Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1930


Die Buchdruckerei auf dem Domhof zu Ratzeburg.

Von FISCHER-HÜBNER, Pastor in Ratzeburg.

III. Neues Leben.

Im Jahre 1710 herrschte die Pest. Deshalb ließ die Mecklenburgische Regierung "ein Vieles" drucken. Aber die Domdruckerei lag still, "verriegelt und versiegelt", weil Sigismund Hoffmann in Konkurs geraten war. Für mehr als 100 Taler Arbeit ward angeboten, mußte aber abgewiesen werden. Da tat die Frau des Besitzers, wie man es in ihrem Schreiben an den Herzog nachlesen kann, einen "demühtigen Fußfall", wies darauf hin, daß sie unter vier Herzögen gelebt und, im 44. Jahre mit ihrem ersten Mann, dem sel. Niclas

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Nissen, und dem zweiten zusammenarbeitend, es sich in dem Druckereigeschäft habe sauer werden lassen, wie sie einst als Witwe mit sechs kleinen Kindern sich habe durchschlagen müssen, wie ihr Vater 47 Jahre bei dem Großvater des jetzigen Herzogs Baumeister gewesen und drei aus der Familie Pastoren geworden seien -, sollte der Herzog nicht nochmals Gnade für Recht ergehen lassen? Allein, das Maß der Sünden der Hoffmanns und der Nissens war voll, die Schuldenlast unabtragbar und die Erbitterung der Domgemeinde zu groß, als daß die Familie länger dort hätte verbleiben können. Zwar hätte ein Sohn Nissens, Buchdrucker in Lübeck, das Geschäft übernehmen können, aber auch dessen Ruf war schlecht. So las man denn am 1. Januar 1711 in der Hamburger Kriegs- und Friedens-Zeitung:

"Es wird hiemit kund und wißend gemacht, daß auf dem Fürstl. Mecklenburgis. Thumb-Hof zu Ratzeburg, eine gute Buchdruckerey, welche mit einer bequehmen Wohnung, freien Garten auch etwas jährlichen Deputat an Brenn-Holtz begnadiget, und sonsten von allen Oneribus privilegiret ist, nebst zu gehöriger Gereitschaft, Preßen, Lettern und anderen Pertinentien, mit gewißen Conditionen an den Meistbietenden öffentlich verkaufet werden soll; So nun jemand Belieben haben solte, sothane Buchdruckerey zu erhandeln, der kan sich am nächstkünftigen 29sten Januarii 1711 als am Donnerstage vor Mariae Licht-Meße, frühe um 9. Uhr, auf der Fürstl. Mecklenburgis. Cantzeley zu Ratzeburg aufm Thumb, angeben." Dieselbe Anzeige las man auch am 6. Januar im "Reichs-Post-Reuter". Nun machte der Besitzer selber nochmals einen letzten Versuch, die Wiedereröffung der Druckerei zu erwirken. Er weist nach, wie durch die Beschlagnahme wertvolle Geschäftsverbindungen gelöst worden sind, z. B. die Herstellung von Pässen im Aufträge der Pr. Lüneburgischen Regierung. die nunmehr 6000 derselben in Lauenburg anfertigen ließe; wie er in Aussicht habe, eine Bestellung eines umfangreichen Buches des Pastors zu Hamberge bei Lübeck mit 2000 Exemplaren zu erhalten; wie er von keinem Gläubiger härter bedrängt werde als von der Domkirche: der Herzog möge dem "alten abgehenden Manne, der fast mit dem einen Fuße schon im Grabe stehet", noch einmal Gnade gewähren. Da der Termin am 29. Januar wegen Verkaufs der Druckerei ergebnislos verlief, so gestattete man dem bisherigen Besitzer einstweilen die Wiedereröffnung unter der Bedingung, nichts vom Inventario zu veräußern, was mit einem Eid bekräftigt wurde. Jedoch die Eheleute brachen den Eid, indem sie eine Spindel aus der Presse an die Pastorenwitwe Rösch in der Stadt heimlich versetzten. Das Maß war nun voll. Die Druckerei wurde abermals geschlossen und schließlich dem Buchdrucker ANDREAS HARTZ, der zuletzt in Lauenburg gearbeitet, um 410 Reichstaler zugesprochen. Nachdem die Regierung eiuen Teil der Schulden niedergeschlagen, wanderte die Hoffmann-Nissensche Familie nach Lübeck aus.

Andreas Hartz, war ein Sohn des Bürgers und Gärtners Andreas Hartz in Braunschweig. Er heiratete ein Jahr nach Übernahme der Domdruckerei zu Lüneburg die Tochter des sel. Nicolaus Schulze, Bürgers und Brauers dortselbst.

Schon unter Probst Gutzmer, der 1703 starb, und selbst noch während der letzten Monate der Wirksamkeit Sigmund Hoffmanns (1711) hatte Probst Kohlreiff mit ihm wegen des Drucks seines neuen Gesangbuches verhandelt. So war es die erste große Aufgabe des Nachfolgers, dieses herauszubringen, was ein gutes Geschäft für ihn werden sollte. Andreas Hartz ließ es sich etwas kosten, da er bestrebt war, die Buchdruckerei wieder auf die Höhe zu bringen. Er war im Gegensatz zu seinem Vorgänger ein Mann ohne Tadel und hat sich durch Druck und Verlag des Ratzeburgischen Gesangbuches im Jahre 1715 ein Denkmal gesetzt. Bis dahin hatte man im Fürstentum Ratzeburg kein einheitliches Gesangbuch. Da im neuen Einheitsgesangbuch die Nummern der Lübecker, Hamburger und Rostocker Gesangbücher mitverzeichnet sind, so ist anzunehmen, daß bis 1715 diese drei bald hier, bald dort in Gebrauch waren. Im Lauenburgischen war es nicht anders. Die Herausgabe des Ratzeburgischen Gesangbuches war eine Tat. Angehängt war eine "Lieder-Krone", die durch Geschichten die Choräle erläutert, worunter sich auch heimatkundliches Material findet. Das Titelblatt ist von sonderlichem Wert. Der Kupferstich stellt in

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vier Bildern den Harfe spielenden König David. einen Opferaltar. ein beflügeltes und ein brennendes, auf der Bibel ruhendes Herz dar. Darunter ein Gesamtbild von Ratzeburg, das mit den dabei stehenden Erläuterungen von größtem Bemerken für die Chronik der Stadt ist. Das Buch, das auch im Lauenburgischen Verbreitung fand, hatte einen solchen Erfolg. daß bereits 1720 eine vermehrte zweite Auflage mit 850 Gesängen die Presse verlassen konnte, der nach fünf Jahren die dritte mit 900 Gesängen folgte. Hierin begegnet man einer Vorrede des Probsten Kohlreiff, in der es heißt: "Es hat der grundgütige Gott den Abgang unsers Christlichen Gesang-Buches ... dergestalt gesegnet, daß man sich gemüßiget gefunden. nunmehro schon zur dritten Auflage desselben in diesem bequemeren und wohlfeileren Format zu schreiten. Die erste Edition von A. 1715 war gleichsam nur eine Probe unsers wohlgemeinten Vorhabens, und hat dennoch solchen Beifall gefunden, daß daraus fast alle bey den Liedern gemachte Anmerkungen und Erklärungen dem A. 1719. mit der Censur der Hochwürd. Theologischen Facultät zu Helmstädt herausgekommenen Nieder-Sächsischen Lieder-Kern mit einverleibet worden." Bezüglich der Lieder-Krone wird gesagt, daß diese vermehrt sei und daran Gelehrte wie Ungelehrte ihr Vergnügen und inneren Gewinn gehabt hätten. Es verlohnte sich, die unsre Gegend betreffenden Geschichten für die Heimatfreunde znsammenzustellen. Es sei nur angemerkt, daß die General-Superintendenten D. Mithobius zu Ratzeburg-Dom und Vogel zu Lauenburg, sowie ein Erblandmarschall von von Bülow auf Gudow in der Liederkrone gebührende Erwähnung finden. Im Jahre 1738 erschien bereits die 6. Auflage. Neben dem Kohlreiffschen Gesangbuch druckte Hartz desselben Probsten "Christliche Katechismusfragen zu desto festerer Grundlegung in der reinen Lehre und wahren Gottseligkeit" (1723).

Sonst ist uns bekannt, daß Hartz 1727 auf Befehl des Herzogs folgende religiöse Schriften druckte: 100 Exemplare eiuer "Grabowischen Brandt-Predigt" zum Preise von 5 Rtlr. 8 Gg., Pastor Hinckens Grabowische Brandt-Predigt (16 Rtlr., 100 Exemplare), Magister Beckern Abend-Rede (400 Ex.).

Ferner druckte er 1716 ein Kaiserliches Mandat auf Befehl der Meckl. Regierung, ebenso auf des Herzogs Anordnung die Refutation wider das Mecklenburg-Schwerinsches zu Regensburg distributirtes Schreiben vom 4. Mai 1726, die er nach Wien an den Strelitzschen Gesandten von Behr über Hamburg in 60 Exemplaren zu versenden beauftragt war. Überdies genoß er das Vertrauen der hiesigen Lauenburgischen Regierung, die, obwohl in der Stadt Lauenburg eine Druckerei war, dennoch auch der Domdruckerei Arbeit gab, besonders bei eiligen Regierungssachen.

Tragisch sollte jedoch des strebsamen, tüchtigen Geschäftsmanns Lebenswerk niedergehen. Nachdem er 30 Jahre lang die Druckerei auf der Höhe erhalten. mußte er es kurz vor seinem Tode erleben, wie nicht allein die Hannoversche Regierung ihre Aufträge zurückzog und ihre Sachen nur noch in Lauenburg drucken ließ, sondern auch das Gesangbuchgeschäft starke Einbuße dadurch erlitt, daß Lauenburg in der "Liedertheologie" ein Einheitsgesangbuch erhielt, wo bislang das Alt- und Neuhannoversche oder das Stift-Ratzeburgische in Gebrauch war; freilich eine Notwendigkeit, aber für Hartz schmerzlich, weil das Lauenburger Gesangbuch nicht bei ihm, sondern bei Berenberg in Lauenburg hergestellt wurde. Über der Hoffnung, auf andere Art Arbeit zu bekommen, starb der verdiente Mann (1743), der in Haus und Beruf reich gesegnet gewesen, eine Witwe hinterlassend, die sechs Jahre lang mit aller Energie dem Betriebe vorstand, bis sie so in Schulden "bey diesen Nahrlosen Zeiten" geriet, daß sie die Druckerei an ihren Faktor HIERONYMUS CHRISTIAN SCHMIDT verkaufte. Bevor es dazu kam, versicherte sich dieser des auszustellenden Privilegs. Bei den Verhandlungen mit der Regierung zeigt sich die Spannung zwischen Ratzeburg-Dom und Stadt. Der Probst Lic. G. Kohlreiff schreibt kurz vor seinem Tode (1750): "Daß aber auch, wo hier auf dem Thumhofe keine Buchdruckerey conserviret werden sollte, DIE HERREN LAUENBURGER unzweiffentlich sie sofort in der Stadt Ratzeburg anrichten würden; gleichwie sie dem Thumhofe nun auch schon den BUCHBINDER entzogen."
 








 


 

 

 

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