9. Die Küster.
Einen Küster gab es durchweg bei jeder Kirchengemeinde. Er fehlte
in Hamwarde, wo aber die Juraten bereit waren einen anzustellen, in Stintenburg,
Pötrau und Büchen. Die in katholischer Zeit als Wallfahrtsort reich gewordene
Büchener Kirchengemeinde glaubte, "Armuhts halber" keinen halten zu können. Es
sei in evangelischer Zeit noch keiner dagewesen. Man konnte sich dort wohl noch
nicht an die veränderten Verhältnisse gewöhnen, die jetzt nach dem Ausbleiben
der Pilger eigene Opferwilligkeit nötig machten.
Die Küster stammten aus den verschiedensten Gebieten Nord- und
Mitteldeutschlands: Westfalen, Lüneburg, Magdeburg, Priegnitz u. a. Auffallend
ist, daß keiner aus dem eigenen Lande gekommen zu sein scheint. Oder sollte das
dort der Fall sein, wo eine Herkunftsbezeichnung nicht angegeben ist? Denkbar
wäre es, weil eine ganze Reihe der
in Frage Kommenden niederdeutsche Namen tragen: Schultze, Wischer, Hitman, Koch,
Riese.
Das Urteil der Pastoren über ihre Küster ist fast immer gut. Das Prädikat
"fleißig" wiederholt sich ständig. Das Zeugnis, das der Grönauer Pastor gibt,
kehrt in immer neuer Form wieder: "Sei ein guter Mann, warte seines Amtes
fleißig, wisse über ihn nichts zu klagen. Sei ein Schneider und bestehe wohl
dafür." In ganz wenigen Fällen werden Klagen vorgebracht: Der Küster sei "dem
Pastorn unwillig", er sei "ein guter schluck bruder", er "gehet lieber zum Kruge
als daß er arbeite". Mehrfach finden wir den Vorwurf, daß der Küster ohne des
Pastorn Wissen von Hause fortreise. Dem Marschachter Küster, der ein der
Gemeinde anstößiges Leben führt und seinem Pastor "keinen Gehorsam leisten"
will, wird der Dienst gekündigt.
Bemerkenswert ist das lange Dienstalter mancher Stelleninhaber. Zwei waren
1581 bereits über 30 Jahre im Dienst, drei über
20, andere 15, 11 und 7 Jahre.
Das Küsteramt war, vielleicht mit Ausnahme der beiden Städte, Nebenamt. Man übte
daneben fast immer ein Handwerk aus: Leinenweber, Beutler, Ladenmacher,
Drechsler und - am häufigsten - Schneider. Von zwei Küstern wird berichtet, daß
sie Branntwein ausschenkten. Der Seedorfer "läuft um Botenlohn". Das Einkommen
aus dem Kirchendienst war fast in jeder Gemeinde verschieden. Eine Wohnung stand
dem Küster in der Regel zur Verfügung. Nur von dem zu Caarsen heißt es, daß er
bei anderen Leuten wohnen mußte. Das Küsterhaus in Artlenburg war wegen
Baufälligkeit unbewohnbar, auch das Haus in Stapel, das der Küster selbst
unterhalten mußte, war
baufällig. Der Sterleyer Küster gar wohnte in dem 12 km entfernten
Zarrentin. Zum Hause gehörte meistens ein "Kohlhof" (Hausgarten). Ackerland war
nur ganz selten vorhanden. Bei sehr vielen
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Gemeinden steht: Hat "keinen Acker und keine
Wischen". In Marschacht hatte deshalb der Küster das Recht der Grasnutzung auf
dem Kirchhof.
Die Küster erhielten aus allen Häusern der Gemeinde ihr Bestimmtes an Geld und
Naturalien. So bekam der Seedorfer jährlich von jedem "Hufner und Kätner": Zu
Ostern 2 Schilling, 8 Eier und 2
Pfennig, Michaelis 2 sch. und Weihnachten eine Wurst (oder statt
ihrer 8 Pfennig). Der Sterleyer hatte zu beanspruchen: 1
Scheffel Hafer von jedem Hufner und 1/2 Sch. von jedem Kätner
(Halbhufner), sodann aus jedem Hause 8 Eier, 1 Brot
und 1 Wurst. In Brunstorf lieferte jedes Haus außer anderem zu
Weihnachten eine Schulter und ein Brot, in Caarsen 1 Brot und
1 Schale Bohnen, wobei 10 Jahre später, da die Schalen
der Leute allzuklein wurden, eine Schale verordnet wurde, "mit fürstl. g.
merkeisen gebrannt". Zu diesen Lieferungen kamen oft ein Anspruch auf Brennholz,
das der Küster sich gewöhnlich selbst im Walde sammeln mußte, und regelmäßig die
Gebühren für Amtshandlungen. Ihre Höhe schwankte in den einzelnen Gemeinden. Bei
jeder Taufe gab es 3-6 Pf., beim Kirchgang der Sechswöchnerin
3-6 Pf., beim Begräbnis "eines Alten" 6 Pf. bis 1
sch., beim Begräbnis eines Kindes etwa 6 Pf., bei der Trauung
6 Pf. bis 1 sch., beim Krankenabendmahl 6
Pf. bis 1 sch. Dazu kamen in bestimmten Gemeinden Vergütungen für
besondere Dienstleistungen, in Stapel für das Stellen des "Seigers", für das
Schmieren des "Seigers mit Clawen Vett", für das Auskehren der Kirche, das alle
Vierteljahr geschah, für das Auswaschen der "Alben und anderen Leinengeräte", in
Caarsen außer dem Begräbnisgeld noch 1 sch. "wegen
des Läutens und Singens vom begrebnuß". Der Hitberger Küster hatte 2
"Umgänge", einen Weihnachten, den andern Johannis. Bei ihnen bekam er in jedem
Hause 2 Pf. Verschiedentlich wird darüber geklagt, daß die
Gebühren nicht oder nicht rechtzeitig bezahlt wurden. "Die zu Stapel läuten ihre
Toten selbst, darum daß sie dem Küster
kein Geld geben wollen."
Das Einkommen in den Städten Ratzeburg und Lauenburg war größer als auf dem
Lande, vielleicht mit Rücksicht darauf, daß hier die Küster in der Schule
unterrichten halfen. Außer den Gebühren, die bei Beerdigungen verdoppelt waren,
bezog der Ratzeburger 6 Pf. von allen Eheleuten der ganzen Stadt,
3 Pf. "von jeder ledigen
Person", 4 Taler vom Rate für das Läuten der Betglocke, 4
fl. (Gulden) für das Stellen des "Seigers", das halbe Schulgeld von den Knaben,
zur Feuerung vom Rate einen Baum, den er aber selbst hauen und anfahren lassen
mußte. Der Lauenburger Küster hatte neben barem Gelde zu Ostern und Weihnachten
je einen "Umgang" in der Gemeinde, bei dem ihm jeder nach Belieben gab. Bei der
Beerdigung eines Erwachsenen erhielt er vier, bei der eines Kindes zwei
Schilling.
Aus den Angaben über das Einkommen der Küster lassen sich unschwer Rückschlüsse
auf ihre Pflichten ziehen. Sie waren bei allen Amtshandlungen ihres Pastors zur
Handreichung zugegen, hatten den Gesang bei Beerdigungen und auch wohl in den
Gottesdiensten zu leiten, sorgten für das Läuten der Glocken und, wo eine
Kirchenuhr
vorhanden war, für das Aufziehen derselben, hatten die Kirche sauber
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zu halten und die Alben (weißes Chorhemd des Priesters) und die
Leinentücher für den Altardienst zu waschen. Für ihre Mitwirkung beim
Gottesdienst sprechen folgende Bemerkungen aus verschiedenen Gemeinden: Der
Pastor "hat keinen Küster, braucht nur einen, der Amen singt" (Stintenburg). Der
Küster "warte seines Amtes fleißig
in Singen und Verrichtung des Kirchendienstes" (Gudow). "Singt die Teudtsche
Psalmenn fleißig" (Caarsen). "Der Küster stehet in kurzen Kleidern beym Altar"
(Artlenburg)
Es ergibt sich somit in der Regel das Bild eines fleißigen, schlichten, sehr
abhängigen Küsters, der sich den Lebensunterhalt zum Teil durch ein Handwerk
erwerben mußte. Seine Dienstobliegenheiten lassen sich vielleicht am besten
durch das zum Ausdruck bringen, was wir heute unter "niederen Küsterdiensten"
verstehen. Doch sind bereits Ansätze zur späteren Vereinigung des Küsteramts mit
dem des Lehrers vorhanden. Der Pastor jeder Gemeinde scheint befragt zu sein, ob
sein Küster die Kinder unterrichte. Die Frage wird meist verneint, in Gülzow
"weil die Bauern Bauern bleiben wollen". Der Lütauer Küster kann selbst nicht
einmal schreiben. Aber daß die Frage überhaupt gestellt ist, zeigt doch den
Willen zur Verbindung beider Aufgaben. Und in den beiden Städten hat der Küster
bereits sein festes Amt im Schulbetrieb.
10. Die Organisten.
Das vorliegende Protokoll erwähnt in dem dafür vorgesehenen
Abschnitt Organisten nur in Ratzeburg und Lauenburg. Nicht anders ist es im
Visitationsprotokoll von 1590. Doch findet sich in ihm bei Joachim
Junge, seit 4 Jahren Küster in Stapel, die Anmerkung: Zugleich
Organist. Das legt die Vermutung nahe, daß 1581 nur die beiden
Städte Orgel und Organisten hatten, während Stapel seine Orgel gerade vor
1590 bekommen haben mag und nun erst ein Amt dafür schaffen mußte.
Laurentius Wallbaum war ein halbes Jahr in Ratzeburg. Er half beim
Schulunterricht. Und wenn der Fürst es wünschte, mußte er "in Freudenzeiten mit
dem Instrument oder Symfoney aufwarten", also bei Hofe musizieren. Dafür hatte
er einen Freitisch auf dem Schlosse. Seine Nachfolger bekamen statt dessen
jährlich: 16 Scheffel Roggen, 6 Tonnen Bier, 2
Schafe und 2 Schweine. Als Besoldung erhielt er von den
Kirchengeschworenen 40 Mark und vom Rat der Stadt einen Baum "zu
Feurholtz", den er selbst schlagen lassen mußte.
Der Name des Lauenburger Organisten ist nicht genannt. Er beklagte sich über das
Fehlen einer Wohnung. Einnahmen und Pflichten, auch die auf dem Schlosse zu
musizieren, waren ganz die gleichen wie in Ratzeburg.
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