Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1932


Die lauenburgische Kirchenvisitation von 1581/82.

Von KURT FEILCKE, Pastor in Hannover.
 

Gleich nach seinem Regierungsantritt unternahm Franz II. es, der Bewegung der Reformation, die sich im Volke überall durchgesetzt hatte, durch feste Ordnungen nun auch die gesetzliche Grundlage zu geben. Dafür brauchte er einen genauen Überblick über den Stand der kirchlichen Verhältnisse. So beschloß er eine Visitation aller Kirchengemeinden seines Landes, wie sein Vater bereits 17 Jahre vorher, eine durch Franz Baring hatte halten lassen.

Der Herzog wünschte sich zur Durchführung dieser Visitation einen "reinen tapffern Theologum". Den fand er in dem Lübecker Superintendenten Andreas Pouchenius, der - nach Starcke - "seiner orthodoxie und andern Geschicklichkeiten halber in Nieder-Sachsen in sonderlichem Ansehen" stand, und erlangte ihn auch für diese Aufgabe von der Stadt Lübeck. Ihm, dem "General-Visitator", wurden eine Anzahl Vertreter der Ritterschaft und des Hofes und die Sekretäre des Herzogs beigeordnet, die untereinander abwechselten.

Die Visitation zerfiel in zwei Teile, in die sogenannte "Winter-Visitation", zu der die Pastoren nach Ratzeburg oder Lauenburg (nicht nach Neuhaus, wie Burmester meint) kommen und auf bestimmte Fragen Auskunft geben mußten, und in eine "Land-Visitation", bei der die Visitatoren in die einzelnen Kirchspiele hinausfuhren. Die WINTERVISITATION begann am 19. November 1581 in Ratzeburg mit der dortigen Kirchengemeinde. Vom 29. November bis zum 2. Dezember wurden sämtliche Gemeinden des Amtes Ratzeburg - jeden Tag 3 oder 4 - erledigt, vom 7. bis 12. Dezember in Lauenburg die südlichen Kirchengemeinden. Der Herzog zeigte sein Interesse durch persönliche Anwesenheit in Ratzeburg am 19. November und vom 30. November bis zum 2. Dezember. In den beiden Kirchen des damaligen Amtes Neuhaus, Stapel und Caarsen, fand keine besondere Wintervisitation statt. Die Pastoren machten zuerst nähere Angaben über ihre Personalien. Besonderes Gewicht wurde dabei auf den

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genauen Nachweis ihrer Ordination, Berufung und Einführung gelegt. Sie hatten dann zu berichten über "ihre Bücher und Studien", ihr "Predigen und Sakramentreichen", über dienstliches und außerdienstliches Verhalten des Küsters und zuletzt über den inneren Zustand ihrer Gemeinde. Wenn man in dem damals aufgenommenen Protokoll das über diesen letzten Punkt Gesagte aufmerksam durchliest, gewinnt man den starken Eindruck, daß damals vieles, wie es auch wohl nicht anders sein konnte, aus einem rein persönlichen Gesichtswinkel heraus geschildert ist. Verstimmungen oder auch Rücksichten haben vergröbernd oder abschwächend gewirkt, so wenn einige Pastoren sich nicht auf die Namen von "Wickerschen" (Frauen, die das Besprechen ausübten) meinten "besinnen" zu können. Viele schlimme Dinge, die mit Händen zu greifen waren, wurden schriftlich niedergelegt, während gewiß manche stille, treue Arbeit, manch ein guter Zug im Volkscharakter unerwähnt geblieben ist. Wer das bedenkt, wird vielleicht die sittlichen Verhältnisse der damaligen Zeit nicht mehr ganz so schwarz beurteilen, wie es neuere Bearbeiter der lauenburgischen Geschichte im letzten Jahrhundert getan haben. Gewiß, es waren damals ungeordnete Verhältnisse, Menschen für unser Empfinden oft abstoßend roh und ungeschlacht, und doch in ihrer Art sicherlich ehrlicher, gerader und natürlicher als mancher in unserer Zeit. Wenn man heute bei einer Visitation all das Schlechte schildern wollte, worüber jeder offen spricht --! Ich glaube, wir haben nicht das Recht, den ersten Stein zu werfen. - Aus einer Bemerkung im Basthorster Protokoll scheint mir hervorzugehen, daß die Pastoren bei der Wintervisitation von ihren Kirchenjuraten begleitet gewesen sind. Es heißt dort: "Clawes Drewes und Jörgenn Püsth zu Möllenrahde Kirchgeschworene, haben nicht wollenn zur Lavemburgk kommenn, ist auch keiner vonn den Eltesten aufzubringen gewest." Der Kuddewörder Pastor beschwerte sich "gröblich, daß er gegen den Lowenburgk kommen müssen und daß man nicht zu ihm wäre gekommen. Sagt, man werde Gott deshalben Rechnung geben müssen, ihm sei sein lebenlang solche Visitation nicht fürgekommen, hat sich mit dem Superintendenten in Wort gegeben, und seine unbescheidene Hoffarth sehen lassen, daß der H. Visitator aufgestanden und mit ihm nicht wollen zu schaffen haben. EST OMNIUM VNFLATISSIMORUM VNFLATISSISMUS".

DIE LANDVISITATION wurde in den Kirchengemeinden selbst gehalten. Die Visitatoren, außer dem Superintendenten Pouchenius etwa 5 Männer von der Ritterschaft und vom Hofe, fuhren von Gemeinde zu Gemeinde. Sie wurden überall in der Kirche erwartet. Hier hatten sich alle Gemeindeglieder mit ihren Juraten, ihrem Pastor und ihrem Küster versammelt. Pastor und Juraten wurden eingehend befragt, alle Aussagen ausführlich zu Protokoll genommen, ein Katechismus-Examen mit dem Kirchenvolke angestellt. Hatte die Wintervisitation die PERSÖNLICHE Seite der Gemeindeverhältnisse klargestellt, so kam es jetzt an Ort und Stelle darauf an, die SACHLICHE Seite festzulegen, das Einkommen der Pastoren und Küster, das Eigentum und die regelmäßigen Einnahmen der Kirchengemeinden. Man suchte festzustellen, was in den 50 Jahren, seitdem die festen Ord­

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nungen des Katholizismus zerbrachen, von kirchlichem Besitz unerlaubt in Privathände übergegangen ("abalieniert") war, und auch, ob irgendwelche Verpflichtungen der Kirche gegenüber etwa nicht mehr innegehalten wurden. Beschwerden aller Art wurden angehört und ausgezeichnet, sofort entschieden oder aber der Entscheidung des Herzogs Vorbehalten. Den Abschluß bildeten dann meistens zwei "Abschiede", einer mit den Kirchgeschworenen und einer mit dem "Volk", wohl Schlußansprachen des Visitators, in denen er als Ergebnis von Winter- und von Sommervisitation noch einmal alle Mißstände der Gemeinde aufgeführt und ihre Abstellung gefordert hat. Auch verlas er Anordnungen des Landesfürsten, deren Nichtbefolgung unter Strafandrohung stand, so das Verbot des Wucherns, so der Befehl, während der Abwesenheit des Herzogs aus dem Lande Freitags"bedemesse" zu halten, zu der bei Strafe von 1 sch. aus jedem Hause wenigstens einer kommen sollte.

Dieser zweite Teil der Visitation nahm seinen Anfang am 26. und 27. Mai 1582 in der Stadt Lauenburg. Von hier aus fuhren die Visitatoren am 29. nach Hittbergen und Marschacht, am nächsten. Tage nach Artlenburg und - wohl unter Benutzung der uralten Elbfähre - hinüber nach Hamwarde. Am 31. Mai wurde der Geesthachter Pastor, wie er ausdrücklich feststellt, nicht wegen seiner Kirche, deren Patronatsrecht den "Erbahren Stetten Lübeck vnd Hamburgk zustendig sey", sondern wegen der eingepfarrten lauenburgischen Untertanen in der Kapelle zu Horn (Hohenhorn) visitiert. Die Fahrt fand am 1. Juni in Kuddewörde ihren vorläufigen Abschluß. Wir finden die Kommission erst am 4. Juli in Stapel und am folgenden Tage, in Caarsen wieder, in welchen Gemeinden wohl wegen ihrer Abgelegenheit beide Visitationen zusammen abgehalten wurden. Die Landvisitation nahm jetzt einen gleichmäßigen und schnellen Verlauf. Durchschnittlich wurde jeden Tag eine Gemeinde besucht. Von Büchen ging es über Siebeneichen nach Lütau, Gülzow, Brunstorf, Basthorst und Niendorf, von hier weiter über Gudow zu den Schaalseedörfern. Der Besitzer von Seedorf Bartholdt Lützow protestierte gegen die Abhaltung der Visitation, weil er zu spät, erst einen Tag vorher, durch Brief benachrichtigt sei, vor allem aber, weil er fürchtete, dadurch ohne weiteres sein vom Landesherrn angefochtenes Patronatsrecht zu verlieren. Die Visitation der Kapelle Lassahn konnte "wegen der einfallenden Ernte" nicht dort stattfinden und wurde in Seedorf gehalten. Der tiefere Grund liegt aber wohl in der damals umstrittenen Frage, ob Lassahn als Teil der "Kirche zu Stintenburg" nicht dem Visitationsrecht des Stiftes Schwerin unterstände. Am 17. Juli war man in Ratzeburg, am übernächsten Tage in St. Georgsberg und Berkenthin, wo mehr als 40 Gemeindeglieder nicht zur Kirche kamen, um dann am 20. Juli die Visitation mit Grönau und Krummesse abzuschließen. (Burmester schreibt irrtümlich, daß sie am 5. Juli in Caarsen endigte.) Noch am letzten Tage hatten die Visitatoren erhebliche Schwierigkeiten. Beim Katechismusexamen in Grönau verhielten sich die nicht-lauenburgischen Angehörigen der Kirchengemeinde "gahr vnuerschambt", liefen zur Kirche hinaus oder schwiegen, wenn
 

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sie gefragt wurden, "stock stille", "daß der Herr Examinator das Examen hat müssen bleiben lassen, hat also insgemein kein Abschied, wie in anderen Kirchen geschehen, geben können".

Behlendorf und Breitenfelde, deren Pastoren im Winter gekommen waren, wurde jetzt nicht visitiert, weil Erntezeit war. Auch rechnete man, durch Erfahrungen klug geworden, von Vorneherein nicht damit, daß die meist lübschen Untertanen sich dem Examen unterwerfen würden. Lüdersburg wurde gleichfalls überschlagen, weil der dortige Kirchenpatron schon im Winter 1851 [sic!] die Erlaubnis zur Reise des Pastors nach Lauenburg verweigert hatte. Die Visitatoren, selbst ohne Macht, verschoben die Entscheidung darüber bis zur "glücklichen wieder anheimkunfft" des Herzogs.


DIE KIRCHLICHEN VERHÄLTNISSE 1581
 

Die Visitation fand in den Kirchengemeinden eine bunte Mannigfaltigkeit der Verhältnisse und der Lebensformen vor. Das Halbjahrhundert der Gesetzlosigkeit hatte es jedem überlassen, sich selbst einen Weg aus der alten in die neue Zeit zu suchen. So mußte das AEUSZERE kirchliche Leben sich noch sehr stark in den überlieferten Bahnen der katholischen Sitte bewegen, während jede Gemeinde die INNERE Not durch ihren Pastor erhielt, dadurch allerdings entscheidend von seiner religiösen Erkenntnis, seinem Fleiß oder Unfleiß abhängig wurde. Die Pastoren kamen von auswärts, wohl alle aus evangelischen Gegenden mit fester gottesdienstlicher Sitte. Sie fanden keine bindende Ordnung vor, werden deshalb ganz bewußt die ihnen vertrauten Formen in ihre neue Heimat übertragen haben. Die Klage über das Fehlen einer eigenen Agende und die dadurch bedingte Ungleichmäßigkeit der kirchlichen Handlungen kehrt im Protokoll mehrfach wieder. Viele benutzten bei den Amtshandlungen Luthers Katechismus, einer das "Psalmbuch" (Gesangbuch). Mustin und mehrere andere gebrauchten die Mecklenburgische, Caarsen und St. Georgsberg die Pommersche Agende und Kirchenordnung. 5 Gemeinden hatten die Lüneburgische und Siebeneichen die Braunschweiger Kirchenordnung, Gudow die Oldenburgische und Berkenthin die Holsteinische Agende. Wenn sich trotzdem ein in großen Zügen einheitliches Bild zeichnen läßt, so ist das ein Zeichen dafür, daß sich damals im ganzen lutherischen Deutschland eine starke Gemeinsamkeit der kirchlichen Verhältnisse fand, der sich (unter dem Einfluß seiner geordneten evangelischen Umgebung und des ständig aus anderen Gegenden kommenden Pastorennachwuchses) Lauenburg auch wohl ohne eine gesetzliche Regelung allmählich immer mehr angepaßt hätte. Die Jahre um 1580 herum bedeuten damit einen Übergang. Die tausend, oft sehr unwichtigen Einzelangaben des Visitationsprotokolls geben uns, mosaikartig zusammengestellt, einen Einblick in die kirchliche Lage jener Zeit im Lande.

1. Die Kirchengemeinden.

Damals wie heute gab es etwa 30 Kirchengemeinden. Ihre Größe und Abgrenzung hat sich in diesen 400 Jahren kaum geändert. Nur gehören von den damaligen Gemeinden fünf nicht mehr zu Lauenburg.
 

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An ihre Stelle sind fünf andere getreten, eine Folge der vielen Gebietsveränderungen des Landes.

1581 waren noch die fünf südelbischen Gemeinden Artlenburg, Hittbergen, Marschacht, Stapel und Caarsen lauenburgisch. Es fehlten Sandesneben und Siebenbäumen, die Franz I. mit dem Amte Steinhorst 1568 verkauft hatte, Mölln und Breitenfelde, beide an Lübeck verpfändet, - trotzdem wurde der Versuch der Visitation bei Breitenfelde und dem lübschen Behlendorf gemacht - und dann Sahms, das zum holsteinischen Amte Trittau gehörte.

Büchen und Pötran waren noch zwei getrennte Kirchengemeinden, Hamwarde und Worth schon damals vereinigt. Hohenhorn gehörte als Kapellengemeinde zu Geesthacht und ebenso Schwarzenbek zu Brunstorf. Niendorf, früher eine Breitenfelder Kapelle, wurde gerade 1581 selbständig.
 

2. Patronate.

Jede Kirche hatte ihren "Patron", einen "Heiligen" noch aus katholischer Zeit. Es ist eine lange, bunte Reihe: Johannes und Jacobus, Petrus und Andreas, Johannes der Täufer, Georgius, Clemens und Catharina (beide an einer Kirche), Abundus, Willadus, Nicolaus, Martinus, dazu Maria Magdalena, Anna, Elisabeth und, mit sechsmaligem Vorkommen am häufigsten, Maria. Nach ihnen nannte man die Kirchen und Kapellen, ja selbst das Kirchenland. In Brunstorf, dessen Patronin die heilige Elisabeth war, hieß eine Koppel das "heilige" oder "Elisabeth-Land". Zur Dassendorfer Kapelle gehörte das "Sanct Vitii Holz", zu Gudow das "Marienholz", zu Kuddewörde die "S. Andreas Hufe". Dr. Irmisch-Ratzeburg hat in seinen "Beiträgen zur Patrozinienforschung im Bistum Merseburg" (Magdeburg 1930) behauptet und unter Beweis gestellt, daß jedes Jahrhundert bestimmte Heilige bevorzugte. Wenn das auch für Lauenburg zutrifft, müßte es eine dankbare Aufgabe sein, aus der Wahl der Patrone Rückschlüsse auf das Alter der einzelnen Kirchen zu ziehen.

Das Patronatsrecht gehörte in einer Reihe von Gemeinden nach altem Herkommen einem bestimmten Gutsbesitzer, in den übrigen (16) Kirchengemeinden - es waren wohl ohne weiteres alle die, bei denen sich ein solches Recht nicht nachweisen ließ, - dem Landesherrn. In Marschacht wechselte die Ausübung von Jahr zu Jahr zwischen dem Lauenburger und dem Lüneburger Herzog ab. In Ratzeburg berichtete Bürgermeister Karstede 1590, daß Franz I. es der Stadt "cedirt vnnd vfgetragen habe". Für Hittbergen nannte das Protokoll von 1581 als Inhaber die Abtei S. Michaelis zu Lüneburg, das von 1590 dagegen neben dem Abt zu S. Michael den Landesherrn. Beide sollten sich darin von einer Pastorenernennung zur andern abwechseln. Gleichzeitig wird aber von einem Prozeß gesprochen, der deswegen damals vor dem Reichskammergericht schwebte. Es wird sich in diesem Falle wohl um den auch anderswo erkennbaren Versuch des Lauenburgers handeln, dieses wichtige Recht mit der Zeit überall in seine Hand zu bekommen.

Das Patronatsrecht der meist adeligen Besitzer war fester Besitz. Es ging auf männliche und auch auf weibliche Erben über. Ausdrück-
 

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lich wird das von Niendorf gesagt. Und in Kuddewörde war 1581 Georg v. d. Lythe Inhaber und 1590 seine Witwe. Es konnte mit dem Grundbesitz zusammen verkauft werden, aber auch dem alten Herrn Vorbehalten bleiben. Interessant hierfür ist die Verhandlung, die die Visitatoren bei der am 1. Juli 1590 versuchten Visitation der Behlendorfer Gemeinde führten. Lübeck hatte das dortige Gut früher mit allen Gerechtigkeiten "von den Parckentinen erblich erkauft". Es wollte diesen deswegen das Patronatsrecht nicht mehr zugestehen, geschweige denn die Kirche der lauenburgischen Visitation unterwerfen, - es sei denn, daß "gemelter Parckentyn mit siegel und briefen" beweisen könnte, daß "den Parckentinen das JUS PATRONATUS im Erbkaufe Vorbehalten wäre". Allerdings würden sie es auch in diesem Falle verloren haben, weil sie - "wie dem patrono gebueret" - für die Kirche keine Lasten getragen hätten. Die Kirche sei vielmehr "von einem Erb. Rathe zu Lübeck biß an itzo in bau und besserung gehalten". - Auch in Seedorf, wo der Landesherr, wie bereits erwähnt, dem Besitzer das Patronatsrecht streitig machte, handelte es sich um die Frage, ob dieses zugleich mit dem Gute käuflich erworben war. *)

Wie auch aus dem Gesagten hervorgeht, war es Pflicht der Patronatsherren, das für die kirchlichen Gebäude erforderliche Bauholz zu beschaffen. Von einer Brennholzlieferung an die Pastoren ist in einer Reihe von Gemeinden die Rede, ohne daß zu ersehen ist, ob es sich dabei um eine Verpflichtung des Grundherrn in seiner Eigenschaft als des Inhabers des Patronats handelt. Diesen Pflichten stand das Recht gegenüber, den Pastor der Gemeinde zu berufen. Wie weit der Patron darüber hinaus in den Gemeindeangelegenheiten mitzureden hatte, ist nicht ganz klar. Die Abrechnung der Kirchenkasse, die allgemein bei der für jedes Jahr vorgesehenen Visitation stattfinden sollte, in Gegenwart des Patronatsherrn vorzunehmen, wird den Kirchgeschworenen ausgesprochen nur in Kuddewörde zur Pflicht gemacht.

Das Protokoll weiß von einem Kirchenpatron zu berichten, der besonders viel für seine Gemeinde tat: Vollrath von Scharffenberg in Niendorf. "Ist zuvorn eine Capelle und Filial gewesen der Kirchen zu Bredenfelde. Aber von Vollert Scharfenberge dermaßen dotirt Ao. 81, daß hinfürdcr ein besonderer Prediger daselbst soll gehalten werden." Er schenkte das Land, das für die Unterhaltung des Pastors notwendig war, bot ihm einen Freitisch an und verpflichtete sich zur jährlichen Lieferung von vier Bäumen, die er hauen und anfahren ließ. Diese Brennholzlieferung, wohl die größte, die ein Pastor im Lande bekam, auszuführen mag ihm nicht immer leicht gewesen sein. Schon 1590 bittet er den Landesherrn, er möge ihm, weil "seine Holzung geringe", "jährlich mit einem dürren bäume aus der Borstorfcr holtzung zu hülfe kommen". Auch für den Küster gab er das Land, "so Ewigk bey der Cüsterrey Pleiben soll", Acker und eine Wiese, dazu "freie Holzlese zur Feuerung" und einen Geldbetrag von 16 Mk. jährlich,

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*) Der von Herzog Franz I. am 17. 8. 1571 dem Bartelt von Lützow erteilte Kaufbrief bestimmt ausdrücklich, daß er das Gut Seedorf "samt dem Kirchenlehen"
zu nutzen berechtigt sei. (Schriftl.)
 

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vielleicht als Ersatz dafür, daß in dieser kleinsten Gemeinde Lauenburgs die Höhe der Einnahme aus Naturallieferungen und Gebühren hinter der anderer Gemeinden Zurückbleiben mußte. 1590 bediente sein Hauslehrer, "ein Junger geselle", das Küsteramt. Die Kirchenkasse hatte eine Gesamteinnahme von etwa 17 Mark. Davon kamen von ihm 5 Mk. - "gibt der Junker selbst aus" - und weitere 10 Mk. von verschiedenen Leuten, denen er eine entsprechende Pachtermäßigung gewährt hatte!
 

3. Kirchen und Kapellen.

Die Zeit der fehlenden Ordnungen hinterließ ihre Spuren am sichtbarsten in einem schlechten baulichen Zustand der kirchlichen Gebäude. Lange Jahre hindurch hatte cs niemand gegeben, der auf säumige Unterhaltungspflichtige einen Druck hätte ausüben können oder wollen, und das Kassenwesen der Gemeinden, geregelt in Einnahme und Ausgabe, wurde erst jetzt wieder aufgebaut. So wird es selbst bei gutem Willen vielerorts nicht möglich gewesen sein, notwendige Erneuerungsarbeiten auszuführen. Oft mag es auch wohl am guten Willen gefehlt haben.

In Siebeneichen waren Kirche, Kirchturm, Wede (Pastorat) und Küsterhaus baufällig, in Stapel Glockenturm und Kirche, in Gülzow die Kirche "außen und inwendig". Im Gudower Gotteshaus fehlten die Fenster. Tauben bauten in ihm ihre Nester. Der Vorwurf: "Die Kirche lassen sie verfallen", wird der Grönauer Gemeinde gemacht. Er findet sich in ähnlicher Form auch sonst. Der Marschachter Küster mußte sich dafür verantworten, daß er beim Tode der Herzogin nicht hatte läuten wollen. Er sagte, es sei ihm. weil der Glockenturm baufällig, vom ganzen Kirchspiel verboten worden, mit der Drohung, ihn haftbar zu machen, wenn er es doch tun würde und "das Gebäu dadurch schaden nehmen". - In gutem Zustand wurden alle Gebäude in Hittbergen und Lütau vorgefunden. Nur beklagte sich der Lütauer Pastor, daß etliche nicht ihre Umlage zum Bau geben wollten.

Die Visitatoren gaben den Gemeinden auf, ihre Kirchen instandzusetzen. Die Gemeindeglieder sollten dabei helfen und das Ihrige dazu beitragen ("contribuiren"). In Lauenburg versprachen eine Reihe herzogliche Beamte, Materialien oder Geld für die Bauarbeiten an der Kirche zu schenken. Darunter war der bekannte Kanzler Franz II.: DR. Hieronymus Schulze mit einem Kasten Kalk und der Großvogt (Hauptmann) Heinrich Schmidt mit 1000 Mauersteinen.

Am meisten hatten unter der Vernachlässigung die Kapellen zu leiden gehabt. Es gab derer, vor allem im Süden des Landes, eine große Zahl. Zu Gülzow gehörten die in Coldow (Kollow), Thömen und die "ganz verfallene" in Abendorf (Juliusburg), zu Brunstorf die in Schwarzenbek, Kröppelshagen, Dassendorf, Havekost, zu Lütau die in Witzeeze, Basedow, Wangelau, Schulendorf - in ihr wurde jährlich nur zweimal gepredigt -, und Krüzen wo 14 mal im Jahre gepredigt wurde. Stapel hatte einen Kranz von 6 Kapellen. Von ihnen war die in Privelack "verfallen" und die in Kühren "von der Elbe weggewaschen". Siebeneichen hatte eine Kapelle in Müssen,

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Geesthacht die in Hohenhorn, Ratzeburg die in Ziethen, von der "etzlich Acker" unter die Bauern verteilt waren, St. Georgsberg die in Schmilau. Nach dem Protokoll hatten "vorzeiten" zur Lauenburger Kirche gehört die St. Annen Capelle und die Glüsinger Capelle, nun beide "wüst". Weil bei ihnen "ein stattlich Lehen" gewesen sein sollte, wollte man sich bei einem Ratzeburger Domherrn erkundigen, der darüber vielleicht Auskunft geben konnte.

Ein Schulbeispiel dafür, wie man eine ganze Kapelle mit ihren Ländereien der Kirche entwendet hat, haben wir in dem zu Artlenburg gehörenden Schnakenbek. Die dortige Kapelle hatte sich der Kuhhirte zur Wohnung genommen. Von den beiden Glocken war noch eine vorhanden, die andere wurde in Artlenburg als "Seiger Glocke" gebraucht. Den Friedhof hatte ein gewisser Baltzer Werde eingezäunt und besäet. Er hatte auch alles Ackerland, das zur Kapelle gehörte, unterm Pflug, ja selbst der Grund, auf dem sein Haus stand, war Kapelleneigentum. Die Visitatoren konnten dies alles erst durch Befragen zweier alter Leute feststellen. So wenig kannte man damals noch in der Öffentlichkeit die wahren Zusammenhänge!

GLOCKEN gab es wohl in jedem Gotteshaus. Alle Kirchen, bei denen sie erwähnt sind, hatten drei, die Kapellen mit einer Ausnahme nur eine oder zwei. Sie hingen in vielen Fällen in einem gesondert stehenden Glockenturm.

KIRCHENUHREN (Seiger) waren in vier größeren Gemeinden. Sie wurden gegen besondere Vergütung vom Küster "gestellt".

Der INNENBELEUCHTUNG dienten in manchen Kirchen hängende "Leuchter-Kronen", meist eisern, auf die Kerzen gesteckt wurden. So waren in Lauenburg drei, in Siebeneichen zwei. Pötrau hatte eine mit einem Marienbild, Berkenthin eine mit einem Becken aus Messing. Ein "Arm", wohl Wandarm, war noch in Lauenburg.

In der Lütauer Kirche stand eine WAAGSCHALE MIT GEWICHTEN. Vielleicht war sie dazu bestimmt, die Naturallieferungen an den Pastor nachzuwiegen, die - jedenfalls ist es ein Jahrhundert später in Basthorst so gewesen - an den ersten Festtagen in der Kirche abgeliefert wurden. Krummesse hatte einen kleinen "KASTEN ZUM OPFERGELD" und die Basedower Kapelle ein "Bedtbrett mit einem Bilde". *)

KIRCHENHEIZUNGEN werden nirgends erwähnt. Sie waren in jener Zeit noch in ganz Deutschland unbekannt. Man heizte damals ja noch nicht einmal die Theater und die Hörsäle der Universitäten. **)

Über das KIRCHSTUHLWESEN bringt das Protokoll nur eine einzige Notiz. In Lauenburg schlichteten die Visitatoren eine Streitigkeit zwischen David Pauer und seiner Mutter wegen des Besitzrechts an einem Kirchenstuhl. Pauer sollte einen andern erhalten, aber den Kirchgeschworenen (als den Verwaltern der Kirchenkasse) dafür geben,

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*) In Greifswald wurde noch im 18. Jahrhundert statt des Klingelbeutels ein Marienbild umhergetragen, auf das man opferte. (Paul Graff: "Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen", S. 102, Anm. 10.)
**) Paul Graff, S. 103.
 

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"was recht und ihnen davon gebühre". Die Kirchenstühle scheinen also auch damals, wie es im Lande bis in die jüngste Zeit gewesen ist, den einzelnen Gemeindegliedern gegen eine bestimmte Gebühr fest zugewiesen gewesen zu sein.
 

4.  Meßgewänder und Altargerät.

1581 war noch das gesamte gottesdienstliche Inventar aus katholischer Zeit vorhanden. Es wurde zum Teil gebraucht, zum Teil aber wohl nur um seines Wertes willen aufbewahrt. In ständigem Gebrauch standen die MESZGEWAENDER, die unbedenklich weitergetragen und sogar noch erneuert wurden. Friedrich Aepinus,
Pastorensohn aus Hamburg und Sekretär des Herzogs, schenkte den Ratzeburger Kirche zwei Meßgewänder mit den dazu gehörenden Alben und Haupttüchern. Wie selbstverständlich man hierin die katholische Überlieferung fortgesetzt hat, zeigt ihre Beschreibung: Das eine aus blauer Seide mit Gold, "mit Löwen, mit einem Kreuz auf dem Rücken, voller Engel" und das andere rot mit Gold "mit Bildern über dem Rücken", die das Protokoll von 1590 genauer schildert: "Mit Babsten (!) vnnd Bischoffen über den Rücken."

Meßgewänder (Caseln) und Alben (das weiße Chorhemd des Priesters) waren wenigstens in einem Stück in jeder Kirche und Kapelle. Viele Gemeinden hatten von beiden 3, manche 5, 6 oder gar 7, von denen dann aber immer einige, die "alt" oder "zerrissen" waren, kaum noch in Gebrauch gewesen sein werden. Die Kirche in Siebeneichen hatte 5 Caseln, darunter "2 alte seidene", und dementsprechend auch nur "3 Alben zu den besten 3 Caseln". Die Gewänder müssen durchweg prächtig gewesen sein. Samt und Seide, Silber und Gold waren reichlich verwandt, eine bunte Mannigfaltigkeit der Farben gewählt: blau, schwarz, grün, goldgelb, grau, braun und - vor allem - rot. Manche werden nur "bunt" oder "geblümt" genannt. In einigen Kapellengemeinden war der Stoff einfacher, Wolle oder Leinen. Lauenburg hatte zwei "Diacon Röcke, violenn braun".

ALTARBEKLEIDUNG ist in einer Reihe von Gemeinden erwähnt. So hatte Siebeneichen 2 "Altarlaken", das eine grün seiden, das andere weiß. Eine dort vorhandene Chorkappe soll als Altardecke gebraucht werden. Andere Kirchen hatten "Vorhänge vor dem Altar", Basthorst "2 Laken aufm Altar mit dem Antipendio". In Artlenburg waren zwei seidene Kniekissen für die Kommunikanten.

Der ALTARGERÄTE Wichtigstes war der in jeder Kirche und Kapelle vorhandene Kelch, meist silbern-vergoldet, mit der dazu gehörenden Patene. Eine ganze Anzahl Gemeinden hatte von beiden mehrere. Einige Male ist von einem besonderen Kelch für Kranke die Rede. Zwei Gemeinden hatten ein silbernes "Röhrichen zum Kelch" - wohl die im Mittelalter eingeführten Trinkröhrchen -, Marschacht einen silbernen Löffel für die Kranken. Silberne Oblatenbüchsen und zinnerne Weinflaschen werden verschiedentlich genannt. Gudow hatte "2 bunte Tücher die zur Communion gehalten werden", Büchen "leinene Tücher zum Altar". Einen "Sacculus mit dem Corporal" (das über die Geräte gelegte Tuch) gab es in mehreren Gemeinden.

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"ALTARLEUCHTER waren überall. Ratzburg hatte vier auf dem Altar, dazu einen mit drei Röhren, Lütau "3 große messn. L. auf dem Altar, 3 kleine messn. L. mit vielen Röhren und 2 kleine Leuchter", Hittbergen je zwei Altarleuchter aus Blei und aus Messing, Seedorf zwei aus Messing und einen aus Zinn.

"Glöcklein" - wohl die bei der Elevation benutzten - oder "Zimbeln beim Altar" gab es noch in sehr vielen Kirchen. AN AUSGESPROCHEN KATHOLISCHEN GERÄTEN finden sich außerdem Monstranzen, Heiligtumshäuslein, Weihrauchfässer, Handfässer, Weihkessel, Marienröcke mit silbernen Spangen und in Gudow ein Paternoster aus Bernstein. Zweimal lesen wir von einem silbernen "AGNUS DEI" - in Hohenhorn mit roten Korallen , dreimal von einem silbernen "Papegoy". Silberne Kreuze sind mehrfach erwähnt. Mustin u. a. hatten ein silb. verg. "Patz (PACEM) Creutz", Büchen drei kupferne vergoldete Kreuze.

MESSING-BECKEN waren in mehreren Gemeinden, wurden wie das Niendorfer wohl zur Taufe gebraucht. Horn (Hohenhorn) hatte einen "Kessel" zum Taufstein.
 

5. Die Kirchhöfe.

In mehr als der Hälfte aller Gemeinden wurde bemängelt, daß die Kirchhöfe nicht eingefriedigt waren. Sie lagen an den Kirchen, also mitten in den Dörfern. Die Folge war, daß "das Vieh" sie als Weide benutzte und auch wohl viel Schaden anrichtete. In einem Dorfe trieb man die Pferde hinauf. Außerdem waren Kühe und Schweine da. Die Visitatoren machten es den Kirchgeschworenen zur dringenden Pflicht, für die Einzäunung zu sorgen, gelegentlich sogar mit Nennung eines bestimmten Termins, bei dessen Versäumung "die Obrigkeit" einschreiten sollte. In Ratzeburg wurde festgesetzt, Vieh, das künftig auf dem Friedhof angetroffen würde, das erste und das zweite Mal zu pfänden, beim dritten Male aber ins Hospital zum Heiligen Geiste zu treiben. Verboten wurden dort auch die Hügel auf den Gräbern, die man "von Jahr zu Jahr etwas erhöhte".

(Fortsetzung folgt.)






 


 

 

 

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