicht der Urkunden zeigt, daß nur die Übereignung von Krummesse und Niemark (1379 Dez. 1. bzw. 1380 März 2. eine Hälfte an Crispin
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9) Z. B. als 1407 der Knappe Heinrich v. Crummesse eine Rente aus seinem Dorfe Schretstaken verkaufte, ließ Erich IV. sich bald das Versprechen geben, daß jener sie binnen 6 Jahren wieder einlöse. Ub. V. 172, 173, 180.


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und 1382 April 2. die je zweiten Hälften an Darsow) nicht bestätigt wurden - aus dem einfachen Grunde, weil diese Dörfer nicht in Erichs III. Territorium lagen, sondern im Ratzeburgischen und somit der Lehnshoheit Erichs IV. unterstanden. Die nach 15 Jahren, 1397 Juli 2., für Darsow ausgestellte Konsensurkunde bezieht sich nur auf Güter im Möllnischen: Grinau, Kronsforde und zwei Höfe in Krummesse, weiter auf Waldungen und Moore LINKS der Stecknitz und berührt mit keinem Worte die Güter Niemark und Krummesse im Ratzeburgischen.

Freilich ganz anders war Erichs IV. von Ratzeburg-Lauenburg Stellungnahme! Den jungen Knappen Heinrich von Crummesse brachte er dahin, daß dieser 1399 gegen die eben erwähnte Konsensurkunde Erichs III. Schelte erhob und Erich IV. das Rückkaufsrecht an allen Erwerbungen der Darsow übertrug: vmme salicheyt miner selen ... vnde sundergen van ede vnde plicht, so ik der herschop to Sassen man genand bin, ok VMME BEGERE WILLEN MYNES GNEDIEN HEREN, HERTOGEN ERYCKES DES JUNGERREN, alse sodane gudere IN SINER HERSCHOPF LIGGEN ... So erhält auch die Erklärung Erichs III. ihren guten Sinn: nicht, daß es sich um eine endlich abgedrungene Konsentierung handelte, sondern, daß in einer Situation, wo die Darsow von Erich IV. mit Einsprüchen bedrängt wurden, der alte Herzog für den Lübecker Ratmann eintrat.

Diese Reibereien waren nur das Vorspiel zu den Auseinandersetzungen, die kommen mußten, sowie eine Veränderung der Konstellation auftauchte. Die Parteien kannten einander, Lübeck einerseits - Erich IV. andererseits, beide begehrten das Erbe Erichs III.; jenes kraft seiner Pfandbriefe, dieser auf sein Erbrecht weisend. Die Spannung löste sich, als 1401 der alte Herzog starb. War bis dahin Lübecks lauenburgische Politik unbestreitbar vordringend gewesen, hatte es sein können, da die schwache Stellung und die persönliche Schlappheit Erichs III. sie begünstigten, so trat ihr jetzt der ungestüme und selbstbewußte Wille eines sich zwar in Fehden zersplitternden, aber keineswegs nachgiebigen Fürsten entgegen.

Es begann die Zeit der LANDESFÜRSTLICHEN GEGENAKTION, die in immer neuen Stößen das einmal Verlorene zurückzubringen suchte.

Wir brauchen den äußeren Verlauf nur kurz zu streifen. - Sofort nach dem Tode Erich III. setzte sich Erich IV. in den Besitz Bergedorfs. Lübische Ratmannen, die unterwegs waren, das Schloß im Namen der Stadt zu übernehmen, kamen zu spät. - Mölln war für den Herzog im Augenblick nicht zu erlangen, dazu hätte es kriegerischer Maßnahmen bedurft und der militärischen Macht Lübecks, verstärkt durch zweifellos zu erwartende Unterstützung durch befreundete Städte, konnte er sich nicht gewachsen fühlen.

Höchst charakteristisch für die ganze städtische Territorialpolitik, daß selbst in diesem Falle einer krassen Rechtsverletzung Lübeck den Krieg scheute! Die Streitfragen wurden den Räten von Lüneburg und Hamburg zur Entscheidung aufgetragen, die die gegebene Lage anerkannten und nur Lübeck einige Sicherheiten zusprachen. 1401 Juli 13.


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kam der Ausgleich zwischen der Stadt und dem Herzog zustande: die gesamten Pfandschaften, die es 1370 erworben hatte (im wesentlichen die Herrschaft Bergedorf) gab Lübeck preis. Darüber hinaus ging der für den Stecknitzverkehr wichtige Ort Göldenitz (i. d. Vogtei Mölln, nahe Berkenthin) verloren; ein, trotz der Bestimmung, daß der Ort nicht stärker als bisher befestigt werden dürfe, peinlicher Verlust. Andererseits erhielt es jetzt von Erich IV. den Besitz der Herrschaft Mölln im vollen Umfange bestätigt: scholen beholden Molne myt aller tobehorynge. Die Summe, die für Bergedorf ausgegeben war, wurde zu der möllnischen Pfandsumme gelegt und nur für insgesamt 26 000 mr., in einer Summe zu zahlen, sollten Erich und seine Nachkommen dies Gebiet zurückkaufen können.

1409 holte der Lauenburger zum zweiten Schlag aus. Die Schwächung Lübecks durch die inneren Unruhen jener Jahre benutzend, wollte er sich nun auch Möllns bemächtigen. Zwar konnte der junge Erich V., der den Ort bereits innehatte, verjagt und die Entwendung der Vogtei vermieden werden, aber Lübeck befand sich nun durchaus in der Defensive. Der Herzog kam bald mit neuen Bestreitungen der lübischen Stellung, die sich erst gegen den Crispinschen Besitz im Möllnischen richteten (wie früher gegen den der Darsow), dann aber Lübecks Recht an der Vogtei überhaupt angriffen. Beim Reichshofgericht konnte er die Ächtung der Hansestadt 1418 erreichen. - Im nächsten Jahre kam man in manchen Punkten der sich nun häufenden Streitartikel zu einem Ausgleich; die Acht wurde aufgehoben. "Um sich gegen künftige Übergriffe des Herzogs zu schützen, mußte es jetzt Lübecks Bestreben sein, ihn zu demütigen, sobald es die Lage gestattete. Das war für Lübeck der Grund für die Fehde des Jahres 1420, in deren Verfolg die Herrschaft Bergedorf erobert wurde 10)."

So völlig aus der Verteidigung einer in Jahrzehnt langen Mühen aufgebauten, für den städtischen Verkehr dringend notwendigen Stellung heraus kamen Lübeck und Hamburg zusammen zu jenem kurzen, erfolgreichen Kriegszug gegen die Lauenburger Herzöge. Die Burgen von Bergedorf und Ripenburg wurden erobert und die zugehörigen Vogteien im Perleberger Friedensvertrag von den Städten einbehalten. So gründete sich also der "beiderstädtische Besitz" auf das Eroberungsrecht und die Anerkennung desselben durch die Lauenburger. Gemäß einer Bündnisbestimmung zwischen Hamburg und Lübeck, jegliche Gebietserwerbung "in beyden syden hebben vnde beholden" zu wollen, wurden die beiden Vogteien oder Ämter als gemeinsamer Besitz angesehen. Die Verwaltung wurde 1422 so geregelt, daß die Ripenburg und Bergedorf von je einem Lübecker und Hamburger Amtmann gehalten werden sollten und daß in vierjährigem Turnus die Ämter zwischen den Städten getauscht würden. Dieser Zustand erhielt sich bis 1312, wo die Vogteien vereinigt wurden.

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10) Vgl. H. Kellinghusen, Die Eroberung Bergedorfs durch die beiden Städte Lübeck und Hamburg im Jahre 1420, Mitteilungen d. V. f. Hamb. Gesch. 9. Bd. S. 264.


 

 

 

 

 

 

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