Seit über 200 Jahren werden in den Vereinigten Staaten Oliven angebaut. Einer dieser Anbauorte ist Sylmar, in der Gegend von Los Angeles/Kalifornien, 32 Kilometer vom Pazifik entfernt. Die für traditionelle Landwirtschaft kaum nutzbaren Hügel vor dem San Gabriel-Gebirge galten immer als unattraktive und offenbar wertlose Landstriche, bis Ende des 19. Jahrhunderts die "Los Angeles Olive Growers Association" (Olivenerzeugerverband Los Angeles) 1200 Morgen Land kaufte und sofort begann, dort Olivenbäume zu pflanzen, und zwar in großem Stil.




Historische Fotografie:
Junger Olivenhain, nordöstliches San Fernando-Tal, etwa 1900.
Der Betrachter blickt durch die bewußt breit angelegte Schneise zwischen zwei Reihen
gepflanzter Olivenbäume (Olea europaea). So blieb reichlich Platz für die wachsenden Bäume.
 



Historische Fotografie:
Weitläufiger Olivenhain, San Fernando-Tal, um 1900.
Positivabzug eines Glasplattennegativs.


Um nichts dem Zufall zu überlassen, wurden Experten aus Südfrankreich eingestellt, um die Arbeiten fachlich zu überwachen. Die Produkte des Verbandes firmierten zunächst unter dem Etikett "Tyler Olives", dann wechselte die Firmenbezeichnung zu "Sylmar". 1898 waren bereits knapp 200 000 Olivenbäume gepflanzt. Die letzten Bäume begannen im Jahr 1912, Früchte zu tragen, wobei sowohl das Öl als auch die Früchte in den Handel kamen, wie das antike Blechdosenetikett ausweist:
 




Konservendosenetikett: - Sylmar Reife Oliven, extragroß -.
Der Text weist darauf hin, daß die im Behälter befindlichen
Oliven auf dem Etikett in Originalgröße abgebildet wurden.
 

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Annonce in:
Woman's Home Companion, Oktober 1902, S. 39.
Nachdem die Zeitschrift 1874 schlicht als "The Home" erschienen war,
entwickelte sie sich zu einer der populärsten Frauenmagazine (stellenweise
bis zu einer Auflage von 4 Millionen Exemplaren) und hielt
sich bis ins dritte Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts.

http://www.magazineart.org/main.php/v/womens/womanshomecompanion/
 

Eine Werbung aus dem Jahr 1902 wirft ein deutliches Licht auf das damalige Ernte-Prinzip. In der Annonce heißt es: Unser Sylmar-Öl wird bereits am ersten Tag nach dem Pflücken weiterverarbeitet. Wir pflanzen die Olivenbäume, pflücken, mahlen und filtern das Öl direkt in unseren Anbauflächen, füllen es in Flaschen und verschicken es zeitnah direkt von unserem Betriebsgelände aus. Das ist der Grund dafür, daß die natürliche Reinheit von Sylmar-Öl erhalten bleibt. Unser Öl enthält den gesamten geschmacklichen Reichtum der hochwertigsten kalifornischen Oliven, wir geben eine $-1.000-Garantie für die hundertprozentige Reinheit.

Der die Annonce schmückende Holzstich zeigt einen breiten Weg zwischen zwei Baumreihen und eine Reihe von Pflückerin, zum Teil auf Klappleitern. Der Abbildung liegt eine Serie von Fotografien zugrunde, deren Negative enorme Detailtreue konservieren (Glasplattennegative):
 



Pflücker bei der Arbeit in einem kalifornischen Olivenhain, um 1900.
 

Das ansprechende Motiv erschien kurz nach 1900 - sogar in Farbe (sog. "Chromolithos") in verschiedenen Ausformungen:



Farbige Postkarte: Pflücker bei der Arbeit, Kalifornien. Um 1905.
Links bezeichnet: Richard Behrendt, Publisher. San Francisco.
Printed in Germany.

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Die untenstehende farbige Postkarte, adressiert an Mme. Madeleine Mallrait in Paris im August 1907, zeigt, wie arbeitsintensiv das Pflücken ohne den (ja heute an vielen Stellen vorherrschenden) Einsatz von Erntemaschinen gewesen ist:
 



Chromolitho-Postkarten, gelaufen 1907: Arbeitstrupp in einem kalifornischen Olivenhain

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Gerade auf kleineren Anbauflächen, und bei Olivenhainen mit altem, hochgewachsenem Baumbestand, war das Pflücken sehr zeitintensiv, auch benötigte man eine große Anstell-Leiter, um an die Früchte zu gelangen. Auch die hier gezeigte Chromolitho-Postkarten ist von hoher Detailtreue, weil sie auf einem Glasplattennegativ basiert:

 



Pflücker in einem Olivenhain mit sehr alten Bäumen.
Positivabzug eines Glasplattennegativs
 



Chromolitho: Pflücker in einem Olivenhain mit über 100 Jahre alten Bäumen.
Tichnor Broth. Inc. Boston, Mass. & Los Angeles, Calif.


Es handelt sich allerdings nicht um eine Echtfoto-Postkarte: in der Vergrößerung sind die dicht nebeneinander angeordneten Druckpunkte deutlich auszumachen. Die Herausgabe von Echtfoto-Postkarten konnte erst erfolgreich sein, nachdem namhafte Fotopapierhersteller wie 'Kodak' oder 'Kruxo' entsprechend günstig produzierten, was nach 1900 der Fall war. Da die Herstellung aufwändig war - für jede Karte muß das Negativ auf entsprechendem Fotopapier einbelichtet werden -, blieben diese Echtfotokarten (englische Fachbezeichnung: "RPPC", also: REAL PHOTO POSTCARDS) ein Nischenprodukt, obwohl sie aufgrund der hohen Wiedergabequalität besonders interessant sind. Quantitiv erreichten sie damals lediglich fünf Prozent Marktanteil.

Sie wurden oft von Amateuren erstellt und tragen daher auf dem Negativ keine gedruckten Buchstaben, sondern handschriftliche Titel mit Tinte, wie in diesem seltenen, um 1907 entstandenen Beispiel einer Echtofokarte auf KRUXO-Papier:
 



Echtfokarte: Olivenpflücken
Die ungelaufene Karte läßt sich aufgrund der Art, wie auf der Rückseite die gedruckte
Box für das Briefmarkenkastenfeld gestaltet ist, auf die Jahre 1907ff. datieren:

http://www.phototree.com/postcards/A05/index.html
 

Das verwendete quadratische Negativformat kam der Funktion der Postkarte entgegen, denn so blieb Platz für Mitteilungen an den Empfänger (während auf der Rückseite bis zum Jahr 1907 in den Vereinigten Staaten lediglich der Adressat genannt werden durfte.)

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Die um 1900 voller Blüte stehende Stereo-Fotografie (es werden zwei Aufnahmen aus leicht unterschiedlichen Blickwinkeln nebeneinandergesetzt, die anschließend in einem speziellen Betrachter angesehen werden konnten, dabei entsteht ein überzeugender räumlicher Tiefen-Eindruck, der physikalisch gar nicht vorhanden ist) hat sich auch mit dem Thema "Olivenproduktion/Olivenernte" befaßt, wenn auch nur am Rande. Daher sind die beiden hier gezeigten Beispiele selten:
 



Stereofotografie: Pflücker im Olivenhain, im Hintergrund
der San Fernando-Gebirgszug, frühes 20. Jahrhundert.


Vorderseite der Stereofotografie: Pflücker im Tulare County
im Central Valley des Bundesstaates Kalifornien
während der Ernte, frühes 20. Jahrhundert.
 



Rückseite der Stereofotografie: Pflücker im Tulare County.
Im Unterschied zu rein touristisch orientierten Stereokarten handelt es sich
hier um eine pädagogisch ausgerichtete Serie von Karten, daher die
rückseitige Information zum Thema "Olivenernte".
 

Auf der Rückseite der Stereofotografie aus dem Tulare County heißt es im gedruckten Informationstext (übersetzt ins Deutsche) unter anderem: "Olivenbäume benötigen keine künstliche Bewässerung, denn sie strecken ihre Wurzeln tief ins Erdreich, um an Feuchtigkeit zu gelangen. Natürlich gedeihen sie am besten, wenn das Land nicht zu trocken ist, aber sie brauchen insgesamt deutlich weniger Wasser als Orangenbäume."

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Chromolithografie: Chinesischer Pflücker bei der Olivenernte. nach 1907.
Ungelaufen. Newman Post Card Co. Los Angeles - San Francisco.
 

Um die immer größer werdenden Mengen innerhalb der kurzen Ernteperiode bewältigen zu können, wurden zusätzlich zur normalen Belegung chinesische Pflücker eingestellt. Pro Tag wurden Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu 3.000 Liter Olivenöl produziert. Im Jahr 1906 besaß die Firma bereits den größten Olivenhain der Welt. Ganze
Faßreihen auf dem Betriebsgelände garantierten die Lagerung der enormen Ölmengen.




Lagerplatz der Firma Sylmar (es ist keine Vergrößerung verfügbar), undatierte Fotografie.


Es wurden bewußt verschiedene Sorten gepflegt, um unterschiedliche Kundenwünsche zu berücksichtigen, etwa: (Mission, Nevadillo Blanco, Manzanillo, auch einige Sevillano und Ascolano-Varietäten für extragroße Früchte). 1904 gewann die Marke "Sylmar" den Ersten Preis in der "Louisiana Purchase Exposition, St, Louis, Missouri", viele weitere Preise und Auszeichnungen folgten.
 



Japanische Pflücker während der Olivenernte
im San Fernando-Tal, Los Angeles.
 

Während der Erntezeiten im frühen 20. Jahrhundert kam - zusätzlich zu den chinesischen Pflückern - eine große japanische Arbeitstruppe in Lohn und Brot. Für die 300 Arbeiter wurde eine kleine Zeltstadt eingerichtet.

Die Marke "Sylmar" entwickelte sich bald zu einem Garanten für Reinheit und frischen, hochwertigen Geschmack, damals ein Alleinstellungsmerkmal, denn die z. B. aus Europa importierten Konverven und in Flaschen abgefüllten Öle hatten schon lange Transportwege übers Meer hinter sich, bevor sie zum Kunden gelangten. Erst in den 1920er Jahren ändert sich diese Situation. Die Kundenschar hatte sich stark vergrößert und es ist Vielfalt gefragt, wie die Werbung eines Fachhändlers verdeutlicht, der neben den typischen Sylmar-Produkten auch Importware anpreist:
 




Werbung der Firma "Young's Market Co.," aus dem Jahr 1920.


Im Jahr 1927 arbeiteten in der Ölmühle und an der Verpackungsanlage etwa 500 Menschen während der Hochsaison (November bis Januar). Nach dem Vermahlen der geernteten Oliven wurde der Fruchtbrei auf Matten gestrichen, die dann in die leistungsfähige Presse gelangten.
 



Historische Fotografie: Mit Ölbrei bestrichene Matten
in der hydraulischen Presse, Sylmar, um 1900.

 




Historische Fotografie: Männer in der Abfüllstation von Sylmar,
undatiert, um 1900. Jede Flasche wurde einzeln von Hand befüllt.

 



Luftbild: Produktionsstätten der Firma Sylmar im Jahr 1937.

 

Das Luftbild zeigt einen Teil des Betriebgeländes, aber die gezeigte Fülle täuscht: im zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts wurde erkennbar, daß die von der Firma Sylmar genutzten Olivenbaum-Haine mehr und mehr zu Wohnflächen umwidmet wurden: im Jahr 1952 wurde die Firma geschlossen.

Dieser Niedergang wurde kompensiert durch die Tatsache, daß in der kleinen Stadt Corning (im Norden des kalifornischen Längstals "Sacramento Valley", heute ca. 8.000 Einwohner) zeitweilig bis zu neun Olivenproduzenten gleichzeitig tätig waren.



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