Welchen Vater überliefe es nicht kalt bei dem
Gedanken, daß 19 liebliche Kinder seine Knie umspielten? Wenn
sich die Frage: "was soll der Junge werden?" siebenfältig
wiederholt? Was den letzteren Punkt betraf, konnte Herzog Franz
II. von Sachsen-Lauenburg getrost die Augen schließen. Er hatte
sein Bestes getan, seine Söhnen wohl gerüstet in den Kampf ums
Dasein zu entlassen.
Die Söhne Franz' II. von Sachsen-Lauenburg.
Ausschnitt aus dem Büchener Altargemälde.
Phot.: W. Flügge in Büchen.
Auf dem schönen Bild in der Kirche zu Büchen
sehen wir sie von einem tüchtigen Künstler abgeschildert. Guter,
niedersächsischer Schlag mit schmalen Köpfen und langen
Gesichtern. Noch ahnte niemand, in welch stürmische Zeit die
Mannesjahre der herzoglichen Jünglinge fallen sollten, und doch
war schon soviel gewiß, daß nur eigene Tüchtigkeit und
gründliche Ausbildung sie auf der Höhe des Lebens halten konnte,
auf die ihre Geburt sie gestellt. So hatte denn der Vater, da
eine weitere Teilung des kleinen Landes beim besten Willen nicht
anging, ihnen soviel an Wissen und ritterlichen Künsten zuteil
werden lassen, als die damalige Zeit geben konnte. Das war nicht
eben viel. Nutzloser Gedächtniskram wog vor. Die fürstlichen
Wunderkinder, die mit 12 oder 14 Jahren lange Kapitel der
heiligen Schrift oder alter römischer Schriststeller lateinisch
auswendig wußten, haben später ebenso enttäuscht, wie ihre
glücklicheren Genossen, denen unter Jagen und Waffenpiel die
Jugend verstrich. Moritz "der Gelehrte" von Hessen konnte
ebensowenig "die Zeit, den tollgewordenen Renner" meistern, wie
sein Vetter Johann-Georg von Kursachsen, den seine Studenten den
"Bierkönig" nannten und der seine politischen Reisen durch
zahllose eingeschobene Jagdintermezzos würzte.
Für nachgeborene Söhne kleinerer Fürsten und die Reichsgrafen
und Herren war aber unerläßliche Vorbedingung für
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jene einzig standesgemäße Laufbahn, die eine
Mischung von militärischer, diplomatischer und Verwaltungs-Tatigkeit war. Man
macht sich von den Führern im dreißigjährigen Kriege einen ganz falschen
Begriff, wenn man sie als halbe Analphabeten ansieht. Wallenstein, Pappenheim,
Arnim, Kniphausen, Bernhard von Weimar, Baner Torstenson und viele andere waren
studierte Leute, neben denen sich freilich auch rohe Haudegen vom Schlage eines
Johann von Werth, Thurn und Baudissin finden.
Soweit die Söhne Franz II. in das große Kriegsspiel handelnd
eingegriffen haben, soll im folgenden ihr Leben kurz geschildert werden. Für das
richtige Verständnis ihrer Handlungen muß aber eine Einführung in die, jene Zeit
kennzeichnenden, Verhältnisse vorangehen; denn auch für den Leser möge das
Goethe-Wort gelten: "Soll er strafen oder schonen, muß er Menschen menschlich
sehn." -
Ein Nationalgefühl im heutigen Sinne kannten damals noch nicht einmal die
Kernländer des Chauvinismus, Frankreich und England, geschweige denn jenes
"römische Reich", von dem niemand recht wußte, wo seine Grenzen lagen. Auch das
Glaubensbekenntnis bildete keine so strenge Scheide, wie man wvhl annehmen
sollte, wenn man die Pressepropaganda verfolgt. Das katholische Frankreich
verband sich unbedenklich mit dem protestantischen England oder Holland, wie
wieder England mit dem katholischen Spanien, wenn politische oder dynastische
Ziele es nützlich erscheinen ließen. Sollte man da den Söldner jeden Ranges
schelten, wenn er nach dem Wort handelte: "Wes Brot ich ess', des Lied ich
sing'?" Letzteres war übrigens damals wörtlich zu verstehen, denn die
Kriegführenden suchten in langen, ungefügen Gedichten nach irgend einer
bekannten Melodie ihre Sache in hellstes Licht zu setzen und die des Gegners zu
schwärzen. Das Kriegshandwerk war vor dem dreißigjährigen Kriege durchaus
"Saisongewerbe". Eine beschränkte Zahl von Berufssoldaten zehrte den Winter über
von ihren Ersparnissen oder lebte vom Bettel, bis sich im Frühjahr irgendwo eine
Aussicht zu einem Feldzug bot. Letzterer war nur kurz, weil man einmal das
Reifen der Feldfrüchte abwartete und dann die schweren Kosten der Kriegführung
nur für wenige Monate anbringen - oder schuldig bleiben - konnte. Im November
spätestens wurden die Truppen "abgedankt". Wer zuerst anfing zu werben, hatte
natürlich die Auswahl unter den Besten, während der andere den Rest nehmen
mußte. Daher pflegten größere Staaten ständig eine Anzahl tüchtiger Obersten,
einerlei ob im In- oder Ausland wohnhaft, durch Zahlung von "Wartegeld" sich zu
sichern, worauf diese wieder ihre Unterführer und letztere ihre Mannschaft in
gleicher Weise verpflichteten. Die hohen Schulen des Krieges waren die
Niederlande, wo Spanien seit Jahrzehnten um die Zurückführung Hollands unter
seine Macht kämpfte, und Ungarn, der Schauplatz der Türkenkriege des Hauses
Habsburg. Im ganzen war es so, daß Süddeutschland das Fußvolk, Norddeutschland
die Reiter stellte. Ein geregeltes Aufrücken in den Offizierstellen gab es
nicht. Jeder Oberst besetzte nach Laune und Gunst die Posten in seinem Regiment,
wie es auch der Kriegsherr mit der Anstellung seiner Obersten hielt. An-
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fänger machten im Gefolge eines bewährten
Führers als "Aufwärter" einen Feldzug mit. Sie wurden dann gelegentlich, wenn
sie gefielen, als Offiziere angestellt, blieben aber oft jahrzehntelang gemeine
Reiter oder "Knechte" (beim Fußvolk). Für Fürstensöhne war der Sprung vom
Aufwärter zum Rittmeister oder Hauptmann, ja zum Obersten, nichts Seltenes. Das
Wichtigste für Anstellung und Unterhaltung eines Regiments war eben entweder das
Kapital oder ein bekannter Name, der kreditwürdig machte. Der Kriegsherr konnte
selten seine Soldverheißungen erfüllen; dann hielt sich der Soldat an den
Obersten und ließ sich auch gerne vertrösten, wenn er die Gewähr hatte, daß
dieser nicht spurlos verschwand. Das war bei Fürsten nicht zu befürchten. die
sich ihrerseits zudem eher vom Kriegsherrn bezahlt machen lassen konnten, als
Untertanen. So war es eigentlich die Regel, daß die meisten Regimenter von
fürstlichen Obersten aufgestellt wurden. Mochten diese die Führung im Felde
nicht selbst übernehmen, weil ihnen Lust oder Erfahrung fehlte, so übertrugen
sie sie einem Stellvertreter (französisch LIEU TENANT), dem Oberstleutnant.
Ihnen blieb dann die Einnahme, zusammengesetzt aus Oberstengehalt, Beuteanteil,
Soldersparnis und einer Reihe von Abgaben, die der Marketender, Soldaten, die
Geldstrafen verfielen, oder die Erben Gefallener leisten mußten. Hatte der
Oberstleutnant glücklich gekämpft, auch einiges erspart, so konnte er
gelegentlich selbst ein Patent zur Werbung eines Regiments bekommen. Im
dreißigjährigen Kriege, wo ein Feldzugsjahr sich ans andere anschloß, wurden
bald die Regimenter bis auf weiteres zusammengehalten, d. h. bis entweder der
Kriegsherr mit seinem Regiment wegen mangelnder Leistung, allzu grober
Ausschreitungen gegen die Einwohner, oder das Regiment mit ihm wegen zu hoher
Soldrückstände oder zu starker Beanspruchung durch Weiterkämpfen im Winter oder
in ödem, ausgesogenem Lande unzufrieden war. Auch schwere Niederlagen oder
Seuchen lichteten oft die Truppenteile so, daß mehrere zusammengestellt werden
mußten. Die nationale Zusammensetzung der Heere war auf beiden Seiten von Beginn
des großen Krieges an sehr bunt. Der Kaiser war, da seine protestantischen
Untertanen (so die Mehrzahl des Adels) wegen der Gegenreformation in lauter oder
stiller Empörung gegen ihn waren, auf Ausländer: Spanier, Belgier, Italiener,
Polen und auf die altgläubigen Stämme aus Ungarn: Kroaten, Raitzen und
Wallachen, angewiesen. In den Führerstellen treffen wir besonders Spanier und
Belgier, aber auch von Anfang an protestantische Reichsdeutsche, bei denen man,
der Not gehorchend, ein Auge zudrückte. Später bevorzugte Wallenstein sogar
ausgesprochen die letzteren, was ihm in Wien sehr verdacht wurde. Die Liga, der
Bund der katholischen Reichsstände, war in derselben Lage. Besonders Bayern
mußte sich mit Fremden behelfen, da der Kurfürst Max durch Glaubenszwang und
innerpolitische Vergewaltigung seinen Adel aufgebracht hatte. Auf der anderen
Seite standen der Pfalzgraf und König von Böhmen, ein Schwiegersohn des
englischen Königs, der ihm Engländer und Schotten zu Hilfe schickte, und Ernst
von Mansfeld mit seinem in Italien geworbenen, bunt aus Abenteurern aller Länder
gemischten Heere.
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Die eingeborenen Böhmen glaubten erst, daß
diese Fremden den Krieg für sie allein führen könnten. Nach der Niederlage trieb
sie die Rache Kaiser Ferdinands in die Fremde, und wir finden sie seitdem in
allen protestantischen Heeren, während die oben genannten ausländischen
Offiziere des Kaisers mit ihren Gütern beschenkt wurden. Dänemark brachte später
ein neues Element, verstärkt durch einige holländische Führer, während die
Generalstaaten selbst ängstlich neutral blieben. Gustav Adolf führte in seinem
Heer - neben wenigen Schweden - Finnen, Balten und Engländer mit. Dann aber
überwiegt eine Weile stark das deutsche Blut auf beiden Seiten, bis durch
Hinzutritt der Franzosen und wachsende Kriegsmüdigkeit der Deutschen die
Ausländer wieder zunehmen. Zuletzt gab es unter den Mannschaften wenige, die
nicht schon auf beiden Seiten gedient hatten (man stellte später Gefangene ohne
weiteres in die eigene Truppe ein), und auch in den höheren und höchsten
Führerstellen war solcher Wechsel nichts Ungewöhnliches. Oft vollzogen, wurde er
noch öfter versucht. Er galt durchaus nicht für schimpflich, und die ehemaligen
Kameraden verkehrten brieflich und gelegentlich auch persönlich weiter, wenn
auch die politischen Leiter verfochten, die Abtrünnigen als Verräter zu
brandmarken. Noch häufiger war natürlich der Wechsel zu einem der
Bundesgenossen, wie vom Kaiser zur Liga und umgekehrt, oder von Schweden zu
Sachsen oder Frankreich. Gern wurden in solchen Fällen die unterstellten Truppen
mitgenommen. Das großartigste Unternehmen dieser Art ist Wallensteins Abfall vom
Kaiser, dem seine Ermordung ein schnelles Ende machte. Aber auch kleinere
Geister betraten oder verfochten diesen Weg. So Mansfeld, Herzog Christian von
Braunschweig, der kurz vor seinem Tode sich und sein dänisches Korps Gustav
Adolf anbot, Bernhard von Weimar, der von Schweden zu Frankreich ging, der
schwedische General Speerreuter, ursprünglich ein Lüneburger Bauerssohn
Dietrich, der von Gustav Adolf geadelt war und nach dessen Tode eine Anzahl
Reiterregimenter mit in kaiserliche Dienste nahm, und endlich am Kriegsende der
hessische Feldherr Melander, in kaiserlichem Dienst als Graf Holzapfel und
Generalissimus gefallen. Der Wechsel von Obersten, mit oder ohne Regiment, war
noch häufiger. Ich nenne aufs Geratewohl ein Dutzend Namen: Fahrensbach, Sparr,
Holk, Baudissin, Graf Cratz, Arnim, Wrangel, Lüdinghausen, Rochow, Goldacker,
Georg von Braunschweig, Pfuhl und viele andere. Diesen allen stehen gegenüber
wenige Fanatiker, wie der alte Tilly, Graf Thurn, Pappenheim, Johann Ernst von
Weimar, die nur für die Sache, nicht für persönlichen Vorteil kämpften, ohne
natürlich letzteren ganz außer acht zu lassen.
An diesen Hintergründen können wir einen ganz andern Maßstab für die Beurteilung
von Franz II. Söhnen gewinnen, als lediglich aus diplomatischen
Akten, Kampf- und Klageschriften.
1. Franz-Karl.
Die abenteuerlichste Laufbahn hatte von allen Brüdern der
1594 geborene Franz-Karl. Der Ausbruch des böhmischen Aufstandes lockte
mit vielen anderen deutschen Fürstensöhnen auch ihn nach Prag.
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Da hatte Graf Matthias Thurn, übrigens ein
erst in Böhmen eingewanderter Tiroler, der Urheber des "Fenstersturzes" der
kaiserlichen Räte Martinitz und Slawata, ein Regiment errichtet. Wie alle
Obersten, hatte er darin eine Leibkompagnie, die er durch einen Kapitänleutnant
führen ließ. In dieser nahm er auch Franz-Karl auf und gab ihm später eine
eigene Kompagnie. Anfänglich bestand der Feldzug aus gegenseitigen Beutezügen
und Wegnahme kleiner fester Orte, während nur Mansfeld sich des wichtigen Pilsen
bemächtigte. Im Bunde mit den österreichischen Protestanten und dem ungarischen
Fürsten Bethlen Gabor kam Thurn sogar bis unter die Mauern Wiens. Als der Kaiser
dann Max von Bayern zur Hilfe rief, kam es auf des letzteren Betreiben
1620 zu einem Vormarsch auf Prag und vor dessen Toren zur Schlacht auf
dem Weißen Berge. Da war aber Franz-Karl wohl schon im Dienste MANSFELDS. Sicher
finden wir ihn als Oberst eines Reiterregiments bei des letzteren Armee im
Oktober 1621, nachdem Mansfeld Böhmen und die Oberpfalz geräumt hatte und in die
Rheinpfalz gerückt war, wo inzwischen ein spanisches Heer von Belgien aus sich
erheblicher Gebietsteile bemeistert hatte. Mansfeld kam noch grade zurecht, um
Heidelberg und Mannheim zu entsetzen, worauf die Spanier über den Rhein gingen.
Um sich die nötigen Winterquartiere zu erobern, mußte Mansfeld den Feldzug bis
spät im Dezember fortsetzen. Franz-Karl wurde mit 8 Fähnlein Knechten, 2
Kompagnien seiner Reiter und 6 Geschützen gegen die kleine FESTUNG DEIDESHEIM
entsandt, die er auch nach kurzer Beschießung einnahm. Mansfeld selbst nahm noch
Hagenau im Elsaß und ließ seine Reiter in breiter Front von den Vogesen bis zum
Rhein nach Süden streifen, wo der Erzherzog Leopold versuchte, Truppen gegen ihn
zu sammeln. Mansfeld und Leopold waren alte Feinde; Mansfeld hatte unter dem
Erzherzog in Jülich gedient, war dort gefangen und nur gegen hohes Lösegeld
freigelassen worden. Als er, um zahlen zu können, seine Soldrückstände von
Leopold forderte, wies der ihn höhnisch ab, worauf Mansfeld stracks zur
Gegenpartei hinüberritt.
Die Reichsstadt Straßburg übte freundliche Neutralität gegen Mansfeld, dessen
Reiterei hart nördlich der Stadt in Winterquartiere ging. Die Ansichten des
Pfalzgrafen Anfang 1623 waren recht gut. In Norddeutschland
sammelte Herzog Christian von Braunschweig ein Heer für ihn; der englische
Schwiegervater hatte einige tausend Mann geschickt; und auch Mansfeld hatte im
Winter fleißig geworben. Tilly war dafür nach Eroberung der Oberpfalz auch an
den Rhein gekommen. Gegen ihn setzte Mansfeld ein großes Kavallerieunternehmen
an. Am 31. März 1623 überschritten bei Mannheim
3 Kolonnen den Rhein und rückten gegen die Straße Heidelberg-Bruchsal
vor. Franz-Karl führte die mittelste über Wiesloch-Sinsheim auf
Neckarbischofsheim, wo Tilly sein Hauptquartier hatte. Erst eine halbe Meile vor
dem Ziel gelang es, ihn aufzuhalten, bis Tilly geflüchtet war. Er hatte seinen
Sieg aber überschätzt und die nötigen Sicherungen versäumt, so daß die Obersten
Pappenheim und Einatten ihn in Gimpen überfallen und trotz tapferer Gegenwehr
bis Elsenz zurückdrängen konnten.
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Pfalzgraf Friedrich war durch Frankreich
unerkannt zu Mansfeld gekommen und sollte nun der ENTSCHEIDUNGSSCHLACHT mit
Tilly beiwohnen. Am 23./24. April ging die ganze
Armee über die Mannheimer Schiffsbrücke und über Bruchsal, das erstürmt und
geplündert wurde, auf WIESLOCH. Südlich davon traf seine Vorhut auf Tilly, mußte
zurück und über eine enge Steinbrücke im Dorf Mingolsheim zum Gros, das sich
südlich des Dorfes in Schlachtordnung gestellt hatte. Mansfeld legte durch
Verbrennen seines Biwakstrohes einen Rauchschleier vor seine Stellung, so daß
Tillys allzu stürmischer Anprall unvermutet auf jene stieß. Nach heftigem Kampf
mußten die Tillyschen ihrerseits über die enge Brücke zurück, wobei sie sehr
viel Verluste hatten.
Ein neuer Kämpfer für den Pfalzgrafen rückte grade jetzt heran. Der Markgraf von
Baden-Durlach hatte schon längere Zeit gerüstet, warf nun die Maske der
Neutralität ab, und Tilly wäre verloren gewesen, wenn nicht Streit um den
Oberbefehl die beiden evangelischen Feldherren abgehalten hätte, sich zu
vereinigen. Tilly nutzte sofort dieses Glück, zog ein spanisches Korps unbemerkt
heran und überwand nach wechselvollem Kampfe bei WIMPFEN den Markgrafen, während
Mansfeld untätig einen knappen Tagemarsch abstand.
Nun mußte Mansfeld sich um seine elsässischen Eroberungen vom Vorjahr kümmern,
wo indessen der Erzherzog eingefallen war und Hagenau belagerte. Mit gewohnter
Schnelligkeit warf Mansfeld seine Reiterei über den Rhein, überfiel und
zersprengte die ganze Belagerungsarmee, die in gründlicher Verfolgung ganz
aufgerieben wurde.
Nachdem Mitte Mai dieser Gegner erledigt war und Tilly sich dem heranrückenden
Braunschweiger entgegenstellte, suchte Mansfeld wieder nicht die Vereinigung mit
letzterem, sondern leistete sich einen zwar einträglichen, aber für die
Entscheidung gleichgültigen Beutezug ins Hessen-Darmstädtische. Da ereilte ihn
auch bald die Unglücksbotschaft von Christians NIEDERLAGE BEI HÖCHST AM RHEIN,
aus der sich der Braunschweiger nur mit einem Teil seiner Reiter rettete. Fast
wäre auch Mansfeld jetzt Tilly erlegen, wenn nicht die Reiterei in einem
Nachhutgefecht im Wald von Kloster Lorsch ihm die Zeit zum Entkommen verschafft
hätte (10. Juni 1622).
Der Pfalzgraf hatte durch diese Nackenschläge den Mut verloren und entließ seine
Truppen in der Gegend von Zabern. Mansfeld und Christian beschlossen, nach
vergeblichen Übertrittsängeboten an den Kaiser, mit dem Rest ihres Heeres an die
französische Grenze bei SEDAN zu rücken. Sie hofften durch den Besitzer dieser
Festung, den Herzog von Bouillon, in den Dienst der Hugenotten oder auch, weill
der französische König eine solche Stärkung seiner aufständischen Untertanen auf
jeden Fall zu hintertreiben suchen würde, in dessen Dienst zu kommen. Die
französische Regierung fand aber einen billigeren Ausweg. Sie hielt die
Deutschen mit Verhandlungen solange hin, bis eine ausreichende Macht an der
Grenze versammelt war, und forderte dann drohend sofortigen Abzug. Da war guter
Rat teuer. Die unbezahlten Soldaten, die sich nur durch die Aus-
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sicht auf französische Gelder hatten
beschwichtigen lassen, meuterten und wollten nach Hause. Mitte August verließen
44 Kompagnien weiter mit ihren Offizieren in guter Ordnung
Mansfelds Lager bei Mouzon und verschanzten sich auf einem Hügel. Den Weg
sperrte ihnen aber ein spanisches Heer bei Inor. Während mit diesem verhandelt
wurde und man endlich einen Dienstvertrag mit dem spanischen Feldherrn Cordova
abschloß, hatte Mansfeld durch Agenten die Leute mißtrauisch gemacht, so daß sie
zögerten, wie verabredet, am 19. August zu den Spaniern zu stoßen.
Dies ließ nun Cordova Verrat wittern und die Unschlüssigen angreifen, worauf
diesen nur der Rückweg zu Mansfeld übrig blieb. Der aber hatte endlich einen
Brotherrn gefünden. Die Holländer wünschten, ihn zum Entsatz ihrer von Spaniern
belagerten FESTUNG BERGEN heranzuziehen. So stellte Mansfeld seine Artillerie
und Bagage bei seinem Freund Bouillon in Sedan unter und strebte in Eilmärschen
nach Holland. Leichten Kaufs sollte er jedoch nicht dahin kommen. Cordova holte
ihn in Belgien ein und sperrte ihm bei Fleurus (unweit Ligny und Waterloo) den
Weg (28. 8.). Mansfeld beschloß den Durchbruch, der am nächsten
Tage nach verlustreichem Kampf (Christian von Braunschweig verlor einen Arm)
auch glückte, trotzdem ein Teil der Reiter unter dem Rufe "erst Geld" sich
weigerte zu fechten. Mansfeld rückte als Sieger in Breda ein, worauf die Spanier
die Belagerung von Bergen aufhoben.
Zunächst wurden die Mansfelder als Retter in Holland sehr gefeiert. Auch
FRANZ-KARL nahm im Gefolge des Feldherrn an den Einzügen und Festmählern teil.
Die sparsamen Holländer hatten aber keine Lust, die Fremden im Winter auf dem
Hals zu behalten. Am 15. Oktober dankten sie Mansfeld ab und
schoben ihn zu Schiff nach Ostfriesland, wo er Winterquartiere bezog. Er hatte
immer noch 20000 Mann.
Da die Soldateska im Lande wüst wirtschafte, war schon im Frühjahr 23
die Hungersnot da, und die Frage: "wohin jetzt?" erhob sich. In diese Zeit fällt
wohl auch Franz-Karls angebliches Verdienst, Mansfeld die Einlagerung im Lande
Hadeln ausgeredet zu haben, woraufhin er im Juni von den Ständen 6000
Taler verlangte.
Um diese Zeit hatte sich nun ein neuer Plan, Mansfeld für einen Bund
Frankreich-Venedig-Savoyen nach dem Elsaß und Oberitalien zu schicken, infolge
Schwenkung der französischen Politik zerschlagen. Franz-Karl hatte deshalb den
Brotherrn wechseln müssen und von Brandenburg den Auftrag, ein Regiment von
452 Reitern zu werben, angenommen. Das Geld wäre ihm dafür gut
zustatten gekommen. Jedoch fürs Gewesene gab, noch weniger als der Jude, keine
Ständevertretung damals etwas. Im Mai begann die Werbung, der sich Anfang Juli
die Musterung auf dem Vogelschießplatz der Berliner Schützengilde anschloß.
Schon aber reute Brandenburg das schöne Geld, weil Tilly, gegen den die
Rüstungen gedacht waren, nach Nordwesten abrückte. So suchte man Franz-Karl
billiger zu unterhalten und bot ihm an, als Oberstleutnant weiter zu dienen, was
ihm aber nicht "annehmbar" war. Am 14. September nahm er den Ab-
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schied, um wohl bald wieder zu Mansfeld
zurückzugehen, der jetzt, diesmal in englischem Sold, in Niedersachsen Truppen
werben und nach Dover einschiffen ließ.
In ENGLAND hielt man die Geworbenen lange auf, bis die dortigen Formationen
fertig und das Geld flüssig gemacht war. So hat wohl Franz-Karl sich die
Wartezeit durch jene ENGLISCHE LIEBSCHAFT verkürzt, deren Folge eine Tochter
Elisabeth-Charlotte war. Nach stürmischer Überfahrt landete man in Holland, von
wo erst im Herbst 1625 diese sogenannte französisch-englische
Hilfsarmee zuerst ins Bremische, dann, im Dezember, über Winsen a. Luhe -
Artlenburg ins HERZOGTUM LAUENBURG rückte. Obwohl es nur wenige tausend Mann
waren und von ihnen, da sie erst kürzlich Sold bekommen hatten, einigermaßen
gesittetes Betragen hätte erwartet werden dürfen, geschah der Einmarsch nicht
zur Freude der Bewohner, die damals zum ersten Male vom Krieg berührt wurden.
Der niedersächsische Kreis hatte auf Betreiben des Königs von Dänemark auf dem
Fürstentag in Lauenburg am 2. Januar 24 - wo auch
Franz-Karl gewesen sein soll - neue Rettungen beschlossen, weil Tilly in
Norddeutschland blieb. Ende 1625 standen die Kreistruppen an der
unteren Weser unter des Königs Befehl. Franz-Karls Regiment lag in Ratzeburg und
im Bistum während des Januars 26 und Anfang Februar. Da folgte Mansfeld endlich
Christians IV. wiederholtem Befehl und marschierte durch Mecklenburg und die
Mark gegen Wallenstein. Franz-Karl hatte dabei die Vorhut. Es galt ein
Zusammenwirken mit zwei dänischen Heeresteilen: der General v. Fuchs stand in
der Altmark, der vertriebene Erzbischof von Magdeburg bei Burg. Nach einer
Ruhepause in Havelberg trat Franz-Karl am 17. März wieder an und
nahm die Stadt Zerbst, deren Mauern seine Leute mit Leitern erstiegen, ohne
Widerstand zu finden. Zur Besetzung der weitläufigen Umwallung war aber sein
Regiment zu schwach, und da Mansfeld nicht nachkam, bat Franz-Karl die nächsten
Truppen v. Fuchs um Unterstützung. Er bekam auch 100 Musketiere.
Immerhin war auch das noch zu wenig, so daß Franz-Karl aufatmete, als elf Tage
nach der Einnahme zwei weitere Regimenter eintrafen. Vier Tage später kam
Mansfeld mit dem Rest. Es war auf die ELBBRÜCKE BEI DESSAU abgesehen, deren
Wallenstein sich im Januar bemächtigt hatte und die Mansfeld ihm sperren wollte,
um ungehindert in die Stammlande des Kaisers einfallen zu können; denn die
kursächsischen Elbbrücken durfte Wallenstein nicht benutzen, da dieses Land
neutral war. Mansfeld vertrödelte aber soviel Zeit, daß Wallenstein den
Brückenkopf stark befestigen konnte. Beim ersten Angriff, am 11.
April, mußte Mansfeld nach kurzer Beschießung zurück, weil ihn Fuchs aufs linke
Elbufer zu Hilfe rief. Erst am 21. April schritt er wieder zum
Angriff. Nach anfänglichen Erfolgen wurde er von Wallenstein, der über die
getarnte Brücke Verstärkungen herangebracht hatte, am zweiten Kampftage
zurückgeworfen. Unter dem Schutz der Reiterei sollte sich Mansfelds Fußvolk vom
Gegner lösen. Die Feigheit der ersteren ließ aber die Schwesterwaffe im Stich
als Beute der verfolgenden kaiserlichen Reiter.
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So sammelte in den nächsten Wochen Mansfeld
in der Mark vorwiegend Kavallerie und eilte mit dieser nach Schlesien und von da
nach UNGARN, wo der Fürst von Siebenbürgen ihn mit einem Heer erwartete.
Wallenstein folgte in solcher Eile, daß er die von Mansfeldern besetzten
schlesischen Städte unbeachtet ließ, den Gegner aber trotzdem nicht mehr
erreichte. In Ungarn vollzog sich nun im Spätherbst in dem weiten, durch
jahrhundertelange Kriege und Raubzüge verwüsteten Steppenlande das Verhängnis
beider Heere. Wallenstein schloß eilig einen dürftigen Frieden mit Bethlen
Gabor, ehe ihm Hunger und Krankheit sein Heer ganz zu Grunde richteten. Mansfeld
starb auf der Reise nach Venedig. Von seinen heimatlosen Söldnern traten viele
in kaiserlichen Dienst.
Auch FRANZ-KARL versuchte dies durch Briefe an seinen Bruder Franz-Albrecht,
kaiserlichen Reiteroberst, und an Wallenstein selbst. Auf der Reise ins
österreichische Lager ließ ihn aber Bethlen Gabor, obwohl er ihm freies Geleit
zugesichert hatte, überfallen, wobei sich Franz-Karl nur mit wenigen Begleitern
rettete und nun in TrOppau bei dem dänischen Kriegskommissar Mitzlaff ankam. Der
half ihm mit 1000 Talern aus, gegen das Versprechen, in DÄNISCHEN
DIENST zu treten. Dies geschah auch Mitte Dezember, indem Christian IV..
dem Herzog einen Werbeauftrag für zwei Regimenter Reiter und eins zu Fuß
erteilte. Es gelang ihm aber keineswegs, eine so beträchtliche Streitmacht auf
die Beine zu bringen. In der Abrechnung des dänischen Generalzahlmeisters für
1627 ist Franz-Karl als Regimentsinhaber garnicht aufgeführt. Anfang März
überwies letzterem der König die Reste des Regiments Bremer, die in Mecklenburg
in Quartier lagen, und noch am 23. März wurde er ermahnt, sich zur
Musterung bereitzuhalten.
Inzwischen klagten die Mecklenburger laut über die Ausschreitungen ihrer
Einquartierung und schickten schließlich eine Gesandtschaft an den König von
Dänemark mit einer langen Klageliste über Ausschreitungen. Von Franz-Karls
Regiment ist da genannt die Kompagnie des Rittmeisters Paul Stöwers, der in
Brahlstorf lag: andere, ungenannte, lagen in Gütern der Stadt Rostock. Es
handelt sich meist um unberechtigte Belegung von Ortschaften und um
"Ausstreifen" der Reiter, einzeln oder truppweise, zur Einsammlung von
Liebesgaben unter Drohung mit Gewalt.
Im Sommer übernahm der MARKGRAF VON BADEN, der Besiegte von Wimpfen, die Führung
der rechtselbischen Truppen und hielt bis Mitte Juli die Havellinie gegen Tilly.
Franz-Karl war in die KÄMPFE BEI HAVELBERG mit Teilen seines Regiments
verwickelt und bekam ein Lob über diese "wackeren Reuter". Beim Nahen
Wallensteins von Frankfürt a. O. her wichen aber die Dänen aus der Mark und
durch Mecklenburg bis an die vor dem Wismarschen Hafen liegende Insel Poel, auf
der sich eine kleine Festung befand, die der Herzog ihnen einräumen mußte.
Inzwischen hatte der Dänenkönig sich von der Elbe nach Rendsburg zurückgezogen
und forderte den Markgrafen auf heranzukommen. Der königliche Adjutant empfahl
letzterem, bei Heiligenhafen zu landen und den Abschnitt zu besetzen.
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der bei Oldenburg durch die beiden Seen von
Dannau und Gartz sowie den sie verbindenden OLDENBURGER GRABEN gebildet wird.
Ein Infanterie-Regiment wurde vorausbefördert, um die Stellung zu besetzen. Die
Reiterobersten losten die Reihenfolge des Übersetzens aus, wobei Franz-Karl
vorletzter wurde. Das Wasserhindernis hatte aber den Nachteil, daß bei starkem
Westwind, wenn der Meeresspiegel sank, der Graben so flach wurde, daß man leicht
durchwaten konnte. Der alte, gichtbrüchige Markgraf hatte garnicht erkundet,
dagegen Franz Albrecht, der die Vorhut der Kaiserlichen führte, nach seiner
Gewohnheit sogleich, wobei ihm die schwache Stelle bei Oldenburg bekanntgeworden
war.
Zum Gefecht am 23. September 1627.
Ich habe den Wasserlauf einmal durchpaddelt
und mit dem flachen Kajak Mühe gehabt, durchzukommen. - Bei dem
Gefecht am 23. September legten die Kaiserlichen
den Nachdruck auf den erwähnten Punkt und kamen nach
hartnäckigem Widerstand, den zuletzt Franz-Karl hier leistete,
mit starken Kräften herüber. Nun mußten die Dänen nach
Heiligenhafen abziehen, wo sie hofften, genügend Schiffe zur
Fahrt nach den Inseln zu finden, 200 Mann von
Franz-Karls Regiment ließ man als Besatzung im Oldenburger
Schloß zurück, während jener mit dem Rest den Abmarsch deckte.
Es konnten sich aber nur die Infanterie und ein Teil der Reiter
in den wenigen kleinen Schiffen retten. Der Rest versuchte noch,
den Fehmarnsund zu durchschwimmen - er ist etwa 2 Kilometer
breit - oder bei Dahme durchzuschlüpfen, welches aber schon in
kaiserlichen Händen war. Bei Großenbrode waren sie schließlich
hart am Ufer von den Feinden umstellt. Die Obersten retteten
sich noch in der Nacht zum 24. September, worauf
die Truppe sich dem Feldmarschall Schlick ergab. In diesen
Kämpfen hatten sich die Brüder, wie schon erzählt,
gegenübergestanden; nun zwang Franz Albrecht noch die 200
Mann im Oldenburger Schloß zur Übergabe. Zur Belohnung
für seine Dienste durfte er die erbeuteten Fahnen und Kornetts
(Standarten) dem Kaiser bringen, darunter 5 von seines Bruders
Regiment. Im
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weiteren Verlauf des Krieges, den am 2.
Juli 1629 der Lübecker Frieden beendete, ist Franz-Karl nicht
weiter hervorgetreten. Seine bei Heiligenhafen entkommenen fünf Kompagnien
wurden in Jütland bei Horsens gelandet und bald darauf in die Gefangennahme der
dänischen Reiterei nördllch Aalborg einbegriffen. -
Im Jahre 1629 starb Franz-Karls erste Frau Agnes, eine Tochter des
Kurfürsten Johann-Georg von Brandenburg. -
1630 brachte mit der LANDUNG GUSTAV-ADOLFS in Pommern den
Umschwung. Dem König lag viel daran, bald in Besitz der Elbe zu kommen, während
er zunächst Pommern und Brandenburg vom Feinde säubern wollte und auf ein
Bündnis mit den evangelischen deutschen Fürsten hoffte. Da letztere sich
ängstlich zurückhielten, nahm er mit der Unterstützung zweier länderloser Herren
vorlieb: des verjagten Bischofs von Halle und FRANZ-KARLs. Ersterer hatte es
verstanden, in der Stadt Magdeburg die unteren Klassen auf seine Seite zu
bringen und eine kleine Truppe zu werben, mit der er dem Feinde viel Verdruß
machte, bis es gelang, ihn in Magdeburg zu belagern. Franz-Karl sollte von
Norden her auf die Elbstrecke Dömitz-Lauenburg losgehen. Anfangs hatte er Glück,
indem eine ÜBERRUMPELUNG DER STADT RATZEBURG
gelang, dann aber sperrte sein regierender Stiefbruder ihm das Schloß, und
Pappenheim verlegte ihm alle Ausgänge, so daß er sich mit seiner gesamten Macht
ereben mußte. Dieser Hergang ist oft und ausführlich geschildert. Sein Bruder,
der kaiserliche Kammerherr Franz-Julius, legte u. a. im August 1631
ein Fürwort für ihn ein, und um diese Zeit muß er auch, wie das THEATRUM
EUROPÄUM schreibt, "auf gewisse Maße und Bedingungen wieder frei gelassen"
worden sein.
Im kommenden Winter warb Franz-Karl jedoch schon wieder im Lüneburgischen je ein
Regiment zu Fuß und zu Roß "in Königl. Maj. von Schweden Dienst und Behuf des
ganzen evangelischen Wesens". Mitte April 1632, "nachdem er
etliche Tage nacheinander Predigt und Betstunden halten lassen, auch
General-Musterung angestellt" - vom Tage dieser Musterung, bei der Zahl und
Ausrüstung der Truppe von Beauftragten des Kriegsherrn geprüft wurden, rechnete
die Zahlung des Soldes - brach Franz-Karl von Bardowiek auf und rückte nach
Burtehude. Dort sammelte der schwedische Feldmarschall Tott ein aus
niedersächsischen Kreistruppen und Schweden zusammengesetztes Heer zur Eroberung
von Nordwestdeutschland. Sein Gegner war Pappenheim, der aus den Niederlanden
herankam, an Tott vorbeischlüpfte und sich in die wichtige FESTUNG STADE warf.
Diese wurde zunächst belagert. Bei den der Einschließung vorangehenden
Reitergefechten "hat sich insonderheit Herzog Franz-Karl tapfer gebraucht".
Ende April durchbrach Pappenheim den Ring der Belagerer und ging nach Westfalen.
Sehr ersprießlich waren die Kämpfe in Nordwestdeutschland für die Evangelischen
nicht. Tott, Baudissin, Herzog Georg von Braunschweig und Franz-Karl sollten
zusammenwirken, ohne daß die Unterordnungsverhältnisse klar waren, wogegen auf
der anderen Seite der tüchtige Pappenheim alles straff zusammen-
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hielt. Nach "Absägung" Totts wurde wenig
gebessert, denn Herzog Georg achtete mehr auf seine besonderen Belange, als aufs
Ganze. So war auch 1632 im Herbst außer Einnahme etlicher Städte
nichts Wesentliches erreicht, als Gustav-Adolf zur Entscheidungsschlacht mit
Wallenstein, von allen Nebenkriegsschauplätzen die Korps nach Sachsen
zusammenrief. Auch Herzog Georg mit der Mehrzahl seiner Regimenter - darunter
zwei von Franz-Karl, der eine Zeitlang sogar deren 4 gehabt hatte
- mußte sehr unlustig dem wiederholten Befehl folgen. Er zog es aber vor, einen
Umweg über Torgau zu machen, wo er sich mit kursächsischen Regimentern, die aus
Schlesien herangerückt waren, vereinigte, aber auf diese Art das königliche Heer
vor Lützen nicht mehr erreichte.
Gustav-Adolfs Tod in dieser Schlacht festigte das Bündnis der Evangelischen
nicht gerade, da des Königs überragende Persönlichkeit sein bester Kitt gewesen
war. Nach allen Seiten zog man zur Verfolgung von Sonderzielen auseinander;
Georg von Braunschweig nach der Weser zurück, wo er Vergrößerung seiner
Stammlande durch geistliches Gebiet plante. Franz-Karl ließ nur sein Fußvolk
mitziehen, das noch im Frühjahr in den Listen der niedersächsischen Armee
erscheint. Er selbst war mit den Reitern in BRANDENBURGISCHEN DIENST getreten,
nachdem er sie durch Werbung ergänzt und am 26. Januar 1633
bei Mittenwalde zur Musterung vorgestellt hatte. Er wurde von da nach Schlesien
geschickt zu jenem brandenburgischen Heeresteil, der mit Sachsen und Schweden
zusammen dort unter Arnims Führung kämpfte und wo auch sein Bruder
Franz-Albrecht als sächsischer Feldmarschall wirkte. Wallenstein stand ihnen
gegenüber, wich aber einer Feldschlacht aus, wohingegen er mehrfache
Waffenstillstände zu Friedensverhandlungen benutzte. Hierüber wird bei
Franz-Albrecht des weiteren zu sprechen sein. Genug, daß Franz-Karl eine faule
Lagerzeit hier durchmachte, bis im Herbst Wallenstein die Verhandlungen schroff
abbrach. Ein Einfall des kaiserlichen Generals Holk lockte Arnim mit dem größten
Teil der Sachsen und Brandenburger nach der Elbe. Den Rest unter Thurn überfiel
und fing Wallenstein bei Steinau a. O., worauf er Frankfürt a. O. nahm und
Pommern, die schwedische Basis, bedrohte. Arnim zog schleunigst nach und wehrte
noch eben eine Unternehmung auf Berlin ab. Das Wallensteinsche Streifkorps, das
sie versucht hatte, auf dem Rückweg an der Spree abzufangen, glückte nicht.
Arnim hatte vorausgesetzt, daß von Berlin aus die Spreebrücke bei Köpenick
abgebrochen wäre, der Feind also nur bei Fürstenwalde über den Fluß könnte.
Ersteres war aber versäumt, und Franz-Karl, der auf Fürstenwalde vorausgeschickt
war, stieß in die Luft, während die Kaiserlichen bei Köpenick übergingen und
entkamen.
In diese Kriegshandlungen spielten wieder DIPLOMATISCHE ANKNÜPFUNGSVERSUCHE
hinein. Auch Franz-Karl ist Ende Oktober in Dresden gewesen, wo gerade sein
Bruder Franz-Julius mit Friedensvorschlägen aus Wien eingetroffen war. An der
kurfürstlichen Tafel machte sich Franz-Karl mißliebig durch ein Lob
Wallensteins, "wie er so ein tapferer, wackerer Herr wäre und so schöne
Qualitäten hätte".
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Wider Erwarten ging Wallenstein nach Böhmen
zurück, Arnim aber blieb südlich Berlin in Winterquartieren. Am 14.
Januar 1634 kündigte Franz-Albrecht die Ankunft seiner Brüder
Franz-Julius und Franz-Karl bei Arnim an. Als es sich dann darum handelte, daß
Arnim zum Abschluß mit Wallenstein nach Pilsen kommen sollte, schlug
Franz-Albrecht Franz-Karl als Führer der Armee in der Zwischenzeit vor, später
sollte der aber Arnim begleiten. Durch des letzteren Zögern entging jedoch
Franz-Karl dem Schicksal seiner beiden in Böhmen gefangenen Brüder
Franz-Albrecht und Julius-Heinrich. Die brandenburgischen Truppen waren
inzwischen zu einer neuen Armee gekommen, die der schwedische General Baner im
Mai 1634 bei Müncheberg sammelte und die zunächst die von
Wallenstein im Vorjahr eroberten Städte wiedernahm und dann durch Schlesien nach
Böhmen zog, ohne daß es dort zu größeren Kämpfen kam. Im Herbst mußte infolge
der schwedischen Niederlage bei der schwäbischen Reichsstadt Nördlingen Böhmen
geräumt werden. Franz-Karl kam in die Altmark in Winterquartier. Sein Aufenthalt
kostete der Landschaft in 8 Monaten 86041 Taler,
außer dem Futter und dem Servis für die Mannschaften.
1635 kam zwischen dem Kaiser und den meisten evangelischen Fürsten
zu Prag ein Frieden zustande, nach dem die Ausländer: Schweden und Franzosen
gemeinsam vom Reichsboden vertrieben werden sollten. Franz-Karl kam nun zur
"REICHSARMEE" unter dem Kurfürsten von Sachsen. Am 15. Mai
1637 kehrte das Regiment Sachsen-Lauenburg unter seinem Oberstleutnant
in brandenburgischen Dienst zurück, der Oberst muß also spätestens um diese Zeit
ausgeschieden sein.
Am 24. Januar 1638 hatte Franz-Karl sich erboten,
zwei schwedische Regimenter in österreichischen Dienst zu bringen. Er selbst
erhielt unterm 1. März seine Bestallung als KAISERLICHER
GENERALWACHTMEISTER (Generalmajor). Von seinen Diensten hat man aber nie
Gebrauch gemacht. Anscheinend wollte man in Wien ihn auf diese Art billig
lahmlegen, denn das Gehalt ist ihm nicht gezahlt. Ebensowenig machte der
Hofkriegsrat von den Werbeangeboten Gebrauch, die Franz-Karl unverdrossen
einschickte. Er lebte jetzt meist auf dem Schloß Neuhaus, in dem Lauenburgischen
Amt gleichen Namens, nördlich von Dömitz gelegen. Er hatte da umfangreiche
Wälder, in denen gehetzt und gepirscht wurde. Seine Abendstunden füllten
Schreibereien wegen allerhand Rechtsstreitigkeiten. So mit seinem regierenden
Stiefbruder August, ferner mit dem schwedischen Statthalter in Pommern, den er
ziemlich aussichtslos beim Reichshofrat wegen Landfriedensbruchs verklagt hatte,
ohne daß die Beschuldigten von 1638-52 der Vorladung nach Wien
Folge leisteten. 1638 nahm er ingleichen den Reichshofrat in Anspruch in einer
Schuldsache gegen einen gewissen Neukirch.
Das Neuhaus benachbarte, früher Bülowsche, SCHLOSS WEHNINGEN hatte Franz-Karl
gekauft, anscheinend von der Mitgift seiner zweiten Frau. Herzog August weigerte
sich aber, den Kauf zu genehmigen, wie er es auch in ähnlichen Fällen bei seinen
anderen Brüdern abgelehnt hatte. Diese zweite Frau war eine Nichte der ersten,
die ge-
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borene Markgräfin Katharina von Brandenburg.
Sie hatte ihren Gatten, den Fürsten Bethlen Gabor von Siebenbürgen, durch den
Tod verloren und schloß 1639 den zweiten Ehebund mit Franz-Karl.
Zehn Jahre darauf starb sie und der Witwer, inzwischen katholisch geworden, ging
eine dritte Ehe ein mit der Gräfin Christine von Meggau, verwitweten Freiin von
Teuffel, die er wohl bei seinem Bruder Julius-Heinrich in Böhmen kennen gelernt
hatte. Ihr Vater war Minister des Kaisers und oberösterreichischer
Landmarschall.
Alle drei Ehen blieben kinderlos. Dagegen erwiesen sich seine Liebschaften,
deren zwei bekannt sind, als fruchtbar. Die Tochter Elisabeth-Charlotte von
jener Engländerin verheiratete er 1656 an einen Hofmarschall von
Wedel. Eine Ratzeburger Wäscherin schenkte ihm vier muntere Söhne, die, wie auch
die Tochter, den Namen von Rautenkranz erhielten. Der Rautenkranz war das
Wappenzeichen seines Geschlechts, von Kursachsen rechtswidrig mit dem Herzogtum
Wittenberg zugleich übernommen, als das Hans Wettin nach dem Tod des letzten
askanischen Herzogs Obersachsen erhielt.
Den ältesten Sohn, Franz-Karl v. Rautenkranz, stattete der Vater mit einem
Doppelhof in Darchow - an der Elbe unweit Neuhaus - sowie mit dem Amt eines
Schulzen und Deichschauers aus. Nachkommen des ersteren lebten noch im 19.
Jahrhundert da; ein Karl-Gustav Rautenkranz - sie hatten den Adel später
abgelegt - war Förster in Schwarzenbek. Die drei jüngeren Brüder des Schulzen
wurden Soldaten und sind alle im Kriege geblieben. Einer kommt als Oberst in
schwedischen Heereslisten vor.
Der Tatendrang des Vaters war aber auch noch nicht gestillt. Nach genügender
Erschöpfüng der bisherigen Hauptträger des Krieges, Österreich und Schweden,
drängte sich FRANKREICH vor, das ja auch im Westfälischen Frieden den
Löwenanteil bekam. Die großen Feldherren Ludwigs XIV., Condé und
Turenne, pflückten nun ihre schönsten Lorbeern. Noch anziehender aber war der
stets prall gefüllte Staatssäckel Frankreichs auf die Söldner aller Grade. Eben
für den täglich erwarteten Frieden kam es darauf an, daß man einen Kriegsherrn
hatte, von dem eine entsprechende "Ergötzlichkeit", d. h. ein Ehrengeschenk in
Geld oder Land, zu hoffen war. Den 50jährigen Franz-Karl litt es
da nicht in seiner ländlichen Ruhe. Hatte er als Jüngling unter Mansfeld der
Krone Frankreich gedient und war wie jener geprellt worden, so mochte es diesmal
besser glücken. Er machte sich auf den Weg zu TURENNE und unterbreitete ihm
einen Plan, wie von der Republik Venedig zur Entladung kommende Söldner,
6000 Mann, durch ihn, Franz-Karl, für den französischen Dienst geworben
werden sollten. Das Geld dafür war natürlich von Turenne vorzuschießen. Der
Kaiser erführ jedoch von diesem Vorhaben seines, wenn auch unbezahlten
Generalwachtmeisters, und zwar durch den Kurfürsten von Bayern. Der stand auch
mit einem Fuß damals im französischen Lager, wußte wohl grade darum aber gut
dort Bescheid. Flugs wurde der Gesandte Rabatta angewiesen, die Republik zu
warnen, worauf sich die Sache zerschlug.
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Man nahm sich das aber beiderseits nicht
lange übel. Franz-Karl suchte die Fürsprache Pikkolominis, der Schwiegersohn
Julius-Heinrichs geworden war, zu erlangen. Deshalb versah er ihn mit
Kriegsnachrichten aus den schwedisch-polnischen Kämpfen und dem Zuge Schwedens
gegen Dänemark. Noch 1659 erbot er sich zu Werbungen, als der
Kaiser in den Krieg zugunsten Dänemarks eingriff. Obwohl nun ein kaiserlicher
Kommissar deswegen zu ihm geschickt wurde, kam es doch zu keinem Abschluß. Das
einzige, was Franz-Karl vom Kriege hatte, waren Ausschreitungen der kaiserlichen
Truppen im Amt Neuhaus auf ihrem Rückmarsch aus Jütland. 1660
richtete er eine Beschwerde darüber nach Wien. Es war sein Todesjahr. Der Oberst
von Plettenberg, der unter Franz-Karl zu Gustav-Adolfs Zeiten gedient hatte und
in Hamburg lebte, meldet unterm 8. Dezember 1660 dem
kaiserlichen General Montekukuli, daß Herzog Franz-Karl auf seinem Neuhaus einem
Schlagfluß erlegen sei.
So endete ein Fürst, dem das Glück beharrlich den Rücken gekehrt, dem aber
Mißgeschick und Alter den fröhlichen Wagemut des Reiters nicht hatten rauben
können. Die kaiserliche Hofstaatskasse konnte befriedigt einen Schuldposten von
etwa 100000 Gulden in ihren Büchern löschen.
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