Nach unserm Gang durch die Mitte Lauenburgs
suchen wir nun im Norden das alte Amt Steinhorst auf und
beginnen an der holsteinischen Grenze.
Nr. 5. AS IK MAL IN ANGST KÖM.
As dat noch warm wär, gün ik mit min Frün nat Badn in grotn
Möhlnd ik. Dat Wade wör heio 72) warm. De Sünn
schien hell vun Himmo 73) un de Fleign späuln
74) un steikn. Up de Weih grasn de Käu un de vegretz
75) Bul. As hei uns sein har, keum hei an un
brühl. De annen Kinner leupn wech, un dat Tier har mi in de
Klem. Ik fün kein annen Utweg, as dörch dat Schilf an de Sit tau
wadn. Dat Bist hört, dat ik wech lop. Hei schnüf un kratz ümme
an Drat lang, öbe sein kann hei mi nich, und dat wär ein Glück.
Ik, in min Angst, ga ümme wide un kam an ein schlampich Bäk; ik
wah dörch un sei fö mi fäo 76) Dann stahn. Twüschn
de Böm steit Gras, Diso 77) un allelei Unkrut. Ik
gah dörch de Anplandung un har mi bald felopn; ik wüs nich trüch
noch vöwats. Min Bein dödn weih, denn de Disos 77)
steikn gans bannich. In al de Angst gah ik werrer trüch un gün
de schlech Bäk na, un kam na de Sandbank, wo vön half Stunde de
Bul wes wär. Ik kik mi üm un weit nich, wo dat dull Tier bläbn
is. Na en Tied löp hei bi de annen Käu un gras. Ik trek mi an un
lop so schnel, as ik blos kann, fun de vedreihte Koppo 78)
un ga nich dor werrer nat Badn.
(Aus Gr. Boden.)
*
Die "Bullenangst", die der kleine Verfasser
ausgestanden hat, überträgt sich ihm auf den ganzen Schauplatz
seines Abenteuers, er will ihn nicht wieder betreten: die Koppel
ist "verdreiht". Wenn man sich vorhält, daß die ndd. Vorsilbe
ver= meist hd. er- entspricht (wie in
_______________
72) heio = heil = sehr. 73) vun
Himmo = vun Himmel. - 74) späuln = späln -
spielten. - 75) verärgerte, gereizte. - 76)
viele Tannen. - 77) Distel, Disteln.
78) Koppo = Koppul = Koppel.
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'verhalen, vernüchtern, verköhlen,
verdrinken, vergahn, vermuntern' = erholen, ernüchtern, erkälten, ertrinken,
ergehen, ermuntern), so könnte das Wort bedeuten, daß die Koppel sich als eine
schlimme durch das Erlebnis erst "herausgedreht", herausgestellt habe.
Aber dieses Wort "verdreiht" hat den Jungen selbst nun auch verstrickt. Es
zeigt, daß er gewisse Eigenarten der lauenburgischen Sprechweise nicht kennt.
Das Wort muß, wie seine ganze Gruppe, (s. Übersicht, 2) mit È
gesprochen werden, also: verdreht. 'Drehen', as. THRÂIAN formt sich wie 'säen',
as. SÂIAN. Das alte  + i lautete im frühen Mnd. um zu Ê + i. Das ergab
schließlich EI in 'seien', welche Form in der St "sei·dn" gesprochen wird; in
der L aber spricht man "se·dn' aus. Daneben gibt es noch Gebiete, die etwa
"sä·n" sprechen.
Der Einschub des D wird später zu erklären sein; er beruht auf Gruppenausgleich.
Wichtiger ist uns die Frage, wie die Form 'se·dn' entstanden sein mag. Wir
können uns dies so vorstellen, daß aus der Form SEIEN = SÊIEN sich SÉJN > SÉ·IDN
> SÉ·DN, entwickelt hat. In SEIEN muß man sich beide Silben gleichwertig
gesprochen denken. Es ist dann eine Zeit eingetreten, wo unter nachdrücklicherer
Hervorhebung des Sinnes die Stammsilbe den ganzen Atemdruck erfuhr. Das trieb
das konsonantische Element in dem Zwielaut hervor. Es erfolgte fester Anschluß
an das konsonantische Element. Das Wort wird mit einem einzigen Atemdruck
gesprochen, wobei dann der geschlossene Vokal von kurzer Dauer ist und der
Konsonant (d) stimmlos wird. Man kann sich den Hergang innerlich, seelisch
deuten: Schnelleres Denken, Zuwendung zur Stammsilbe als der Sinnträgerin,
schnellerer Fluß der Rede, sie sind die Ursache, die nach außen in dem FESTEN
ANSCHLUSZ oder der SCHARF GESCHNITTENEN SILBENBETONUNG in Erscheinung tritt.
SCHÄRFUNG, westfälische Schärfung nennt man den Vorgang. In unserer Gruppe ist
diese Schärfung eingetreten bei Wörtern mit dem Zwielaut vor vokalisch
beginnender Silbe (Hiat). Die Stimmlosigkeit des Konsonanten deuten die Kinder
an, indem sie oft schreiben: setn (säen), metn (mähen), tetn (zehn). So
wohltuend innerhalb der 'langtögschen' Sprechweise die Schärfung auch wirkt, so
muß doch zugegeben werden, daß sie veraltet klingt. Mehr und mehr breitet sich
die Form 'se·dn' aus (E geschlossen, lang, D stimmhaft), ebenso: Krei(d)n
(Krähen), Spredn (Stare). Die Stadt sagt natürlich 'Krei(d)n', 'Sprei(d)n'. Ob
die erwähnten Formen 'mä·n', 'sä·n' nicht ihre besondere Ableitung haben, bleibt
zu bedenken (vielleicht aus mnd. MÊGEN).
Noch zwei Wörter aus dem kleinen Erlebnisbericht zeigen den holsteinischen
Einfluß: 'Wei' (Weide) und 'allelei' (allerlei). Diese Wörter gehören zu einer
Gruppe, die ebenfalls von gemeinlauenburgischem EI für Ê3
abweicht. Meist sind es Wörter, deren Stammsilbe ein ursprünglich stimmhafter
Zahnlaut folgt oder deren 'D' aus andern Gruppen eingedrungen ist (s. Übers.
7). Die Heide, as. HEIDA, mnd. HEIDE, HÊDE spricht man 'he', in der
Stadt 'hei', ebenso Weide, as. WEDA, mnd. WEIDE, L we·, St wei·. So heißt es
denn auch: allerle·, einerle·. Hierher gehört auch das viel berufene,zehn', as.
TEHIN, mnd. TEIN, L te·dn, St tei·dn, zumeist aber schon 'te·n, tei·n'
gesprochen. Auch diese Wörter haben wie die vorige Gruppe die westfälische
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Schärfung. "Arbeit, arbeiten" lautet dann
genau: a·bet, a·bedn. St ab·eit, a·beidn 79).
Diese sehr bezeichnenden Sprechform en gehen durch ganz Lauenburg. Es gehören
noch vier Verbformen hierher (s. Übers. 6), die unserm jungen Freund auch nicht
geläufig scheinen. Er schreibt "steit"; doch sagt man hier "hei steht", "du
stehst" (mnd. STEIST [STÂST], STEIT [STÂT]; es gibt schon mnd. westfälische
zusammengezogene STÊT, GÊT) 80).
Nachdem wir unsern Jungen so scharf angehört haben, müssen wir ihm nun auch
bestätigen, daß er im übrigen ein guter Lauenburger ist. Er spricht die
Tonlängen: Bäk, väl, späln; er braucht die Zweiungen: Fleigen, sein, hei (Ê1),
Bein, weih (Ê2); er sagt mit Rundung: reup, leup (Ê4); das L schwindet (die
Zunge wird nicht gehoben): heio = heil, Himmo = Himmel; endlich ist die
Schließung + Dehnung deutlich: brühl = hd. brüll, Bul = hd. Bull(e); er sagt
auch noch wie im gesamten Lauenburg "dörch" und "nich"; das holsteinische "dör"
und "ni" mit abgeworfenem ch ist nirgends eingedrungen 81).
Das Schwanken zwischen "köm" und "keum" und das Geschlechtswort "de" zeigen
vielleicht Einfluß der St. "Hei" aber (für 'er') hat sich gehalten, wie es auch
sonst erfahrungsmäßig am längsten bleibt. 'Heil' ist das allgemeine Wort für
'sehr' (si·r ist hd. entlehnt); 'bannich' bedeutet auch 'sehr', 'viel' < mnd.
BENDICH, ohne i-Umlaut. 'Himmel' ist hd. aus der Kirchensprache übernommen; der
sichtbare Himmel hieß früher 'Häbm' mnd. HEVEN ('heml' aus mnd. 'Hemel' fehlt).
'Schilf' ist hd. für das alte 'schelp' aus mnd. SCHELP; man sagt auch 'REI·T'
aus mnd. RÊT. Beachtenswert bleibt noch das gerundete 'döden' für 'deden' = taten. Für
'Dann' = Tannen gibt es einen auch im Hand-
_______________
79) 'Arbeit' sagt man jetzt immer. Doch mache man sich klar, wie gegenüber
unzähligen Wörtern mit 'Werk': Werkstätte, -zeug, -tag, Handwerk und so fort
entsprechende niederdeutsche Wörter mit 'Arbeit' leer wirken, um zu begreifen,
daß 'Arbeit' erst in jüngerer Zeit den heutigen Sinn bekommen hat. Ursprünglich
zeigen die Wörter wie 'wirken', 'schaffen' an, daß es aufs Werk, aufs Ergebnis
ankommt, auf den erzeugten Wert. Das ist der deutsche Sinn. Das Wort 'Arbeit'
bedeutet anfänglich 'Mühe, Beschwer' (anord. ERFITHE, got. ARBAITHS, as. ARBÊD,
ARBÊDI). Schon in der Edda "Thors Hammerholung 10": Kunde, die der
'Mühe'
ERFITHE lohnt. Und noch im Sassischen Gebetbuch heißt es: KOMET TO MECK ALLE DE
GI ARBEIDET [die ihr mühselig und beladen seid]. Erst die kirchliche Mission mit
der alttestamentlichen Auffassung vom Fluch der Arbeit setzte für 'wirken' das
Wort 'arbeiten' d. h. sich mühen. Die ursprüngliche, uns gemäße Auffassung ist
die, daß Arbeit keine Mühe, sondern der wahre Beruf des Menschen ist. So sah
auch Luther das Menschensein.
80) Auf den besprochenen Erscheinungen beruhen die verschiedenen, überall zu
hörenden Neckereien: 'Ick weit'n Nest mit te·dn Kre·dne·er' oder 'Hans Pe·dn
geht Klock te·dn na'n Me·dn' (Hans Pein geht um 10 zum Mähn). So sagt man nicht
nur an den Grenzen und weit nach Mecklenburg hinein, sondern diese Neckerei wird
auch 'innenländlich' geübt. Es handelt sich eben um Grade der Schärfung, die man
sich drastisch vorhält.
81) Man kann die Erscheinung der Schließung + Dehnung (Palatalisierung) nicht
bedeutsam genug nehmen. Sie verschafft der Sprache mit ihren Vokalklängen viel
Farbe, und sie ist ein Zeichen des Zustandes der Unberührtheit. Sie hält sich,
wie so manche andre Erscheinung, namentlich in Flur - und Ortsnamen. Und wenn
ein solcher Name AUS der Regel fällt, ist dies ein Zeugnis von großem Abbau der
ursprünglichen Erscheinungen. In Gülzow, wo man 'Gü·lzow' vermuten muß, prüfte
ich einmal alle Kinder der I. Klasse, indem ich sie sagen ließ: 'Ik bün ut
Gülzow'. Nur ein Kind sprach, Gü·lzow. Es stellte sich heraus, daß es das
einzige Kind war, dessen beide Eltern aus G. stammten. Alle andern hatten nur
Vater oder Mutter aus G. Das ließ sich an der Aussprache abhören.
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werk gebrauchten alten Ausdruck: Gränen (anord.
GRO·N, ahd. GRANA); das verwandte hd. Grannen (am Korn) heißt hier Egel, Edel
(as. EGILA, ags. EGLE, hd. Achel), Ähnen (as. AGANA).
*
Nr. 6. DAT BRUMMULBIADNPLÜGN 82)
Hüt namiddag wüt wie wedde nat Brummulbiadnplügn. Dor achden in Sirksfille
Tauschlag 83) stat so väl. Ick fröt 84) mi al dua tau. Denn treck ick min Murres
groten Stäbuln an, un denn geht dat los. Min Murre hättn grotn Emme 85), un ick
son lüttn Honnigemme. Denn bruk ick nich so väl tau plügn. Den Nöthakn in de
Hand, un farrig bünn ick. Wie gat dor bi Eget 86) lang. In Tauschlag sünd väl
Reh un Hasn. Duavon wick juch ma ein Geschich vötelln. Eima ok, dua weuden wie
ok hen. Do, as wie in dat Redde rinnekeumn, seg ick mitn Mal tau min Murre:
"Kiek ma da achden, dua staht jen gansn Barg, dua wüt wie mal hen." Sei wul dat
ok. Ja, dei Busch seit ok faß vull. As ick nu duavö seiht unn minen Emme bald
vull har, keum mitn Mal 'n Reh utn Knick sprun. Grad öwe mi röbe.
Ick füll hen; öwe mi rög sik gonnichs mia. Ick sprüng upp un schmeit em mitn
Stein nah, öwe hei leup ruhig sin Weg. Min Murre stünn dua un lach lut upp;
worüm se lach, dat wüß se wul sülbn nich. Se kunn niks seken 87), öwe se wiß ub
min Emä 85). Do muß ick sülbn lachn. De stünn öwe Kopp. De Brummelbiadn weudn al
rude volln. Nu hak 88) wat tau sammuln, un halfstunß Tid häck dua woll bi seten.
J. L., Sasnäbm, gebuadn den 24. Oktobe 1920.
(Aus Sandesneben.)
*
Das Brombeerpflücken in der milden Herbstsonne ist schön. 'Uns lü·t Dian fröt
sik dua tau'. Eigentlich hätte sie sagen müssen: 'Ik höe·ch mi'. Es ist eine
richtige 'Brummelbiadnhöe·ch', wie man sonst auch eine 'Pingshöe·ch
(Pingsheisch)' feiert; doch das alte 'höegen' 89) schwindet immer mehr,
vielleicht läßt auch des Lebens Hast keine Zeit mehr zu dieser gemächlichen,
innern Heiterkeit.
'Sei treckt nu Murres Stäbuln an'. Früher sagte man für Mutter 'Maurer' (as.
MÔDAR, mnd. MÔDER). 'Schaulmaurer' war die Frau des Lehrers; heute hört man fast
nur noch die Kurzform 'Mudder', 'Murrer'. Das dd ist zu rr geworden. Dies ist
nur eine weitere Folge der lauenburgischen Sprechhaltung, die ja, wie oben
erörtert, durch den losen Verschluß der Zunge gegen den Gaumen und obern
Zahnrand gekennzeichnet ist, so daß das d (dd) zu r wird oder schließlich
gänzlich schwindet. In unserm Stück hätte es daher ebensogut heißen können
'Mirrag', 'werre', 'Rerre' für 'Mittag', 'wieder', 'Redder'. Vielleicht handelt
es sich um wiederhergestellte d 90). In unserm Text fallen nämlich verschiedene
eingeschobene d auf: 'Brummel-
_______________
82) Brombeerenpflücken. - 83) Sirksfelder Zuschlag,
Wald. - 84) fröt mi = freue mich. - 85) Eimer. -
86) Eggers, Personen-Name. - 87) [LEER]
88) hak = hatte
ich. 89) as. HUGI, mnd. HOGE, höe·ch = Freude. 'hugi' bedeutet Sinn, Gedanke.
Der eine der Odinsraben hieß 'Hugenn'. 90) Diese Umwandlung in r vollzog sich
auch an leniertem t, selbst in jüngeren Wörtern, und auch an Wortverbindungen:
Auto > Audo > Auro. 'Wat früst mi einmal. Wat wöur dat ko·ld in denn Auro!'
Martha > Ma·ra. 'Sla· roch tau!' Schlage doch zu!
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biadn, gebuadn, weudn'. Dies sind sämtlich Mischformen, deren
d unberechtigt ist. In der Regel sagt man, es handle sich um einen
eingeschobenen Gleitlaut. Die neuere Ansicht erklärt den Einschub als einen
Vorgang im GRUPPENAUSGLEICH.
Wie das d in dem r verschwand, so muß zu bestimmter Zeit auch sonst d vor -en
geschwunden sein. Wenn 'Garten' (mnd. garde) das d verlor und 'go·rn, go·en'
lautete, so hatte es Gleichklang mit 'Korn, ko·rn, ku·en'. Da aber der Schwund
des d in den verschiedenen Bevölkerungsschichten nach Alter, Bildung, Heimat
nicht überall gleichmäßig eintrat, so hörte man nun nebeneinander 'Gu·adn,
Gu·an, Ku·an', und der Verkehr ergänzte noch die Form 'Ku·adn' mit
unberechtigtem d. WIE ALSO AUS 'GUADN' DIE FORM 'GU·AN' ENTSTAND, SO WURDE AUS
'KU·AN' WIEDER DIE FORM 'KUADN'. Nach diesem Satz wollen die unten folgenden
Beispiele gelesen sein. Diese Beispiele, die sich selbst deuten, zeigen
zugleich, daß der Gruppenausgleich den Einschub des d, des b und den Wechsel von
g und d für w umfaßt, ja selbst die Wiederherstellung der Form.
|
|
Nebeneinander
bestehend |
|
Mischform |
|
|
|
|
|
|
Garten |
|
Gu·adn > Gu·an
= Ku·an |
|
> Ku·adn
|
Korn |
schneiden |
|
sniden > sni·en =
snien |
|
> sniden
|
schneien |
Garben |
|
ga·bm > ga·m =
wa·m |
|
> wa·bm
|
warm |
gestorben |
|
sto·rbm > sto·rm =
Sto·rm |
|
> Sto·bm
|
Sturm |
saugen |
|
sugen > *suen =
schuen |
|
> schugen
|
scheuen |
hüten |
|
höden > höen =
fröen |
|
> frö·dn
|
freuen |
wieder |
|
wedder > werrer
werrer |
|
> wedder
|
wieder
(Wiederher-stellung
der Form) |
Ein volles Nebeneinander zeigt heute noch: 'Vieh tränken' = börnen, bördn, börm,
börbm.
Das persönliche Fürwort 'euch' der 2. Person, Mehrzahl, fällt, wie sonst im Ndd.
und schon in altsächsischer Zeit, für den Dativ und Akkusativ zusammen, aber
nicht im Dativ (wie in Holstein), sondern im Akkusativ (wie in Mecklenburg), und
zwar mit CH als Endkonsonanten: 'Duavon wick JUCH ma ein Geschich vötelln'.
Diese Form geht durch ganz Lauenburg; in der südlichen Hälfte wird allerdings
die palatalisierte Form 'jüch' gesprochen. In diesem Gebiet dringt auch der
Akkusativ in den Nominativ ein: 'Höbt JÜ jüch fröt?' Das besitzanzeigende
Fürwort bleibt mit dem persönl. in Einklang: euer (mnd. JUWE, JUE, JU)
= juch, jüch. Der Akkusativ zeigt noch heute eine besondere Endung, wie auch
sonst im besitzanzeigenden Fürwort: 'Ik hef juch'n (jug'n) Varrer noch gaud
kennt'. 'Hei wull sin'n Jung dat ok liern'.
Die kleine Verfasserin stammt aus Sandesneben, welchen Namen sie 'Sasnäbm'
schreibt. Diese Schreibung ist sehr bedeutsam; sie entspricht dem allgemeinen
Brauch, nicht bloß das d, sondern auch das n auszulassen, und zwar in der Weise,
daß das a gedehnt und nasaliert wird. Es handelt sich um ein knarrendes a, das
deutlich genäselt klingt. Ähnlich geht es mit dem Ortsnamen 'Labenz'.
Aufgefordert, ihren heimatlichen Ortsnamen plattdeutsch niederzuschreiben,
schrieben die Kinder der Schule: 'Lebes', 'Lebäs', 'Labes', kaum einmal mit n:
'Labens'. Hinter dieser so verschiedenförmigen Schreib-
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weise birgt sich die Näseldehnung des Vokals der
zweiten Silbe. Eine Abhörung aller Kinder zeigte gleichmäßig
dieselbe genäselte Silbe, wie sie schon durch die
Verlegenheitsformen im Schreiben kundgetan war. Das muß uns sehr
zu denken geben, weil gerade in Orts- und Flurnamen die
Aussprache aufs zäheste festgehalten wird. Und in der Tat spürt
man nun deutlich beim Aufmerken solche Näselungen in der
Umgangssprache. Ich glaube - eben in Rücksicht auf die eingehend
beobachteten Ortsnamen - nicht, daß es sich nur um ein Näseln
aus Nachlässigkeit der Aussprache handelt, sondern um den Rest
eines früheren, breiteren Zustandes, über dessen Bedeutung im
Abschnitt III zu reden sein wird.
Wir bringen, um in diesem Punkt etwas deutlicher zu sein, eine
kleine Niederschrift, die ganz unbefangen ist.
Nr. 7. DAD FISN.
Eima käum Hema Langhei, Gustav Siemü un Otto Madns no mi
91).
Min Braurü, min Veddü 92) un ig wuln gra nod Badn, sei gün og
mid. Wü gün nad Warü rin. In Dieg wäu mia Ma 93) as Warü. Wü
tobm fiks in Warü rüm un mäugn us gas schiedich. Dad Warü wäu a
gas schiedich, un as wü no Hus wuln, kun wü us nich in dad Warü
afwasn. Wü läubm nodn annen Dig. As wü rigün 94), greib min
Braurü n Fis. Do käum wü ub den Güdangün 95), no mia tau gribm.
Hema Langhei un ig läubm na Hus un haln Emmü. As wü den vu Fis
hadn, gün wü na Hus. Dua wüdn sü deiuld. 98 hadn wü gräbm. Wü
wiesn dü Fis. Vo den kreign wü Udschius 96), de
97) dad Fisn giu
98) ni. Do müsn wü weru hegan 99) un ia were nadn Dig risedn.
(Aus Linau.)
*
Der Freund unseres wasserfrohen Jungen schreibt dazu:
'Us bring
dat Fisn väl Spaß'. Alle beide schreiben, 'Us' = 'uns' ohne n;
das u ist nasal. So spricht er 'Herma' 100), 'gas' (ganz),
'rigün', 'vo' (von), 'de' (denn), 'hegan' (hingehen). So hört
man 'FrA(n)s' (Franz), 'HA(n)s', 'SchÜ(n)barg' (Schönberg),
'U(n)wäre' (Unwetter).'Hei is na Wa(n)sbäk'. Am weitesten höre
ich verbreitet: 'MA(nd)l' (Mantel), welches Wort in seiner
geborenen Lässigkeit kaum je vom Hochdeutschen übermocht wird.
'Dua kA(n)s nich ra(n)'. 'Da kannst du nicht daran'.
Nach dem Nasallaut fehlt auch jeder Verschluß. Genau
dargestellt: 'wü gün' = wü gü(n) = wir gingen; ähnlich: 'wü
sprün', 'wü sün' = wir sprangen, sangen.
Die ganze Mattigkeit des Verschlusses bis zum Verhallen zeigt
auch: 'Wü läubm'. Andere Knaben schreiben 'wü läu·m', 'wü
läuepm', und gesprochen wird ,wü läu·m'. 'Duo sü·n Ru·bm obm
Ko·l' (Raupen auf dem Kohl) klingt wie hd. 'Ruben'. 'Teich'
klingt mit langem i wie 'Di·(g)'. In Labenz wurde mir als
Flurname genannt 'Öwerdi'. Es hat lange gedauert, den einfachen
Sinn zu finden: Oberer Teich (früherer kleiner See). Der
Verschlußlaut war verschwunden, die merkwürdige Dehnung im
doppelgipfeligen i geblieben. Die Schließung
_______________
91) Hermann Langhein, Gustav Siemer, Otto Martens.
- 92) Vetter. - 93) Made, Schlamm. -
94) hineingingen. - 95) Gedanken. -
96)
Ausschelte. - 97) de = denn. - 98) giu = gilt nicht.
- 99)
hineinsehen. 100) Die nasale Tönung des Vokals deuten wir durch
Fettdruck an.
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und Längung der Vokale, besonders des i, übergreift in diesem
Gebiet weit die Stellung vor n und l 101).
'In Sirksfille Tauschlag stat so väl Brummulbiadn'. 'Sirksfelde' heißt hier
'Sirksfi·u', wie Sülfeld 'Sü·ufi·u' gesprochen wird. Das e in Feld wird ZU
GESCHLOSSENEM I GEHOBEN UND GELÄNGT (in Gegensatz zu anderem Lauenburg, das NUR
ZU GESCHLOSSENEM E UND O HEBT UND LÄNGT: Breidnfe·ul, Breitenfelde). Diese
besondere Hebung ist für die Gegend wesentlich: 'Ik mütt mi bidi·nkn (bedenken).
Dat Fisn gi·u nich (gilt nicht). Niks tau mi·ln (melden). Hei weit sin Gi·ld
kein I·n nich (Geld, Ende). Sti·ner und Wi·n (Ständer und Wände). Hei hät niks
in dei Hi·nn (Händen). Wü kreign Utschi·uls (Ausschelte).'
Ebenso wird o (mit seinem Umlaut) in der gleichen Stellung (vor l und n) zu
geschlossenem u gehoben und gelängt. Viel berufen sind die Beispiele: 'Gu·ld,
Su·ld, Smu·ld' für Gold, Salz, Schmalz. Die Eltern (anderswo Ö·lern) heißen hier
'Üllern'. 'Sei hü·uln mit ihrn Wagen up Trüchhu·uld', sie hielten mit ihrem
Wagen auf Treuholz (Station).
Für dies Gebiet, das wir vorläufig als Amt Steinhorst ansetzen wollen, gilt
also:
DIE SCHLIESZUNG UND LÄNGUNG DER VOKALE (BESONDERS DES I) HAT DEN IM SATZ VI
ANGEGEBENE UMFANG ÜBERSCHRITTEN (VIII).
DIE VOKALE VOR N WERDEN NASAL GEDEHNT (IX). DIE VOKALE E UND O(Ö) WERDEN VOR N
UND L ZU I UND O (Ö·) GEHOBEN UND GELÄNGT (X).
Sehr selten findet man, wie hier, noch geschrieben: Fis, dat Fisn. Altes sk [as.
FISK, FISKARI (Fischer), FISKON (fischen), as. FLÊSG Fleisch, as. BRÂMALBUSK
Brombeerbusch u. ä.] ist schon früh in sch übergegangen. Eigentliches sk hört
man wohl überhaupt nicht mehr. Doch hört man noch bei alten Leuten das s im
Auslaut: Dei Käu wäun all in'n Buß (kl. Wald). Dad Ädn ste·t ubm Diß. Kein'
Großen inne Taß (keinen Groschen in der Tasche). Jedenfalls hat das Auslaut-s
sich in dieser Gegend am deutlichsten erhalten. Über die besondere Bedeutung
dieser Tatsache wird weiter unten zu sprechen sein.
Durch Ausfall eines unbetonten E entstandenes SK ist gänzlich zu SCH geworden:
mnd. WESEKE Tante > Wäschen, 'Trin Wäsch' Tante Trina; MÖSEKE Waldmeister >
Mösch(n). Beliebt ist die Endungssilbe els, as. - ISLI, mnd. else: Stre·dels =
Streu, Utfäguls = was ausgefegt wird, Utschiuls = Ausschelte.
Die Rückstandslaute in unserm Tert zeigen Rundung: 'Güdangün' = Gedanke, 'wü' =
wir. Wo man 'sei' und 'dei' erwartet, liest man hier 'sü' und 'dü' (wohl aus
'se' und 'de' mit gemurmeltem E entstanden).
Wir sind in einem wahren Hochland der Sprache: Jede Form von Tonhebung, Längung,
Rundung finden wir: farbiges Vokalisieren bei Schwinden der konsonantischen
Gliederung.
Welche Spannung unterschiedlicher Sprechweise aber auf lauen-
_______________
101) In einer Unterhaltung auf der Landstraße über das Fliegerleuchtfeuer von
Eichede, das weit zu sehen ist, sagte mir ein Landmann bei Stubben: Dad is dat
Eige Li·ch, dad kümb jen Abm klick te·dn, machmal um elbm. Dad schient ümme nu
dei Slabstuw rinne. Wi daud de dei Ogn tau. Letz bii ik in Süufiuld weß, dua
kunn wi dad Eige Li·ch ok sein. Dei ganze Kaufsta·u wör hell.
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burgischem Boden möglich ist, zeigt uns die
folgende Skizze. Wir gehen von Linau nur 1-2 Stunden durch die
schöne Hahnheide (Hahnhee) und wollen nach "HamfIll", kommen
aber nach "Hamfell" (Hamfelde), wie es die Einwohner
aussprechen: die Sprache fällt. In der Nähe liegt
Kuddewörde-Rothenbek, woher der folgende Bericht.
*
Nr. 8. BI DE HOLTHOGES IN'N SACHSENWOHLD.
Jeden Morgen gaht de beiden ölen Frünn tau Wohld. Dat sünd Kahns
un Hauk. Dörrig Johr sünd se jeden Morgen up Arbeit gähn.
Morgens, wenn dat in' Winter noch düster is und de annern Lüd
noch slapt, denn gaht Kahns un' Hauk los. Ehr Bein sünd all
stiew worn von de swore Arbeit in'n Sachsenwohld. Aber se sünd
noch ümmer up'n Posten. "Heinrich", seggt Kahns hüt morgen tau
Hauk, "wi süllt hüt Dann' slagen tau Telegraphenpahls". "Ja",
seggt Hauk, "dor möt de Kass'börger mit helpen, ick heff all
seih'n, de Förster hett bannig dicke Böm' anteikent." "Is dien
Sag scharp?", fragt Hauk sienen Kollengen. "Ja", seggt Kahns,
"ik hew se gistern Abend noch scharp makt", und hei stickt sien
Piep an. Hauk smökt kein Piep, de kaut'n Swatten . Grad' hett
hei einen Swatten achter de Back schaben. Dorvon seggt hei nu
nix mehr. Dat smeckt em so schön. Grad so, as wenn Scholkinner
Bonsche hebbt. As de beiden Olen bi de Arbeitsstäd in'n Wohld
ankamt, sünd de annern noch nich dor. Äber dat duert nich lang,
denn kamt de Rodenbeker und de Kass'börger. Meins ut Kass'borg
is de Vörarbeiter. Hei hett dat Seggen. "Je, Lüd'", seggt hei,
"tauirst möt wi woll de grote Dann' dor achter nehm!" Dat ward
denn ok makt. Erst berat' se, nah watförn Siet de grote Bom, de
kerzengrad als ein Licht in denn Himmel kikt, an besten kippen
kann. Denn gaht Kahns und Hauk mit de grote Sag den' dicken
Stamm tau Liew. "Naher süllt wi noch Dann'nböm affmaken, hett de
Förster seggt", gröhlt Hauk bi dat Sagen sinen Fründ an.
"Jawoll", röpt Vadder Kahns, "dat künt wi je ok." Dat Sagen is
ein swor Geschäft. Man langsam geiht de grote Sag dörch dat Holt
hendörch. Äber de Arms von de beiden ölen Frünn' sünd ok tag. Se
sünd de swore Arbeit gewahnt worn in lange Johrn. Se lat nich
locker, bet de Bom hendörch is. Dat letzte Enn von den Bom ward
mit de Ax haut. Denn heit dat: "Wohrt jug!" und se springt all
tau Siet. De hoge, slanke Dann bävert ein bitten, und denn
störkt se mit'n Mal hendal. Dor liggt de Ries', de eben noch in
den' Himmel kieken kunn. Denn kümmt de Freuhstückstiet heranne.
De beiden Olen sett sick an 'n Graben dahl und vertehrt ehr
Freuhstück. Swattbrot mit Mettwurst, dat smeckt. "Grad son Dann'
hebbt wie affmakt, as de ole Fürst damals bi uns ankem, weiß
noch, Heinrich?", seggt Kahns. "Ja", seggt Hauk, „wat harr hei
förn groten Hund bi sick, dor kunn ja bang för warn! Und so'n
groten Haut harr Bismarck up, und hei kek uns so irnßhaft an!"
"Hei hett awer doch ganz fründlich mit uns snackt", seggt Kahns.
"Hei hett mi fragt, ob ick all bi de Soldaten deint harr un'
wonem." "Und mi hett hei fragt, ob ik all'n Brut harr", seggt
Hauk und lach sick. "Dat is nu all öber dörrig Johr her, bald
vertig", seggt Kahns. "Glieks naher is hei je storben." "Schad
üm den' Mann", seggt Vadder Kahns denn noch, "denn harrn wi
beholen mußt, denn harrn wi am Enn denn Weltkrieg
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gornig kregen." Naher gaht se wedder an de
Arbeit. Se wüllt bet Meddag noch allerhand farig hebben. Wenn't
Meddag is, makt se sick'n Füer an ut Dannenspöhn und warmt sick
dat Äten, dat se in'n Putt mitnahmen hebbt. Beid' hebbt se hüt
Bohnensupp. "Ick mag lever Arfensupp", seggt Hauk, "öber
Bohnensupp mütt dat ok mal geben." "Wenn't man wat Warms is",
seggt Vadder Kahns. "Ümmer blos Brot, dat is nix." As se denn
wedder bi de Arbeit sünd und all'n ganze Reeg Dannen affhebbt,
kümmt de Förster. Hei seggt Kahns noch Bescheid, wekke
Wihnachtsböm hei noch slagen sall. "Vör allen Dingen twei grote,
schöne för de Kirch'", seggt hei, "und de Paster un' de Köster
wüllt jeder einen tau'n Reichsmark hebben." "Is gaud", seggt
Kahns. Kaffeepaus ward nich erst makt, dat ward so freuh düster,
dor wüllt se kein Tied mit vertrödeln. Dat is den ok all
schummerig, as se mit de Wihnachtsböm trecht sind und tau Hus
gaht. "De Luft is kolt, wi kriegt woll Snei", seggt Hauk. "Na
tau Wihnachten möt wi je ok Snei hebben", meint Kahns. As se
inkamt, hett Mudder dat Abendbrot all farig: Bratkatüffeln und
Grüttwurst!
(Aus Rothenbek.)
*
Lauenburgs Wälder sind sein Stolz. Werkausdrücke aus der
Waldarbeit sind überall vertraut. Der kleine Wald heißt 'Buß''.
'Bu·ß', der große 'Ho·lt', in'n Buß, in'n Ho·ln; 'Wohld' ist
jetzt nur der große, wilde 'Sassenwohld'. 'Ho·ltho·ges' sind die
Holzhauer, die weiter östlich auch 'Ho·lthö·ger' (das Ö
geschärft, fast wie 'Ho·lthö·ker' [Ö geschlossen, aber kurz])
heißen.
Unserm Jungen sind die lauenburgischen Ausnahmen nicht geläufig:
'Arbeit', 'beiden'; 'Hei het dat Seggen' statt 'Se·gn'; 'wi möt'
statt 'wi mütt'. Der Name 'Meins' klingt uns nur vertraut in der
Form: 'Me·ns', wie He·dmann, Pe·ns (Heidmann, Peins) 102).
'Achter' sagt man lbg. allgemein statt 'hinnen', das man nur im
Osten hört. Das Wort 'Kirch' (Kirch), die hochdeutsche Form, hat
sich von Osten nach Westen in ganz Lauenburg durchgesetzt an
Stelle des alten 'Kark' (as. KERIKI, mnd. KERKE); letzteres hört
man nur noch in alten Flurnamen. 'Wohrt jug!' ist gut
lauenburgisch; ebenso 'hei lach sik'.
Die Tonerhöhung ist nicht in Wirksamkeit 103). Trotzdem man
lauenburgische Feinheiten vermißt, fühlt man sich doch heimisch
in der Sprechweise des kleinen Verfassers. Er gibt uns ein
wertvolles, treues Bild aus lauenburgischem Arbeitsleben.
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102) as. AFTER > mnd. ACHTER hinter, hinten. Die Lautverbindung
ft wurde schon früh nach kurzem Vokal zu cht gewandelt.
"Juristische Ausdrücke können sich von westfälischen
Rechtszentren aus verbreitet haben" (bei uns: Lübeck). 'Hecht',
'Hechte' = 'Haft' kennen wir in 'anhechn', 'em hech dat nich an'
= an ihm bleibt das nicht haften. 'Hechplaaster' = Heftpflaster.
'Gerücht' < Gerüfte. 'Brutlöft' (Verlobung) hat sich nicht
gewandelt. 'Echt' < as. E-HAFT = gesetzlich [ÊO Gesetz] ist mir
einmal in seiner Bedeutung niederdeutsch begegnet: Bei einem
Schulbesuch unterhielt ich mich ganz frei, 'rechnender Weise'
mit Siebenjährigen in Schw. über ihren Hühnerhof: Wieviel
Hühner? Gar keinen Hahn habt ihr? Wie schade! Da sprang ein
heller Junge auf und rief: 'Denn ward de Eier jo nich echt!' Das
wurde ohne Erörterung von der kleinen Versammlung anerkannt.
103) Bei 'Putt' Topf handelt es sich nicht um Erhöhung. Es
gehört in die Reihe der Wechsel zwischen o und u. Der Norden
sagt 'Pot', der Süden sagt 'Putt'
(ähnlich Moos (Moß, Muß), Wolke (Wolk, Wulk). Im Norden bei
Ratzeburg sagte mir eine ältere Frau: 'Ik se·g Pott, dei wiere
weg se·gt je 'Putt'! Dabei zog sie die Mundwinkel ganz
verächtlich herunter und sah mich an, als ob sie sagen wollte:
'Du bist doch wohl nicht einer von denen, die 'Putt' sagen!'
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Übersicht zum Lauenburgischen Vokalismus.
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Die Anmerkungen geben die zugehörigen Wortgruppen:
1. Zu Ê1 gehören wenige, meist seltener gebrauchte Wörter: bequem (meist:
kemau·), nahe, näher ("neg" meist: "na" bi·, "in dei Na·het", "du·n bi", "du·n
bineffen"), schlimm (le·g), Docht (mnd. DECHT, jetzt Decht), Käse (Ke·s,
Pimke·s).
2. säen, mähen, wehen, drehen, streuen (stre·dn, strö·dn), krähen, Krähen, Stare
(spre·dn, sprei·dn).
3. er bat, lag, saß, gab, aß, vergaß.
4. er kam, nahm, traf, sprach, brach.
5. er geht, steht, tut, schlägt.
6. Heide (he·), Weide, Scheide, Reise (re·s, re·sn), Arbeit, beide, rein, steil,
geil, Sense (se·s, se·ßel, seis, seißel), zehn, die Nachsilben -heit, -keit. Mit
germ. AI I: Mai (Me·), Ei (E·), entzwei (intwe·), vgl. aber "zwei" (twei).
7. Ehe, Seele, Reh, Schlehe, wenig, Kleid, leid (kle·t, le·d).
8. I. bauen (bugn, bu·gn, Gebüge, Gebü·ge), trauen, wahrschauen, scheuen
(schugen, schuch, schügn, schüch), brauen, grauen (grugn, Grügl), Frau[,] Fruch,
Frungs), euch (juch, jüch), treu (tru·ch, getrüch).
9. II A. hauen (ho·gen), drohen, genug (nauch), Morgentau (as. DOU > Do·g),
tauen (do·gn), Hemdsmauen (Hemdsmo·gn, -smuggn), kauen (ko·gn) (aus I).
B. verdaun (verdögen), genau (genög), Webstuhl (Wäftö·ch), Lamm (Öchlamm),
Knäuel (I) (Klügn), Ahle (I) (Sügl, Sugl), Heu (Hö·ch), stauen (I), Stau
(stö·gn, Stö·ch).
C. heuen (hö·dn), streuen (strö·dn), freuen, tauen (v. Schnee), Tauwetter
(Dö·dn, Dö·wärer).
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