Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1929



Die Garnisontruppen des Herzogtums Lauenburg.

Von U. V. RUNDSTEDT.

II. Mölln während der Lübischen Pfandherrschaft.

Im MITTELALTER war die ständige Truppenmacht Lübecks deshalb sehr gering, weil die Bürger zur Stadtverteidigung verpflichtet waren. 1393 werden im Marstall als Soldtruppe 30 "reitende Diener" nachgewiesen; in Mölln deren 13. 1607 werden beim Einzug des Vogts Spangenberg in Mölln aufgezählt: 6 Reiterdiener vor, 3 hinter des Bürgermeisters Wagen, des Vogts Spießjungen, seine reisigen Knechte und Möllnischen Diener, der lübische Marschall mit allen Reiterdienern des Stallherrn (der Ratsherr, dem der Marstall unterstand), Wagen mit 4 Büchsen und dem Artilleriemeister. 1) 1603 waren in Mölln 29 Geschütze und 5 Kammergeschütze (Mörser oder Haubitzen), für die der Büchsenmacher Lorenz zu sorgen hatte. Die Geschütze waren Eigentum des Senats, so daß es den Möllnern ziemlich gleichgültig war, als die Mansfelder 1626 einen Teil davon mitnahmen.

Ein REGIMENT ZU FUSZ wurde 1623 aufgestellt und während des 30jährigen Krieges behalten. Da der Senat Chef war, hatte es keinen Oberst. Blasius v. Eichenberg war von 1618 ab lange Jahre Oberstleutnant. Mölln bekam Einquartierung eines erheblichen Teils dieser Knechte. Am 2. 9. 1623 lehnt der Rat eine vom Senat beabsichtigte Verstärkung von 100 Mann ab, da jeder Bürger schon 1-2 Soldaten im Hause hätte. Im April 1624 kamen noch etliche Kompanien Reiter dazu. Am 28. 4. 1624 bedeutet der Senat dem Rat, die Stadt müsse die Soldaten noch einige Zeit behalten und bezahlen. Sie sind sie wohl nicht mehr los geworden, denn noch am 20. 6. 1625 bittet der Rat um Abberufung der Garnison. Es herrsche auch die Pest in der Stadt. Das scheint dann gewirkt zu haben. Als die MANSFELDER im Dezember 1625 Ouartier in Mölln verlangten, mußte der Senat erst eine Abteilung von 100 Musketieren unter Thomas v. Wickede hinschicken. Sie kam am 3. 12. 2 Uhr morgens an. Zum Widerstand war sie aber zu schwach angesichts der starken Übermacht, die aus den Regimentern v. Knypbausen, Ferenz und Herzog Franz-Karl von Lauenburg - dieses nur zum Teil - bestand. Am 6. 12., nach Beschießung durch die starke und moderne Mansfeldische Artillerie, welche 200 Schuß und eine Anzahl Feuerkugeln in die Stadt warf, schlossen Hauptmann und Rat eine KAPITULATION, wonach die Garnison mit Sack und Pack, aber ohne brennende Lunten und ohne Spiel nach Lübeck zurück-
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1) s. G. Fink: "Die Entwicklung des Lübecker Marstallofficiums." Lübeck 1929.

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marschieren durfte, die Stadt dafür das Regiment Ferenz aufnahm. Letzteres zog am 1. 2. 1626 ab.

Danach legte der Senat wieder eine Kompanie hinein, die den ganzen Krieg über blieb. Sie hatte auch die Schleusen bei der Hahnenburg (am Eintritt der Stecknitz in den Möllner See) bei der Seeburg (wo der Weg Güster - Bergholz den Kanal schneidet) und bei der Zienburg (östlich Güster) zu besetzen, sowie Posten in die Dörfer Altmölln und Woltersdorf zu schicken. Als im Herbst 1627 Tilly und Wallenstein durch Lauenburg und Holstein vorrückten, kam es zu SCHARMÜTZELN zwischen diesen Posten und streifenden Reitern. So zwangen am 20. 10. 1 Gefreiter und 8 Mann in Altmölln eine Abteilung Reiter des Markgrafen Georg von Brandenburg zum Zurückgehen, töteten einen und nahmen 2 gefangen. Am 3. 11. kam es ebenda zu einem größeren Kampf, wobei die Lübecker unter dem Leutnant Hans Fendel den Korporal Valentin als Gefangenen an den Rittmeister v. Nordhausen vom Regiment Lorenzo del Maëstro verloren. Der Rittmeister forderte 100 Dukaten Lösegeld, eine enorme Summe, da sonst höchstens 20 gezahlt wurden, und drohte, den Gefangenen sonst in Kogel hängen zu lassen. In einem Schreiben an den Senat erklärte Nordhausen sehr gekränkt, seine Leute seien harmlos zum Randifow (rendez-vous) geritten, als die Lübischen aus einer Rehtüthe (redoute) das Feuer eröffnet hätten. 1629 zerstörte eine Abteilung der Garnison den Schlagbaum, den Wallenstein zwecks Zollerhebung bei der Palmschleuse hatte anlegen lassen, und geleiteten die dort liegenden Schiffe nach Mölln.

Lange Jahre, während die umliegenden Länder als kaiserliche, später schwedische Etappe ausgesogen wurden, hatten die lübischen Gebiete Ruhe. Das veranlaßte die Möllner, ihre BEFESTIGUNGEN zu vernachlässigen, so daß der Senat drohen mußte - 6. 6. 1634 - sie durch den Hauptmann auf ihre Kosten ausbessern zu lassen. 1638 klagte der Hauptmann Peter Basse erneut über die "Halsstarrigkeit und Widerspenstigkeit" der Möllner in Befestigungssachen. In diesem Jahr hatte sich der Krieg von Pommern und Mecklenburg her wieder in die Gegend gezogen, vermehrte Achtsamkeit war also am Platz. Es lag die KOMPANIE DES KAPITÄNS NEUMANN in der Stadt; außerdem hatte der Senat einen "Arkeley"-(Artillerie=) Kapitän hingeschickt. Der Geschütz- etc. Bestand war: 40 Geschütze, 1150 Kugeln, 32 Busch Lunten. Die Postierungen in den Dörfern hatten auch wieder kleine Gefechte. Der Oberstleutnant Heinrich Lübbecke kam öfters aus Lübeck herüber. Am 26. August 1638 wurde die Wache in Woltersdorf von "Krabaten" und Dragonern überfallen. HERZOG FRANZ-ALBRRECHT schlug eine Sperrung der Stecknitz-Delvenau-Linie durch Anlage von Schanzen an den Übergängen vor. Nach einem zweiten Überfall auf Woltersdorf durch kaiserliche Reiter am 24. Februar 1639 sah man das Zweckmäßige des Vorschlags ein, obwohl der Herzog selbst den Lübeckern verdächtig war. Er kam auf dem Wege von Basthorst nach Stintenburg oft durch Mölln und hatte sich über Unhöflichkeit der Torwache beschwert, die ihrerseits sich durch die von Franz-Albrecht ihr gewidmeten Kosenamen "Hundsfötter" und "Bärnhäuter" gekränkt fühlte. Der Senat befahl Basse, sich beim Herzog zu entschuldigen, was jenen "nicht wenig verdroß".

Ein ÄRGERLICHER ZWISCHENFALL ereignete sich 1640. Zwei schwedische Kapitäne, die in Mölln eingelassen waren, hatten sich "voll gesoffen", auf die Schildwache am Tor geschossen, mit einigen herzugerufenen Leuten das Schleusenhaus an der Hahnenburg nach Verjagung der Besatzung geplündert, worauf die Garnison ausfiel, den einen, namens Gettner, erwischte, während Götze, der andere, entkam. Basse meinte, wenn Baner, der schwedische Oberbefehlshaber, es erführe, würden beide Kapitäne "ihre rethorica anwenden müssen, sich aus dem Gedrang des Hanfes zu retiriren". Der Senat verfügte, die Offiziere in Arrest zu behalten, die Mannschaften laufen zu lassen.

Die Feindseligkeit Dänemarks gegen Schweden veranlaßte im Winter 1643 Torstensons Marsch von Böhmen nach Jütland, der im Frühjahr 1644 das kaiserliche Heer unter Gallas nach sich zog. Torstenson brachte ihn aber schnell, ohne eine Schlacht, wieder nach Böhmen zurück. Von da ab war es im Norden ruhig. Später nötigte der Prozeß der Lauenburger Herzöge wegen Rückgabe Möllns die Lübecker zu vermehrter Verwahrung der Stadt. Ganz ohne Garnison wurde sie nicht wieder gelassen. -

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III. Die hannöversche Zeit 1689-1815.

So leicht die Vertreibung der sächsischen Besatzungen gewesen, so schwierig konnte sich die Behauptung des Landes für GEORG-WILHELM gestalten. Feinde ringsum! Mecklenburg zwar war kaum zu fürchten, aber hinter Kursachsen stand Dänemark, seit langem ein unfreundlicher Nachbar, und hinter dem kleinen Anhalt der große Kurfürst. So mußte wenigstens nach Norden und Süden die Grenze stark gesichert werden und für den schlimmsten Fall Stützpunkte im Lande geschaffen, wo sich eine Besatzung halten und so verhindern konnte, daß ein Feind das ganze Gebiet einnahm und dann nach Kriegsrecht annektierte. Diesem Zwang zu starker Besatzung und zu Befestigungsarbeiten stand die Rücksicht gegenüber, die man den Einwohnern schuldete, die vorläufig dem Lüneburger den Sachsen bei weitem vorzogen und durch Quartierlasten und Frohnarbeit an den Befestigungen nicht noch mehr erbittert werden durften. Erklärlicherweise wären die Lauenburger lieber ein fernes Glied des gemütlichen Sachsenlandes gewesen, als sich dem straff regierten benachbarten Lüneburg anzuschließen. Aber die Hoffnungen auf Änderung blieben eitel. Niemand band gern mit dem waffenmächtigen Celler an, umsomehr, als nicht nur sein Bruder in Hannover sondern auch die Vettern in Wolfenbüttel an seine Seite traten. Den Oberbefehl des Okkupationskorps übertrug der Herzog dem MARQUIS ANTON SIMON DE BOISDAVID (z. D. Davidswalde), einem Belgier, der 1684 aus spanischen in cellische Dienste als Generalmajor und Chef eines Infanterie-Regiments getreten war. Ein noch junger Mann, wie damals üblich bei reichen Edelleuten, gleich als Hauptmann eingestellt und bald Regimentskommandeur geworden, hatte er sich in den Türkenkriegen schon bewährt. Der "Volontär" Prinz Eugen von Savoyen hatte da einmal das Pferd Boisdavids mit seiner Reitgerte dauernd gekitzelt, um sich an dessen Sprüngen zu erfreuen. Der General hatte gedroht, des Prinzen Pferd zu erschießen und das schließlich zur Tat gemacht. Weiterungen entzog er sich durch einen Galopp in die Mitte seines Regiments. Der Oberbefehlshaber legte den Kavalierstreit gütlich bei, indem Eugen sich durch ein Souper in Gesellschaft hübscher Mädchen zufriedengestellt erklärte.

Diesem Boisdavid unterstanden jetzt: 1) Sein REGIMENT VON 11 KOMPANIEN. Davon lagen in Ratzeburg 4 Kompanien: Leib- Obstlt. de Luc, Major de Gauvain und Mäder, in Mölln 2 Kompanien: d'Antheny und v. Beck, in Lauenburg die Grenadierkompanie, in Neuhaus 1 Kompanie: v. Estorff. 2) das REITER-REGIMENT DE CHAUVET: 3 Kompanien, Obstlt. v. Wissel, Rittm. Verker und Bremer, auf die Ämter verteilt. 3) DRAGONERKOMPANIEN DEGINGK UND BERKEFELD im Amt Ratzeburg (damit sie im Fall der Not in die Stadt kämen). ARTILLERIE: Oberst v. Bobart, Hauptmann Burchard und Leutnant Köcher. An GESCHÜTZEN waren in Ratzeburg: ein 36 Pfünder, ein 24 Pfünder, zwei 12 Pfünder, ein 8 Pfünder, ein 6 Pfünder, zwei 3 Pfünder-Schlangen, drei 3 Pfund-Stücke, ein 1 Pfund-, ein 28 Lot-, zwei 12 Lot-, ein 4 Loth-Stücke; ein eiserner 1 Pfünder, vier 16 Pfünder-Metallschrotstücke, ein 12 Pfund desgl., 8 Doppelhaken, 22 eiserne Serpentinen. Aus Neuhaus waren hinzugekommen: ein 4 Pfünder, zwei 2 1/2 Pfünder türkische Schlangen, ein desgl. 1 Pfund- und ein 24 Lot­Stück. Georg-Wilhelm hatte aus seinen Beständen abgegeben: ein eisernes 1 Pfund-Schrotstück nach Neuhaus, vier schwere Geschütze nach Ratzeburg (die 4 ersten von oben). In Mölln waren: drei 24 lötige Metallstücke, zwei eiserne
3 Pfünder, zwei desgl. 31/2 Pfünder, ein 2 Pfünder, drei 1 1/2 Pfünder und 12 eiserne Serpentinen. In Neuhaus blieben: fünf eiserne 4 Pfünder, 4 desgl. 3 Pfünder und ein 1 Pfünder-Schrotstück.

Nach Eintreffen der hannöverschen und wolfenbüttelschen Truppen folgte am 14. Oktober 1689 eine NEUE EINTEILUNG. Ratzeburg behielt 3 Kompanien Boisdavid und bekam noch 2 Kompanien Hannoveraner, Regiments d'Herleville, und eine Wolfenbütteler, Regiments v. Bernstorf, Hauptmann v. Stechinelli. Kommandant von Mölln wurde der hannöversche Oberst de Pibrac. Dort standen nun 1 Kompanie Boisdavid und 2 Herleville, Major du Carpe und Hauptmann de Lueur, sowie eine Wolfenbüttelsche: v. Bobart. Lauenburg behielt die Kompanie Boisdavid, Kommandant wurde Major

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d'Antheny. Neuhaus bekam die Grenadierkompanie Regiments v. Nettelhorst und eine Wolfenbüttelsche. Der Rest des Regiments Boisdavid ging nach Lüneburg. In den nächsten Jahren fanden häufige Verschiebungen und Ablösungen der Truppenteile statt.

Die Truppen sollten ordonnanzmäßig verpflegt werden. Celle lieferte Brot für alle 3 Kontingente. Bei der ersten Soldzahlung bekamen die Soldaten brandenburgische Taler, worüber sie sich beschwerten. Um die Einwohner nicht gleich zu stark zu drücken, sollte von den Quartierwirten nur Obdach gefordert werden und je 2-3 Mann sich mit einem Bett oder Strohlager behelfen. In Lauenburg wohnte der Kommandant im Schloß, in Mölln im Herrenhaus der Vogtei, in Ratzeburg wohl auch im Schloß. Stabsoffiziere waren berechtigt, ein ganzes Haus als Quartier zu verlangen.

1690 begannen die Arbeiten zur BEFESTIGUNG DER STADT RATZEBURG. Dazu kamen als Ingenieure Major Roger, Hauptmann Strackewitz und Leutnant Strauß dorthin. Im Sommer wurde ein Zeltlager bei St. Georgsberg aufgeschlagen, in dem Teile der anderen Garnisonen zur Mitarbeit an den Werken untergebracht wurden. Ihre Marketender machten den bürgerlichen Geschäftsleuten starken Wettbewerb und hinterzogen die Akzise auf das Bier. In Ratzeburg wurde über Teuerung geklagt, weil die Bauern bei der Lebensmittelanfuhr zum Markt von den Wachen belästigt wurden und viele deshalb ausblieben. Die Anlage eines Proviantmagazins wurde einem Hamburger
Großkaufmann Claßen übertragen, weil die Ratzeburger sich nicht verpflichten konnten, gleiche Mengen zu denselben Preisen vorrätig zu halten. So fühlte die Stadt nur die Nachteile der starken Garnison.

Letztere litt an ALLERHAND KRANKHEITEN, wie Menschenanhäufungen auf engem Raum sie damals hervorzurufen pflegten. Man nahm das Koch- und Trinkwasser seelenruhig aus dem See, in den auch die Aborte hinausgebaut waren. Als Garnisonfeldscher wirkte Dr. Sasse; die fürstliche Feldapotheke verabfolgte Heilmittel. Chirurgische Behandlung geschah auch durch Lübecker Spezialisten, orthopädische durch den Scharfrichter von Lüneburg.

In Ratzeburg waren zwei Baracken gebaut, die zusammen 3 Kompanien faßten. Seit Herbst 1692 waren sie fertig. Im kommenden Winter mehrten sich die Nachrichten über RÜSTUNGEN DÄNEMARKS gegen Celle, und als der See eine Zeitlang gefroren war, erwartete man einen Überfall durch 3000 Dänen, welchem die Garnison nur 800 Mann und eine Palisadenreihe um Dom und Stadt entgegenstellen konnte. Aber die Dänen waren noch nicht fertig, oder die Zeit schien ihnen noch nicht reif. Sie warteten wohl, bis im Sommer die Feldzüge in Ungarn und den Niederlanden, wo sich Georg-Wilhelms Hauptkräfte im Solde des Kaisers, Hollands und Englands befanden, eröffnet sein würden. Dann war nicht darauf zu rechnen, daß die Solidherren die begehrte und tüchtige Truppe ziehen ließen, wenn sie in der Heimat gebraucht würde. So blieb denn noch die erste Hälfte des Jahres 1693, um notdürftig die Werke Ratzeburgs fertigzustellen, Artillerie und Proviant hinzuschaffen und, was an Verstärkungen zusammenzukratzen war, hineinzuschicken.

Generalleutnant BOISDAVID, dessen II. Bataillon seit 1690 in den Niederlanden focht und der selbst 1690 ein Hilfskorps nach Ungarn geführt hatte, wurde im Frühjahr 1693 zurückgerufen, um Generalleutnant aller cellischen Truppen zu werden. Er übernahm das Reiterregiment seines Vorgängers v. Chauvet, während Oberst DE LUC das Infanterie-Regiment Boisdavid erhielt. Zum Kommandanten von Ratzeburg hatte der Herzog Anfang März 1693 den Brigadier V. BOBART ernannt, einen seiner fähigsten Offiziere, Chef des Artilleriekorps und Sachverständigen in Befestigungsangelegenheiten. Seine abfällige Beurteilung des in Ratzeburg Geschaffenen hatte Georg-Wilhelm oft geärgert. So hatte Bobart die Artillerieausstattung - 123 - Geschütze für zu stark erklärt, da man zur Bedienung nicht "halb Leute genug" habe. Als Roger die Festung schon für "imprenable" erklärte, fand Bobart sie noch kaum verteidigungsfähig. Den Mangel einer Flottille hatte er gerügt. Mit geringer Freude übernahm er nun den Posten. "Lieber hätte er im offenen Feld gegen den Feind gekämpft." Seine Laune wird es nicht gebessert haben, daß Georg-Wilhelm am 20. Mai 1693 den Generalleutnant Boisdavid als Gouverneur über ihn stellte. Die Boisdavid(Luc)schen Kompanien waren der Rest des II. Bataillons, das 1692 in der Schlacht bei Steenkerke sich sehr aus­

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gezeichnet, 3 Kanonen und 3 Fahnen erobert, dafür aber auch stärkste Verluste gehabt hatte. 2 Offiziere 100 Mann blieben gefechtsfähig, so daß die Truppe in 2 Kompanien formiert in die Heimat geschickt und durch das I. Bataillon, de Luc, ersetzt wurde. ERNST-AUGUST VON HANNOVER lieh dem Bruder 12 Kompanien, von denen aber nur 4 nach Ratzburg durften, da von den andern 4 aus ungeübten Rekruten bestanden, die letzten 4 zwar alte Leute, aber dem Kurfürsten für den Festungskrieg zu schade waren. Dagegen erklärte WOLFENBÜTTEL nach vielem Drumherumreden endlich am 24. Juli 1603, daß es sich an der Verteidigung Ratzeburgs nicht beteiligen werde und seine dortigen Kompanien nach Mölln und Lauenburg zurückziehe. Sehr traurig waren die andern über ihr Scheiden nicht. Es war bereits in einer Zusammenkunft zu Engersen verabredet, die Wolfenbütteler Offiziere zu entwaffnen und die Mannschaft zu verteilen.

Eigenartig benahm sich MECKLENBURG-SCHWERIN (nicht zu verwechseln mit dem heutigen Lande des Namens. Es war nur die Hälfte, die andere hieß Mecklenburg-Güstrow; zu dieser gehörte das rechte Elbufer zwischen Lauenburg und Amt Neuhaus). Dännemark hatte es verstanden[,] das Mißvergnügen des Schweriner Hofes über Georg-Wilhelms Eindringen in Lauenburg und seine mannigfachen Übergriffe auf den Domhof bis hart an die Grenze offener Feindseligkeit zu steigern. Brandenburg begütigte dagegen nach Kräften, versprach auch Celle Waffenhilfe, die allerdings nur schwach sein konnte, da Friedrichs III. Truppen meist in fremdem Sold fochten. Auf
Vermittelung Englands, der Niederlande und vor allem des Kaisers wurde stark gehofft.

So kam der August herbei. Georg-Wilhelm hatte von vornherein die Kriegshandlungen lediglich auf Behauptung Ratzeburgs beschränkt. Mölln kam wegen des Verfalls seiner Werke nicht in Frage; Neuhaus, das 1689 neu befestigt war, hatte man später zugunsten Ratzeburgs ziemlich von allen Verteidigungsmitteln entblößt. Was an Truppen, besonders Kavallerie, noch übrig blieb, wurde westlich des Elbufers verteilt, um ein Übergreifen des Krieges auf die Stammlande, das übrigens nicht erwartet wurde, zu verhindern. Die Zivilbeamten blieben auf ihrem Posten und taten mit großer Aufopferung ihr Bestes, um die feindlichen Bewegungen zu erkunden und nach Celle zu melden. In Lübeck saß der Materialverwalter für Ratzeburg, Paul Vermehren, und sorgte umsichtig für Nachrichtenvermittelung zur und von der Feste, Geldsendungen und ein Spähernetz von Forstbeamten und Agenten mit "Kickers" und "Fernsehern". Ein brandenburgisches Hilfskorps unter Generalleutnant v. d. Marwitz sammelte sich in der Priegnitz bei Lenzen. Es umfaßte allerdings nur 3 Kompanien Gardes-du-Corps, 5 Kompanien Garde zu Fuß und 3 Kompanien Dragoner.

DÄNEMARK hatte einen Teil seiner Streitkräfte, die auf 12000 Mann, wohl etwas zu hoch, geschätzt wurden, bei Oldesloe versammelt. Es waren die in Jütland, Schleswig, Holstein und auf der Insel Fünen garnisonierenden Regimenter. Die Kriegsflotte hatte die von Seeland gebrachten Truppen bei Travemünde gelandet. Lübeck hatte keinen Widerstand entgegengesetzt, vielmehr gegen das Zugeständnis, das "Commercium" auf der Stecknitz und Elbe solle nicht gestört werden, durch Kommissare und Aushilfe mit Kanalkähnen den Dänen den Vormarsch, vor allem für die schwere Artillerie, erleichtert. Georg­Wilhelm halte freilich die Schleusen des Stecknitz - Delvenau - Kanals unbrauchbar machen lassen und in einer Schanze am linken Elbufer bei Hoopte Geschütze zur Sperrung des Stromes aufgestellt, die auch Dank dem niedrigen
Wasserstand die Fahrrinne beherrschten. Generalfeldmarschall Baron v. Wedell führte die dänischen Truppen, bei denen zeitweise auch der König war. Die höheren Offiziere waren übrigens, wie bei Celle, vielfach Franzosen. Es waren nicht immer ausgewanderte Hugenotten. Luc z. B. war katholisch. Oft hatte die Strenge, mit der Ludwig XIV. den Zweikampf bestrafte, sie in die Fremde getrieben, denn die französischen Edelleute waren arge Raufbolde und führten ihre Ehrenhändel oft in ganzen Abteilungen durch. Jedenfalls gab dies französische Element auf beiden Seiten der Kriegführung etwas Verbindliches. Man bekomplimentierte sich und machte Geschenke. Gelegentliche Schüsse über die Elbe von Bauern oder Posten wurden auf Beschwerde gestraft und entschuldigt.

 





 


 

 

 

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