Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1929


Die Söhne Franz' II.

Von U. v. Rundstedt.

3. Franz-Albrecht.

IV. Der lauenburgische Grundherr. Heirat. Letzte Waffentaten. Tod.
 

Franz-Albrechts Gesundheit wird sich in der "Festungstid" nicht gebessert haben. Wenigstens sind seine letzten Kalender (38- 42) voll Klagen über Fieberanfälle, Reißen und Blutgeschwüre; letztere eine Folge des Tertiärfiebers. Von Krieg und Politik hatte er vorläufig genug. In seiner verwüsteten Heimat kaufte er einen bedeutenden Grundbesitz zusammen. Es sind die Güter Schwarzenbek, Basthorst, Pötrau und Stintenburg. Deretwegen hatte er Prozesse vor dem Reichshofrat mit seinem Stiefbruder August, welcher die Erteilung des Konsenses für den Kauf verweigerte. Im Besitz ließ sich Franz-Albrecht dadurch aber nicht anfechten, war doch der Herzog August ohnmächtig im eigenen Lande, während jener Soldaten hielt und Befestigungen anlegte. Auch eine Familie beschloß er zu gründen. Die Auserwählte war die junge Herzogin Christine von Mecklenburg-Güstrow, Tochter des verstorbenen Johann-Albrecht. Dessen Bruder Adolf-Friedrich von Schwerin hatte sich gegen den letzten Willen des Verstorbenen die Vormundschaft über den Sohn angemaßt, woraus sich ein erbitterter Rechtsstreit zwischen der Witwe und dem Schwager entspann. In diesen Familienzwist wurde Franz-
Albrecht hineingezogen und war mit seiner Erfahrung und seinen Verbindungen ein gefährlicher Gegner des Schweriners. Letzterer war zudem Jenem noch 30 000 Taler schuldig, um die er vergeblich gemahnt wurde. Zur Besserung der schon gespannten Beziehungen trug dies nicht eben bei. Als nun Adolf-Friedrich Kenntnis von einem

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Briefwechsel bekam, den Franz-Albrecht und seine Schwiegermutter mit dem schwedischen Oberfeldherrn Baner gepflogen hatten, beschloß er, das zum Verderben des Gehaßten zu benutzen. In einem Brief an den kaiserlichen Vizekanzler Graf Kurz erbot er sich, Franz-Albrecht zu verhaften; "es sollten dadurch solche Sachen an den Tag
kommen, daran dem ganzen römischen Reich gelegen sei". Man ging in Wien nicht darauf ein.

1638 ist Franz-Albrecht schon im Besitz von SCHWARZENBEK und PÖTRAU. Er wohnt in ersterem, macht von dort aus Reisen nach Hamburg, Güstrow, dem braunschweigischen Schloß Schöningen und Neuhaus, dem Wohnsitz seines Bruders Franz-Karl, wo sie sich mit Hetzjagden und "Schießen" belustigen. Um diese Zeit hatte sich der Krieg ins Mecklenburgische gezogen. Der kaiserliche General Galles hatte im März sein Hauptquartier in Sternberg. Franz-Albrecht besuchte ihn da mehrfach. Seine Notizen werden etwas umfangreicher, seit er Privatmann ist; eingestreut sind allerhand geheime Zeichen für Leute, mit denen er in Briefwechsel steht. An seine Braut schrieb
er sehr häufig. Es muß von seiner Seite eine Liebesheirat gewesen sein; die Mitgift war höchst dürftig. Am 26. Juni nahm er feierlich Besitz von BASTHORST und fing alsbald dort an zu bauen. Im Juli ließ er den Stecknitzgraben bei Büchen aufräumen, im September vor der dortigen Brücke eine Schanze aufwerfen. Auch in Basthorst hat er um diese Zeit "das große Bollwerk" bauen lassen.

In die Politik scheint er sich damals schon wieder gemischt zu haben. Dafür sprechen Besuche in Brunshausen und Glückstadt beim König von Dänemark, der versuchte, die streitenden Parteien zu Friedensverhandlungen zusammenzubringen. Auch eine Reise nach Braunschweig diente wohl diesem Zwecke. Sein jüngster Bruder, der schwedische Oberst Franz-Heinrich, lag im Oktober in Wismar in Quartier, General Baner in Neukloster. Franz-Albrecht suchte beide auf; besonders in Neukloster ist er im Dezember öfter. Am 1. Januar 1639 ist er dort "dodt krank" bis zum 3. Auch in Güstrow, wohin er sich am 4. begab, hütet er das Bett bis zum 16. Hier steht in Geheimschrift: "Auch ist das Ding aufgemacht". Erst am 28. konnte er zu seiner Braut gehen, erst am 6. Februar "ist das Ding ganz zugeheilet", worauf er sich "durch Gottes Gnade wieder in die vorige Gesundheit restituiert" fühlte.

Am 31. März schloß er in Stintenburg den Kaufvertrag mit Kurt von Bülow. Im April macht er eine Hochzeit im Welfenhaus zu Kalenberg mit. Nach Besitzergreifung von STINTENBURG, - das er seiner Braut zu Ehren "Stingenburg" umtaufte - begann er an den dortigen Befestigungen zu bauen. Sein "allerliebstes Stingen" begleitete er auch auf einer Reise nach Braunschweig von Müssen bis Artlenburg. Er selbst besuchte im August den holsteinischen Schwager in Glücksburg und Norburg auf Alsen, wohin er
bei Bellegard übersetzte.

Am 20. Februar 1640 brach er von Stintenburg zu seinem BEILAGER auf, das in Güstrow vom 22.-26. gefeiert wurde. Adolf­Friedrich hatte die Einladung grob abgelehnt und auch dem Adel

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die Teilnahme verboten. Auch in seinem jungen Eheglück vergißt Franz-Albrecht nicht, am 28. Februar zu vermerken, daß es 6 Jahre her sei, daß man ihn "kegen Hand und Siegel gefangen". Die Fahrt nach Stintenburg trat das junge Paar am 11. März an. Man nächtigte in Crivitz und war am nächsten Abend zu Haus. Schon am 15. reisten sie zu einer Hochzeit nach Plön. Die Herzogin richtete in Stintenburg eine Betstunde ein; auch die Kirche in Lassahn wurde ausgebessert. Entgegen anders lautenden Nachrichten ist Franz-Albrecht nie katholisch geworden. Häuslicher wurde das Leben indessen nicht. An ein Fest in Schiffbeck schloß sich eine längere Reise nach Zerbst,
Wittenberg, Dessau und Braunschweig. Kaum nach Stintenburg zurückgekehrt, fuhr er auch schon wieder zu einem Besuch beim Prinzen Christian von Dänemark nach Niköping aus Laaland. Dort erkrankte er am 13. August sehr schwer und war auch beim Eintreffen in Stintenburg am 31. noch "sehr übel auf" bis zum 23. September.

Dieses Jahr fand in Regensburg ein REICHSTAG statt, um endlich einen Weg zum Frieden zu finden. Franz-Albrecht begab sich auf einem Umweg über Braunschweig, wo er wieder erkrankte, Bernburg, Dessau, Cöthen nach Dresden, jagte da mit dem Kurfürsten einige Tage und kam am 6. Dezember in Regensburg an. Der Kaiser empfing ihn am 11. und 13. Nach Weihnachten eilte der Herzog nach Venedig, wo er vom 6.-15. Januar 1641 blieb, wohl um seine Vermögensangelegenheiten zu ordnen. Regensburg erreichte er am 29. wieder. Den Tag zuvor war Baner mit dem schwedischen Heer, der versucht hatte, den Kaiser und Reichstag in Regensburg zu überfallen, unverrichteter Sache abgezogen. Es kommen nun die "Arnimschen CONSILIA" zur Sprache. 1637 hatten die Schweden Arnim in seinem Schloß Boizenburg überfallen und nach Schweden geführt. Franz-Albrecht setzte alle Hebel in Bewegung, den Freund zu befreien und unterstützte ihn mit einer namhaften Summe, so daß Arnim nach Hamburg entfliehen konnte. Von dort knüpfte er, der seit dem Prager Frieden als Privatmann gelebt hatte, mit dem Kaiser an und schlug vor, mit einem österreichisch-sächsischen Heere Schlesien zurückzuerobern und dann gegen Pommern zu gehen, um die Schweden aus Deutschland zu vertreiben. Man machte nun Franz-Albrecht Angebote, unter Arnim zu dienen. Zunächst fuhr er nach Dresden, wo er wieder erkrankte, nach einigen Tagen aber den Kurfürsten wieder auf die Jagd begleiten konnte. Er reiste dann Arnim entgegen und brachte ihn am 18. März nach Dresden, wohin sein Christinchen am 21. nachkam. Sie war inzwischen in Braunschweig gewesen, wo ihre Schwester verheiratet war. Einige Tage verbrachten sie in Schlackenwerth bei Julius-Heinrich. In Dresden erkrankte am 18. Mai Arnim und starb am 28. Franz-Albrecht verbarg seinen
Schmerz über den Verlust dieses "tapferen Mannes" in Geheimschrift. In seinem Kummer las er die Bibel. Später wurde dem Verstorbenen durch den treuen Freund ein Denkmal in der Dresdener Kreuzkirche gesetzt.

Zunächst aber handelte es sich darum, wer an Arnims Stelle den Befehl über das zu bildende Heer übernehmen sollte. Zu Regens­

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burg empfing Franz-Albrecht am 5. Juli die Bestellung als FELDMARSCHALL, schon am 8. reiste er nach Dresden zurück, um die sächsischen Truppen zu sammeln. Vorher ließ er am 25. Arnim beisetzen. Anfang August begannen die Bewegungen. Franz-Albrecht verließ mit dem Kurfürsten am 3. August Dresden und war am 6.
im FELDLAGER VOR GÖRLITZ. In Schlesien stand an der Spitze eines schwedischen Heeres der General Stalhandske (Stahlhandschuh). Die Deutschen nannten ihn "Stahlhans". Er war ein begabter Reiterführer, konnte aber wegen des elenden Zustandes seiner Regimenter nicht in offenem Felde auftreten. Die festen Orte hatte er besetzt und nach Kräften mit Lebensmitteln versehen. Die Beschießung von Görlitz wurde sofort mit großer Heftigkeit begonnen. Einige Ausfälle der Kavallerie der Belagerten verliefen unglücklich. Nach Sprengung mehrerer Minen war am 24. eine Bresche erzielt, doch wurde ein erster Sturm abgeschlagen. Es mußte am 1. April schwerere Artillerie eingesetzt werden. Pechkränze, die in die Stadt geschleudert wurden, zündeten nicht, dagegen gelang es, die Stadtmühlen zu zerschießen. Am 14. wurde ein Turm zu Fall gebracht und die Trümmer besetzt; weniger glücklich war man bei zwei Türmen, die am 20. eingeschossen wurden, aber dem Feind verblieben. Ein weiterer Turm wurde am 24. gesprengt. Am 25. war "am Himmel ein Zeichen, welches einen Ton geben, als wenn es ein Schuß aus die Cartaune". Endlich war der Verteidiger mürbe und verhandelte vom 28. ab wegen Übergabe der Stadt. Am 3. Oktober zog er ab mit den wenigen Leuten, die nicht Dienst beim Sieger nahmen. Letzterer feierte am 6. mit Predigt und TE DEUM, am 7. mit einem Bankett, das der Kurfürst gab, vor dem am 8. die ganze "Armada" in Parade stand. Görlitz war eine der bedeutendsten Städte jener Gegend und für mittelalterliche Verhältnisse uneinnehmbar. Die Bürger hatten aber, wie überall in Deutschland, während der langen Friedenszeit von 1555-1620 ihre Mauern verfallen lassen, geschweige denn durch andere Anlagen ersetzt. Nun mußten sie, wie so viele andere, für ihre unzeitige Sparsamkeit das zehnfache zahlen.

Am 13. Oktober brach Franz-Albrecht auf und zog vor Stahlhandskes LAGER BEI BEUTHEN, das von diesem schleunigst geräumt wurde. SCHLOSZ FREISTADT widerstand vom 30. Oktober bis zum 2. November. Bei GRÜNEBERG wurde eine Woche gerastet. Ger Feind lagerte bei Sommerfeld, zog aber auch von hier am
27. "ganz still" nach Beuthen. Die Besatzung von SORAU räumte erst die Stadt, dann auch das Schloß (6. und 7. November). SAGAN hielt sich vier Tage, mit ihm zugleich fiel Schloß SPROTTAU. Nur einen Tag (12. November) wehrte sich LÜBEN, während LAUBAN eine zweitägige Beschießung aushielt (15. und 16. November) und dann
kapitulierte. Mit der Einnahme des SCHLOSSES HEINZENDORF war die Säuberung dieses Striches beendet, und Franz-Albrecht wendete sich dem rechten Oderufer zu. Bei Glogau überschritt er am 28. und 29. November den Strom und rückte vor GUHRAU. Hier mußte er sich zum Bau von Laufgräben entschließen, bei welcher Arbeit er
sich zu nahe an die Stadt wagte und "gar gefährlich in den Kopf ge-

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schossen" wurde. "Dem Allerhöchsten sei's gedankt, daß es wohl abgelaufen". Schon am 31. fing die Stadt an zu verhandeln und ergab sich am 1. Januar 1642 auf Gnade und Ungnade. Die gesamte Besatzung wurde "untergesteckt". SCHLOSZ HERRNSTADT fiel am 3., am gleichen Tage begann die Belagerung von WOHLAU, die schon am 7. mit Abzug der Besatzung endete. Es war eigentlich die höchste Zeit für Winterquartiere, die kaiserlichen Bevollmächtigten trafen auch am 10. ein, aber Franz-Albrecht wollte auch die Stadt BEUTHEN noch nehmen, ehe er die Truppen entließ. Die Annäherungsgräben wurden am 20. begonnen, am 22. mit Schießen und Feuer-Werfen angefangen, während gleichzeitig CONSTADT durch eine Entsendung berannt wurde. Letzteres ergab sich schon am nächsten Tage. Der Kommandant von Beuthen verlor den Mut, als seine Anßenwerke auf beiden Oderufern gestürmt waren und zog am 29. ab. Die Befestigungen wurden geschleift. Die Reihe kam auch noch an BUNZLAU und LÖWENBERG, die nach kurzem Widerstand bezwungen wurden. Drei Salven der Artillerie und Infanterie begrüßten am 17. Februar den Abschluß des Feldzuges. An Gefangenen waren im ganzen 2600 gemacht.

Franz-Albrechts Hauptquartier wurde NEISZE. Dort beschäftigte er sich eifrigst mit Werbung neuer Regimenter und Auffüllung der alten. Ihm selbst als Feldherrn kamen nach altem Brauch ein Regiment zu Pferd und eins zu Fuß zu. Es traf sich günstig, daß der junge Kurfürst von Brandenburg mehrere Regimenter, die er von seinem Vater überkommen hatte, wegen Unzuverlässigkeit entließ. Franz-Albrecht übernahm von diesen das Reiterregiment des Oberstleutnants v. Lüttke als Leibregiment. Den bisherigen Oberst, von Goldacker, hatte der Große Kurfürst wegen Betrügereien festsetzen wollen, worauf er geflüchtet war. Ein Fußregiment warb der Herzog selbst und übergab es dem Oberstleutnant v. Rohrscheidt. Zwei ehemals brandenburgische Obersten, jener Goldacker und der gleichfalls geflüchtere Moritz-August v. Rochow, stellten je ein Fußregiment auf. Endlich brachten Henning v. Christau und jener ehemalige Rittmeister v. Henning, der im Jahre 1634 mit seinem Herzog gefangen war, zwei Reiterregimenter und Oberst v. Kracht ein Fußregiment auf die Beine. Ob durch alle diese Neubildungen die gewünschte Stärke von 10 000 zu Fuß und 5000 Reiter erreicht wurde, steht dahin. Soviel ist sicher, daß der Gefechtswert der Truppe nicht hoch anzuschlagen ist. Auch mit Sold und Ausrüstung sah es kläglich aus. Die österreichische
Heeresverwaltung hatte sich in dieser Beziehung längst eine Tradition geschaffen, an der sie durch die Jahrhunderte hindurch zähe festgehalten hat. Erstaunlich bleibt nur, daß bei so unverbesserlicher Mißwirtschaft der Staat noch heil durch alle schweren Krisen sich durchretten konnte, bis ihm der Weltkrieg das Rückgrat brach.

Am 20. Februar 1642 brach Franz-Albrecht nach Wien auf. Beim Kaiser Ferdinand III. und dem Oberfeldherrn Erzherzog Leopold­Wilhelm wurde er zur Besprechung über die vorzunehmenden Kriegshandlungen empfangen. Ersterer hatte ihm bereits schriftlich für die Erfolge 1641 gedankt. Die übliche Teilnahme an Jagden von den Schlössern Favorite und Laxenburg aus füllte den Rest des acht-

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tägigen Aufenthalts aus. Am 19. März war er wieder in Neiße. In seiner HEIMAT hatten inzwischen die Schweden seine Güter besetzt und SCHWERE KONTRIBUTIONEN verlangt, wogegen Herzog Franz­Karl als Sachwalter seines Bruders vergeblich Einspruch erhob.

Durch Franz-Albrechts Erfolge im Vorjahr hatte der schlesische Kriegsschauplatz lange nicht gehabte Wichtigkeit erlangt. Schweden durfte es nicht erst zu dem Vorstoß oderabwärts gegen die pommersche Küste kommen lassen. So brach der neue Oberfeldherr Torstenson - Baner hatte sich zu Tode getrunken - aus der Altmark plötzlich in Eilmärschen nach Schlesien auf und erschien am 21. April vor Glogau. Stahlhandske, der im Herbst 1641 nach Landsberg a. d. Warthe ausgewichen war, schloß sich dem Hauptheer an. Glogau und Guben fielen schon am 24. und 26. April. Derweilen sammelte Franz-Albrecht seine in den Quartieren weit verstreuten Truppen bei Breslau. Auf fortgesetzte Mahnbriefe nach Wien bekam er endlich Artillerie und am 22. Mai Verstärkung an Reitern durch den Oberst v. Heister. Das Gegebene wäre gewesen, daß auch die österreichische Hauptarmee, die in Böhmen stand, herbeigeeilt wäre, um mit Franz-Albrecht vereint Torstenson zurückzutreiben. Sie rührte sich nicht.

Am 29. Mai erfolgte die letzte Eintragung in Franz-Albrechts Notizkalender. - Mit der Wahrscheinlichkeit der Hinzukunft der kaiserlichen Hauptarmee rechnete auch Torstenson. War er bis jetzt oderabwärts marschiert, so bog er am 15. Mai von Steinau a. O. plötzlich nach Süden ab, um sich des Gebirgsaustritts bei SCHWEIDNITZ
zu versichern. Diese Stadt war nur schwach besetzt, ihre Verteidigung nunmehr aber von äußerster Wichtigkeit. Franz-Albrecht erkannte dies sofort und beschloß, die Besatzung noch vor Torstensons Ankunft mit "Volk und Munition" zu verstärken. Die Ausführung wäre Sache eines Unterführers gewesen; aber der Mangel an geeigneten Generalen im Kaiserheer war so stark, daß Franz-Albrecht selbst die Leitung übernehmen mußte. Von seinem Aufbruch aus dem Lager bei Breslau mit dem Großteil der Reiterei, vier Geschützen und 500 Dragonern (diese waren berittene Infanterie und fochten nur zu Fuß), erhielt Torstenson sogleich durch einige Bürger Nachricht. Er verstärkte seine Vorhut unter General Wirtenberg durch ein Reiterkorps unter Königsmark, der ihm am 31. Mai Franz-Albrechts Annäherung meldete. Torstenson ließ jetzt Schweidnitz durch Kavallerie einschließen, Infanterie, schweres Geschütz und Troß vor der Stadt halten und rückte mit dem Rest dem Feind entgegen. Den Verlauf des Kampfes und seine Folgen mag der vortreffliche schwedische Geschichtsschreiber Chemnitz schildern. "Zu vorderst etliche Reiter voraus kommandierend, die sich vor denselben (Franz-Albrecht) henken und ihn aufhalten müssen, damit er ohne zu schlagen nicht von ihm (Torstenson) ab und in sicheren Gewahrsam käme. Herzog Franz-Albrecht, wie er sähe, daß es heißen wollte, Vogel friß oder stirb, und er ohne Gefahr in Unordnung zu geraten, nicht würde zurückweichen können, stellte sich dagegen mit seiner Reiterei in gute Postur und Schlachtordnung unterm Zobtenberge. Sobald nun der Feldmarschall (Torstenson) mit der

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Kavallerie wie auch neun Brigaden zu Fuß und etlichen Stücken (so doch nicht gebrauchet worden) ihm etwas genähert und die Seinigen zur charge angehen lassen, hielt zwar des Feindes linker Flügel selbige anfangs aus. Weil aber die übrigen Regimenter zu wanken begannt, wandten sie sich darauf zur stund allesamt, gerieten darüber in
Confusion und stracks in völlige Flucht. Welche die schwedischen Reuter, soviele der Feldmarschall davon bei sich gehabt, auf verschiedenen Wegen über 5 Meilen verfolget: worüber sie an Toten und Gefangenen ziemblich eingebüsset. Jedoch war kein Zweifel, daß, wenn sie einigen Paß, um sich darüber zu retirieren und nicht das flache Feld mit etwas dünnem Wald, so zum Ausreißen sehr bequem, vor sich gehabt, der Schaden noch größer gewesen und ihrer nicht so viel, wie geschehen, davon würden kommen sein. Gefangen wurden Herzog Franz-Albrecht selbst, so hart verwundet war, Generalwachtmeister Hanau, etwa 100 Offiziere, 1100 Gemeine, 14 Standarten, 4 Stücke (Geschütze), ohne sondern ihren Verlust. Herzog Franz-Albrecht ist den letzten Tag dieses Monats (die Schweden rechneten noch nach dem
alten Kalender; der Todestag ist also der 10. Juni) an empfangenem Schüsse Todes verfahren, und mit ihm die Arnheimischen (Arnimschen) Consilien, so er nach Arnheims tödlichem Abgänge, ins Werk zu setzen höchlich sich bemüht, allerdings in Brunnen gefallen. Dessen zu sonderbarem Zeichen in der Nacht hernach in Dresden in der
Kreuzkirche Arnheims Leichenfahne, *) so etwan dieser Hertzog Franz-Albrecht ihm nachsetzen lassen, mitten entzwey gebrochen. Gegen des Hertzogs toten Körper erwies der Feldmarschall alle Humanität und Höfflichkeit, wiewohl er im Leben dessen Feind und Gefangener gewesen, **) und ließ ihn folgends, alldieweil er von verschiedenen fürstlichen Personen und Piccolomini inständig darum ersuchet worden, frei, ohne entgelt ab und auf die Gegenseite hinüber folgen. - Der sächsische General v. Hofkirchen, in Stettin als schwedischer Gefangener, ist bei der Todesnachricht "wie er ohne des frey und frech von Worten, auf die kaiserliche Reuterei heftig gescholten und losgezogen, welche allezeit solchergestalt auszureißen und ihre Generale im Stich zu lassen pflegte, Massen dergleichen ihm selbst widerfahren war.''

Es bleibt nun wenig mehr zu sagen. Das "herzallerliebste Christingen", dem ihr Gatte Stintenburg als Wittum verschrieben hatte, wurde in diesem Besitz von allen Seiten angefochten, wie im Heft 3 Band VII des Archivs J. Jöns in einem ausführlichen Aufsatz über Stintenburg darlegt. Sie heiratete später ihren Vetter Herzog Christian-Ludwig von Mecklenburg-Schwerin (7. Juli 1650). Diese Ehe war bald unglücklich durch Schuld des Gatten. Die Herzogin zog zu ihrer an den Herzog von Braunschweig verheirateten Schwester,

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*) Für Gestorbene wurden früher seitens der Hinterbliebenen in der Kirche Fahnen aufgehängt, in deren Tuch nebst einem Bibelspruch kurze Lebensdaten eingestickt waren. Chemnitz meint aber wohl ein steinernes Epitaph.
**) Dies ist eine Verwechslung, wohl mit Herzog Rudolf-Maximilian Torstenson war 1632 beim Sturm auf Wallensteins Lager vor Nürnberg gefangen. Der genannte Herzog kommandierte als General in der bayrischen Armee. Torstenson war Gefangener des Kurfürsten von Bayern und saß in Ingolstadt.

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während Christian sich lange in Stintenburg behauptete gegen alle Versuche seines Vaters und des Herzogs August, ihn zu entfernen.

Zieht man nun das Fazit aus Franz-Albrechts reich bewegtem Leben, so ist eines unbestreitbar: daß er zu den Begabteren der vielen Feldherren aus dem dreißigjährigen Kriege gehört. Das Lob Gustav­Adolfs, daß er resolut und kriegserfahren sei, hat er bis zum Tode bewährt. Seine fünfmalige Verwundung sollte ihn auch gegen den
Verdacht der Feigheit schützen. Das Ziel seines politischen Strebens, einen Verständigungsfrieden herbeizuführen, wird die Jetztzeit am allerwenigsten tadeln. Den zweimaligen Parteiwechsel ihm mehr als seinen Zeitgenossen, die gleiches taten, anzurechnen, wäre unbillig. Auch die Mitwelt hat letzteres nicht getan, wenn man von der im Kriege unvermeidlichen Verwertung in der Pressepropaganda absieht. Es sei hier neben den schon in der Einleitung genannten Beispielen besonders auf ein wenig bekanntes vom Kriegsschluß hingewiesen. Als 1647 der Kurfürst von Bayern mit Frankreich und Schweden Waffenstillstand schloß, versuchten zwei seiner Generale, die berühmten Reiterführcr Jan van Werth und v. Spörken, das bayrische Heer zum Übertritt in kaiserliche Dienste zu verleiten. Der Kurfürst ächtete sie und setzte hohe Preise auf ihre Köpfe. Das hinderte ihn aber nicht, 1648, als die beiden inzwischen kaiserliche Generale geworden waren und er den Waffenstillstand gekündigt hatte, seine Truppen den Abtrünnigen zu unterstellen. Als im selben Jahr der Kurfürst seinen General v. Hunolstein in der Beförderung übergeht, schreibt er an den Minister, jenen
gut zu behandeln, da sonst anzunehmen sei, daß er zum Feinde übergehen würde. -

Endlich ist der Vorwurf, als habe Franz-Albrecht seinen sächsischen Kriegsherrn an die Kaiserlichen verraten, nicht zu beweisen. Ein freundschaftlicher Verkehr mit dem Gegner vertrug sich sehr wohl mit den damaligen Kriegsbräuchen. Wieder möge ein klassischer Zeuge sprechen. Pappenheim berichtet im Jahre 1627, als er den dänischen
Oberst Graf Solms in Wolfenbüttel belagerte: "Wir Haltens auf alt abenteurischen Ritterbrauch. Wann das Treffen fürüber und unsere schweißigen (blutigen) Köpf' abgewischt, so kommen wir dann zusammen auf dem Feld, discourieren, essen und trinken und lobt einer des anderen ritterliche Taten, als wenn wir die besten Freunde wären."

Franz-Albrecht hat nach norddeutscher Weise, was ihn im innersten bewegte, scheu bewahrt oder gar durch eine derbe Redensart sich den Anschein der Unbekümmertheit zu geben versucht. Daß er so unverfängliche Dinge, wie sein Gedenken an den verstorbenen Freund Arnim oder das Lesen in der Bibel, durch Geheimschrift der
Möglichkeit entzieht, daß Dritte davon Kenntnis nehmen könnten, ist nicht die Art leichtfertiger oder gar verbrecherischer Menschen.

 













 


 

 

 

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