Lauenburgische Heimat
[Alte Folge]

Zeitschrift des Heimatbundes Herzogtum Lauenburg e. V.
1934


Die Lauenburgische Sprachlandschaft.

Von Schulrat H. SCHEELE, Ratzeburg.

(Fortsetzung zu II.)

Nr. 9. MIN BALLERBÜSZ.

In de Schaul hebt wie von de Dähnborket de Luft 104) hatt. Donn säh de Lehre: "Jungs, makt juch mal ein Ballerbüß!" 105) As ik ud de Schaul käum, eid ik flink wat. Un gliek dorna läup ik na Heinz Fent. Wie bedn söchen uns Flerer. As wie den'n hardn, gügn wie vgnäugd na de Smäh. Wie fetelln uns wat von vgann Johr. Wi wie donn mit de Ballerbüß na de Spatzen schaten hebt. In de Smäh mäuken wie uns'n isen Stang gläunig un brenn'n dor ein Lock dörch. Tauletz wull datt öwe nich wiere. Ik klopp dor mit'n Hame rupp. Heinz sech: "Lat dat na, du bricks di dat kputt." Un as hei dat äben secht har, käum dat all so. Knack sä dat, un dor wei se upspläten. Heinz sä: "Du büst ein'n schön'n, bricks die dat sülbst intwee. Nu hal die man frischn Flere." Mie wei ok de Maut vgahn un har kein Lust mehr. Annen Dag fräug mie de Lehre: "Na, hessn Ballerbüß farig?" "Ne sä ik, dei iß mi werre kputt gähn." "Vsäuk man noch mal, v'licht glückt die dat ditmal!" mein hei. Un werre gün ik dor bie. Doch ditmal hed't glückt. Dat Dörchbrenn gün flink, un bald wei dat Raue 106) farig. Aewer nu noch denn'n Stöpsul. Dat iß noch dat leegs. Flink dat Messe bi de Hand un'n Stück Holt. Un dat dur nich lan, donn harr ik de Ballerbüß fix un farig. Donn hal ik mi lüt K'tüfful 107) un schäut ümme noch mal. Annen Dag fräug de Schaulere 108) mi werre: "Heß nu'n Ballerbüß farig?" "Ja", sä ik. Ik hal se her un schäut einmal. Dat balle so dull, dat de wek sik bnah vfehrt hebt. Donn heck mi oewer lach. Ik froh mi aewer ok, dat ik nu ein feine Ballerbüß har.

(Aus Salem.)

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104) von der Dehnbarkeit der Luft = hochd. Ausdruck. - 105) Knallbüchse. - 106) Rohr. - 107) Kartoffel. - 108) Schullehrer.

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Wir fühlen dem jungen Geschützmeister die Freude nach darüber, "dat de wek sik bnah vfehrt hebt". 'Ballern' ist ein Vergnügen, auch für Erwachsene. So wurde in Lauenburg früher am Abend vor Pfingsten das Fest "eingeballert". Das geschah mit einer besondern Peitsche. An einem kurzen Stiel war ein längeres Tau und daran wieder die eigentliche Peitsche befestigt. Das war die 'Knarp', und das 'Knarbm' geschah nun im Wetteifer der männlichen Jugend auf der Dorfstraße. Eine Peitsche heißt sonst 'Swäp' (mnd. SWEPE); aber dieser 'Swäphög', so nannte man in Holstein dies Vergnügen, schaute die übrige Welt doch wohl etwas 'speihögerlich' zu; denn man findet den Brauch kaum noch (mnd. SPÊ, SPEI = Hohn, Spott; spi- oder speihögerlich = spottlustig); der Brauch ward nicht mehr verstanden und daher nicht gewürdigt 109).

Auf "Spatzen" hat unser Freund geschossen. Das ist ein hochdeutsches Wort. Es müßte heißen "Dackpeiter"; aber diese recht gemütvolle Bezeichnung schwindet immer mehr, wie denn überhaupt die lauenburgischen Tierbezeichnungen ziemlich humorlos sind. Der Spatz wird heute allgemein 'Lü·nk, Lü·ng, Daklü·ng' genannt. Das letzte ist wohl schon eine Verdoppelung im Ausdruck; denn "Lünk" bedeutet vermutlich "Dachling" 110).

Der Junge schreibt 'Lehre, mehr, dor, dörch'; die Tonerhöhung e, o > i, u ist hier in Salem - wir sind nun im Osten des Kreises - noch nicht wirksam. Es wird an dem Fremdenverkehr liegen, der durch den See und den Kanal dort hingelenkt wird. Aber wir erkennen deutlich die Knappheit des Rückstandslautes: kein r mehr am Ende, nur noch e, das wie ein gemurmeltes i klingt: 'Lehre, Werre, Messe.' Der ebenso klingende Rückstandslaut in der Vorsilbe ist höchstens durch ein Zeichen angedeutet: 'K'tüffel', 'vgnäugd.' Meistens hört man aber den Laut doch: 'Gestanboom, Getüffel' = Kastanienbaum, Kartoffel. Zu dieser Erscheinung tritt nun die ebenso besondere, daß noch e > ei ungerundet in den Zwielaut tritt: 'se wei, mi wei' = sie war, mir war. Diese Sprechweise halten alte Westmecklenburger für die allein 'gute'.
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109) Eine andere Art des Peitschens gab es in einem andern Brauch. Mit 'dei Hasselraug' (Haselrute) oder eigentlich mit einer Rute von der Eberesche, dem 'Quietschboom', also mit der 'Quietsche' geschah das 'Quietschen','Quietzen', was man zumeist 'Steffen' nannte. Ursprünglich 'strich' man an bestimmten Tagen des Frühjahrs das Vieh mit der Rute, was wohl einen Schlag mit der 'Lebensrute', einen Fruchtbarkeitsbrauch, bedeutete. 'Quitzen' hängt zusammen mit as. QUIK (lebendig, frisch) und würde dann 'lebendig machen' bedeuten. Der Ausdruck 'steffen' hängt mit dem 'Stephanstag' zusammen, an dem dies geschah. Der Brauch ward aber besonders betätigt, indem man an bestimmten Tagen - örtlich verschieden - z. B. am Neujahrsmorgen, in die Kammern der Mädchen eindrang und, falls sie noch im Bette lagen, sie mit der Rute strich. Der alte Sinn ist verständlich, verständlich ist aber auch, daß er zum Unsinn, zum Unbrauch wurde und ausgestorben ist. 'Bi dirs Lüd geht dat nich', sagte mir ein Alter, der noch alles mitgemacht hatte.
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110) Die Ableitung ist nicht ganz sicher. Zu got. HLIJA (Lütte) gehört ags. as. HLEO(W) = Schutz, Schirm, Decke. Dieses HLEO wird zu HLIUNI > HLIUNING as. > mnd. LUNINK - Lüning, Häusling, Dachling. Die Stadt Lüneburg (< LIUNIBURG < HLIUNI leitet sich von derselben Wurzel, bedeutet also Schutzort, Zufluchtsort.

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Das Geschlechtswort zeigt sich klar als mehrstufig; in der Tonstelle heißt es 'dei', sonst nur 'de': dei is mi werre kputt gahn. "Gläunig" (as. GLÔIAN) wendet man in Lauenburg auch auf Menschen an, bei denen "glühende Augen" Leidenschaft und Nerv verraten, herrliche sowohl, wie auch "gefährliche" Leidenschaften. 'Intwee' steht als eine flektierte Form im Gegensatz zu 'twei'. 'Dat leegs' (mnd. LÊGE) = das schlimmste, am schlimmsten. 'Le·ge Ogn' sind krankhafte Augen, aber auch solche, die andern etwas 'antun' können, sie behexen können, eben durch ihr Sehen: 'Dei het leege Ogn, dei Kierl.' 'Ik eid flink wat. Un gliek dorna - -.' Er müßte eigentlich fortfahren: 'As ik afäten har.' 'Wi heebt afäten, afdrunken', sagt man in Lauenburg, wenn man mit dem Mittagessen fertig ist oder mit dem Kaffee. Sprachgemäß ist der Ausdruck 'du büst ein'n schön'n.' Das bedeutet: du bist kein schöner; du bist nämlich ungeschickt. Das ist die lbg. Ausdrucksweise. Ich hörte öfters sagen: "Dat weir 'n lüt schöne Dian." Und wenn ich nachfragte, so bedeutete es immer: sie kann schon so gut helfen, arbeiten, geschickt etwas anfangen, ist "läufig" 111).

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Nr. 10. DE KORFMAKE IN DE BUSCHKOPPEL.

Einen Merrag, as wie wat äten harn, keum Jehann na de Spießkamer rin un sä tau min Varre: "Wist du Kibben' 112) hebn? Op de grot Däl is ein Kibbenmake un will Kibben veköpen." Doer gün min Varre hen un bekeik sick de Kibben. De Kibbenmake weie ein olen Mann von ungefähr sösdig Juhar 113). Hei har noch einen Handkorf un ok noch Mooln tau veköpen. Für jede Kib neum he ein'n Mark. Wi hebbt einen Handkorf un ein' Mool von em köfft. Min Varre hett sick ein Kafkib 114) bi em bestellt. Duerfö wull hei drei Mark hebben. De Kibben meuk hei ut Dannwötteln 115). De Wötteln kratz hei sick ut de Jer 116) rut. As wi einmal Rogn infeuert hebbt, hebbt wi em duer besöcht. Hei har sick ein Dack ut Dannentwieg makt. Durachter slöp hei. Hei hett uns denn noch mehr Kibben makt. Donn is hei afftreckt. Hei wull na de Marsch. Vielicht kümmt hei anne Juher 117) wedder.

(Aus Dargow.)

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111) Wenn jemand fleißig, anstellig ist, schaut man ihm gerne zu, und eben was "schauenswert" ist, ist schön (as. SKAUWON schauen, ah. SCONI schön). Das ist der alte Wortsinn, wie auch das damit zusammenhängende 'schon' = 'bereits' (ich bin schon da) auf die Anstelligkeit, Behendigkeit hinweist. Zugleich drückt sich darin das Urteil unseres Volks aus, das auf Wertung der Arbeitsbereitschaft geht, eine Wertung, die unserem Volke artgemäß ist. Das Märchen von der Frau Holle zeigt diese Urwertung. Es heißt: Die eine war schön und fleißig, die andere häßlich und faul. Das will sagen: Die eine war anschauenswert, schön, WEIL fleißig; die andere aber war hassenswert, häßlich, WEIL faul. - Wenn man bei uns sagen will, das Mädchen sei "schön" (nach dem hochdeutschen Wortgebrauch), so sagt man etwa: 'Sei seig gaud ut' oder 'Dat düster Huar mäuk ia gaud utsein' u. ä. Man kann viel über diese feinen Unterschiede im Ausdruck nachdenken und fühlt sich an die alte Idee des 'schönen UND guten' Menschen gemahnt.
112 ) Kiepen. - 113) Jahre. - 114) Kaff = Spreu. - 115) Tannenwurzeln. - 116) Erde. - 117) Jahr.
 

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Der kleine Absatz rührt durch die Anteilnahme des Mädchens an dem Schicksal des alten, aus der menschlichen Gesellschaft verschlagenen 'Kiebenmakers'. 'Sei hett em besöch' bi'd Infeuern.' Der Alte hat sich ein Dach gemacht, ein 'Fläk' (mnd. VLAKE, VLEKE), wie man auch eine sehr einfache Hütte nennt. 'Hei wahn dor in so'n Fläk', sagt man. Er macht 'Mo·ln' (Mulden), die man im Westen auch wohl 'Me·l' oder 'Schroi' nennt, ebenso 'Kiebm' und 'Körf'. Das war früher die Geduldsarbeit der Knechte an den Winterabenden. 'Dei Buer bögel dei Kiep un spiel dei Wäden ub, un dei Knechn tün'n dat denn ut.' Die gespaltenen Weiden wurden ausgezäunt, ausgeflochten. Es liegt doch ein heimlicher Reiz darin für das heimgeschützte Kind, einen solchen Einsiedler zu beobachten. 'Anne Juher kümmt hei vielicht werre.' 'Juhar' (Jahr), 'durachter', 'Jer' (Erde) zeigen die Tonerhöhung durchgeführt.

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Nr. 11. WAT IK AN'N SEE BELÄW.

Dat wöer an ein'n schön Meedag. Dei Sünn schien warm von' Himmel hendal, un ik wull en bäten an'n See lang gahn'n. As ik achtern Reiht 118) bün, hör ik dor wat palschen. Ik treck mi bars 119) ut un wah rin. Dor seig ik, dat in'n Reiht Brassen kulert 120). Dei Rüch kickt ut Warer. Dicht bi mi leig ein Bessenstähl. Ik feut em an. Dei am dichsten bi mi is, slag ik ümmer nochmal uppen Kopp. Dei Brassen fallt üm, un ik smiet em ut Warer. Dei annern sünd all wegswemmt.

Wenn dei Brassen kulert, denn sünd dor so väl. Weck springt, um weck liegt up de Siet. Denn seiht sei kein Gefoahr. Wenn man dor hen waht, swemmt sei ein'n an dei Bein lang. Öwer dei Häk hev ik noch nich kullern sein. Dei sünd väl tau wach. Ik hev dat öwer hört in' Reiht. Dei sünd ümmer porwies, segt min Varrer.

Ein'n gauden Namerach schien de Sünn ok so warm. Dei Tochmoränen 121) swemmen ganz flach. Un dei Roddogen 122) stühn Kopp 123), dei Stert keik ut Warer. Schnell hal ik min Angel. Ik hak ein Meck 124) an un sleug rin. Dor swemm grad ein Roddog, dei kreig ein mit dat Flott uppen Kopp, dat hei dat Kopphesterscheiten kreig. Dat dur gonich lang, so weu hei dod. Ik hev mi öwer lacht. In denn Ogenblick har ein Fisch anbäten. Ik feut an. Mit knappe Not kreich ik em öwert Warer. Wat wen dat? Dor heeng ein groten Ruhr 125) an. Nu leup mi dat kohlt un warm von Rüch hendal. Tauletzt har ik em rut. Hei weug mes twei Pund. Vör Fröh hev ik em gonich los mak, ik bün ümmer bi em rümsprug'n.

Eimal an ein'n Sünndagmorgen stühn ik an'n See un keik int Wore. Donn keumen dor twei Hambörger. Sei harn dei Dardel bi

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118) Reiht = Reet = Schilf. - 119) bars - barfuß. - 120) ku·lert = laichen. - 121) Tochmoränen, oben im See lebend, im Gegensatz zu den bekannten lachsartigen Moränen, die die Tiefe des Sees lieben. - 122 ) Roddogen = Rotaugen. - 123) dieser Stellung wird der Fisch nicht so leicht von seinem Verfolger wahrgenommen; er 'blänkert' nicht. - 124) Meck = Regenwurm. - 125) Ruhr = Rotflosse, Rotfeder.

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sik. De ein Kerl hak ein lütn Fisch an un smeit rin. Dei Fisch treck dat Flott ümmer hen un her. Tauletzt stühn dat Flott ganz still. Mit eimal füng dei Fisch bannich an tau rementen un schöt up un dal. Mit'n Mal weut Flott weg ünert Warer. Ein Häk harr anbäten. Dei Kerl hau em an, un faß seit hei. Nu güng dat Münöwe los. Dei Häk wull je worrer los. Ik dach all, dei Snaur wür rieten. Endlich full hei up de Siet. Dunn kunn man den gälen Buk sein. Dat weu öwer ein Bengull, hei weug twindig Pund. Den Haken har hei in dei Keiben 126) sitten un dei ganze Rachen weu vull Blaud. Öwer hei bleiw nich dod. Hei keum in ein Nett un kunn rümswemmen. Donn keumen dei Fisch un keiken sik em an. Dat weu taun Dodlachen. Wenn de Häk sik röch, sprüngen dei ganzen Fisch ut Warer.

(Aus Seedorf.)

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Der Knabe ist in der Einsamkeit am Schaalsee aufgewachsen, aber zu einem feinen Naturbeobachter geworden. Unterwegs am See hat er mir vorgeplaudert, doch war es mühsam, ihn zum Schreiben zu kriegen. Schreiben mag er nicht. Wir hören das Wort 'Dardl' bei ihm, das einen künstlichen Köder bezeichnet. 'Dardl' < Darge = Angel zum Hechtfang (schon altnordisch 'Dorg' Fischangel [Grimnismol 3]). Am gefrorenen See arbeitet man auch mit der 'Tuckangel', indem man die durch ein Eisloch eingesenkte Angel 'tuckt'. 'Hei hak ein 'Meck' an.' 'Meck' ist eine Kurzform von mnd. MEDDECKE, MEDDICK, MADDIK - Regenwurm. Das Wort spricht man an der mecklenburgischen Grenze 'Mettk', im Nordost 'Meck', im SO. 'Mett, Meddn', im SW. 'Meggn, Melger, Melker', im NW. 'Märge(r), Miärge(r), Mä·rge(s), Mäger, Märk, Meärk, Merk'. Die Reihe soll ausführlich dartun, wie das Wort sich wandelt - man denke an alle Übergänge -. Dann wird es einem klar, daß man aus einer besonderen Klanggestalt eines Wortes kaum auf die besondere Herkunft der Bevölkerung schließen kann 127). Zu den Kurzformen gehört auch 'Hecht' (mnd. HEKET), zumeist 'Hä·k', selten noch 'Hä·kt' gesprochen. Barfuß, bars < BARVOTES. 'Kopphe·ster' gibt einen andern Sinn als etwa 'he·sterkopp' = über den Kopf, was uns an dem freundlichen Wiegenlied klar wird:

Ik wull dat wull weigen,
doch wäur dat min eigen,
dei Weig schult dreimal
heisterkopp fleigen.

Seedorf hat schon vielen Fremdenverkehr und als Gut viel Wechsel in der Einwohnerschaft; auch die Eltern unseres Schreibers sind nicht dort geboren. In der Mundart trifft man daher die Tonerhöhung nicht, auch bei unserm kleinen Angler nicht. Manches ist aber ganz ursprünglich, so spricht er noch 'lüjt', 'so'n ganz'n lüitn' mit dem alten mouillierten Laut. Dann finden wir noch eine Schrei-
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126) Keiben = Kiemen.
127) Man mache sich danach die ähnliche Wandlung der Sprechformen klar an andern Kurzformen: mnd. VEDIK Enterich [Wätk, Wät, Wäk, Wärt, Wiärt, Wierk, Wäb, Aank], PEDDIK Mark in Pflanzen [allgem. Perk u. ä.], ags. CEDELK Kettich, Ackersenf, auch Hederich (HEDDIK) [Hattk, Kü·tk, Kü·t, Kü·lk, Kü·rk, Gü·rk]. Aus nd. WADDIK = 'Käsewasser' ist allgemein Wai, Woi geworden, soweit der Ausdruck nicht geschwunden ist.

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bung bei ihm, die eine aus Mecklenburg herüberkommende Art ankündigt; er schreibt 'gahn'n'. Im allgemeinen spricht man die Endungen in unserer Landschaft unabgeschliffen: 'Wat hest du tau stöhn'n?' Man hört aber auch schon: 'Wat hest du tau stöhn?' Da man nun beides, 'stöhn'n' und 'stöhn', hört, tritt Unsicherheit ein, und der Gruppenausgleich erscheint. Man hängt an die alten Nennformen, die das e vor dem n hatten, unberechtigter Weise ein neues n an, als ob man die Nennform wieder herstellen wollte: 'Ik mütt man mal henlang gahn'n, süß ward hei dat wull nich vestahn'n' u. ä.

Eine andere Erscheinung, die in Mecklenburg sich ausgebreitet hat, nämlich die Angleichung von =len, =llen > l wird bei uns noch nicht beobachtet. Man sagt: 'Dau mi en Gefalln!' und man hört nicht: 'Dau mi en Gefall'!' oder 'Dat wi'k em wull bestell'.' Daher wird einem an der Grenze gesagt: 'Dei Meckelnbörger spräkt doch anners', wenn man auch nicht sagen kann, worin der Unterschied liegt.

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Nr. 12. DAT INFÄUDEN.

In dei Sommeferien hew ick bi Bur Haack twüschenfäut. As hei denn letzen Hawe innhal'n wull, wei dat ein'n schön'n Dag. Merrachs half twei fäu min Braure un de Köksch na dei Koppel. Ick bün'n halw Stunn nahia mit dei annen bed'n Pier na fäud. Dat müß ümme son'n lüd'n Draff gahn. As ick mit dat tweid Fäue in Hus wei, drünk ick Kaffe. Dat seich na Merrach a nan Gewirre ut un nu geift ein. De Bur un sin Jung weid'n gliek werre losfäut, dat wi denn Hawe noch vö denn Reg'n to Wag'n kreig'n. Bloß dat Gewirre käum eire. Na Kaffe bün ick mit Rad na fäud, Mand'l ha ick an; denn reg'n un dunnin un blitzen det ok. Ick kunn nich mal geg'n den'n Wiend ankam. In Leimrar 128) Wech käum min Braure mi mid'n Faue Hawe entgeg'n. Hei sä: "Nu seit di man rasch op Pierd un denn jag man rasch na Hus." Ick släug dei Pier mit dei Pietsch, un denn günnt in ein'n Draff na Hus. Reg'n det nich mia so dull, öwe ganz weid Gewirre noch nich vöbi. In Hus treck ik mi dröch Tüch an; denn ick wei ganz dörchnett. Half Stunn nahiar weid beiste Wäre werre. Wenn dat bäd Ab'n drög bläb'n wei, harr'n wi den'n Hawe up'n Balk'n hatt.

(Aus Gudow.)

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Das kleine Erntebild gibt uns die Mundart des östlichen Gebiets recht rein: Tonerhöhung (Pier, mia), Entrundung (wei, weidn), Gruppenausgleich, Rückstandslaute aus i (dunnin) oder abgeworfen (losfäut), Übertragung der Nennform (geg'n den'n), Wandlung der dd > rr (Gewirre).

'Dei Jung hett twüschnfäut.' Man hört noch viel 'tüssenfäurn' ohne das doppellippige w. Es ist bekanntlich eins der größten Vergnügen der Landjungen, dabei gar nicht so einfach, den ganzen Tag, 'as de wiel Jag' zu fahren. 'Ik hef dur vun drömt, ik har ümsmäten,
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128) Lehmrader Weg.

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un ik würr nu öwerfäut. Dunn bün ik upwakt.' Der Traum zeigt die nachwirkende schöne Lust und Erregtheit, doch auch den Arbeitsernst des Knaben. Das "Tüssenfäurn" ist schon ein höherer Grad. Kleinere dürfen meist - und sind stolz darauf - 'taufäudn' oder, wie man auch (je weiter nach Westen desto mehr) sagt, 'fuatfäudn', von einer Hocke zur andern. "Wat seggst du denn?" "Wißhollen! hü!" strahlt dann jeder Kleine. Beim 'Anhoog' wird darauf gehalten, daß dieser nicht am Montag geschieht. 'Dat het kein Däg.' Das wird nötigenfalls schon am Sonnabend gemacht. Die Sense heißt 'Le·, Lei', weiter östlich auch 'Seeßel, Seißel' (mnd. LÊ, SÊSNE, SEISSE). Wenn aber heute tatsächlich noch mit der Hand gemäht werden muß, weil das Korn wegen der Nässe liegt, so klagt man im Westen: 'Wenn wi dat noch all mit'n Hak'n mütt!' Liegt das Korn, so ist es 'dennig'. 'Denn' 129) ist das Lager, 'dei Haas ligt in dei Denn'. Nach der Ernte, die heute meist ohne besondere Bräuche zu Ende geht, kommt 'Urnbeier'. 'Beier' noch mit alter Zwielautung, und 'Urn' ist erhöht aus mnd. 'ARNE' Oarn. Jenseits der Grenze sagt man 'Außköst'. Die 'Köst' ist die Feier, und 'Auß' ist eine mnd. Form 'OUWEST' von 'AUGUSTUS', bezeichnet also die Ernte als eine Augustarbeit. Auch das Wort 'HARWEST' > Harfst, Harst, hd. Herbst bezeichnet nur die 'erntende' Arbeit, ist keine Bezeichnung, die ursprünglich die Jahreszeit Herbst meint. Eine solche gibt es überhaupt nicht.

In der Arbeit ist richtig geschrieben 'nahia' für .nachher'. Man unterscheidet genau 'Kumm mal hi-a' von 'Ik bün hi-e'. 'Balkn', 'Balgn' ist die mit 'Släten' überdeckte Balkenlage über der großen Diele ('duo müdd'n sik in ach nähm'); 'Böhn' ist der Dachraum über dem Stubenende, das die Decke als neuen Boden hat. Die Arbeit unserer Leute wurde durch den Regen unterbrochen, sie waren durchnäßt, also 'rut ud dei 'Uadnbüx'. Lieber hätten sie die Arbeit in einer 'Hedd' fertig gehabt, in einer nicht unterbrochenen Zeitspanne 130). Aber die Jungen haben ja Zeit: sie haben 'Ferien'. Es gibt noch Dörfer, wo man dies Wort noch nicht gebraucht. Sie schauen einen
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129) Auf Fehmarn heißen die Fächer zwischen den Ständern und der Wand des Hauses 'Denn', vielleicht noch ein Hinweis darauf, wie das Haus aus einer Wohngrube, einem Lager der Tiere ähnlich, ursprünglich entstanden ist. Bei uns ist 'Denn' nur noch für das Lager der Tiere gebräuchlich: 'Swiensdenn', denniges Stroh, das für ein solches Lager geeignet ist.
130) Das Wort 'Hedd' verdient besondere Beachtung. Zunächst einige Anwendungen: 'Dat is'n lüt Hedd tau gan - dat is'n lüt Flach tau gan' [man seggt all bee Deil]. 'Dat is bloß'n Hedd.' 'Dat is'n ganze Hedd' (Raum). 'Dat wör man'n lüt Hedd dorhin.' 'Dat het 'ne ganze Hedd duert' (Zeit). 'Wü höbt in ein Hedd dörcharbeet' (ohne Pause, etwa von 2-9). Es kommt auch mehrfach der Flurname 'Heddlann' vor. Ein solches 'Heddlann'(d) z. B. liegt hinter dem 'Wieschhof'. Man hat den Namen als 'Streitland' gedeutet (ags. HETE, got. HATIS, Haß, Feindschaft), wie man sagt: 'Strithorst' oder 'Wrangel' oder Kieflann (frs. LOND - SZIWE, Streit um Land). In den Redewendungen aber oben soll 'HEDD' etwa 'Hitze', 'Hetze' < HITTE, HETTE bedeuten. Die Tätigkeit wird also in einem Feuer, in einem Arbeitsantrieb zu Ende gebracht. Nun ist die Art der landwirtschaftlichen Arbeit aber kaum so, daß man etwas in einem Feuer zu Ende haben muß, es kommt nicht aufs 'Marachn' an, sondern darauf, daß man immer gleichmäßig so 'eben weg' arbeitet, in immer gleicher Treue. Überdies sagte mir ein feinfühliger Landmann, wenn er den Ausdruck 'Hedd'

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an und sagen: 'Wi heebt fri.' Dies Wort heißt in Holstein 'free', anderswo auch 'frei'.

Es gehört zu einer Gruppe von Wörtern, die bei uns in Lauenburg keinen Zwielaut haben, wenn ihr Vokal im Auslaut steht oder wenn ihm ein Selbstlaut folgt. Ein solches Aufeinandertreffen zweier Vokale nennt man Mundsperre oder Hiat.

DAS LAUENBURGISCHE KENNT KEINE DIPHTONGIERUNG IM HIAT; DEN HIAT HEBT ES DURCH EINEN ZWISCHENLAUT AUF (XI).

Hierzulande sagt man also 'frie' (as. FRÎ), Klie (as. KLÎA), Brie (as. BRÎ), Slie (mnd. SLÎ), Blie (BLÎ), Friedag (FRÎ), nie (NÎ) für 'frei, Kleie, Brei, Schlei, Blei, Freitag, neu. Die betonte Endsilbe (mnd. -IE, -IGE) lautet auch wie ie, z. B. 'Fischerie'. Der Unterschied ist recht beachtlich und auch lehrreich. As. FRÎ = 1) 'frei', 'lieb', 2) 'Weib' ist uns erhalten als 'frie' und in 'Friedag', dem Tag der Göttin Frigg. Im Bardengau heißt es 'free, Freedag', was man auf ags. Formen zurückführt. Ags. FREO [FREO-BEARN lieber Sohn] bedeutet 1) frei, edel, 2) Weib. Bardisch 'FREA' 'FREA' (die Göttin). An solchen Ableitungen im Bardischen haben wir nicht teil.

Folgt ein Vokal in diesen Wörtern, so tritt im Gruppenausgleich ein d ein. So haben wir Formen wie: fri·dn (mnd. VRÏEN), spi·dn (SPÎEN), sni·dn (SNÎEN vom Schnee), inwi·dn (WÎEN), schri·den, Geschrigg. Sie stehen für: freien, speien, schneien, einweihen, schreien. Sie werden geschärft und ungeschärft gesprochen, also: 'fri·den, fritn'. Sie haben das d nicht immer gehabt. Ein ziemlich ausgestorbenes Wort zeigt es uns noch: flie=en = 'fli·n' (mnd. VLÎEN). Es bedeutet 'putzen, (sich) schmücken'. Es gab Frauen, die die besondere Kunst verstanden, z. B. zur Hochzeit eine schöne Mütze oder Haube, die 'Bruus', aufzuflien. Eine solche Frau nannte man 'Brusenflieersch' oder ='flieers'. Das Wort ist ausgestorben, ehe es im Ausgleich sein d erhielt. Heute würde man 'fliedn' sagen.

Auch altes u erscheint in solcher Stellung. Es erfolgt dann ebenfalls keine Zwielautung. Nehmen wir die Gruppe 'Treue', 'treu' (as. TREUWA, TRIUWI, mnd. TROUWE, TRÜWE, TRÜWELIKEN) 131). In andern Landschaften sagt man z. B. 'tro', 'ub Tro un Globm'. Hier heißt es:

'Ub Tru un Globen hennähm.' 'Truharrig' (treuherzig). 'Truchst di dat nich tau.' 'Man kann em nich trugn, man het kein Tauvertrugen tau em. Ik hef em nich ub dei Tell' (ich rechne ihn daher nicht). 'Sei sünd trüch worn'
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gebrauche, so sehe er dabei immer eine Fläche Landes vor sich, die es zu erledigen, zu durchschreiten gäbe. Er deute den Ausdruck zunächst räumlich. Nun gibt es im alten englischen Recht den Ausdruck HIDE - Huse (HIDE < ags. HID < HIDIG, zusammenhängend mit HÎWISC = Haushalt). Zur Erhaltung des Hausfeuers ist ein bestimmter Boden für die Familie notwendig. Diese "Ackernahrung" ist eben die ursprüngliche Hufe, die Haus und Herd sichert. Diese Hufe hieß also ags. HID. Ein 'Hedd' wäre dann räumlich zu verstehen, wäre eine nicht gar zu große, übersehbare Fläche. Wäre die Ableitung richtig, wären alle Redewendungen verständlich.
131) Für 'Treue' ist eigentlich kein Ausdruck in der Mundart gebräuchlich. Man liebt ja überhaupt nicht Abstrakta. Offenbar ist auch ein Zug innerer Keuschheit im Spiel. Von Kindern ist der Begriff "Treue" erfahrungsgemäß schwer zu erfragen.

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(getraut). 'Dei Trüch is vöbi' (Trauung). [Das ü ist immer geschlossen zu sprechen.] 'Glöwst du, dat ik di untrüch war? - Ach wat, bis a werrer unglöwsch' (untreu, ungläubig).

Die Sätze zeigen, daß das u erhalten bleibt und daß erst bei folgendem Vokal das g den Hiat tilgt. Dahin zählen noch: bauen BÛWEN, (sich) grauen (GRÛWIL), Frau (VRÛWE), euch (Dat. u. Akk. IÛWE). Alle zeigen in ihren Ableitungen auch den Umlaut und werden geschärft und ungeschärft gesprochen. Diese so charakteristische Unterschiedlichkeit läßt sich nirgends genauer abgrenzen.

'Sei is grügn' (spr. grükn). 'Sei makt sik grügn' (bange). 'Dat is'n Grügn' (ein Ängstlicher). 'Dei ward vör sin eigen Schaddn grügn.' 'Dei is schüch' (scheu). 'Dat is'n Schüchn' (v. Pferd). 'Ole Gebü·ge. Dat Gebücht' (Gebäude). Dei Fruch sä: 'Ik will jüch helpen.' 'Dei Frungs sünd ümmer niedelich' (neugierig) 132). 'Trüchhu·ld' (Station Treuholz). 'Dat gerü·t mi nich' (gereut). 'En Klügn Wull' (Knäuel, selten 'Klüdn' gesprochen). 'Dann Sügl stöt hei dörch dat Lerrer' (Ahle, Pfriem; Sügl < as. SIUWILA).

An dieser Stelle sind auch die Wörter ins Auge zu fassen, die aus germ. AU > o2 übergehen, soweit es sich um AU vor W handelt. Aus as. HAUWAN (hauen) wird mnd. HOUWEN, und dies erscheint in der St. als 'haugen', in der L. als 'hogen'. Es findet sich also kein Zwielaut in der L. Das gilt für die ganze Gruppe. Es gibt nur umlautende und umlautlose Grundformen zu unterscheiden (in den Ableitungen findet sich zumeist auch die parallele Form mit oder ohne Umlaut), und unterschiedlich ist nur die Einsetzung des g oder d zur Aufhebung des Hiats 133).

Wir betrachten das Wort 'kauen' (as. *KIUWAN > mnd. KEUWEN > KÛWEN geht aus der Gruppe I durch Zwielautung über in die Gruppe mit auw.). Es heißt heute in der St.'kauen', 'kaugen', in der L. 'kogen'. Das Wort wird wie ALLE Wörter der Gruppe geschärft und ungeschärft (d. h. kurz weg oder gelängt, aber immer mit geschlossenem Vokal) angetroffen: 'ko·gen','kogn'; man ist versucht 'kokn' zu schreiben.'Wiederkauen' heißt 'orrerkogn', 'werrerkogn'.

Im folgenden gebe ich Beispiele für einige der Wörter.

As hei koogt, so moogt hei ok 134). Nicks tau kogn un tau mogn (keine Widerrede!). [',koogn : kogn' als Beispiel für die geschärfte und ungeschärfte
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132) 'Frauen und Männer' heißen 'Frungs un Kierls'. Eine Frau will sagen, ihr Mann sei nicht zu Hause; sie sagt: "Dei Mann is nich tau Hus", selten noch: "Dei Kierl is nich tau Hus". Der Mann entscheidet. Zu Hause gehört ihm der Platz an erster Stelle. Kommen mehrere Paare zu Besuch, so gehört den Männern der Platz im Sofa. Im Süden des Kreises grüßen die Frauen die Männer, die jüngeren Frauen die älteren Frauen zuerst. Die jüngste Frau muß also unter allen Umständen zuerst grüßen. Ob sich die Sitte des Frauengrußes erhalten oder eingebürgert hat (vielleicht unter der hannöverschen Herrschaft), ist nicht bekannt. Jedenfalls ist es ein nordischer Zug, abzuwarten bis die Frau grüßt, ehe man sie selber grüßen darf, wie man ja auch bei uns in der Öffentlichkeit nicht gut eine Frau ansprechen kann, wenn man nicht weiß, daß ihr dies genehm ist.
133) Nach diesen Gesichtspunkten ist die Tabelle geordnet: Grundformen mit U + G. Grundformen mit Umlaut + G, Grundformen mit Umlaut + D.
134) Wie er kaut, wie er ißt, so ist er auch bei der Arbeit, so KANN er auch arbeiten: schnell beim Essen, aber auch schnell bei der Arbeit. 'Mogen' hat also die Bedeutung von 'können', die Kraft haben ('Ik mag em nich' ich kann ihn nicht ertragen. 'Hei müch nich miar' (am Lebensende) = er konnte nicht mehr. "DE ARMEN DE GESUNT SIN UNDE WOL MOGEN SICK NICHT SCHEMEN TO ARBEIDEN" = die wohl können, die Kraft haben).

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Form. [Hei hett dei Mogn all werrer so swa·t (Ärmelaufschläge; Hemmsmogn = HEMMEDES MOUWE, Hemdärmel). Ik hoch di ein'n an dei Keik (as.' *KIOKA  > KEKE
< = Wange). Sei höcht dann Trünnel mit'n gadligen Knüppul. (Frühlingsspiel: ein Trünnel, eine runde Scheibe vom Stamm einer Birke, wird durch Schlag vorwärtsgetrieben.) Wat seig dat dor unfraurig ut, ik bün noch ganz benö·cht! (beklommen, ängstlich) 135). Hei is so nö·t (geht nicht gern unter fremde Leute. Bei Mädchen, die nicht gern auftreten, verlegen werden, heißt es: sei is so schäws). Wäs nich tau genö·g! (nicht zu genau, z. B. mit dem Geld). Hei drö·ch mi (drohte mir). In dei Wiesch höbt sei ein Stö·ch makt (Wasserstau). Hei is stöws (eigensinnig < mnd. STEDICH, gerundet, auch mit Zwielaut: stöeuws [aus einer andern Gruppe]). Wästöch (Webstuhl), Häftöch
(Hebewerkzeug), Töch, Schirr (Wagenebener). Sei höbt Stre·dls ut'n Ho·ln ha·lt (Streu von strödn, stredn = streuen).

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Nr. 13. DAT SING'N IN DE KIRCH.

Freuer wör ji noch kein Orgel in de Kirch. De Orgel keum je eiis as ick Jungkiarl wör. Wo jetzt de Orgel steht, dur seiten donn de Wangeloge 136) Junglüt. De Köster seit ok ganz annewo. Hei seid ub de eiste Bank in Lihrestaul 137). Vö sick har hei sonn Pult, wo hei sien Not'n un sien anner Kram up har. Rechts neben sick up de Bank har hei ümmer ein Tüt mit brunnen Zucker. Vö de Kirch un vöt Sing'n neum hei dor ümmer ein Stück von, denn dor schull sien Bost vön hell warn. Oft wenn hei dat nich seich, höbt wü em dor ock ein Stück vön klaut. Bloß wenn hei dat marken dei, denn geift wat. Vö dann Lihrerstaul stünn drei Benken. Durub müssen wü sitt'n. Ick seid unmittelbur vö dat Polt 138). Oft tuß hei mi ok in de Hor, wenn wü nich gliek anfang'n dehn un ehm nich mit helpen dehn und nich gliek anfang dehn tau kröhln. Denn schimp hei so lut, dat dat in de Kirch lut tau vörstahn wör. Ja vör dann Köster Lenz harn all bannig Angst.

(Aus Lütau.)

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Die Erzählung des Alten führt zurück in seine Kindheit vor 80 Jahren, wo die Leute noch sonntäglich die Kirche 'schwarz' füllten und mitsangen, wo zu Hause noch gesungen wurde aus dem Schatz der Kirchenlieder, wo der eigene Großvater noch alles mit Kirchenliedern belegen konnte, in eine Zeit, wo neben dem Pastor auch der 'Köster' im Kirchspiel seine Bedeutung hatte, wo ein Besuch der 'Kösterschule' eine bessere Bildung bedeutete: 'Ik hef in dei Kösterschaul gahn', sagten stolz die Auswärtigen. Vor diesem Hintergrund spielt dies Bild damaliger Kinderzucht 139).
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135) 'Unfraurig.''Wo sei dor schra·hendörch möt, wo sei ein gra·gs Läden höbt, dor süht dat manchmal unfraurig ut.' Unfraurig = unreinlich, unordentlich, ungemütlich. 'Dat Wärer is unfraurig.' Wenn alles wieder gut ist, sagt man: 'Nu is ein'n doch öllig fraurig tau Maut. 'FRÔDIG = vernünftig, FRÔD = klug, weise' *Ik bün dat woll fraut worn' = ich habe es klug bekommen.
136) Aus Wangelau. - 137) Lehrerstuhl. - 138) Polt = Pult,
139) Damals saßen die Leute bei schärfster Kälte in der ungeheizten Kirche im Fußsack bis über die Brust. Jetzt, wo man die Öfen hat, "kamt nich mal so väl Lüd, dat dat Inhitzeln garnich mehr wert is". Das Wort Kirche (as. KERKE) sprach man früher im ganzen Kreise 'Kark', heute 'Ki·rch' mit langem i. Es hieß schon as. TE KERIKÔN
QUAMI. Ich habe aus dem Kreise die Formeln für das

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"Ik sei dann ohlen Lenz noch, wenn ik na bei Lehrers kiek. Hei har sien Bank vör sik. Un wenn dat anfüngn, räusper hei sik - Stimmgabel ant Ohr! un denn güng't los. Bi em müß allns stramm wäsen, rasch ant Wort; langtögsch kunn hei nich af."

So ergänzte der Alte mündlich das Bild 140).

Wir sind nun im Süden des Kreises im Gebiet der Rundung; man sagt 'wü höbt, hö·bt, hübt', 'wü wüllt, wü·t'. Man sagt hier auch (in 4 Dörfern noch) 'dei Küh' (= Kühe), nicht 'Käu'. Die Tonerhöhung dringt auch hier vor: 'Lirestaul, Kiarl', 'dur, durub' neben 'dor', 'unmittelbur' neben 'Hoor'. Merkwürdig ist die Schreibung 'ehm' für ,ihm'. Die Schreibung mit h tritt so oft bei Kindern auf, daß sie eine eintretende Erhöhung des e andeutet: 'em' neben 'ehm'. Der vierte Fall des Geschlechtswortes heißt im ganzen Süden 'dann' statt ,den': 'vör dann Köster'. Neben 'wäur' bei andern Kindern schreibt unser Junge 'wör' für 'war'. Die breite Form geht zurück, es erscheint das gerundete 'wör' für 'hei weer'. Der Zwielaut ist von vornherein im Süden und Südwesten ö-haltiger, man könnte schreiben 'wöeur'. Die volle Reihe wäre also: 'weir, weiäur, wäur, wöeur, weur', bei schnellem Sprechen 'hei wei, wöu, wö(ü)' (letzteres mit offenem ö). 'Hei tuß mi' ist ganz richtig; 'Hoar ward tuheld, dei Oarn ward zaust'.

Wir nehmen hier Gelegenheit, einmal an einem Stück die Entwicklung Alt zu Jung zu betrachten. Derselbe Alte erzählt 'vun den ohlen Henge-Kopp urrer Hinge-Kopp' 141):

Mien Großmutter, dei wüß ju all dei Dörpsgeschichten un dei het mi ok dit vörtellt. Doa is baben in'n Dörp ein Füer weß. Dat het Hengekopp bespraken. Dei kunn all so'n Zauberkram. Hei sett sik ub sien Peerd un is dreimal üm dat brennen Hus räden. Hei hett wull ok noch wat dorbi seegt. Dormit wull hei dann Brand utdon. Sien Peerd höbt dei Mähn'n un dei Schwanz brennt, un donn is hei na dei Leimkul rinräden. Vun dat brennen Hus 142) bet na dann Diek is ein langn Füerstrahl nahkam. Dat Füer is Rieder un Peerd natreckt in'n Diek rin.

Vergleicht man die Sprechweise des Alten mit der Niederschrift des Jungen, dann sieht man vor allem, daß keine Spur der Erhöhung des e oder o zu finden ist. Und dann sind die Rückstandslaute in den Endsilben nicht so knapp und sind ö-haltiger, während bei dem Jungen
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Kirchengehen zusammengestellt. Man vergleiche: 'Wi möd na de Kark' (Zwang; geradeso: wi möd tau Schaul).'Wi gaht na Kark' (selbverständliche Sitte). 'Wü wöt tau Kark' (Entschluß). Die heutige Form ist etwa: 'Wü wüllt tau Ki·rch'. Die drei Sätze zeigen die langsame Sinneswandlung in den Jahrzehnten.

140) Die Reihe der urkundlich bekannten Köster in L. wird würdig eröffnet durch Andreas Gerken, der mit dem Pastor Bading zusammen in Lütau die schwere Zeit des dreißigjährigen Krieges durchlebte. Als die Tillyschen 1627 alles zerstört hatten, gab er der Kirche in ihrer Not 40 Mark lübsch, was "Andream" ratenweise zurückgezahlt wurde. Der Pastor, der getreulich bei den Überfällen persönlich aushielt, kam schließlich um. Im Kösterhaus fand sich 1646 "weder Tisch, noch Bank, noch Stede, Summa Summarum nichts". Alles hatten die Schweden vernichtet. (Nach Angaben aus dem von Lehrer Eggers aufgefundenen Kirchenbuch.)
141) Henke Kop saß 1694 auf der Stelle Koop.
142) 'Dat brennen Hus' = d. brennende Haus. Ebenso: 'tauwassen, afbräken Maan' = zuwachsender, abnehmender Mond. 'Behöllern Kopp' = behaltender Kopf. Dagegen: 'Melken Käu', die gemolken werden. 'Kinnerkriegen is'n vergäten Krankhet', die vergessen wird. Wie ist es aber mit dem 'beslapen Kind'?

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schon die spitzere i-haltige Endung sich einstellt: 'Wangeloge', 'Lihre' neben 'freuer', 'ünnner'.

Das Wort 'lüjt' läßt noch eben die Spuren früherer Mouillierungen im Kreise erkennen. Ein fragevolles Rückbleibsel habe ich ans dem Munde gerade dieses Alten. Er erzählte die Glockensage von Lütau und sprach den Glockenvers so, wie er bisher noch nicht ausgezeichnet war: 'In Lülüj will ik hang'n, süß dau ik na dei Eer rinsang'n.' Er sagte, so hätte man immer - als sie noch Kinder waren - gesagt, 'as wenn dor noch wat achder wör, en ch oder j'. Was ist nun 'Lülüj'? Offenbar nichts anderes als Lütt-Lütt, mouilliert
'Lüjtlüjt' - Lü·lü·j 143).

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Nr. 14. VOND' BUSCHBIN'N.

Min Vadder hett' al' manchesmal hiei 144) in de Ümgegind Busch bu'n. De Abeidsgäwi wahnt in Geesthacht 145) un heid Piep. Nu feui min Vadder jedin Dag mit sin Rad na sin Abeidsstell'. Un ik, wenn ik Middags ut de Schaul kam'm de, bün ik em öftis nahfeuit. Wenn ik denn Middags em nahfeuit bün, hett' hei sik fröt; denn ik wull' em jü helpen. Nu güng de Arbeit los. Ein Biel har hei mie all' mitnahmen; denn hei wüß jo all', datt ik kamen de. Ik neum denn dat Biel un sleuch de Büschi 146) aff. Denn läh ik se int Bund tosa'm, un Min Vadder bün se denn tosam'm, un üm jedes Bund müßin twei Drö'h bun'n warden. Dit kunn ik noch nich olich; denn de Drö'h möht olich stramm rüm bu'n wadin. Denn Wad de Draht afräten, un man brukt kein Kniptang dua bi. Dit Dratafrieten kann ik ok al; denn dit kümt doch ei'n lüdden Kniff; denn brukt man bloß
an Draht tau trecken, un hei ritt' aff. So geht dat den'n ganzün Dag bitt an Abend henn. Denn geht dat annern Dach werri los. Un Sündagsmogüns halt min Vadder Geld. Un ik bün ok al öftis, wenn dat schön'n Wärü weuü, mitfeuit.

(Aus Gülzow.)

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Es handelt sich um Stackbusch, das nach Lauenburg kommt und an den Elbufern zur Befestigung verwandt wird. Ich ließ mich mit dem Schreiber damals in ein Gespräch ein. Sein Vater war arbeitslos. Wie er dies auf Befragen sagte, ging ein so hilfloses Rot über seine Wangen, daß einem ob dieses Leides traurig wurde. Ich ließ mir dann die kleine Niederschrift von ihm selbst vorlesen. Und nun stellte sich etwas Merkwürdiges heraus, was ich nachher ÖFTER
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143
) Welchen Sinn dies haben will, hat Lehrer Eggers in L. aufgefunden in einer vorher nicht bekannten Erzählung aus dem Munde einer Lütauerin, die er mir mitteilte:
I. Fröher hett Lütoch 'Lütt' heiten. Dat Dörp leig wierer na dei Wischn dal. N' Kierch har Lütoch nich. Doa hett ein Borg stan. Mien Vahrer hett noch ümmer segt, wer in dei Borg wahnt hett.
II. Doa sünd in Lütoch twei Dörper weß: Groten Lüt un Lütn Lüt. Lütn Lüt wör ünnen in't Dörp. Grotn Lüt leig baben in't Dörp.
144) hiei = hier (hie=i). - 145) meist 'Gizach' gesprochen. - 146) Hasel, Esche, Birken, Erle.

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gefunden habe. Der Junge las anders, als er geschrieben hatte. Er hatte geschrieben: "Ein Biel har hei all mitnam'm." Das las er: "En Biel har he all mitnam'm." Er las also 'he' statt 'hei'. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, wurde er selbst stutzig und verstand sich selbst nicht. Bei andern habe ich es gehabt, daß sie dann plötzlich über sich selbst lachten (Mädchen!) und eiligst über das Geschriebene fuhren, um es zu ändern, wenn sie 'wäur' geschrieben und 'wör' gelesen hatten. Das ist so in den Übergangsgebieten. Die Kinder lernen zunächst die engere Ortssprache. Dann mit wachsendem Umgang hören sie die Sprache des weiteren Verkehrs und, ohne daß sie es wissen, sprechen sie e für ei, glauben noch, daß sie ei sprechen, wenn es schon ein e in ihrem Munde geworden ist. Die Noten sind noch dieselben; aber das Instrument ist anders gestimmt. Die Note ei wird angeschlagen, aber e erscheint. Die Übergangsgegend unterliegt dem Lautzwang. In diesem Fall ist es der Lautzwang von Hamburg her, der den Einlaut e für den Zwielaut ei, o (ö) für au (äu) erzwingt, welche Erscheinung natürlich keine organische Entwicklung ist, sondern eine Überfremdung. Und diese Überfremdung mit auswärtigen Sprachelementen macht auch die genaue Feststellung des Vorhandenen im ganzen Strahlungsgebiet von Hamburg schwierig.

Unsere Arbeit ist noch recht rein. Es fällt das Rückstands-i auf (gilt für die ganze Gegend), das sich hier natürlich rundet (ganzün, Warü). 'Arbeit' mit fremdem ei. Hübsch ist die Wiedergabe der Angleichung des m in 'kam'm', 'tosam'm'.

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Nr. 15. PUTTSLAHN.

"Minsch, Minsch, Wat knipt min Hat." Hilde seg: "Wenn ick Königin wür, dinn gev ick jü drei Dahler." Na, wat meens, de ull lütt Kruber von Edith Dehling wür dat. Hilde seg: "Winn ick dat weß wür, dinn wür ick glik son poor düsend Meder tohöch sprugn." Edith seg: "Hoffenlich ward de grod Laps von Korl Heedmann nich König." Na, hier harn wü· ehr ja ub achzig, as se grad in de größte Wut wür, don hör se, dat Otto Kiehns König wer. "Jü ull Tüderhinnicks höp mie je wat fölagen." Uns leiwe Lehrer seg: "Na min  Dern, hes du de erste Tall?" Edith freud sick wi ein Stint, dat se un Otto Kiehns dat Königspoor sünd. Edith löp de Del up un dahl, se kunn dan Marsch nich mehr aftöben. As wü bi de Wirtschaft weren, wür dat Hallo dor.

(Aus Kröppelshagen.)

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Scheinbar ist nichts unter dem "Putt" gewesen. Mindestens in einem Dorfe besteht noch der alte Brauch. Unter dem einen Topf ist ein Hahn, unter dem andern eine Henne, unter dem andern eine weiße Taube. Aber auch ohne solchen 'Vogel', das Herz kneift doch!

Der Akkusativ .dann' zeigt sich. Das Fürwort 'juch' wird im ganzen Süden zu jü(ch); diese Form (Dat. u. Acc.) greift auch in den ersten Fall über: 'jü' statt 'ji'. 'Jü Tüderhinniks. ''Hinnik' steht meist für 'Heinrich' (Heindrich). Auffällig ist hier die im Süden für

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einen ganz kleinen Bezirk geltende Erhöhung von e > i, o > u. Sie zeigt sich im vorliegenden Absatz in: dinn < denn, winn < wenn, Minsch < Mensch. Überfremdet ist: 'wat meens' < meinst; 'Edith freut sik' < fröd.

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Nr. 16. STÖRM.

Dat wäur in'n Juli. Do wäur ne grobe Hitt. Wü wäurn grad bi de Orn anfongn. Do wäur ick mit min Vadder na Pampau. Dat wäurn schönen Sünndag. Wü sweten as wü in Pampau wäurn. In Pampau späl ick mit de Kinner, und min Vadder vetell sick wat mit de Eroten und güng in'n Felln rüm. Abens Klock sös wulln wü wedder na Hus. As wü in Swattenbäk 147) wäurn, trög'n Gewidder hoch, wü fäuhrn rasch tau; denn dat füng ümmer duller an tau blitzen und tau dunnern. Wenn dat blitzen dä, wäur Hogenhorn 148) ganz hell. Endlich wäurn wü tau Hus. Ick freu mi. Awer wü harn de Däur 149) noch gon nich ganz tau, do füng dat an tau störmen. Wü güng rasch in uns Hus rin. Dat füng ümmer duller an tau störmen und blitzen, und dunnern dä dat ok. Wü seiten all up'n Flur. Keiner mügg ein Wurt seggen. Man kunn dat Dunnern vö dann Störm gon nich hörn. Ganz allmählich läut de Störm na. Do güngen wü tau Bett. Ick släup de Nacht ganz unruhig. As wü morgens upkäumen, wäur uns grot Appelbom ümweiht. Uns Appeln
und Kirschen wäurn benäh all rünner weiht. In twei Hüser von uns Dörp wäur ein Lock int Dack räten. De Störm harr in väle Dörper Schaden makt. Dat is de düllste Störm, dann'n ick bet jetzt erlevt hew.

(Aus Fahrendorf.)

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Die kleine Schreiberin, die eben die Grundschule verlassen hat, liefert einen hübschen Beitrag zur Beobachtung der Grenze. Nicht lauenburgisch sind 'ümweiht' statt 'weht', 'ik freu mi' statt 'fröd', 'trög'n' statt der schwachen lbg. Form 'treck'n'. Man vermißt in der Gewitterschilderung das Wort 'grummeln', das das leichte Grollen des Donners
bezeichnet. Das dd ist nicht > rr: Gewidder. Von den Vierlanden her ist Einfluß in 'Däur' = Tür. Richtig ist 'Swattenbäk'; man hört auch 'Zwattenbäk'. (Im Nominativ 'dei Swa·t', der Schwarze; in andern Fällen 'denn Swattn', den Schwarzen.) 'Swattenbäk' ist gut; aber 'Schwarzenbek' ist eine messingsche Form, es müßte 'Schwarzenbach' heißen. 'Grode Hitt' = große Hitze. Das Eigenschaftswort 'heiß' ist bei uns 'heit', lübsch 'he·t', holsteinisch 'hitt'. Tonerhöhung hat nicht statt: 'Hogenhorn', 'Orn'. Das "äu" lautet nicht mit ei oder offenem ö an, sondern klingt hamburgisch-vierländisch, vom offenen o ausgehend. 'Störm' sagt man im Süden, sonst heißt es 'Storm', 'Sto·ebm', in der St. meistens 'Sturm' in der L. auch aus dem Hochdeutschen: 'Stu·rm', 'Stu·ebm'.
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147) Schwarzenbek. - 148) Hohenhorn. - 149) Tür.

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Nr. 17. WAT UNS VARRE UNS VON LOHRIDN VETELLT.

Wenn freue in Freujohr dat Land un de Eiken greun würn, güngn dat Lohridn 150) los. Von morgens bät abends weuern jung un olt dorbi beschäftig.

Schon morgens freu wüer ein Feuer 151) ranhahlt. Dit Feuer müß in dann sülben Dag noch affkloppt warn, denn dann annern Dag leut sik dat nich mehr affrid'n.

So wie dit Feuer ran weuer, würd afflat, denn utzned'ld. Dick un Dünn wüer vö sik smädn. Dat Dick wüer up twei Bück lecht, und mit'n Lohstäke affborgt. De dünn Telgens wüern mit'n Biel urre Hamer up'm Hoblock affklopp. Wenn dat Feuer nu affborgt weuer, wüer de Loh up grobe Lerren dünn ud'nanne legt taud'n Drög'n. Wenn se nu ördnlich dröch weuern, würd'n se in grode Bünn mit'n Kalwebick" 152) tausam bunn un up de Hill pack. Up de Hill bleif de Loh Wochener drei lig'n.

Ein Mann müß denn von de Loh dann Muß rünnekratzen, und de annern dat up de Stelasch henlegn, dat se man ümme so wech hog'n kunn. De Stücke würd'n hogt as'n Finger lang.

Wenn nu all'ns geput weuer, würd in Säck kräg'n un affwag'n.

Betahlt wüer de Loh denn tunnwies; ein Tunn weuern hunnertuntwölf Pund. De Pries vö ein Tunn wöer fief bät söß Mark.

Nu wüerd up'n Wagen lad un in de Stadt na de Lohgawers feuert; douert wüer de Loh mahlt, un taud'n Fellgab'n brukt.

Besonners in grod'n wüer dat Lohridn in Sachsenwohl bedräm.

Douer wüern jedes Johr de Düsende von Tunn's rät'n, ungefähr veierteindag lang müssen de Dacklöhners, de ümme in' Wohl arbeit'n dehn, jeden Dag Lohridn. De ganse Arbeit wüer an Ouert un Stäh in Wohl magt. Wenn se nu mit all'ns ferrig weuern, äwerneum de Bur'n dat feuern. N u würd na Hus feuert un up'm Stroh- un Kouernböhm bröch, de doch in Freujohr lerrich weuer. De Bur'n kreig'n vö de Arbeit vö de Tunn so bie'n Reichsmark rüm, douerfö müssen se de Loh ud'n Wohl hahln, na Hus hen un denn naher nad'n Lohgawer feuern.

Hunnert Dalä hebt wecke Burn dormit böert. De Eik'n leut'n de Bur'n up de Knick'n föftein Johr olt warn, weil de Loh denn ahn Muß weuer un se denn mehr Gild dourfö kreig'n.

De Hauptspaß weuer, wenn de Dacklöhners nu bist geputhog'n keu'm. Lingelanghenlang up de grobe Dähl seit'n föftein bät twindich Mann, jedä har vö sik ein Hohblock, un weuern lustig biet geputthog'n. Güng nu up'm letzen Ress, denn wüer wett, wie fähl Tunn's se woll schon har'n, un wie fähl woll noch na weuern.

Wecke nu völorn har'n, bei müßn ein'n utgäbm. So neum dat Lohridn teletz ein lustiges End, un de Bur'n fröh'n sik, dat se in de flaue Tied schön bäd'n Gild vedeint har'n.

(Aus Dassendorf.)

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150
) Lohridn = Abreißen der Eichenrinde. - 151) Feuer = Fuder. - 152) Kalwerbick = dünner Strang.
 

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Die Schilderung gibt uns ein Arbeitsbild aus alter Zeit. "Hilgen drei Königen het dei Dag 'n Hahntritt gewunn' un ub Lichmessen 153) en Stunn; wi hunghangt uns dor denn so henlangn." Das will sagen, daß im Frühjahr die Vorräte knapp wurden, es begann ein natürliches Fasten. In diese Zeit fiel nun die Ernte aus dem Walde. Man kann sich denken, welche wirtschaftliche Bedeutung sie gehabt hat, wenn während dreier Wochen ein solches Geldverdienen anhob. 'Dor würr Gild böert', eingenommen (von 'bören' = tragen, heben).

Die 'Lohe' ist die Eichenrinde, die abgerissen, 'abgeborkt' wurde. Die Rinde wurde auf den Lohmühlen verarbeitet und vom Lohgerber verwertet. Die starken Eichen tragen eine mächtige Rinde. Das Moos ('Muß') ist nicht dienlich und muß entfernt werden. Bei starkem Frost springt die Rinde, und der Baum reißt auf. Zwar verwächst dies wieder, aber der Baum ist nun 'ieslödig', er kann nicht mehr als Pumpenbaum gebraucht werden, er läßt als solcher das Wasser fallen.

Sprachlich können wir uns knapp fassen: Die eu-Laute in unserm Absatz lauten mit offenem o an. 'Gild' für 'Geld' erinnert wieder daran, daß hier ein kleiner Bezirk besteht, in dem e und o zu i und u gehoben werden. Das ou in 'Ouert', 'Kouern' drückt ein verbreitertes o· aus.

'In Wohin' bedeutet 'im Sachsenwald'. Aus ihm holte man die Eichen. Eichen werden bei uns gern 'Hester' genannt. Wo der Flurname 'Hester' auftritt, und das geschieht oft, darf man sicher sein, daß dort noch einzelne Eichen oder ein Eichengebüsch an früheren Eichenbestand erinnern. Anderswo bedeutet 'Hester' junge Buche (mnd. HEISTER, HESTER, frz. übernommen HÊTRE). Die Ableitungssilbe '-ter' (indog. dereu, got. triu = Holz, Baum) bedeutet allgemein 'Baum'. Ursprünglich war die Eiche damit gemeint als der Waldbaum schlechthin. Die Eiche muß früh als Sinnbild der Festigkeit gegolten haben; denn von ihrem Namen sind Ableitungen gebildet, die 'treu, fest' bedeuten 154). Die Silbe '-ter' aus 'Hes-ter' finden wir bei uns auch in 'Wacholder', 'Flieder'. Das mnd. APDELDER hat sich bei uns erhalten als 'Kusäweldurn' (< Krusäpeldurn), womit der Feldahorn bezeichnet wird, der früher zur Herbsteszeit im Knick wegen seines Holzes nachgesucht wurde. Der eigentliche Ahorn wird 'Lö·n, Lä·n, Lünn', hd. Lenne genannt (anord. HLYNR, ags. HLYN, mnd. LON). Die erste Silbe aus 'Hes-ter' findet sich in unserm Kreise wieder in der 'Häse', wie der Wald zwischen Schnakenbek und Grünhof genannt wird, welcher Name also in seinem ursprünglichen Sinne Buchenwald oder Eichenwald bedeutet. Die Buche ist bei uns ein späterer Baum (ags. BOC-treo, anord. BÔK; das polabische BÄUK ist aus dem Germanischen entlehnt). Es fällt auf, daß es bei sonst weiblichem Geschlecht der Früchte heißt
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153) Die Zeit wurde genau gemessen. Man ließ die Betglocke gehen: Julanfang (21. Dez.) um 8, 12, 4 Uhr. Lichtmessen (2. Febr.) um 7, 12, 5, mit dem Frühling (21. März) um 6, 12, 6 Uhr. 'Freuer hür man dat, wat dat in' Febewuor oder in' Prilmaan wöeur, ubstäds slat sei all'ns vekiart.' Die Betglocke stand ehern fest.
154) Iudogerm.[sic!] DEREU = Baum, griech. DRÜS = Eiche, got. TRIU, as. TREO, TRIO = Baum. Dazu: as. TREUWA = Treue, TRIUWI, treuhaft = treu, ags. TREOW = Vertrag, Waffenstillstand.

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'der Apfel' (männl.) und 'dat Bauk' (sächl.): 'Eckern und Bank.' Die Eiche ist der bei uns ältere Baum. Ein lichter Eichenwald muß die alte, jetzt gerodete Sachsenwaldlandschaft gewesen sein. An den Eichenbestand im Lande erinnert noch ein anderes Wort für 'Eiche'. Das lateinische Wort für Eiche QUERCUS ist im ahd. VERCH-EIH, langobardisch FEREHA, in älterem Nhd. Ferch "Eiche" erhalten. Danach bedeutet unser Farchau (früher VERCHOWE) die 'Eichenaue'. Die Judenbäk, die dort in den See fließt, wird heute so benannt nach der Anhöhe, dem 'Judenberg', wie er auf den Flurkarten des 18. Jahrhunderts bezeichnet ist. 'Judenêken' heißen die ältesten Eichen in Westfalen im Sinne von Jodeneken = Wodanseichen 155). Wir finden die Bezeichnung noch einmal in 'Verlôh'. Das ist eine Flur bei Wentorf (Bergedorf), die durch einen Opferstein ausgezeichnet ist, der als solcher durch altes 'Sagen' bezeugt wird. 'Verloh' ist ebenso 'Eichenwald'. 'Loh' ist die bewachsene Lichtung, wie sie im Eichenwald sich darstellt. Wegen des Alters der Bezeichnung möchte man nicht an 'Föhrenwald' denken, was an sich auch möglich wäre (ahd. FORHA = Kiefer). Die verschiedenen Flurbezeichnungen im Norden wie im Süden bringen uns noch einmal das Bild des alten lauenburgischen Waldes vor Augen. Die alten Germanen haben ihn nicht gerodet. Ihnen war er die Burg ihrer Freiheit, wohin sie sich zurückzogen, wenn der Feind ins Land kam, wie es uns ja von den Langobarden berichtet wird; er war ihnen das Waffenfeld, auf dem ihre Jugend Mut und Tüchtigkeit erwarb im Kampf mit Wolf und Bär, mit Eber und Stier; er war ihnen Stätte der Erhebung: in der einsamen, großen Natur, unter Eichen ehrten sie ihre Götter. Doch gerodet haben sie den Wald nicht. So blieb der Wald ein wertvolles Spargut, das bis ins Mittelalter erhalten blieb. Da erst kamen die Deutschen, nahmen diesen altgermanischen Boden mit dem Schwert wieder in Besitz, machten aus ihren Schwertern wieder Pflugeisen 156) und schufen sich mit Axt und Pflug die neue Heimat, wie sie heute ist. Der Namen des alten Sassenwohlds ist uns geblieben - allen Deutschen ein Heiligtum.

(Schluß folgt.)

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155) 'Juden, joden' wird als 'GODEN, WODEN' = Wodan verstanden. So wird es im as. Heliand gebraucht, wo JUDINASHUVIL im Sinn von 'WUDINANSHUVIL'
gefaßt wird. Wäre unsere Auffassung richtig, so hätte sich der Name Wodans bei uns erhalten nicht in der Form mit 'g' (goden oder ähnl.), die man finden möchte, sondern nur in der Form mit 'j' oder 'w'. Das letztere in der Wendung ,dei Wau swäft in dei Luft', dann in dem 'Wau-spiel' (für das parallele Beispiele aus Mecklenburg vorliegen) und in der Redensart 'dunn würr hei so wau' o. ä., was sagen will, er wurde 'übermütig' (von einem Menschen, den das Schicksal verwöhnt hat). Es ist schade, daß ein so charakteristischer Ausdruck für die ,das Schicksal nicht mehr ehrende', überhebliche Gemütshaltung untergeht.

Man kann sich nach allem die Landschaft am Südende des Ratzeburger Sees ausmalen, wenn man die alten Flurnamen zu Hilfe nimmt: Baarenhorst (Bärenhorst), Rooksneß (Rabenhorst, mnd. RÔK = Kolkrabe, Krähe), Moor-Voygl (Moorübergang).

156) Das Pflugeisen, die Vorschar, heißt hier 'Sick' oder 'Zick'(-isen), nhd. Sech. Das Wort ist wohl verwandt mit 'Sachs' ('Stein'schwert oder -messer), 'Tseke' (in Dithmarschen ein Dolch), mit 'Sense' = 'Seeßel, Seeß' (ahd. SEGANSA, ags. SICOL, SIGDHE). Alle bilden eine Gruppe um die Lautfolge z-k (s-g), die an den im Zickzack niederzuckenden Blitz erinnert. 'Sick un Seeßel', Pflug und Sense, sind die rechten Wahrzeichen des Landmannes, wie auch der wohl älteste Bauernhof im Lande (Basedau in Basedow) eine Sichel im Wappen führt.
 


 

 

 
 

 

 

 

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