Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1930


Die Buchdruckerei auf dem Domhof zu Ratzeburg.

Von FISCHER-HÜBNER, Pastor in Ratzeburg.

IV. Der zweite Bankrotteur und der letzte Drucker.
 

Schmidt, der vierte Besitzer der Domdruckerei, war ein Ratzeburger Kind, Sohn des Bürgers und Kaufmanns Johann Christian Schmidt. Eine Schwester von ihm heiratete, als er die Buchdruckerei übernahm, um alsbald ihren Mann, den Feuergreven Balthasar Fromme, durch den Tod zu verlieren. Ein Jahr später heiratete sie zum zweiten Male, und zwar den Regierungskanzlisten Rabe. Eine andere Schwester war die Gattin des Hautboisten Johann Balthasar Dingethal beim General Maiderschen Regiment hierselbst (getraut am 3. Februar 1743), nachmals Stadtmusikus in Langensalza. Der Bruder selbst war anscheinend unverheiratet.

Schmidt hat der Domdruckerei 18 Jahre lang vorgestanden. Es scheint, daß unter ihm folgende Schriften und Bücher gedruckt worden sind: Das Ratzeburgische Gesangbuch, die Psalmen, die Episteln und Evangelien in qnarto, desgl. in duodec, "geistreiche Gesangbücher", "Lieder Chronicae", Geistl. Wander-Stäbe, Mecklenburgische Geschichte von Behr, Mecklenburgisches Urkunden-Inventarium, Fibeln, kleine Liederbücher.

Als er das Geschäft übernahm, wird ihm das Zeugnis gegeben, er sei in seiner Kunst geschickt und genüglich erfahren, wie auch sein Lebenswandel einwandfrei sei. Dennoch teilte er insofern Sigismund Hoffmanns Schicksal, daß er mehr und mehr in Schulden geriet. Als er nicht ein und aus wußte, da die Schuldenlast auf 1800 Rtlr. gestiegen war, entwich er plötzlich im Juni 1768 unter dem Vorwände, nach Wismar zwecks Einkassierung von Geldern reisen zu müssen, von wo er mit der Post nach Rostock weiterfuhr. Seitdem war er verschollen. Er hatte des hiesigen Krämers Sohn, Johann Peter Köster, der zu Michaelis seine Lehrzeit beenden sollte, und das Dienstmädchen Sophia Carolina Christiana Giesen, Zöllnerstochter von der Donnerschleuse, zurückgelassen, die die Druckerei bezw. den Haushalt weiter besorgten. Das Zeugnis über die
fünfjährige Lehrzeit, das man dem Lehrburschen ausstellte, fiel wegen seiner Treue, Strebsamkeit und tadellosen Führung sehr gut aus.

Schmidt hatte von seinem Schwager Raben ein Kapital von 1140 Rtlr. geliehen. Dieses kam nach dessen Tode der Nichte Emma Marie Elisabeth Dingendalen zu, das sie gerade zur Heirat mit dem Cornet Jungesblut benötigte. Bei der Regelung der Schulden des Schmidt fiel indessen der Erbin nur ein ganz geringer Bruchteil ihrer Forderung zu. Ebenso erging es allen andern Gläubigern, die dem Drucker eine größere Summe geliehen hatten.

In der Vakanz bemühte sich der hiesige Buchbinder Leich (nachmals Bürgermeister) darum, den Verlag des Stiftskatechismus und des Ratzeburger Gesangbuchs zu gewinnen, indem er sich bereit erklärte, beide Bücher, die vergriffen, neu auf seine Kosten aufzulegen. Dabei stellte er fest, daß gewöhnlich 40 Exemplare des Gesangbuches jährlich hier verkauft würden. Wertvoll ist, was der Probst Nauwerk über Verbesserungen am Katechismus und Gesangbuch bei der Weitergabe des Leichschen Gesuchs an den Herzog zu bemerken hat:

Im hiesigen Catechismo, so wie er jetzo ist, sind verschiedene Lehren ohne Noth wiederholet, andere mangelhaft ausgedrückt und noch andere gar übergangen. Ohne also das Buch zu vergrößern, würde dienlich sein, wenn mehrere PRAKTISCHE ANLEITUNG ZUR AUSÜBUNG DER darin vorgetragenen WAHRHEITEN beigefüget würde. In dem hier eingeführten Gesangbuche aber würden anstatt der VIELEN LATEINISCHEN LIEDER, die entweder gar nicht, oder doch zum Theil nur von denen Chor-Schülern, ohne daß sie selbige verstehen  sollten, gesungen werden, gar füglich erbaulichere deutsche Lieder können eingerücket werden.

Es war zu erwarten, daß das Gesuch des Buchbinders Leich abschlägig beschieden wurde, da der Verlag dieser beiden Bücher zu den notwendigen Einnahmen des Druckers und Verlegers auf dem Dom gehörte. Ohne den "kleinen Verlag" erschien die Domdruckerei nicht existenzfähig, und die Mecklenburgische Regierung wollte sie doch unter allen Umständen erhalten.

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Die Anzeigen wegen der Schuldenregelung des entwichenen Buchdruckers und wegen des Verkaufs der Druckerei standen am 24., 26., 27. Oktober 1769 in der "Staats- und Gelehrten Zeitung des Harnburgischen unpartheyischen Correspondenten", im Hamburger Relationskurier und im Reichs-Post-Reuter. Drei Kauflustige meldeten sich zunächst: Chemnitz in Hamburg, Gundelach, Bruder des Stadtsekretärs, bei Berenberg in Lauenburg, endlich Glaser aus Lübeck, der von dem Brauer Nicolaus Rohrdantz in Ratzeburg vorgeschlagen war. Gundelach zog es nach eingehender Prüfung vor zurückzutreten, da er voraussah, darauf nie "sichere Rechnung machen" zu können. Schließlich konkurrierten nur zwei: Gläser und der inzwischen aufgetretene Serringhausen-Flensburg. Der zuerst angesetzte Termin verlief ohne Ergebnis. Auf dem zweiten Termin (5. Dezember 1769), der in den genannten Blättern angezeigt war, bot Serringhausen schriftlich 600 Taler. In seinem Briefe gibt er seiner pessimistischen Auffassung von dem gegenwärtigen Stand der Buchdruckerkunst Ausdruck, zumal er schon 41 Jahre alt ist und noch keinen Hausstand und Geschäft erworben. Er fürchtet, hier nicht Kundschaft und Arbeit genug zu haben, so daß ihn das Schicksal Schmidts treffen könnte. Den Zuschlag erhielt als Meistbietender auf sein Gebot von 601 Tlr. der Buchdrucker Zacharias Hinrich Gläser, "der in seiner Vaterstadt Lübeck gelernt, und zuletzt zu Mittau in Curland auch zu Schwerin, conditioniret hat". Das Privileg wurde am 9. April 1770 ausgestellt. 1771 heiratete er, der Gerberssohn aus Lübeck, eine Tochter des Miliz-Muster­Schreibers Rickers aus seiner Vaterstadt und hatte nur einen Sohn, der, 6 Wochen alt, verstarb. Anfangs hatte Gläser noch einen ärgerlichen Streit mit seinem bisherigen Chef in Schwerin, dem Hofbuchdrucker Bährensprung, der darauf bestand, daß sein Setzer noch bis Ostern bei ihm arbeitete, weil er unentbehrlich war. So ehrenvoll einerseits diese Wertschätzung seiner Arbeitskraft für ihn sein mußte, so gerne hätte er seine hiesigen Druckarbeiten, wie begonnen, fortgesetzt, zumal reichlich Arbeit vorhanden. Jedoch mußte er, um sich nicht strafbar zu machen, gleich nach Neujahr nach Schwerin zurückkehren und seinen Contract einhalten. Dabei interessiert zu erfahren, daß Druckergesellen damals so selten waren, daß Gläser keinen Vertreter, auch nicht in Hamburg, zu finden imstande war.

Es war ein schwerer Anfang, die verfallene Druckerei wieder auf die Höhe zu bringen. Dazu kam, daß die Umgießung sämtlicher Lettern, die abgenutzt und unbrauchbar waren, unumgänglich nötig erschien, wollte der junge Anfänger etwas verdienen.

Über die Handhabung seines Geschäfts und die Gratislieferungen an die Strelitzsche Regierung erfährt man unter dem 17. Juli 1770 folgendes:

Der hiesige Buchdrucker ist zwar, inhalts aller vorhandenen so alt, als neuer Hertzoglichen Privilegiorum, verbunden, alle Edicte, Mandata, Pässe und dergleichen frey und sonder Entgelt, nur daß ihm dazu das erforderliche Papier gegeben werde, zu drucken pp. Dieses aber besteht in KLEINIGKEITEN 1.[sic!] 1 1/2 höchstens 2 Bogen, und ist überdem nur von Raceburgicis zu verstehen: Wie sich denn Nachricht findet, daß wenn jezuweilen etwas von Strelitz her zum Druck anher geschickt, dieselben allemahl bezahlt worden. Ist also DAS NEUE SCHUL REGLEMENT, als ein ... actas von 3 bis 4 Bogen, unter oberwehnten Kleinigkeiten, meines erachtens, nicht mit zu verstehen. Das Ratzeburgische Gesangbuch, des Mithobii Catechismum und dergleichen Kirchen- und ordinaire Schulbücher pp. nimt der hiesige Buchdrucker, bisheriger Gewohnheit nach, in seinen Verlag; und wie dazu ein beträchtliches Capital gehört, insonderheit wenn neue Schrifften oder Lettern dazu angeschaffet werden müssen: So macht er die
abgedruckten Exemplaria derselben, nach und nach, bestmöglich zu Gelde, und übernimt zugleich allen etwaigen Risico, ohne daß von der H. Landesherrschaft, oder hiesigen Kirchen- oder Schuladministration, der mindeste unentgeltliche Auftrag? geschehen dürfe (Schreiben des Rates Siemsen).

Gläser hat von den fünf Dombuchdruckern am längsten dem Betrieb vorgestanden, nämlich zweiundvierzig Jahre. Als erster gab er gleich am Anfang seines Wirkens eine ZEITUNG heraus. Selbst als betagter Mann beteiligte er sich noch an einer neuen Gründung, nämlich an dem fürstlich ratzeburgischen Intelligenzblatt, das er druckte, während es der Hofrat Reinhard, der Rektor Dietz, der Kammersekretär Nauwert und W. Schink redigierten.

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Leider versagen hier die Akten. Als Gläser 1811 starb, ging die Druckerei ein. Bei dem Fehlen der Akten bleibt noch die Aufgabe zu untersuchen, weshalb die Strelitzsche Regierung nicht wie bei früheren Vakanzen sich für die Erhaltung des Betriebes einsetzte. Gewißlich waren der Krieg und die Verlegung der Regierung nach Schönberg zureichende Gründe. Dort erhielt der Buchdrucker Bicker 1830 das Privileg zur Errichtung einer Buchdruckerei.

Indessen war die Stunde gekommen, daß in der STADT Ratzeburg nunmehr eine Druckerei eröffnet wurde, worauf in der vorigen Vakanz der Buchbinder Leich schon sein Augenmerk gerichtet hatte. In demselben Jahre, in dem die stiftratzeburgische Regierung verlegt wurde (1814), erfolgte die Gründung der Freystatzkyschen Druckerei, die noch heute besteht.
 






 


 

 

 

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