Seit 1406/07 fand der lübische
Grunderwerb in Lauenburg zunächst ein Ende, wie überhaupt in dem
Jahrzehnt der ständischen Unruhen und des Neuen Rates in Lübeck
eine merkliche Lähmung der Geschäftsbetätigungen eintrat, die
auf dem Gebiete des Land- und Rentenkaufs zu fast völliger
Stille führte. Verschärft wurde diese Zurückhaltung durch Herzog
Erichs IV. kriegerisches Vorgehen gegen Mölln im
Jahre 1409.
Bis dahin war aber schon der Prozeß der Urbanisierung der
Möllner Vogtei im großen und ganzen vollendet; die meisten der
zwischen dem Lübecker Stadtgebiet und dem Orte Mölln gelegenen
Dörfer waren mit ihren Fluren in den Besitz lübischer Bürger
übergegangen. Eine ABSOLUTE Beschränkung der Käufe auf das neue
Territorium liegt natürlich nicht vor. Auf nahem holsteinischen
Gebiet wurden Wulmenau (1380) und Stubben (1402)
erworben, im Ratzeburgischen: Kählstorf (1378),
Teile von Krummesse, Niemark (1379 und 1382),
Giesensdorf (1385-1386), Sarau (1392)
und der Tegelbrok bei Sarau (1391); dazu im Gebiet
südlich von Mölln Woltersdorf (1376) und Hornbek (1391).
- Die ungewöhnlich rasche und weitgehende Durchdringung des
Möllner Gebiets gab auch die Grund-
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lage ab, von der aus wirtschaftliche
Förderungen möglich wurden. Der Bau des Delvenaukanals gerade im letzten
Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts darf als eine Auswirkung der
lübischen Stellung in Lauenburg angesehen werden.
Die Stecknitz zwischen Mölln und Lübeck war nun eine ruhige und sichere Straße.
Die Fortführung des Wasserweges über Mölln hinaus südwärts bis zur Elbe bei
Lauenburg war wirtschaftspolitisch höchst erwünscht; besonders in dieser Zeit,
wo Hamburg begann, als Konkurrent Lübecks in der Ausfuhr des lüneburgischen
Salzes in die Ostsee (nach Preußen) aufzutreten. 1390 trat Lübeck
mit Herzog Erich IV. in Verhandlung über den Bau. Die Durchführung
war relativ einfach, da von Grambek an das Delvenau-Bett genutzt werden konnte;
1391-98 waren die hauptsächlichsten Baujahre,
Ausbesserungen und Anlegung der Schleusen zogen sich noch weit ins 15.
Jahrhundert hinein hin.
Neueren Darlegungen (F. Bertheau, H. Reincke), die einige lübische
Grunderwerbungen der 70er und 80er Jahre im Gebiet
südlich von Mölln mit den Kanalbauabsichten in Verbindung bringen und darin
vorbereitende Schritte sehen, vermögen wir nicht zu folgen. Für Woltersdorf, das
1376 in einer Niederstadtbucheintragung als Bürgerbesitz
erscheint, ist es nicht sicher, daß der Kauf erst damals erfolgt war, er könnte
durchaus länger zurückliegen, Und die anderen dafür angeführten Käufe tragen
eine solche Interpretation nicht.
Im Gegenteil ist es geradezu erstaunlich, wie wenig es Lübeck gelungen ist, in
das südlichere Lauenburg einzudringen. Zur Zeit, wo der Kanalbau im Gange war,
und wo um Mölln noch genügend Erwerbungen getätigt wurden, ist im Delvenaugebiet
nur 1391 Hornbek angekauft, FÜR den Lübecker Rat, aber nicht von
ihm selbst, sondern durch Treuhänder! Es war sicherlich Herzog Erich IV.,
der sich sträubte, Güter seiner Herrschaften in lübischen Besitz übergehen zu
lassen; die Gefahr des Auskaufs der Adligen hatte er erkannt und suchte ihr zu
begegnen 9). Den wirtschaftlichen Vorteil des Kanals zur Elbe sah
er und ließ sich von Lübeck erhebliche Zollsätze zubilligen; aber eine Stützung
der städtischen Stellung in Lauenburg lag ihm fern.
Auch in die möllnischen Verhältnisse verstand er es, sich einzumischen. Herzog
Erich III., Lübecks Schützling und selbst Veräußerer seiner
Eigentümer, stand der bürgerlichen Invasion völlig gleichgültig gegenüber und
hat die Verkäufe seiner Untertanen durchweg bestätigt. Die Annahme, daß er zu
den umfangreichen Landerwerbungen der Ratmänner Crispin und Darsow teilweise gar
nicht, teilweise erst nach fünfzehn Jahren seinen Konsens gegeben und also
Bedenken trug, einen so "ansehnlichen Gütercomplex gänzlich von dem
Lauenburgischen Territorium abzulösen" und erst "als er dem Andrängen des Rates
nicht länger widerstehen konnte", zugestimmt habe, hält sich nicht. Nähere
Durchsicht der Urkunden zeigt, daß nur die Übereignung von Krummesse und Niemark
(1379 Dez. 1. bzw. 1380 März 2.
eine Hälfte an Crispin
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9) Z. B. als 1407 der Knappe Heinrich v. Crummesse
eine Rente aus seinem Dorfe Schretstaken verkaufte, ließ Erich IV.
sich bald das Versprechen geben, daß jener sie binnen 6 Jahren
wieder einlöse. Ub. V. 172, 173,
180.
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und 1382 April 2.
die je zweiten Hälften an Darsow) nicht bestätigt wurden - aus dem einfachen
Grunde, weil diese Dörfer nicht in Erichs III. Territorium lagen,
sondern im Ratzeburgischen und somit der Lehnshoheit Erichs IV.
unterstanden. Die nach 15 Jahren, 1397 Juli
2., für Darsow ausgestellte Konsensurkunde bezieht sich nur auf Güter im
Möllnischen: Grinau, Kronsforde und zwei Höfe in Krummesse, weiter auf Waldungen
und Moore LINKS der Stecknitz und berührt mit keinem Worte die Güter Niemark und
Krummesse im Ratzeburgischen.
Freilich ganz anders war Erichs IV. von Ratzeburg-Lauenburg
Stellungnahme! Den jungen Knappen Heinrich von Crummesse brachte er dahin, daß
dieser 1399 gegen die eben erwähnte Konsensurkunde Erichs
III. Schelte erhob und Erich IV. das Rückkaufsrecht an
allen Erwerbungen der Darsow übertrug: vmme salicheyt miner selen ... vnde
sundergen van ede vnde plicht, so ik der herschop to Sassen man genand bin, ok
VMME BEGERE WILLEN MYNES GNEDIEN HEREN, HERTOGEN ERYCKES DES JUNGERREN, alse
sodane gudere IN SINER HERSCHOPF LIGGEN ... So erhält auch die Erklärung Erichs
III. ihren guten Sinn: nicht, daß es sich um eine endlich
abgedrungene Konsentierung handelte, sondern, daß in einer Situation, wo die
Darsow von Erich IV. mit Einsprüchen bedrängt wurden, der alte
Herzog für den Lübecker Ratmann eintrat.
Diese Reibereien waren nur das Vorspiel zu den Auseinandersetzungen, die kommen
mußten, sowie eine Veränderung der Konstellation auftauchte. Die Parteien
kannten einander, Lübeck einerseits - Erich IV. andererseits,
beide begehrten das Erbe Erichs III.; jenes kraft seiner
Pfandbriefe, dieser auf sein Erbrecht weisend. Die Spannung löste sich, als
1401 der alte Herzog starb. War bis dahin Lübecks lauenburgische
Politik unbestreitbar vordringend gewesen, hatte es sein können, da die schwache
Stellung und die persönliche Schlappheit Erichs III. sie
begünstigten, so trat ihr jetzt der ungestüme und selbstbewußte Wille eines sich
zwar in Fehden zersplitternden, aber keineswegs nachgiebigen Fürsten entgegen.
Es begann die Zeit der LANDESFÜRSTLICHEN GEGENAKTION, die in immer neuen Stößen
das einmal Verlorene zurückzubringen suchte.
Wir brauchen den äußeren Verlauf nur kurz zu streifen. - Sofort nach dem Tode
Erich III. setzte sich Erich IV. in den Besitz
Bergedorfs. Lübische Ratmannen, die unterwegs waren, das Schloß im Namen der
Stadt zu übernehmen, kamen zu spät. - Mölln war für den Herzog im Augenblick
nicht zu erlangen, dazu hätte es kriegerischer Maßnahmen bedurft und der
militärischen Macht Lübecks, verstärkt durch zweifellos zu erwartende
Unterstützung durch befreundete Städte, konnte er sich nicht gewachsen fühlen.
Höchst charakteristisch für die ganze städtische Territorialpolitik, daß selbst
in diesem Falle einer krassen Rechtsverletzung Lübeck den Krieg scheute! Die
Streitfragen wurden den Räten von Lüneburg und Hamburg zur Entscheidung
aufgetragen, die die gegebene Lage anerkannten und nur Lübeck einige
Sicherheiten zusprachen. 1401 Juli 13.
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kam der Ausgleich zwischen der Stadt und dem
Herzog zustande: die gesamten Pfandschaften, die es 1370
erworben hatte (im wesentlichen die Herrschaft Bergedorf) gab
Lübeck preis. Darüber hinaus ging der für den Stecknitzverkehr
wichtige Ort Göldenitz (i. d. Vogtei Mölln, nahe Berkenthin)
verloren; ein, trotz der Bestimmung, daß der Ort nicht stärker
als bisher befestigt werden dürfe, peinlicher Verlust.
Andererseits erhielt es jetzt von Erich IV. den
Besitz der Herrschaft Mölln im vollen Umfange bestätigt: scholen
beholden Molne myt aller tobehorynge. Die Summe, die für
Bergedorf ausgegeben war, wurde zu der möllnischen Pfandsumme
gelegt und nur für insgesamt 26 000
mr., in einer Summe zu zahlen, sollten Erich und seine
Nachkommen dies Gebiet zurückkaufen können.
1409 holte der Lauenburger zum zweiten Schlag aus.
Die Schwächung Lübecks durch die inneren Unruhen jener Jahre
benutzend, wollte er sich nun auch Möllns bemächtigen. Zwar
konnte der junge Erich V., der den Ort bereits
innehatte, verjagt und die Entwendung der Vogtei vermieden
werden, aber Lübeck befand sich nun durchaus in der Defensive.
Der Herzog kam bald mit neuen Bestreitungen der lübischen
Stellung, die sich erst gegen den Crispinschen Besitz im
Möllnischen richteten (wie früher gegen den der Darsow), dann
aber Lübecks Recht an der Vogtei überhaupt angriffen. Beim
Reichshofgericht konnte er die Ächtung der Hansestadt 1418
erreichen. - Im nächsten Jahre kam man in manchen Punkten der
sich nun häufenden Streitartikel zu einem Ausgleich; die Acht
wurde aufgehoben. "Um sich gegen künftige Übergriffe des Herzogs
zu schützen, mußte es jetzt Lübecks Bestreben sein, ihn zu
demütigen, sobald es die Lage gestattete. Das war für Lübeck der
Grund für die Fehde des Jahres 1420, in deren
Verfolg die Herrschaft Bergedorf erobert wurde 10)."
So völlig aus der Verteidigung einer in Jahrzehnt langen Mühen
aufgebauten, für den städtischen Verkehr dringend notwendigen
Stellung heraus kamen Lübeck und Hamburg zusammen zu jenem
kurzen, erfolgreichen Kriegszug gegen die Lauenburger Herzöge.
Die Burgen von Bergedorf und Ripenburg wurden erobert und die
zugehörigen Vogteien im Perleberger Friedensvertrag von den
Städten einbehalten. So gründete sich also der "beiderstädtische
Besitz" auf das Eroberungsrecht und die Anerkennung desselben
durch die Lauenburger. Gemäß einer Bündnisbestimmung zwischen
Hamburg und Lübeck, jegliche Gebietserwerbung "in beyden syden
hebben vnde beholden" zu wollen, wurden die beiden Vogteien oder
Ämter als gemeinsamer Besitz angesehen. Die Verwaltung wurde
1422 so geregelt, daß die Ripenburg und Bergedorf von
je einem Lübecker und Hamburger Amtmann gehalten werden sollten
und daß in vierjährigem Turnus die Ämter zwischen den Städten
getauscht würden. Dieser Zustand erhielt sich bis 1312,
wo die Vogteien vereinigt wurden.
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10) Vgl. H. Kellinghusen, Die Eroberung Bergedorfs
durch die beiden Städte Lübeck und Hamburg im Jahre 1420,
Mitteilungen d. V. f. Hamb. Gesch. 9. Bd. S.
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